Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

MARIA


Eine Verserzählung
Von Josef Maria Mayer

„Marions nous à la Vierge Marie!“





ERSTER TEIL


Ja, ein Lied will ich beginnen
Heiliger Madonnenminne,
Ewiglicher Königin!
Wohlgerüche meiner Seele
Mir purgieren meine Brust
Von dem Übel allerzeiten.
Ja, ich weiß, ich muss nun schreiben
Von dem Weib, das allen Weibern
Ihre Sünden abgenommen,
Von dem Ersten Weib der Welt.
Gott erwählte diese Magd,
Daß der Mann und auch die Frau
Licht den ewiglichen Körper
Mit der Zierrat schauen können.
Sie gebar den schönen Sohn,
Sie ist aller Weiber Wonne.
Alles hat sie unterlassen,
Was an Schuld verübte Eva,
Hat den Sündenfall gesühnt,
Ihre Keuschheit leuchtet immer.
Nun, wir wollen uns getrauen
In der Stunde unsres Todes,
Dass sie uns aus unserm Elend
Führe in das Himmelsland
Und uns Seligkeit gewähre
Ewigkeiten, Ewigkeiten,
Darum rufen wir sie an,
Pflegen die Madonnenminne.

Himmelsfrau, o Himmelsfrau,
Mit dem Morgentau des Geistes
Du begieße mir mein Haupt,
Daß ich deinen Lobpreis singe
In der ruhevollen Muße,
Mir zur Sühne und zur Buße
Für das Übel, das ich übte,
Der ich nie an dir gezweifelt
Und an deinem süßen Kind.
Ewigliche Gottesmagd,
Lass mich selig das genießen,
Daß du niemals mich verlassen,
Deinen Bräutigam auf Erden,
Der dich seine Herrin nannte.
Du bist heller als der Tag,
Aller Tugenden Geschmack
Fließt zu mir aus deinem Schoße.
Denk doch an die große Freude,
Die gebracht der Engel dir,
Da gedacht an dich die Gottheit
Und an alle Menschennot,
Dir entbot den Engelsgruß
Hier in diesem Tränental,
Daß er dich zu einer Wohnung
Seiner Gottheit wollte weihen.
Ach du mögest mir verzeihen
Meine listenreichen Reden.
Du bist die Allmächtige
Gleich nach dem Allmächtigen!
Eng und dicht will ich mich schmiegen
Ewiglich an deine Gnade.
Du bist wie der feuchte Tau
Auf dem Vlies des Gideon.

Hier soll jetzt die Stelle sein,
Wo ich sage und verkünde,
Die Materie Mariens
Unter geistgewirkter Herrschaft
Ich besinge nach Matthäus
Und dem Evangelium,
Welches uns verkündet Jesus
Und die liebe Mutter Jesu.
Ja, er schickt genug der Zeichen
Von der Mutter Jesu treu.
Was die Reden nun betrifft,
Daß die Schrift, als ich geschlafen,
Mich zumeist erwecken musste,
Zu entdecken ist die Lehre
Über dich durch die Beschauung,
Daß die lieben Gotteskinder
Finden dran ihr süßes Manna.
Nur der Eingeweihte wird
Diese Lehre wohl begreifen,
Daß die wahre Christenheit
Stürmen muss mit Sturm des Geistes
Gegen Lindwurm oder Schlange.
Wir erstehen von der Schule
Der unweisen Finsternis
Zu dem ewiglichen Licht.
Gott hat uns aus Nichts geschaffen,
Gott heißt darum Unser Vater.
Und nun bitten wir die Mutter
Gottes um den Segen Gottes.

Von dem ewiglichen Urschein
Könnte ich euch wohl verkünden,
Von der makellosen Lilie
Und der dornenlosen Rose.
Raten möge mir Maria,
Mir mit ihrem Beistand helfen,
Daß ich sie in deutscher Sprache
Preise, wie es ihrer würdig,
Daß sie selbst dies Buch mir schreibe,
Auf dass alle, die es lesen,
Fromme Laien oder Pfaffen
Und geliebte Kinder Gottes,
Süßigkeit erschmecken können
Von dem eingebornen Sohn
In der Jungfrau Mutterschoß.
Mutter Gottes guter Hoffnung,
Allzeit blieb intakt dein Hymen,
Immerjungfrau, Unverletzte,
Ja, ich muss auch dies bezeugen,
Wie sie voller Gnade ist,
Sitzt ihr Kind ihr auf dem Schoße,
Welches Leben, Weg und Wahrheit,
Leuchte, die das All erleuchtet,
Und das Höchste aller Wesen.
Er mein Leben, er mein Sterben,
Er mein Hirte, er mein Brot,
Er der Tau und er die Rose,
Er mein Gold, er meine Ruhe,
Unbefleckt und ohne Makel,
Er der Vater, er der Sohn,
Er die Einsicht, er die Weisheit,
Er der Große, er der Kleine,
Er ist der an Tagen Alte,
Uns zu unserm Heil erschienen.
Er nahm Fleisch an und Gebein,
Weiß wie Schnee war seine Seele.
Er zerbrach die Kerkerkette,
Damit Satan uns gefesselt,
Darum loben wir den Retter,
Unsern Heiland und Befreier.
Schau, sein Zelt steht in der Sonne,
Auf dem Brunnen ist sein Siegel.
Sie, der samenlose Acker,
Trat mit ihren bloßen Füßen
Auf die Schlange unter Rosen.

Was Matthäus einst geschrieben
Für die Jüdiunnen und Juden,
Will ich heute übersetzen
Für mein vielgeliebtes Deutschland,
Deutsche Männer, deutsche Frauen,
Mit der deutschen Muse Beistand
Und dem Kuss des Geistes Gottes.
Ich kenn wohl des Teufels Tricks,
Daß wir uns die Hälse brechen,
Weil unfromme deutsche Leute
Uns verklagen unsres Glaubens,
Uns verklagen unsrer Weisheit,
Uns verklagen unsrer Minne!

Doch zum Tausch für euer Fluchen
Ich empfing den Segen Gottes.
Ich bespreche deutsche Leute,
Und mir helfe Sankt Matthäus,
Daß wir alle Manichäer
Noch zum Christentum bekehren!
Keiner wollte sich bekehren
Zu des Christentumes Wahrheit,
Weil sie auf der Manichäer
Lügenlehren immer hören.
Luzius, der Manichäer,
Ward verworfen von der Weisheit
Und begraben in der Erde,
Heut weiß keiner mehr zu sagen,
Was der Ketzer früher lehrte.
Doch das Evangelium
Von Matthäus helfe uns
Und Hieronymus, der Dolmetsch,
Steh dem deutschen Volke bei!

In des Altertumes Zeiten
War die Gottheit nicht bekannt
Bei den Völkern dieser Erde,
Wohl bekannt in Israel,
Bei den Heiden unbekannt,
Welche Göttinnen und Götter
Ausgedacht nach Satans Rat,
So erlitten Schaden sie
An der Seele und dem Körper.
Doch die Wahrheit über Gott
Bei den Kindern Israels
Kannte Vater Abraham
Und der hochgelobte Moses.
Diese waren Gott gehorsam,
Isaak und Jakob, der
Schaute einst die Himmelstreppe,
Kannten Gott von Angesicht.
Jakob kämpfte mit dem Engel,
Bis die Morgenröte anbrach
Und der Engel ihn gesegnet,
Ihm verrenkte seine Hüfte,
Weil der Engel ihn gedrückt.
Diese waren so begnadet,
Diese frommen Patriarchen,
Daß sie Gottes Antlitz schauten
Und vernahmen in den Sphären
Chöre auch der Heeresscharen.
Also grüßet mir die Engel,
Wunder werdet ihr vermelden!

Aus dem Volke Israel
War dereinst ein Kind geboren,
War ein Mann auf dieser Erde.
Gott hat diesen Mann erwählt
In dem göttlichen Gedanken
Und Joachim war sein Name,
Er war einer von den Besten,
Den die Sonne je beschienen.
Seine Einfalt war so rein,
Daß er seinen Ruhm genossen
Vor dem Herrn und frommen Menschen.

Und Joachim war bereit
Für den Heilsplan unsres Herrn,
Reiner Becher lichter Sonne,
Denn er war des Mädchens Vater,
Welche alle Engel rühmen,
Als die zarte Pflaumenblüte
Preisen sie zu Saitenspielen,
Die jungfräulich Mutter wurde
Durch die göttliche Potenz,
Welche alle Geister rühmen
Als die enge Tür des Himmels
Und die aufgeräumte Kammer,
Deren Wohlgeruch der Rose
Uns zusammen bringt zu Gott,
Ihrem Gott und ihrem Sohn.

Und der Gottesmann Joachim,
Er erlangte große Ehre,
Denn bereits in seiner Kindheit
War er fleißig bei der Arbeit.
In der schönen Jugendzeit
Führte er die Herde Schafe
Immer auf die grünen Auen.
Immer hielt er auch das Fasten
Und tat seinem Leibe weh.
Krankheit trug er mit Geduld,
Voller Demut, voller Sanftmut.
Immer teilte er die Speise,
Blickte immer zu dem Himmel.
Einen Teil gab er den Armen
Herzlicher Barmherzigkeit
Und den Witwen und den Waisen,
Und den zweiten Teil dem Tempel,
Nur den dritten Teil behielt er,
Daß er auch zu essen habe
Für die kurze Zeit des Lebens.
Immer sagte er die Wahrheit.
Mit Almosen und Erbarmen
Hat geläutert er die Seele,
Gott gab darum seinen Segen,
Frühjahrsregen, Spätjahrsregen,
Morgentau und Abendtau.
So verlieh ihm Gott viel Vieh,
Viele Lämmer seiner Weide,
Vieles Heu und vieles Gras,
Und gewährte ihm das Heil,
Wie es keiner sonst genoss.

Als er zweiundzwanzig war,
Nahm er sich ein schönes Kind
Gottesfürchtig zu der Ehe,
Keuscherer Geburt geboren
War doch nie ein kleines Kind.
Die er sich erkoren, war
Aus dem Königshause Davids.
So behielt Joachim fromm
Seinen Leib und seine Seele.
Oh so schön war seine Frau,
Oh so schön und oh so hold,
Daß sie alle, die sie sahen,
Lieb gehabt von ganzem Herzen.

Jedermann erwies ihr Gnade
Ohne jegliche Begierde.
Dieses Mädchen lebte geistlich,
Gab Almosen an die Armen
Und sie brachte viele Opfer
Schon in ihrer frommen Kindheit.
Niemals gönnte sie sich Ruhe,
Sondern wachte in den Nächten,
Tat sich weh mit strengem Fasten.
Ihre Güte lobten alle,
Doch zumeist der Herr des Himmels,
Der auch Herr der Erde ist
Und den Sand des Meeres zählt.

Dieses Mädchen war erwählt,
Daß sich alle durch ihr Vorbild
Bessern mögen, alle Kleinen,
Bessern mögen, alle Alten.

Voller Freude war Joachim,
Keiner plagte ihn mit Neid,
Sondern liebevoller Ehe
Lebten liebend sie zusammen.

Diese liebe Frau hieß Anna,
Anna, das bedeutet Gnade,
Das bedeutet Grazie auch.
Gratia plena wird genannt
Auch die Frau aus ihrem Schoße,
Die als Himmelskönigin
Uns das Paradies erschlossen,
Welches Eva uns verscherzt!

Der nun Annas Vater war,
Hieß mit Namen Issaschar,
Sie war seine liebe Tochter.
Dieser Vater lebte fromm
Nach den Weisungen des Herrn.
Anna aber in der Seele
Hatte Grund zu großer Klage.

Denn die liebe Fraue Anna
Lebte zweiundzwanzig Jahre
In der Ehe mit Joachim,
Ohne dass sie ihm geboren
Hätte eine Leibesfrucht.
Das tat ihnen wirklich weh.
Ach, sie dachte, dass ein Fluch
Ward gelegt auf ihre Ehe,
Weil sie nicht entbunden wurde
Einer süßen Leibesfrucht.
Eines Tages kamen sie,
Um das Wort des Herrn zu hören,
In den Tempel ihres Gottes.
Und Joachim stand im Tempel,
Da die Priester und Leviten
Gott die Opfer brachten dar,
Rote Rinder, reine Lämmer.
Ach da stand Joachim da
Mit der kleinen Turteltaube,
Sein Versäumnis in der Ehe
Aufzuopfern Gottes Willen.
Dieses kleine Opfer brachte
Ihm Joachim dar, ein Paar
Unschuldvoller Turteltauben,
Daß er sie auf dem Altar
In dem Rauch aufgehen lasse
Und den Rauch gen Himmel sende
Als genehmen Wohlgeruch
Für die Nase seines Herrn.
Doch da stand der Hohepriester
Ruben, zu Joachim sagend
In der Härte seines Herzens:
Du sollst nicht zum Opfer kommen!
Denn wir haben dich verstanden,
Gott verfluchte dich, Joachim.
Deine Sünde ist so groß
Und zu viel sind deiner Sünden,
Gehe fort aus Gottes Haus,
Sondre dich von den Leviten
Und den Priestern ab, Joachim,
Wärst du nämlich uns gesellt
Als Genosse, Gottes Fluch
Würde uns mit dir verderben!

Ach mit seinen weißen Händen
Wischte er die heißen Tränen
Von den feuervollen Augen.
Ja, das war ihm Schmach und Schande,
Doch wollt er die Übeltaten
Jener Frevler nicht vergelten.
Nein, er ging nicht mehr nach Hause,
Wollte sich von seinem Weibe
Lieber still und heimlich scheiden,
Von der wonniglichen Schönen.
In der Wüste wollt er wohnen,
Fern den Leuten dieser Welt.
Gott der Herr hieß ihn die Herde
Auf der grünen Aue weiden.
Für die Herde wollt er leben,
Wollte seinen Zehnten geben
Und Almosen für die Armen.
Ach mit Klagen und mit Kummer
Wollt er in der Öde leben
Wie ein Idiot im Wahn!

Als das Herrin Anna hörte,
Daß ihr lieber Mann Joachim
So vor Gott voll Leiden war,
Wär sie lieber tot gewesen!
Diese menschliche Genossin
Quälte ihren schönen Leib,
Schwächte ihren schönen Köper,
Lamentierte laut von Herzen!

Ach dass ich auf dieser Erde
Leben soll als eine Witwe,
Während noch mein Gatte lebt!

Ach sie musste da erbleichen,
Ihre Schönheit ward verzehrt,
Alle ihre Freude starb.
Ihre Arme hob sie hoch
Zu dem Herrn im Himmelreiche,
Zu des Paradieses Gärten,
Also sprach sie voller Kummer:
Ave, o du Gott der Allmacht,
Meine große Not der Seele
Mögest gnädig du bedenken.
Ich will dir nicht widersprechen,
Sondern leiden, was du willst.
Doch wie groß sind meine Ängste!
Welche Freude möcht ich finden,
Die du mir mit Kindern schenkst,
Kinder sind doch meine Freude!
Ach dass du mir nun genommen
Den Geliebten, den ich liebe!
Darum bin ich voller Kummer!

Was du willst, das muss geschehen.
Tote werden auferstehn
Und die Armen machst du reich
Und die Reichen schickst du fort.
Alle Menschen müssen sagen,
Daß du bist der größte Meister.

Deine Augen sehen alles,
Sehen allen Sand des Meeres,
Alle Blätter in dem Walde,
Alle Blüten in den Gärten.
O du ewiglicher Urschein,
Der du alle Sterne zählst,
Kennst die Galaxien mit Namen.
Alle Welten dienen gerne
Deiner großen Meisterschaft.
Ach befrei mich von dem Fluch,
Der so sehr zerquält die Seele,
Meinen Mutterschoß verschließt.
Gottheit, schließe meinen Schoß auf,
Daß ich deine Herrlichkeit,
Deine Fruchtbarkeit genieße!

Anna suchte ihre Wünsche
Zu verstärken durch die Tränen,
Gott der Herr erhörte sie,
Gott zerstörte ihre Ängste.
Da sie in dem Garten nickte,
Blickte wieder auf zum Himmel,
Schaute sie in diesem Garten
Einen grünen Lorbeerbaum,
Schaute da auf einem Ast
Kleine Spatzenkinder schreien,
Schaute auch die Spatzenmutter,
Die zum Neste war geflogen,
Da die Spatzenjungen schrieen,
Und die Spatzenmutter brachte
Speise ihren Spatzenjungen
Oben auf dem Lorbeerzweige.
Anna schaute lächelnd, traurig,
Wie die Spatzenmutter fröhlich
Ihre Jungen fütterte.

Anna sagte: Weh mir, Herr,
Allen Nahen, allen Fernen
Ist dein Trost bereitet, Gott,
Deine Gnade zugesprochen,
Trost für allen Herzenskummer,
Der du über allen bist,
Bist der große Wundertäter.
Deinen irdischen Geschöpfen
Gibst du überreiche Wonnen.
Von der Sonne und vom Regen
Machst du Mutter Erde fruchtbar
Und den Vögeln gibst du Kraft,
Daß sie ihre Vöglein nähren,
Daß sie in den Lüften schwärmen.
Du gebietest wilden Tieren,
Daß sie ihre Kinder nähren.
Selbst die Schlange, die da schleicht,
Sorgt doch für ihr Schlangenjunges.
Und von dir die Fische alle
Haben ihren keuschen Samen,
Die da fließen in den Wellen,
Deine Güte zu genießen.
Alles, was geworden ist,
Das bewahrt die Güte Gottes,
Was sich Jahr um Jahr erneuert,
Was da kreucht und was da fleucht,
Auf der Erde und im Wasser
Oder oben an dem Himmel.
Doch vor deiner Güte seufz ich,
Weil du mich geschieden hast
Von der Fruchtbarkeit des Schoßes
Und der Gnade kleiner Kinder.
Was entsprungen deiner Gnade,
Fruchtbarkeit und Leibesfrucht,
Alles hast du mir genommen,
Mich gesondert, abgeschieden,
Darum muß ich immer weinen!

Als sie diese Worte sagte,
Einen wunderschönen Engel
Sie mit ihren Augen sah.
Und sie schaute ihn voll Staunen,
Schaute seine weißen Flügel,
Die dem Windesrauschen glichen,
Welches fächelt in dem Laub.

Und der Engel schaute nieder
Zu der Gottesdienerin
Und er brachte seine Botschaft
Und er grüßte die Geliebte
So mit Worten voller Sanftmut:
Habe keine Angst, mein Schatz,
Sprach der sonnenlichte Engel,
Der allmächtige Erzeuger
Kann ja alles möglich machen
Und er hörte dein Gebet,
Wie der König immer hört
Alle seufzenden Gebete
Aller gläubigen Gemüter,
Die auf seine Güte hoffen.
Deinem lieben Mann Joachim,
Der sich jüngst von dir geschieden,
Habe ich verkündigt, Frau,
Daß du schwanger werden wirst
Und wirst kaiserlich gebären.
Ja, du wirst an deinen Brüsten,
So wie es dich tut gelüsten,
Nähren eine süße Tochter.
Niemals wird ein Kind geboren,
Welches dieser Tochter gleich wär.
Diese ist von Gott erkoren
Zu der Königin des Himmels
Über alle Heeresscharen
Und der Hierarchie der Engel,
Daß sie Gottes Sohn gebäre,
Ihn, den heiligen Messias,
Der der Vater aller Welt ist.
Sie wird weise sein und lieb
Und wird sein die Ohnegleiche,
Unter allen schönen Weibern
Dieser großen Mutter Erde
Mit den breiten Brüsten wird
Keine Frau der Einen gleichen.
Sie, ein Wunder aller Wunder,
Ist die Königin des Kosmos,
Weil der Gott des Universums
Sie erwählt zu seiner Wohnung.

Als der Engel ausgerichtet
Die ihm aufgetragne Botschaft,
Wurde er nicht mehr gesehen.
Eine Stunde war er bei ihr,
Dann war wieder er verschwunden.
Da begann die Herrin Anna
Halleluja Gott zu singen
Und sie lobte ihres Schöpfers
Allgebenedeite Gnade.

Anna lobte den Erlöser,
Weil er solchen Trost bescherte,
Darum lobte sie ihn fleißig,
Da ward sie im Innern froh.
Nun das Fasten war zuende
Und die Arbeit war vollendet.

Anna lag in ihrem Bett
Eine Nacht und einen Tag
Und sie aß nicht und sie trank nicht,
Sondern dachte nur an Gott.

Und zu selben Zeit ihr Mann
Schlummernd unter einem Baum
Lag auf einer grünen Wiese
Selig wie in einem Traum.
Sind die Träume nichts als Schäume?
Und er träumte die Befreiung
Von den Kräften seiner Feinde.
Als er von dem Schlaf erwachte,
Da war seine Not verschwunden.
Denn was uns die Leiden bringen
Nach den Tagen unsrer Trauer,
Das ist eine grüne Weide
Voller Frühlings-Freudenblüten!

Und der Engel voller Gnade
Ging zum lieben Mann Joachim
In die Öde in der Wüste.
Und der Engel in der Wüste
Sah so schön aus wie ein Knabe,
Leise grüßte er Joachim,
Sagte: O du weiser Mann,
Warum bist du hier allein?
Warum hast du dich geschieden
Von der liebenswerten Schönheit?
Wie kam zu dir solch ein Zorn?
Eile heim zu deiner Frau!
Diese Frau ist voller Trauer,
Dass du sie jetzt trösten musst.
Sag, warum du dummer Kerl
Bist so lange fortgeblieben.
Wenn du sie betrachten wirst,
Wirst du voll Erbarmen sein,
Weil sie die Verkörperung
Ist von allem, was dir lieb ist!
Säume länger nicht, du Tor!
Fahre heim zu deiner Frau,
Die da voll des Geistes Früchten.
Hebe dich aus der Klausur,
Fahre eilig wieder heimwärts,
Frag nach deines Weibes Willen!

Also sprach der Herr Joachim:
Weil ich bin ein armer Sünder,
Leide ich so großes Elend,
Ach ich war bei meinem Weibe
Zwanzig volle Ehejahre,
Doch Jehowah wollte nicht,
Daß wir einen Erben haben.
Was soll ich da weiter suchen?
Und die Leute dieser Welt
Mögen es so gar nicht leiden,
Daß ich selbst und meine Braut
Zu dem Opfer Gottes gehen.
Darum muss ich in der Wüste
Leben als ein Eremit,
Will Almosen spenden Gott.
Wehre diesem Übel doch,
Stärke mich durch deinen Segen
Zu dem reinen Werk der Liebe.
Antwort gab ihm da der Engel
Süßer Worte voller Sanftmut:
Gott will dich von Herzen segnen,
Dir begegnen neue Freuden,
Alles Schöne, was dir lieb ist!
Lieber Freund und Hausgenosse
Du der Hierarchie der Engel,
Groß ist unser Gott und Herr,
Der dir seine Huld gewährt,
Was begehrt von ihm dein Herz,
Er will niemals dich verlassen!
Meinen Trank und meine Speise
Kann dein Auge nicht erblicken,
Denn ich nähre mich von Licht
Und der Liebe Ewigkeit.
Gott braucht deine Opfer nicht,
Alles will dir Gott bescheren!

Und Joachim opferte
Auf dem Hochaltar ein Lamm.
Als das Lamm in Rauch aufstieg,
Stieg der Engel in den Himmel.
Unter Tränen sprach Joachim:
Herr, mein Herz ist nun getröstet!

Sein Gebet war Gott gefällig.
Er fiel auf sein Angesicht,
Lag anbetend in dem Gras,
Da er brachte dar sein Opfer.
Das war zu der Abendstunde,
Wenn die Vesperglocke läutet,
Wenn die Sonne geht zu Gnaden.
Und da kamen alle Hirten,
Kamen zu dem Oberhirten,
Sahen ihn im grünen Gras
Liegen auf dem Angesicht.
Ach er war so voller Jammer,
Daß er selbst sich töten wollte!
Doch sie richteten ihn auf.
Als er ihnen alles sagte,
Wie es stand mit seiner Seele,
Weinten sie, erfüllt von Mitleid,
Und dann lobten sie den Herrn,
Der von aller Not erlöst
Und das fromme Herz entlastet
Von den Lasten schweren Kummers,
Wenn er rechten Glauben findet.
Alle seine Männer rieten
Nun dem lieben Mann Joachim,
Daß er auf das Wort des Engels
Geh zurück zu seiner Frau.

Als er schlief in dunkler Nacht,
Rief der Engel ihn erneut:
Warum säumst du noch, Joachim,
Da ich doch zu dir gesandt bin,
Daß du jetzt nach Hause gehst
Und dich kümmerst um dein Weib!

Denn so wird es werden, Freund,
Daß dein Weib gebiert ein Kind,
Eine Tochter voller Güte,
Dieses steht in Gottes Plan,
Wegen aller Menschen Seelen
Wird das liebe Kind geboren
Nach dem Segen unsres Gottes
Von der großen Güte Gottes.

In der Morgenfrüh Joachim
Machte sich auf seinen Weg,
Ließ zurück die Sorgen alle,
Sprach zu seinen Leuten noch
Von den Weisungen des Engels.
Zu ihm sprachen da die Hirten,
Daß sie gut sich kümmern wollten
Weiterhin um seine Lämmer,
Darauf soll er nur vertrauen.

Das war wirklich große Weisheit,
Daß Joachim folgsam war
Jenen Weisungen des Engels.

Anna aber unter Tränen,
Eben war sie im Gebete
Und dem gütevollen Weibe
Strömten Tränen aus den Augen,
Als der Engel wieder nahte
Durch den grünen Lorbeergarten,
Da sie auf den Knieen lag.
Und der Engel ging entgegen
Dieser stillen Beterin
Voller Leid und voller Buße
Und er grüßte Anna lächelnd.
Und der Engel sprach zu Anna,
Daß sie alsbald gehen solle,
Ihren Gatten zu begrüßen
In der Stadt Jerusalem
Bei der schönen Goldnen Pforte.
Dort wird ihr Gemahl erscheinen
Zu der vorbestimmten Stunde,
Daran solle sie nicht zweifeln.
Da war all ihr Leid und Klagen
Alsogleich wie weggeblasen
Und die Seele war erleichtert!

Anna ging zum Tor der Burg,
Wo Joachim warten sollte
Nach dem guten Rat des Engels.
Anna betete beständig,
Da sie stand auf einer Höhe,
Da sie schaute fern und weit,
Ob sie den Geliebten sehe,
Und die edle Frau voll Gnade
Schaute nieder, schaute auf,
Ob er aus der Ferne komme,
Wie sie herzlich es begehrte.
Alle Leute, die da waren,
Die begannen gleich zu fragen,
Wann der wunderschöne Frau
Der gewisse Bote komme,
Der ihr das verkündete,
Daß ihr Ehegatte komme.
Und die Leute konnten hören,
Daß von Gottes Donnerstimme
Anna war hierher gerufen.
Anna wurde ja gerechnet
Zu den allerbesten Frauen,
Welche je im Erdenkörper
Wandelten auf dieser Erde.
Ach ihr Warten und ihr Bitten
Ward beseufzt von allen Seelen.
Alle riefen zu dem Herrn,
Daß er jetzt ein Wunder wirke,
Und sie lobten Gott den Herrn.
Tränen aus den Augen spritzten,
Damit sich die Seelen tauften.
Siehe, da kam Herr Joachim
Hüpfend über alle Hügel
Mit den treuen Hirtenknaben.

Anna fiel ihm um den Hals
Und sie gingen Hand in Hand,
Sie umarmte seinen Nacken
Und sie küsste seinen Mund
Und sie drückte seine Brust
Liebevoll an ihre Brüste
Und empfing ihn innerlich
In glückseliger Erkenntnis.
Wahrlich, da war Anna voll
Von dem Trost des Geistes Gottes.

Ruben aber fühlte Reue,
Wie er einst so hart gesprochen,
Da er sah Joachims Opfer
Und die Kinderlosigkeit,
Wie er ihn davon getrieben
Aus dem Tempel Salomonis,
Nun begrüßte er Joachim,
Da er ihn begnadet sah
Von der Herrin Anna Gnade.

Vierzig Wochen sind vergangen,
Da geboren ward die Göttin,
Die die Menschen selig macht!

Da ward Unsre Frau begossen
Von dem allerbesten Salböl,
Allerbestem Wohlgeruch
Zur Versöhnung armer Sünder.

Und der ehrenhafte Vater
Und die liebevolle Mutter
Gaben Unsrer Frau den Namen,
Nannten sie, die Rose Gottes,
Sankt Maria mit dem Namen,
Sankt Maria, süß wie Honig,
Denn sie ist die Königin
In dem Bienenstocke Gottes!

Diese Bienenkönigin
Wird die süße Honigwabe
Tragen zu den Menschenkindern,
Seelen so zu sättigen.

Milch und Honig sind geflossen!
Segen sättigt unsre Seelen!
Regen still den Durst der Erde!
Myrrhe tropft vom Kelch der Lilie!
Das verwirrte schwarze Schäfchen
Findet wieder zu der Krippe!
Gott erleuchtet alle Menschen!
Fruchtbar prangt des Weines Traube!
Turteltaube Gottes, girrend,
Turteltaube Gottes, gurrend,
Turteltaube Gottes, ruckend,
Komm, o Turteltaube Gottes,
Turteltaube, komm zum schnäbeln,
Turteltaube, komm zum picken!



ZWEITER TEIL



Nun vernehmt die sanfte Lehre
Von der Allgebenedeiten,
Die den Heiland uns geboren.
Hört, ihr Menschen guten Willens,
Süßen Trost soll ihr empfangen,
Der euch nimmer wird genommen!
Mayer heißt der Minnesänger,
Der das Lied für euch gedichtet.
Christus hat ihn auserwählt,
Daß er singe voller Kunst
Von dem Evangelium.
Sankt Matthäus unterweist uns,
Sankt Matthäus gibt den Rat,
Daß wir liebend tragen aus
Die Narzissen an das Licht,
Daß sie nicht verdunkelt werden
Von dem Dreck der schwarzen Erde.
Ja, uns wird der Glaube helfen
An die Königin der Liebe,
So wir widerstehn dem Satan.
Sie ist ja der Stern des Meeres,
Darum singen wir auch gern
Für die Himmelskönigin,
Für die Braut des Geistes Gottes.
Sie beschirmt ja ihre Kinder,
Und wer nur Maria dient,
Für den Diener sorgt die Frau.
Sie vermehrt den Liebeslohn
In der Himmelsewigkeit,
Wenn wir nur zum Gnadenbrunnen
Unsrer Lieben Frauen kommen,
Die sie nahm die Gnaden alle
Aus dem Feuer unsres Gottes.

Sie ist die kristallne Vase
Voll des Lichtstrahls unsres Gottes
Und sie leuchtet uns im Dunkel
Und wird unsre Seelen retten,
Wenn wir in der Todesstunde
Treten vor den Richter Christus.

Alle ihr Marienjünger,
Bittet für den Minnesänger
Zu dem Tröster, Gottes Geist,
Gott verzeih mir alle Sünden
Und begieße mich mit Gnade,
Daß ich singe sehr erbaulich
Und erwecke, die noch schlafen,
Daß erkennen alle Menschen
Solchen süßen Gottesknaben
In den Armen Unsrer Frauen!
Als sie in die Grotte ging
Zu des Gottessohnes Krippe,
Da war Adams Rippe Eva
Und das weibliche Geschlecht
Über alles Maß geehrt
In Person der Neuen Eva!
Die Person der Neuen Eva
Ist die Ursach unsrer Wonnen!

Als die heilige Maria,
Dieses freie Himmelsmädchen,
Zu dem Tempel ward geführt,
Den der weise Salomo
Baute in Jerusalem,
Da erblühte ihre Ehre
Und sie wurde hochgepriesen,
Weil Maria unter Frauen
War wie Luna unter Sternen.
O, Marias Angesicht
Mit den gnadenvollen Augen
Muß ein Menschenkind nicht fürchten,
Voller Liebe anzuschauen.
Unter allen andern Frauen
Dieses schöne Himmelsmädchen
Wirkte Seide, Muschelseide,
Dabei alle Kunst der Alten
Sie bei weitem übertraf.
Früh am Morgen stand sie auf
Und ergab sich im Gebet
Ihrem Gotte und Gemahl.
Nach dem Frühgebet am Morgen
Ging zur Mittagszeit sie essen,
Las dann in den Schriften Gottes
Bis zur blauen Abendstunde,
Wieder sich zum Beten sammelnd
Bis zur stillen Schlafenszeit.

Gabriel kam einst zu ihr,
Brachte ihr das Himmelsbrot,
Aus des Engels Hand empfing
Unsre Königin das Manna.
Sonst aß sie ein wenig nur.
Was man ihr an Speise gab,
Gab sie weiter an die Armen,
Die entsprungen Mannessamen,
Alten Weibern, kleinen Kindern.
Diese alle fanden Trost
Durch das süße Liebesspiel,
Welches Sankt Maria pflegte
Mit dem Engel von dem Himmel.
Zwar Maria schwieg davon,
Aber doch erstrahlte sie
Von dem Liebeskuss des Engels.

Liebe Schwestern waren da
In dem Tempel Salomonis,
Dieser Tempel war geheiligt,
Später wurde er zerstört,
Darum kämpften viele Ritter,
Die mit ihres Schwertes Schärfe
Wehrten ab das Heidentum.

Unsre höchste Kaiserin,
Allerreinster Edelstein,
Lebte unter reinen Weibern,
Lobte allzeit Gott den Herrn,
Weil er sie so hoch erhoben
Über alle andern Frauen,
Sie, die ohne triste Trübsal
Fleißig ihre Arbeit tat
In der täglichen Geduld
Unter Gottes weiser Führung.
Unergründlich war ihr Sinn,
Keiner konnte sie ergründen.
Alle Tagesstunden waren
Gottesdienst und Gotteslob
In beständigem Gebete.

Ihre Seele war so weise,
Daß sie aß das Brot des Herrn,
Daß der Engel ihr gebracht,
Sie gedachte aller Sünder.

Auch das Wachen und das Fasten
Machte sie nicht blass und bleich,
Immer war ihr Antlitz blühend.

Ihre Hausgenossinnen
Stärkte sie in Gottes Freundschaft.

Und sie lehrte ihre Schwestern,
Allen Hochmut der Dämonen
Zu vernichten durch die Güte,
Zu enthalten sich der Sünde,
Und sie lehrte Tugenden
Angenehm auf süße Weise.
Also bitten wir die Frau,
Daß sie unsern Schöpfer bitte,
Daß der Schöpfer uns entzünde
Mit der Großen Caritas!

Hätte ich doch tausend Zungen
Scharf wie scharfgeschliffne Schwerter!

Ach ich will den Frommen sagen,
Wie sich dieses Mädchen schmückte
Für den hohen Herrn vom Himmel,
Der aus brennendem Erbarmen
Ihr im Schoße wollte wohnen!
Männer nie und Frauen nie
Vor Maria je gewannen
Solche Gnaden von dem Herrn.
O wie sie ihn lächelnd grüßte
Und verehrte ihren Schöpfer
Und die Wimpern aufgeschlagen
Und zum lichten Himmel blickte,
Dann den Menschen dieser Erde
Zusprach liebevolle Worte,
Die sie lächelnd angeschaut,
Welche die Madonna grüßen
Über alle andern Weiber.
Guten Abend, sagt Madonna,
Guten Morgen, sagt Madonna
Zu den Seelen voller Sorgen,
Die auf Erden wandern müssen
Und vollbringen ihre Arbeit
Im Vertrauen auf den Herrn
Und die schöne Gnade Gottes.
Wenn wir die Madonna grüßen,
Wird es uns Gewohnheit werden,
Alle Liebe, alle Leiden
Unserm Gotte aufzuopfern,
Der aus Liebe uns erschaffen.
Und wer immer freundlich uns
Grüßt und lächelt schön uns an,
Dem erflehen wir den Segen
Unsrer Sonne Jesus Christus.

O so sanft und o so still,
O so mild und o so selig
War die schweigende Madonna!

Lautes Lachen war ihr fremd,
Doch sie liebte leises Lächeln
Bei der Kleinen süßen Torheit
Und der Weisen frommem Witz.
In der allerhöchsten Reinheit
Ihre Tugend sie vermehrte,
Breitend über alle Seelen
Kardinale Weisheitstugend
Und die Theologentugend.
Wer nur fleißig seine Arbeit
Gott zu Ehren wieder aufnahm
Nach der langen Traurigkeit
Einer großen Seelenkrankheit,
Der empfing von ihr die Kraft
Durch den Gürtel der Madonna,
Denn Madonna gürtete
Ihren Minner mit dem Gürtel
Aller Mächte ihrer Gnade.

Und nun bitte ich die Herrin,
Ach, der ich an meiner Seele
Überaus verwundet bin,
Der ich meine Leiden sage,
Daß sie meinen Geist erneure
Und entledige das Herz mir
Von der jämmerlichen Schwäche,
Daß sie reinige mein Herz,
Fege fort den Erdenkot,
Daß ich nicht vor tiefem Jammer
Noch zum Idioten werde!

Da sie nun begann zu wachsen,
Wurde sie an ihrem Leibe
Schön vor allen andern Frauen.

Da war nun Herr Abjathar,
Der nahm seinen Mut zusammen,
Daß er diese Maid gewinne
Als Verlobte seinem Sohn,
Der war kindisch, dieser Mann,
Frauen wollte er genießen
Als ein Ritter voller Kraft.
Der nun wollte sie zur Ehe
Nehmen durch die falsche Liebe
Seinem Sohn und seinen Erben.

Doch Maria wollte nicht,
Sondern sprach, sie wolle nie
Einen Mann zum Ehepartner,
Denn das Leben in der Welt
Sei unleidlich nur und garstig,
Sondern lieber wollte sie
Jungfrau bleiben bis ans Ende!

Abjathar gab Geld in Menge
An des Tempels Kirchendiener,
Daß die doch die Jungfrau legen
Seinem Sohne in das Bett.

Abjathar dem Tempel gab
Hunderttausend Silberschekel.

Abjathar gab Edelsteine,
Alles nur, damit die Jungfrau
Lustvoll liebe seinen Sohn.
Das gefiel den Tempeldienern
Und sie sagten Abjathar,
Daß sie für ihn beten werden
Zur Belohnung für das Geld.

Aber da sprach Sankt Maria,
Daß der Herr nur sie entflammt,
Daß in geistlicher Verlobung
Sie mit Gott zusammen sei.
Und sie sagte, aber sanft:
Lasst von diesem eitlen Spiel,
Ich will keinen Ehemann!

Ich will keinen Mann voll Kraft
Für die Buhlerei der Welt.
Reizt mich nicht, so sprach die Jungfrau,
Ich hab meinem Gott gelobt
Im Gelübde treue Keuschheit.
Eine Ehe ist zwar gut,
Besser als der Unzucht Sünde,
Aber besser als die Ehe
Ist die Ehelosigkeit
Als Verlöbnis mit dem Herrn.

Doch da war ein fetter Bischof,
Welcher sprach zu Sankt Maria:
Ich will dir die Wahrheit sagen,
Gott nahm selber Adams Rippe,
Gab ihm Evalein zur Gattin,
Wie wir in der Bibel lesen.
Und von Adam und von Evchen
Stammen alle Menschenkinder.
Hätte Adam nicht voll Kraft
Mutter Evalein beschlafen,
Gäb es keine Menschenkinder
Und die Erde wäre öde,
Niemand betete zu Gott.
Also, Jungfrau, lass den Spott,
Nimm den Sohn von Abjathar
Dir zum Gatten voller Kraft
Und genieße deine Ehe,
Daß es deinem Leibe gut geht!
Tu doch so wie alle Leute,
Schenke du der Kirche Kinder,
Die da beten zu dem Herrn.
Das ist doch die größte Weisheit,
Danach sollst du handeln, Jungfrau.

Antwort gab Maria, die
Rose rot von Jericho,
Dieses wunderschöne Mädchen:
Alter, nein, ich folg dir nicht,
Denn ich weiß von Adams Kraft
Und von Mutter Evalein.

Und ich weiß vom keuschen Abel,
Der erschlagen ward vom Bruder,
Als er Gott sein Lamm geopfert,
So zwei Kronen hatte Abel,
Krone des Martyriums,
Krone der Jungfräulichkeit.
Und Elias der Prophet
Lebte keusch auf dieser Erde,
Darum ward er von den Engeln
Auch entrückt ins Himmelreich,
Weil er unberührt von Weibern.

Gott hat also offenbart,
Daß er eines Menschen Keuschheit
Unterstützt mit seiner Gottheit.
Darum hat der keusche Mann
Große Freude, große Ehre
An dem Leib und an der Seele.

Also sag ich meinen Willen:
Eher will ich melken Milch
Aus dem harten Felsensteine,
Als dem Ritter voller Kraft
Mich zur Ehefrau zu schenken.

An dem mädchenhaften Weib
Sich entzündete der Neid.
Ihre Keuschheit war beschlossen.
O, sie war die Allerschönste,
War die Schönste aller Frauen!

Sie beriefen ein Konzil,
Einzig nur um darzulegen,
Daß Madonna ungehorsam,
Da den alten Kirchenfürsten
Einzig dran gelegen war,
Daß Madonna einen Mann nimmt.
Bischof war da Abjathar,
Grüßte Gott mit schönen Worten
Und erhob die Arme beide
Zu dem Thronsaal in dem Himmel.
Da war eine große Stille
Und es sagte Abjathar:
Hört mir zu, ihr Herren alle,
Die Madonna höhnt die Männer!

Wer sie will zum Eheweibe,
Der sei unwert der Madonna,
Sie will Liebe nicht genießen,
Sondern reine Jungfrau bleiben.
Wir erzogen viele Mädchen,
Reizende Prinzessinnen!

Keine jemals war so hart
Und hat sich so sehr gewehrt.
Ich erinnre euch, ihr Männer,
Wie der Herr den Streit entscheidet.
Aarons Gerte gab einst Blüten,
Diese Gerte grünte, blühte,
Lag so in der Bundeslade.
Gott tut heute auch noch Wunder
Und beweist die Allmacht Gottes.
Wir sind Eigentum des Herrn.

Ich sag euch, was ihr jetzt tun sollt:
Gott mit Segen stärke euch,
Dass er wirkt das selbe Zeichen
An den schönen Weibern allen,
Die zu euch gekommen sind,
So der Arme und der Reiche
Bringe morgen seine Gerte.
Gott, der Aaron einst gesegnet,
Zeige morgen an den Gerten,
Wer Maria haben soll.

Alle machten großen Lärm,
Dieser Rat schien gut den Männern.
Alle Weiber, alle Kerle
Lobten diesen guten Ratschlag
Und sie beteten zu Gott
Und befahlen Gott dem Herrn
Alle ehelosen Männer.
Lang die Nacht war des Konzils,
Schließlich dankten sie dem Herrn.

Als die Morgenröte kam,
Alle Alten, alle Jungen
Drangen eifrig da herein.
Ja, die allerbesten Männer
Von dem ganzen Erdenrund
Waren beim Konzil versammelt,
Jeder da mit seiner Gerte,
Alle trugen ihre Gerten,
Lange Gerten, grade Gerten.
Mancher dachte sich das Seine,
Mancher dachte, dass Madonna
Seine Ehegattin würde,
Dieses allerschönste Mädchen.

Doch da kam ein alter Mann,
Josef, fünfundvierzig Jahre,
Wohl bekannt in aller Welt.

Dieser Josef war ein Witwer,
Er war alt und voller Schwermut,
Seine Manneskraft ermattet,
Der begehrte keine Dirne.
Josef brachte seine Gerte,
Eine kleine krumme Gerte,
Einzig aus Gehorsam Gottes,
Diese Gerte mit der Wurzel
Also hielt er in den Händen.
Doch begehrte er kein Weib
Zu der Ehe Weltlichkeit.
Alle Männer, die da waren
In dem Hofe des Konzils,
Gaben ihre langen Gerten
Nun dem Bischof in die Hand.
Dieser Bischof betete
Und erbat den Rat der Engel.
Vor dem heiligen Altare
Flehte er zu Gott dem Herrn,
Ob der Herr ihm offenbare,
Wie es weitergehen solle.

Nun vernehmt die großen Wunder,
Die der Herr der Welt erwiesen,
Wie das göttliche Gemüt
Voller Huld und Gnade war.
Denn der Bischof betete
Und die Gottheit redete:
In der Ordnung meiner Weisheit
Offenbar ich meine Gnade,
Männer, nieder legt die Gerten,
Tut sie in das Heiligtum,
Lasst sie dort in Ruhe liegen
Bis zur Morgenröte morgen,
Morgen nehmt die Gerten wieder,
Dann will ich euch schauen lassen,
Wen ich der Madonna gebe
Zum Beschützer ihrer Keuschheit.
Jener, den ich auserwählt,
Der schaut über seiner Gerte
Eine Turteltaube flattern,
Ihre weißen Flügel spreizen
Und mit ihren Schwingen schlagen,
Dann entflieht die weiße Taube
In den himmelblauen Himmel,
Unsichtbar den Menschenaugen.
Dieser auserwählte Mann
Schenk sein Leben der Madonna,
Sei ihr treu sein Leben lang,
Liebe sie und keine andre,
Dieses ist der Wille Gottes.

Nun beruhigt eure Seele,
Daß die Gottheit voll Erbarmen
Hören lässt die Stimme Gottes
Und das Wort den Menschen kündet,
Wenn sie beten innerlich
Und den Weisungen gehorchen,
Wie die Weisen uns gelehrt.

Als die Morgenröte kam,
Über dieser schwarzen Erde
Aufgegangen war das Licht,
Gingen alle sie zum Hof,
Jeder nahm da seine Gerte.

Josefs Gerte war sehr klein,
Lag da krumm und matt, gewelkt,
Wie entschlafen schon im Tode,
Was der Bischoff nicht begriff.

Das verachteten die Männer,
Die so stolz auf ihre Gerten,
Die mit ihren Gerten prahlten.
Doch wie stolz sie immer waren
Und mit ihren Gerten standen,
Gott begnadete sie nicht,
Die mit ihren Gerten prahlten.
Josef aber voller Demut
Nannte sich Herr Niemand und
Josef nannte sich ein Nichts
Und er wollte seine Gerte
Nicht mehr nehmen in die Hand.

Abjathar, der fette Bischof,
Ließ die starken Männer alle
Sich versammeln auf dem Hof,
Voller Kraft war die Gemeinde.
Diese betete zum Schöpfer,
Daß er seine Gnade schenke.
Und der fette Bischof ging
Ganz allein zum Gotteshaus,
Trieb heraus die andern Männer,
Legte an das weiße Habit,
Wie es Gott war angenehm.
Und der fette Bischof weinte.

Doch ein Engel kam geflogen,
Sagte: Gott belügt dich nicht,
Gott steht treu zu seinem Worte.

Suche du die kleinste Gerte,
Die dort in der Lade liegt,
Die verzagt ist und verzweifelt,
Diese Gerte Gott gefällt.

Da der fette Bischof nun
Hob die kleine Gerte auf,
Nahm sie mit der rechten Hand,
Ging er durch die Kirchentür,
Zeigte öffentlich die Gerte,
Sagte öffentlich: O Josef,
Davids Sohn von Gottes Gnaden,
Gott der Vater ist dir gnädig,
Du bist Gottes Wohlgefallen,
Dich hat Gott der Herr erwählt
Zum Marienbräutigam!

Da ist Josef aufgestanden,
Voller Weisheit die Gedanken.
Als er aufhob seine Gerte
Vor den Augen aller Weiber
Und der andern Männer allen,
Da kam eine Turteltaube,
Spreizte ihre weißen Schwingen,
Schlug mit ihren weißen Flügeln,
Hockte auf der Gerte Spitze,
Ruckte, ruckte, gurrte, gurrte,
Und mit wonnevollem Girren
Sie verschwand im Himmelreich.

Alle die Genossen riefen:
Nimm Madonna dir zur Frau!
O dies süße junge Mädchen
Nimm du dir mit Macht ins Haus!
Trage länger keinen Kummer,
Schau, der Bischof wird dich segnen.
Nun genieß in alten Tagen
Dieses süße junge Mädchen,
Nimm das Mädchen dir mit Macht
In das hochzeitliche Haus.

Josef aber sprach voll Demut
Und voll Minne in dem Herzen:
Möge doch das junge Mädchen
Meine Jahre nicht beachten
Und die Schwäche meines Alters.
Gottes Wille soll geschehen,
Ja, ich nehm das schöne Mädchen!

Und da kamen alle Männer
Mit Madonna zum Konzil
Und der Bischof gab den Segen.
Tröstet doch die Gottverlobte,
Die im Kloster leben wollte,
Daß sie nun gegeben wird
Einem Ehemann ins Haus.
Alle nahmen ihre Hände
Und begannen sie zu trösten:
Gottes Wille nur geschehe!

Da begann die keusche Lilie:
Gottes Thronsitz ist im Himmel,
Gott regiert im Paradies,
Gott, der Adam einst geschaffen
Aus dem Lehm der Mutter Erde,
Adam, der uns Unglück brachte,
Weil ihn Evalein versuchte,
Die gelauscht den Lockungen,
Listigen Einflüsterungen
Luzifers, der lichten Schlange.
Gott herrscht noch im Paradiese!

Was den Menschenherzen gut tut,
Blüht noch schön vor Gottes Augen.
Gott regiert das Universum
Und die Erde und das Meer,
Zebaoth mit seinen Chören,
Hör mein Bitten, Hosianna!
Gott der Herr hat mir gegeben
Diesen Mann zum Ehemann,
Darum nehm ich ihn von Gott.

Aber den jungfräulichen
Schatz der Zierrat meiner Zierde
Und mein Hymen geb ich keinem!

Josef gab ihr einen Ring,
Der von schwarzem Ebenholz,
Und er steckte diesen Ring
Zart an der Madonna Finger.

Alle Männer, alle Frauen,
Sangen fröhlich Halleluja.
Aber Josef sagte leise:
Wie soll ich die Maid behüten,
Muß ich oft zur Arbeit gehen.
Bischof, gib mir sieben Mädchen,
Daß sie der Madonna dienen.

Sprach der Bischof zur Madonna:
Wähle selbst dir deine Mädchen
Aus den Tempeljungfraun aus.

Und Madonna wählte Eva
Mit dem Klosternamen Lilith,
Und Madonna wählte Anna,
Die sich Katharina nannte,
Und Madonna wählte Susa,
Die den Namen trug Susanna,
Und Madonna wählte Nympha
Mit dem Namen Julia,
Und Madonna wählte Charis
Mit dem Namen Eschata,
Und Madonna wählte Fanny
Mit dem Klosternamen Cidli,
Und sie wählte eine Siebte,
Deren Name unbekannt.

Josef und Maria zogen
In das Haus von Nazareth.
Nazareth bedeutet Flora,
Denn es war der Flora Garten,
Da die Rose ohne Dornen,
Da die Lilie unter Disteln
Liebte ihren Bräutigam!