Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

LIEBESLYRIK


Von Josef Maria Mayer


DAS LIED DER LIEDER SALOMOS


1
DIE BRAUT RÜHMT DEN BRÄUTIGAM

O, tränke mich mit Küssen deines Mundes,
Denn süßer als der Wein ist deine Liebe!
Das Düften deiner Salben ist so lieblich,
Wie Salböl ist dein Name ausgegossen,
Drum lieben dich die Mädchen!

Zieh mich dir hinterher und lass uns eilen,
O König, führ mich ein in deine Kammer!
Wir wollen jubeln und uns an dir freuen!
Berauschend wie der Wein ist deine Liebe!
Recht lieben dich die Mädchen!


2
SELBSTLOB DER BRAUT

Bin braun und schön, ihr Fraun Jerusalems,
Wie Kedars Zelt und Salmas Pavillon.
Seht mich nicht an, weil ich so braungebrannt,
Die Sonnenstrahlen haben mich verbrannt.
Die Söhne meiner Mutter grollen mir.
Ich sollte ihren Weinberg hüten, doch
Den eignen Weinberg hab ich nicht bewahrt.


3
DIE GELIEBTE WÜNSCHT EIN RENDEZ-VOUS BEI DER HIRTENHÜTTE

Sag mir, du, den meine Seele liebet,
Wo du weidest, wo du mittags lagerst.
Soll ich einer Vagabundin gleichen,
Schleichen bei den Herden der Genossen?

Weißt du’s nicht, du Schönste aller Weiber,
Folge nur den Spuren meiner Schafe,
Weide deine Zicklein bei den Zelten.


4
LIEBESGEFLÜSTER

Dem Ross am Wagen Pharaos
Vergleich ich dich, o meine Freundin.
Süß deine Wangen mit dem Schmuck,
Dein Hals in langen Perlenschnüren.
Ein goldnes Kettchen mach ich dir
Und häng dran kleine Silberglöckchen.

Der König liegt an seinem Tisch,
Da duftet lieblich meine Narde.
Mein Liebster ist ein Myrrhesack,
Gebettet zwischen meinen Brüsten.
Der Zypertraube gleicht mein Freund
Wie in dem Weinberg von Engedi.

Geliebte, du bist wirklich schön,
Ja, du bist wirklich eine Schönheit!
Mein Liebster, schön und voller Lust,
Ah, grün ist unser Liebeslager!
Die Balken sind von Zedernholz,
Die Latten aber von Zypressen.


5
DIE LIEBENDEN LOBEN EINANDER

Der Scharonwiese Krokusblume,
Die Lilie in dem tiefen Tal,
Du bist die Lilie unter Dornen,
Geliebte in der Mädchen Schar.

Ein Obstbaum unter wilden Bäumen,
Mein Liebster in der Kerle Kreis.
In deinem Schatten will ich sitzen,
Dein Obst schmeckt meinem Gaumen süß.

Er führte mich in seine Schenke,
Die Liebe ist die Fahne sein.
Rosinen gibt er mir und Äpfel,
Ich aber bin vor Liebe krank!


6
SCHMACHTENDER SEUFZER

Seine Linke unter meinem Haupte,
Seine Rechte weiß mich zu liebkosen.
Ich beschwöre euch: Ihr Töchter Zions,
Bei den Hindinnen und den Gazellen,
Weckt nicht auf und stört nicht auf die Liebe,
Bis es selbst gefällt der süßen Liebe.


7
DER GELIEBTE BESUCHT DIE FREUNDIN

Schau, mein Geliebter, grade kommt er nahe,
Eilt über die Gebirge und die Hügel.
Ja, mein Geliebter gleicht dem edlen Hirsche
Und dem Gazellenbock in seiner Inbrunst.
So schaut, schon steht er hinter meiner Mauer.
Ich schaue aus dem Fenster, blick durchs Gitter.
Mein Vielgeliebter spricht erhabner Rede:

Erhebe dich, o meine liebe Freundin,
O komm, o komm, du meine Allerschönste!
Vorbei gegangen ist der harte Winter,
Vorüber ist der Schnee und ist geschmolzen.
In allen Landen sind zu sehn die Blumen,
Gekommen ist die Zeit der Liebeslieder,
Der Ruf der Turteltaube ist zu hören,
Die Feige öffnet ihre jungen Knöspchen,
Die Reben blühn und spenden Duft berauschend.

Erhebe dich, o meine liebe Freundin,
O komm, o komm, du meine Allerschönste!
Mein Turteltäubchen in der Felsenspalte,
In dem Versteck der steilen Wand des Berges,
Laß schaun mich deine strahlende Erscheinung
Und hören lass mich deine helle Stimme,
Denn deine Stimme ist gestimmt harmonisch
Und deine strahlende Erscheinung reizend!


8
SEUFZER DER JUNGEN MÄDCHEN

Ach, fangt die Füchse,
Die kleinen Füchslein,
Die Weinbergwildrer!
Jetzt blüht mein Weinberg!


9
GANZHINGABE DER BRAUT

Du bist mein und ich bin dein,
Weidend auf der Lilienau.
Bis der Wind des Tages weht
Und die dunklen Schatten fliehn,
Komm und tu es, lieber Mann,
Tu’s wie der Gazellenbock
Oder tu es wie der Hirsch
Hoch auf dem gespaltnen Berg!


10
SEHNSUCHTSTRAUM UND ERWACHEN

Auf meinem Bette in der Nacht,
Da sucht ich, den mein Seelchen liebt,
Ich sucht ihn, doch ich fand ihn nicht.
Jetzt steh ich auf, streif durch die Stadt,
Die engen Gassen und den Markt,
Will suchen, den mein Seelchen liebt!
Ich sucht ihn, doch ich fand ihn nicht,
Ich fand die Wächter in der Stadt:
Sagt, Wächter, habt ihr den gesehn,
Den ganz allein mein Seelchen liebt?
Kaum waren erst die Wächter weg,
Da fand ich, den mein Seelchen liebt!
Ich halt ihn fest und lass ihn nicht!


11
BESCHWÖRUNG

Ich beschwöre euch, ihr Töchter Zions,
Bei den Hindinnen und den Gazellen,
Daß ihr nicht erweckt und ihr nicht aufstört,
Bis es selber ihr gefällt, die Liebe!


12
DER HOCHZEITERKÖNIG UND SEIN DIWAN

Was ists, was da aufsteigt aus der Wüte,
Säulen Rauchs vergleichbar,
Süß umraucht von Myrrhe und von Weihrauch,
Apotheker-Düften?
Siehe da, das ist des Königs Sänfte,
Salomos, des Königs.
Sechzig tapfre Helden um die Sänfte,
Israels Gewalten,
Alle tragen Schwerter an den Hüften,
Sie, die Kampfgenossen,
Jeder trägt sein Schwert an seiner Hüfte,
Gegen allen Terror.

Einen Sessel ließ der König machen
Von des Berges Zedern,
Seine Füße machte er aus Silber,
Ganz aus Gold die Lehnen,
Eingelegt mit Ebenholz der Sessel,
Purpurn seine Polster.
Töchter von Jerusalem, betrachtet,
Schaut, ihr Töchter Zions,
König Salomo in seiner Krone,
Seiner Mutter Gabe
An dem Tage seiner Herzensfreude,
Seines Hochzeitsfestes!


13
DER LIEBENDE PREIST DAS SCHÖNE MÄDCHEN

Wahrlich, du bist schön, o meine Freundin,
Wahrlich, du bist lieblich!
Deine beiden Augen sind wie Tauben
Unter deinem Schleier!
Deine Haare gleichen Ziegenherden
Wallend von dem Berge!
Deine Zähne gleichen Frischgeschornen,
Aus der Schwemme steigend!
Alle Mütter haben Zwillingslämmer,
Keine ohne Kinder!
Einer roten Schnur gleich deine Lippen,
Reizend ist dein Mündchen!
Gleich Granatenscheiben deine Wangen
Hinter deinem Schleier!
Und dein Hals ist gleich dem Davids-Turme,
Wie ein Haus voll Waffen,
Tausend Schilde hängen dir am Halse,
Voll von Siegstrophäen!
Deine Brüste gleichen Zwillingskitzen,
Gleichen Zwillingskitzen,
Zwillingskitzen, die in Lilien weiden,
Hüpfenden Gazellen!
Bis die frischen Morgenlüfte wehen
Und die Schatten fliehen,
Will ich wandeln auf dem Myrrhehügel
Und dem Weihrauchberge!
Ganz vollkommne Schönheit bist du, Freundin,
Bist die Makellose!


14
KOMM, GELIEBTE!

Mit mir vom Libanon, o Braut,
Komm doch mit mir vom Libanon,
Vom Gipfel komm des Amana,
Des Senir- und des Hermonbergs,
Vom Lagerplatz der Löwen komm,
Vom Berg der schwarzen Panther komm!


15
DIE SCHWESTER ZAUBERIN

Wie hast du mich verzaubert, meine Schwester,
Wie mir das Herz gestohlen, meine Braut!
Verzaubert hast du mich mit Einem Auge,
Verzaubert mich mit deinem Medaillon!

Wie schön ist deine Liebe, meine Schwester,
Viel süßer deine Liebe als der Wein!
Viel süßer sind die Düfte deiner Salben
Als aller Balsamstauden lindes Öl!

Von Wabenhonig triefen deine Lippen
Und unter deiner Zunge schäumt die Milch
Und deine Kleidchen, meine Braut und Schwester,
Sie duften wie der Wald des Libanon.


16
DIE FREUNDIN IST EIN LUSTGARTEN

Ein verschlossener Garten meine Schwester,
Meine Braut, versiegelt deine Quelle!
Liebe, deines Gartens Triebe bilden
Paradiese purpurner Granaten
Und von allen auserlesnen Früchten,
Cypernblumen, Cypernblumen, Narde,
Zimt und allerlei Gewürzrohr, Süßholz,
Weihrauch, Myrrhe, Aloe und Safran
Und den allerköstlichsten Balsamen!

Meines Gartens Quelle ist ein Bronnen,
Von dem Libanon strömt Lebenswasser.
Fort, du Nordwind! Komm herbei, du Südwind!
Südwind, wehe du durch meinen Garten,
Daß die Düfte meines Gartens strömen!
Mein Geliebter, komm in meinen Garten,
Schmause meine auserlesnen Früchte!

Ja, ich komm in deinen Garten, Schwester,
Pflücke deine Myrrhe, deinen Balsam,
Speise deine Wabe samt dem Honig,
Trinke deine Milch und deinen Süßwein!

Iss, mein Freund und Bruder, trinke maßlos
Und berausche dich an Liebeswollust!


17
NÄCHTLICHER BESUCH

Ich schlief, mein Herz war aber wach,
Da klopfte mein Geliebter an:
Ach tu mir auf, mein Schwesterchen,
O Freundin, Täubchen makellos!
Mein Haupt ist naß vom Tau der Nacht,
Die Locken von den Tropfen feucht!

Hab ausgezogen schon den Rock,
Soll anziehn wieder ich den Rock?
Gebadet sind die Füße schon,
Soll ich sie schmutzig machen noch?

Mein Liebster streckte seine Hand,
Die Rechte durch der Pforte Loch!
Ich war betört von seinem Wort,
Mein Innres wallte auf in mir!
Doch stand ich auf, tat auf die Tür,
Die Hand lag an des Riegels Griff!
Von Myrrhe troff mir meine Hand!
Die Finger troffen von dem Öl!

Schnell tat ich meinem Liebsten auf,
Doch er war schon verschwunden, fort!
Ich sucht ihn, doch ich fand ihn nicht,
Ich rief ihn, doch der Liebste schwieg.

Mich fanden Leute in der Stadt,
Sie schlugen mich, verletzten mich,
Sie nahmen mir den Schleier weg,
Die Wächter an dem Tor der Stadt.

Ihr Töchter von Jerusalem,
Wenn ihr den Freund gefunden habt,
Was sagt ihr meinem Liebsten dann?
Ach, dass ich krank vor Liebe bin!


18
LOBPREIS DES FREUNDES

Was ist dein Freund denn für ein Freund,
Du Schönste aller Frauen?
Was ist dein Freund denn für ein Freund,
Daß du uns so beschwörest?

Mein lieber Freund ist weiß und rot,
Der Erste unter Tausend,
Sein Haupt ist Gold, ist feines Gold,
Und seine Mähne wallend!
Wie Tauben seine Augen sind
An stillen Wasserläufen,
Die milchweiß sind, gebadet sind,
Am Teichesrande sitzen.
Die Wangen sind ein Balsambeet,
Von Wohlgerüchen duftend.
Die Lippen sind wie Rosen, die
Von süßer Narde triefen.
Die Finger Stäbe sind von Gold
Und reich besetzt mit Onyx.
Sein Leib ein Stück von Elfenbein,
Besetzt mit reinen Perlen.
Die Schenkel Marmorsäulen gleich
Auf festen goldnen Sockeln.
Gestaltet wie der Libanon
Mein Freund, wie eine Zeder.
Sein Gaumen ist voll Süßigkeit.
Er ist so ganz aus Wonne!
So ist mein Liebster und mein Freund,
Ihr jungen Mädchen Zions.

Wohin gegangen ist dein Freund,
Du Schönste aller Frauen?
Wohin gewandt hat sich dein Freund,
Daß wir ihn mit dir suchen?

Zum Garten trat mein Liebster ein,
Zu seinen Balsambeeten,
Zu weiden in des Gartens Grund,
Die Lilie dort zu pflücken!
Ich bin ganz sein, er ist ganz mein,
Der in den Lilien weidet.


19
DIE SCHÖNE FREUNDIN

Schöne, meine Freundin, schön wie Thyrza!
Lieblich bist du wie die Tochter Zion!
Herrlich bist du wie ein Heer von Sternen!
Wende deine Augen ab vom Freunde,
Sie verwirren mich, sie sind betörend!
Deine Haare sind wie Ziegenherden,
Die vom Gileadgebirge wallen!
Deine Zähne weiß wie Mutterschafe,
Welche aus dem Bad der Schwemme steigen!
Alle Mutterschafe zwillingsträchtig,
Keine Mutter ohne kleine Lämmer!
Eine Schnitte purpurner Granate
Deine Wange unter deinem Schleier!


20
DIE EINE

Sechzig Königinnen hatte Schlomo,
Achtzig Konkubinen hatte Schlomo,
Ohne Zahl die jungen Mädchen Schlomos!
Einzig meine Taube, meine Reine,
Makellose, einzig ihrer Mutter!
Junge Mädchen sehen sie und rühmen,
Königinnen, Konkubinen rühmen
Und bewundern tief die Eine Schlomos!


21
DIE HIMMLISCHE SCHÖNHEIT DER FREUNDIN

Wer ist jene Schöne, die herabschaut
Leuchtend aus der Morgenröte Fenster?
O Geliebte, schimmernd wie die Luna!
O Geliebte, strahlend wie die Sonne!
O Geliebte, schön wie Sternenscharen!


22
LENZLUST UND LIEBE

Zum Nussbusch stieg ich nieder,
Zu freun mich an den Knospen!
Ob schon der Weinberg blühte,
Ob die Granaten blühten?
Sie schenkt mir ihre Liebe!
Ich kenn mich selbst nicht wieder!
Sie schenkt mir ihre Liebe,
Die Allgebenedeite,
Die Tochter jenes Edlen.


23
DER TANZ DER BRAUT

Dreh dich, dreh dich, Sulamithin,
Dreh dich, dass wir dich bewundern!
Ihr bestaunt die Sulamithin
Bei dem Tanz des Hochzeitstanzes?

Deine Füße in Sandalen
Sind so reizend, o Prinzessin!
Deine schöngewölbten Hüften
Biegen kunstreich sich geschmeidig!

Ah, ein Becher ist dein Becken - - -
Niemals mangle mir der Mischwein!
O, dein Körper ist wie Weizen,
Schön umflort von Lilienblüten!

Deine Brüste gleichen Kitzen,
Wie Gazellenzwillingskitze!
Turm von Elfenbein dein Nacken
Und dein Haupt ist gleich dem Karmel!

Deine Augen sind wie Wasser
Heschbons am Bath-Rabbim-Tore,
Deine Nase gleicht dem Türmchen,
Welches nach Damaskus ausschaut.

Deines Hauptes Haar geflochten
Ist wie purpurrote Flechten
Und ein König liegt gefangen
In der Lockenschlangen Schlingen!


24
DER FREUND WILL DIE FREUNDIN BESTEIGEN!

Schön bist du und ganz holdselig,
Du Geliebte, Wonnevolle!
O dein Wuchs, der gleicht der Palme!
Deine Brüste gleichen Trauben!
Ich die Palme will besteigen,
Greifen nach den Fruchtbeständen!
Deine Brüste gleichen Trauben,
Prallen Trauben fruchtbarn Weinbergs!
Deines Mundes Hauch ist duftend
Wie der frische Saft der Äpfel!
Wein, der schmeichelt meinem Gaumen,
Rotwein, netzt mir meine Lippen!


25
GANZHINGABE DER GELIEBTEN

Ich bin meines Liebsten,
Ich bin sein Verlangen!
Komm, ach komm, Geliebter,
Gehn wir auf die Wiese,
Schlafen auf dem Lande,
Schauen früh den Weinberg,
Ob Granaten blühen.
Dort geb ich dir alles,
Schenk dir meine Liebe!
Liebesäpfel duften,
Vor der Tür die Äpfel,
Alte neben neuen,
Die ich aufgehoben
Dir, o Vielgeliebter!


26
GELIEBTER UND BRUDER

O dass du mein Bruder wärest,
Der an meiner Mutter Busen
Süße Milch getrunken hätte –
Träf ich dich dann auf der Straße,
Küsst ich dich wie einen Bruder,
Dürfte man mich nicht verachten!
Führte dich zu meiner Mutter,
Zu der Frau, die mich geboren,
In der Wohnung meiner Mutter
Gäb ich dir gewürzten Rotwein,
Most der saftigen Granaten!


27
LIEBKOSUNG

Seine Linke unter meinem Haupte,
Seine Rechte weiß mich zu liebkosen!
Ich beschwöre euch, ihr Töchter Zions,
Weckt nicht auf und stört nicht auf die Liebe,
Bis es selbst gefällt der schönen Liebe!


28
ICH BETE AN DIE MACHT DER LIEBE

Wer ist sie, die heraufkommt aus der Wüste,
Sie, die sich lehnt an ihren Vielgeliebten?

Beim Apfelbaume wollte ich dich wecken,
Wo deine Mutter lag in ihren Wehen,
In Wehen jene Frau, die dich geboren.

So drück du an dein Herz mich wie ein Siegel,
Leg mich an deinen Arm wie eine Spange!
Allmächtig wie das Sterben ist die Liebe!
Unwiderstehlich wie das Reich der Toten
Ist die Gewalt der Leidenschaft der Liebe!
Der Liebe Funken sind des Feuers Funken!
Der Liebe Flammen sind die Flammen Jahwes!
Auch große Meere löschen nicht die Liebe
Und Ströme schwemmen nicht hinweg die Liebe!
Gibt einer alle Habe seines Hauses,
Die Liebe eines Herzens sich zu kaufen,
Man würde diesen Mann doch nur verachten!


29
DIE KLEINE SCHWESTER

Wir haben eine kleine Schwester,
Sie hat noch keine großen Brüste!
Was machen wir mit unsrer Schwester
Am Tag, wo Männer um sie werben?

Gleicht sie dem Mauerwall, so bauen
Für sie wir einen Kranz von Silber.
Doch ist sie eine offne Pforte,
Mit Balken wir sie dann verrammeln!

Ja ich, ich bin wie eine Mauer
Und meine Brüste sind wie Burgen!
Ich bin in des Geliebten Augen
Wie eine, die den Frieden spendet!


30
DER WEINBERG

Einst einen Weinberg hatte Salomo,
Der er den Weinberg Gärtnern übergab,
Die Ernte brachte tausend Schekel wohl.

Ja, meinen eignen Weinberg hab ich jetzt!
Die tausend Schekel geb ich Salomo,
Zweihundert gäbe ich den Gärtnern hin.


31
EILE, MEIN GELIEBTER!

Die du wohnest in dem Garten,
Meine Weggenossen lauschen,
Laß uns hören deine Stimme!

Eile, eile, mein Geliebter!
Tu es gleich dem edlen Hirsche,
Tu’s gleich dem Gazellenbocke
Röhrend auf dem Balsamberge!




MARIA GRATIAPLENA

Ich will nun mit Gottes Segen
Des Gesanges pflegen
Und will mit Versen ehren
Die Gottesmagd und singen der Hehren,
Will heben an und preisen Gott allein
Und Gottes Mutter ganz rein.

In Maria die Menschheit aller Leute
Sich ihrer höchsten Krone erfreute.

Maria ward noch nie, o Christ,
Gelobt, wie sie es würdig ist.

Laub und Gräser und Kies
Und alle Sterne und Sonnen
Und alles Firmament zusammenstieß
Und aller Planeten Wonnen,
Die können alle nicht
Ein Glanz-Gedicht
Erfinden, wie es würdig wäre
Zu der Gottesmutter Ehre.

Ich singe der Makellosen
Mehr als Blumen und Klee,
Ich lobe sie mehr als die Rosen
In Mai und Blütenschnee.
Ich sehe die Elemente,
Feuer und Luft und Wasser und Erde,
Als ob die Welt bekennte,
Daß alles ist ein Stirb-und-Werde,
Maria aber erhoben
Über die Elemente, oben
Erscheint in englischer Wonne,
Gekleidet allein mit der Sonne!

Ave Neue Eva, Wiederbringerin
Des Gartens Eden, ganz dein ich bin!

Die Hirtin hütet ihre Herde!
Maria ist die Trösterin süß
Den Himmeln und der Erde
Und macht die Erde zum Paradies!

Sie ist die Helferin hochgeboren,
Die ich zur Hilfe mir auserkoren.

Von deiner Gnade stammt mein Vertrauen,
Kein Sünder geht verloren,
Der auf dich hofft, du Schönste der Frauen,
Gratiaplena auserkoren,
Wer dir sein Herz schenkt, ists auch voll Schuld,
Du neigst dich zu ihm voller Huld.

Schuldig bin ich so großer Schuld,
Die möchte mir Gott verzeihen,
Neige dich, Gratiaplena, voll Huld,
Von meinen Sünden mich zu befreien.
Du bist die Trösterin aller Sünder,
Große Mutter der Menschenkinder.
O Frau, ich rufe zu dir, die aller Gnaden voll,
Bewahre mich vor Hades und Scheol,
Befreie mich hier von weltlichen Schanden,
Bewahre mich dort vor Satans Banden,
Führe mich in des Göttlichen Kindes Reich,
Du Jungfraumutter und Gottesmagd,
Sei mir zu helfen unverzagt,
Dir, meine Hilfe, ist keine Dame gleich!

Von uns Menschen hast du so große Ehre,
Denn was täten wir, wärst du nicht gewesen,
Du Mutter des Heilands, von Gott erlesen,
Wir haben dich zu Recht erhöht, du Hehre,
O Frau, wir haben dich erhöht so hoch,
Laß uns unsre Niedrigkeit nicht entgelten,
Mögest uns nicht allzu strenge schelten,
Wir gehen alle noch in der Sünden Joch,
Doch hilf uns, Große Mutter, Gottesmagd,
Daß wir armen Sünder dennoch unverzagt,
Wenn wir eines Tages müssen sterben,
Die Barmherzigkeit Gottes erwerben!

Das will ich bekennen und singen
Aus gläubigem Herzensgrund:
Maria kann des göttlichen Kaisers Mund
Zu süßer Milde zwingen!
Ich weiß auch wohl, was ich sie bitte,
Ich armer Sünder ohne Sitte,
Das wird das reine Herz der Hehren
Als Gratiaplena mir gewähren.

Mit übermenschlicher Machtgewalt
Beherrschst du alles, was da ist,
Den Himmel, die Erde, der Hölle Aufenthalt,
Denn du regierst mit Jesus Christ.

Maria, Mädchen! Wir lieben dich so,
O Gratiaplena, mach uns froh!
Da Gott die Schöpfung dir übergeben,
Gib du uns allen das ewige Leben!

Ich sehe einen Rosenkranz,
Zwölf goldne Sterne voller Glanz,
Sie lassen das nächtliche Dunkel tagen.
Eine Jungfrau soll das Kettchen tragen,
Das schönste Mädchen auf allen Wegen!
Der Friedefürst hat bei ihr gelegen,
Er saß auf ihres Schoßes Throne.
Dem himmlischen Mädchen gebührt die Krone.

Er sagte: Du bist meine Mutter,
Du das verheißene Land von Honig und Butter,
Ich lebe im Mysterium doloris –
Aber du bist die Mater Creatoris!
Bitte mich immer, ohne zu verzagen,
Ich werde niemals dir etwas versagen.
Ich ernenne dich zur Trösterin der Sünder,
Zur Advocatin der armen Menschenkinder.
Führe du die Sünder in den heiligen Hain!
Du drehst den Rosenkranz nicht allein,
Ich will auch in meinen schmerzlichen Wehen
Den Rosenkranz drehen.

Der Madonna, dem Mädchen, dem zarten,
Sag ich: Du bist mein Rosengarten,
Von den weißen, roten, goldnen Rosen, die da glühten,
Pflückte Madonna keusche Blüten.
Vor allen Mädchen ist die Gratiaplena rein.
Als Kettchen trug sie ein Rosenkränzelein,
Das trug die Gratiaplena ungebrochen
In gesegneter Hoffnung vierzig Wochen.

Ich aber will vor allen Sachen
Einen Rosenkranz der Gratiaplena machen.

Ich mahne dich an deine erste Wonne,
Du allerseligste Mädchen-Madonne,
Du Immaculata! Hosianna!
Als dich im Schoß empfangen Anna!
Ich mahne dich an deine zweite Wonne,
Du allerseligste Mädchen-Madonne,
Du Makellose! Hosianna!
Als dich geboren die liebe Anna!
Und grüße auch Jesu Geliebte, Magdalena!
Ave Gratiaplena!

Marias Jammer war groß,
Der Christ am Kreuz war nackt und bloß!
Sie küsste das Blut, das von ihm geflossen!
Er, der war bei den Schächern, den Genossen!
Sie sprach: Ah weh mir armem Weib,
Wie ist gemartert mein Sohn in seinem Leib!

Als Lobpreis schenk ich gern
Dies Lied dem Morgenstern.

Madonna, Immaculata,
Inspiriere meine Ode
Nach der Meistersänger Mode,
Ich singe Madonna Annunciata,
Daß ich würdig die himmlische Feier
Preise mit meiner goldenen Leier
Und mit Lorbeer dich bekrön, ah,
Gratiaplena!

Süß lebt die allerseligste Mädchen-Madonne
In der übergöttlichen Wonne,
Tut in der Beata Trinitas wohnen,
Einer Gottheit in drei Personen,
Drin leben und werden die Christen genesen,
Was immer auch in schlechten Büchern lesen
Die Heiden und die Juden und die Ketzer
Und der Manichäer Hetzer!

Er sprach: Geliebte, umarme mich
Mit herzlicher Minne!
Dein Minnepfeil verwundet mich,
Doch will ich, dass ich dich gewinne,
Ich will mit dir ringen,
Ich lass mich von dir bezwingen!
Was willst du, Herzensfreundin mein?
Bereit sei, herzlich Geliebte mein,
Die Minne will mit dir kämpfen!
Du sollst das Feuer nicht dämpfen,
Den Minnestrahl mit heißen Flammen
Samt tausend Sommersonnen zusammen
Mit Macht sie in die Seele goss!
Da sprach der Minner, der sie genoss:
Herzlich Geliebte, nun liebe mich!
Da sprach die Geliebte: Jetzt lieb ich dich,
Jetzt zündet meine Flamme deinen Zunder!
Da flog sie an sein Herz,
Sie scherzten in seligem Minnescherz,
Dem Freier war das ein Wunder!

Ich komme zu der einzig Lieben,
Der ich lange leider fern geblieben,
Wie im Mai auf der grünen Aue
In die Blume tropft der Taue,
O fröhliches Schönheit-Anschauen!
O freundlicher Gruß der Schönsten der Frauen!
O welch ein Umfangen und welch ein Sehnen!
O welch ein Strömen von Freudentränen!
O welch ein die ewigen Wonnen Begehren!
O welche Liebesbeweise der Hehren!
Wie mir ihre keusches Küssen mundet!
Gott, dein Wunder hat mich verwundet!

Zypernwein und Mischwein, du Nette,
Und Nelken bereit ich dir zum Bette,
Mein Bett, Geliebte, bereit ich dir,
Komm, Himmelsgeliebte, lieg bei mir!

Es steht ein Kastanienbaum im Himmelreich,
Da blühen alle Äste,
Da schrieen alle Engel gleich:
Jesus ist der Beste!
Es kam ein Engel vom himmlischen Orte
Herab auf diese Erde,
Ging durch die verschlossene Pforte
Und grüßte die überaus Werte!
Lustig sollst du spazieren
Mit freudigem Jubilieren
In des Himmels grüner Aue,
In Lilien und Rosen
Sollst du mit der Gottheit kosen,
Daß die Gottheit dich gerne schaue!

Im Bad die Buhlin, sie,
Die allerschönste Marie!
Eine Gottheit in drei Personen lade
Zu dir in deinem Bade!

In himmlischen Auen, grüne,
Die Engel auf dich warten,
Für Gott bring Opfer der Sühne,
Bis selig du als der Kühne
Jesus schaust, den zarten!

Das tönten die Chöre der Engel voll Harmonie,
Sie tönen von ewigem Minnen,
Neun Chöre der englischen Hierarchie,
Sie tönen, wie groß der Gottheit Sympathie,
Daß kann ein Menschengeist nicht ersinnen!

Da war ein Mädchen auf der Erde,
Die geboren ohne Beschwerde,
Dies Mädchen Gratiaplena fein
Gibt im Himmel lieblichen Schein!

Die Gottheit zog von ihrem Finger
Einen Ring von Golde:
Nimm, mein geliebter Jünger,
Nimm dies Ringlein hin,
Weil ich in Ewigkeiten bin
Für dich die Liebe, die holde!

Da meine Minne dich bedrang,
Deine Minne mich bezwang!

Gottes Mutter rein
Ist die Gemahlin sein.

Maria als Freundin und Kurtisane
Des Heiligen Geistes ich ahne.

Ich bin geschickt zu dir als Bote,
Als guter Bote der Minne,
Geschickt vom allerhöchsten Gotte,
Der begehrt, dass er deine Liebe gewinne.

Er tat drum einen Boten senden,
Einen schnellen, einen behenden.

Er schrieb ihr Liebes im göttlichen Briefe
Und schickte das Schreiben in die Tiefe
Und steckte den Brief in des Briefkastens Schlitz.
Gott lachte über seinen Witz.

Er kam als der verliebte Gemahl
Herab zu der Blume im Tal,
Er wollte sehen mein seliges Mühn.
Da ließ ich meine Augen glühn
Und schenkte ihm einen zärtlichen Blick!
Da spannte ich einen hanfenen Strick,
Daß er mir nicht mehr entkommen kann.
Eine Form so freudig zog er an,
Da blieb er bei mir in meiner Welt.
Ein Mädchen zog ihn in ihr Zelt
Und legte ihn an ihre pralle Brust!
Da gab ich ihm all meine Lust!

Nun will ich einen Kranz
Machen dem Geliebten, den ich fand,
Von Rosen und andrer Blumen Glanz,
Gewunden von meiner Hand,
Weiß und rot und golden
Winde ich Rosen dem Holden,
Ganz wie es meinem Leibe mag behagen,
Den soll mein Geliebter tragen.

Die Bibel uns wahrhaftig sagt,
Wie das Mädchen, die Gottesmagd,
Spazieren ging
Und wie sie einen Mann empfing
In ihrem Blumengarten.
Der Mann zum Mädchen kam,
Sie seine süßen Worte vernahm,
Sie liebte zärtlich den Zarten.
Durch Veilchenwiesen wallten sie dann,
Das Mädchen den Mann bei den Händen hielt,
Da sie es über den Mann gewann,
Daß er in Liebe mit ihr gespielt,
Da hat er nach göttlichen Muss gemusst
Ihr tun nach ihrer Lust.
Mit göttlichen Muss er musste ihr
Erfüllen ihres Herzens Begier.
Da machte er ihr süß den Rosenkranz
Und beider Wonne war ganz!

Er sah sie vor sich tanzen,
Er wollte sich in ihren Garten pflanzen,
Da war in ihm nach ihr
Von Lust so große Begier!

Da machte ich ein Kindelein,
Das schuf in mir der Schöpfer mein.
Ich ging allein voraus,
Er schlich mir nach ins Haus.
Der Jüngling war nach mir
So voller Lustbegier.
Und seinen Willen sollt ich tun,
Wie die Magd tut dem Herrn,
Und seinen Willen tat ich gern,
In seinen Armen zu ruhn!

Ich liebe der Personen drei!
Sie wohnen mir in Liebe bei!

Er lag bei dir alleine,
Ach Mädchen, du Reine,
Zürne nicht, Gott ist der Held,
Der lag dir bei in deinem Zelt!

Da ward erfüllt die Begier,
Der Wille des Alten an ihr.

Da schlief er beim Mädchen intim vertraut,
Der Bräutigam lag bei der schönen Braut.
Der Ritter vor dem dichten Holze
Vom Rosse sprang in das Gras.
Die Taube sah man die Schwingen spreizen.
Er wollte das Mädchen, die Stolze.
Der Jüngling war nicht bleich und blass,
Er rang mit ihren graziösen Reizen!
Da umfing den starken Mann die Beglückte!
Wie mächtig und stark er auch war,
Sie warf ihn in das Gras! Sogar
Er Lilien mit ihr pflückte!




CORINNA



Corinna ist mir treu, die Städte ruiniert,
Das Portemonnaie entleert, dass sie mit Schmuck sich ziert,
Im Morgentraum lag sie bei mir, im Morgengrauen,
Ganz splitterfasernackt, die Lüsternste der Frauen,
Zu heiligem Genuss, ganz wie es mir gefällt,
Auch musst ich zahlen nicht für ihre Lust mit Geld.
Nicht flehen musst ich mehr um Gnadengunst der Süßen
Und vor der Grausamkeit nicht Tränen mehr vergießen!
Umsonst hab ich die Lust im Morgentraum gehabt,
Corinna hat mich da erquicket und gelabt.

*

Wie süß das Küsschen ist Corinnas, wenn sie leicht
Mit ihrer Zunge mir die Lippe lieb bestreicht,
Mit Küsschen nicht allein, nein, ihre Küsse taugen,
Das Mark der Seele mir aus meinem Fleisch zu saugen!

*

Nicht Edelfrauen schätz ich hoch mit stolzen Stirnen,
Ich liebe Sklavinnen der Lust, die leichten Dirnen.
Die Edelfrauen, ach, sind lieblos und sind stolz,
Wie sehr du dich bemühst, sie sagen nur: Was solls!
Die Dirnen aber sind, und sind sie noch so billig,
Sie sind doch wunderschön und auch zur Liebe willig!

*

Nein, nicht die Mädchen eng und auch nicht eine Alte
Mit ausgeleierter und abgenutzter Spalte,
Sie reizen mich nicht mehr! Wie Mädchen albern sind,
So hab ich Mitleid nur mit diesem dummen Kind.
Die Alte aber flößt mir Ehrfurcht vor der Würde
Des Alters ein und vor der grauen Haare Bürde.
Jedoch die reife Frau, das reife Wonneweib!
Geschaffen ist zur Lust des reifen Weibes Leib!
Die Schönheit ist sie selbst in ihrer höchsten Blüte!
Sie zieht mich ins Gemach, ins Bett der Aphrodite!

*

Corinna, selbst sollst du so ruhn, wie ich im Froste
Vor deiner Türe lag, entfernt von allem Troste!
Treulose Hure du, nun bist du gar nicht nett,
Du lässt mich nicht mehr ein in dein wollüstig Bett!
Sind voll Barmherzigkeit die Nachbarn, die im Raume
Mir gaben roten Wein. Du nicht einmal im Traume
Erbarmst dich über mich mit deiner Brüste Paar?
Bald aber straft dich Gott, wenn ausfällt dir das Haar!

*

Corinna, höre nicht auf deiner Mutter Rat!
Verlasse ich auch jetzt die heimatliche Stadt
Und zieh ins ferne Land, nicht achte aufs Gerede
Der Weiber dieser Welt! Verlache kräftig jede!
Du lebe heiliger als ich und hab nur Mut,
Denn Heil wird dem beschert, der Armen Gutes tut.
Ernähre dich gesund. Du sollst mir Briefe schreiben
Von dem, was dir gefällt, in dieser Welt zu treiben
Und wo an welchem Strand du in der Glut des Sands
Gebettet liegt im Arm von welchem dummen Schwanz.
Sei sparsam mit dem Geld! Wenn jene, die dich ficken,
Dir geben etwas Geld, so sollst du mir was schicken!
Und wirst du schwanger gar, so bring das Kind zur Welt –
Ein Nest ist doch bereit für jeden jungen Held!

*

Wer schlug mich, welcher Narr, mich jagend aus dem Hause,
Da ich gebetet fromm in Aphrodites Klause?
Da war er überrascht, der mich bei dir ertappt,
Wie ich mit dir vereint gevenust und priapt!
So ist der Weiber Art: Der Gott steht in der Nische!
Jetzt aber geb ich acht, dass keiner mich erwische.

*

Die eine schöne Frau ist keusch, zu frostig, allzu keusch,
Sie gibt sich niemals hin, erquickt mir nie das Fleisch!
Die andre schöne Frau, gewillt mich zu erquicken,
Schon in der ersten Nacht ließ sie sich willig ficken!

*

Corinna, weißt du noch, wie ich halbnackt dich fand,
Des andern Mannes Schwanz in deiner rechten Hand?
Bei Sankt Pythagoras und seiner Mystik Schweigen –
Ich will allein als Geist in deiner Schönheit zeugen!
Doch du suchst einen Mann, der in Geduld erträgt,
Wie du die Ehe brichst, doch der dich niemals schlägt.

*

Corinna, weißt du noch, wie wir uns kennen lernten?
Ich ging im Abend, dem vom Venusstern besternten,
Und grüßte dich: Grüß Gott, bei Aphrodite, Weib,
Wie ist dein Name, Weib? Wie lüstern ist dein Leib! –
Corinna heiße ich, ich danke für dein Winken! –
Corinna, schönstes Weib, komm, mit mir Wein zu trinken! –
Gut, junger Mann, doch wo? – O Weib, komm in mein Haus,
Wir saufen Becher da voll roten Weines aus! –
Freund, ich will einen Brief der Busenfreundin schicken,
Jetzt aber hab ich Zeit, gut, lass uns lustvoll ficken!

*

Ich, die Corinna, ließ drei Männer mich begatten,
Befriedigt habe ich zu gleicher Zeit drei Latten!
Ja, lieber Herzensfreund, nicht so verlegen glotze:
Der Erste vögelte von vorne in die Fotze,
Der Zweite fühlte sich schon fast im Paradies,
Als ich ihm mit dem Mund die Jubelflöte blies,
Der dritte Freier, das war der gewaltig barsche,
Von hinten fickte er und trieb es in dem Arsche!
Ah, Wollustorgie! Ah, freie Liebe groß!
Dir schenk ich, liebster Freund, den Mund, den Arsch, den Schoß!

*

Wenn die Geliebte ist mit einem Sohne schwanger,
Dann pflüge nicht das Feld und ackre nicht den Anger,
Indem du offen schaust ihr in das Angesicht
Und liebend dich versenkst in ihrer Augen Licht,
Zu sehr wölbt sich der Bauch, der mütterliche, dicke,
Nein, Aphrodite dann in ihren Hintern ficke!

*

Corinna, dieses Weib mit Wangen rosenrot,
Ich bog sie auf das Bett und war ihr Frauengott,
Da sie umklammerte mich straff mit strammen Schenkeln,
Die Aphrodites Werk beherrscht gleich den Engeln!
Wie schwamm ihr feuchtes Aug, im Auge licht ein Blitz,
Wie bäumte sich ihr Leib, da ich gefickt den Ritz!
Den Samen ich ergoss, da ich sie heiß begattet,
Und die Bacchantin lag in meinem Arm ermattet!

*

Grad sah ich sie im Bad, wie Silber ihre Füße,
Sie wusch die Brüste sich, das Zwillingspaar so süße,
Das zitterte der Po, das Hinterbackenpaar,
Wie Milch und Rosen, o, der Po war wunderbar!
Des Venushügels Scham verbarg sie mit den Händen,
Doch schaute ich das Haar dicht zwischen ihren Lenden.

*

Mit Eifer fickte ich die braungelockte Frau!
Zu lachen fing ich an und lachte: Liebchen, schau,
Die zwölfmal wir gefickt, Corinna, morgen heiter
Wir ficken voller Brunst mit Kunst der Liebe weiter!
Ich fick dich zehnmal dann, vielleicht auch zwölfmal dann!
Corinna, du allein machst mich zum starken Mann!
Am nächsten Morgen kam Corinna in mein Zimmer,
Da sagte ich zu ihr: Es wurde immer schlimmer,
Ich hab die ganze Nacht allein an dich gedacht –
Da hab ich mir es selbst mit meiner Hand gemacht.

*

Corinna sprach: Gespürt hab ich im Liebeskuss
Des Mannes Seele, ach, im zärtlichsten Genuss,
Wie seine Seele heiß begehrt vor allen Dingen,
In meinen weichen Mund wollüstig einzudringen!

*

Ich bin der Apfel, ich bin deiner Schönheit Preis!
Wir welken beide hin, Geliebte, ach ich weiß,
Drum mögest du voll Huld und Gnade gnädig nicken
Und in der ersten Nach gleich sehr wollüstig ficken!

*

Du mit der Rose rot, du wunderschönes Weib,
Gibst du die Rose mir, gibst du mir deinen Leib?

*

Im Badezimmer du, ich bad in Flammenwogen,
Ergieße mich, bevor ich ganz mich ausgezogen!

*

Weg, transparentes Kleid! Nicht Ephyra nicht verdecke!
Schwenk deinen prallen Arsch! Ja, bück dich in der Ecke!
Das transparente Kleid, nur hingehauchter Hauch,
Lässt sehen mich den Slip und deinen weißen Bauch!
Hast du an Transparenz viel Freude, lichtem Glanze,
Zieh transparent ich an das Gummi meinem Schwanze!

*

Ich lob die Tänzerin, die lüstern da im Tanz
Den Schlangenleib bewegt (im Maul der Schlangenschwanz!),
Die alten Männer stehn mit abgenutzten Schwänzen
Und sehn dem Weibe zu bei ihren Schlangentänzen,
Die dem Genießer nun mit ihrer Rechten naht
Und packt den Schwanz und reibt, da steht der Ständer grad,
Dann mit der Zunge kommt sie an, den Schwanz zu lecken –
Sie wird den Toten aus dem Hades auferwecken!


WIE VERLIEBTE DOCH NOCH ZU MENSCHEN WERDEN KÖNNEN

nach Ben Jonson

(Die Szene ist der Arc de Triomphe. Auf dem Arc de Triomphe sitzt die Humanität in Gestalt einer heiligen Frau. Ihr Schoß ist voller Blüten, die sie mit der Rechten ausstreut. In der Linken hält sie ein goldenes Gängelband. So zeigt sie die Freiheit und die Gebundenheit der edlen Courtoisie. – Jetzt öffnet sich die Szene des Hades. In seinem Kahn steht Charon, der vom Strand abstößt. An Bord sind einige Geister, die von Hermes Psychopompus empfangen werden. Sie landen am Lethe-Fluss. Lethe ist ein alter Mann mit schneeweißem Haar. Die drei Parzen sitzen an seiner Seite. Umher blühen Myrten. Psychopompus empfängt die ohnmächtigen Geister und weist ihnen seinen goldenen Schlangenstab!)

PSYCHOPOMPUS
Seid nicht so schwach, hier nah dem Feld der Ruhe,
Wo keine Furien mehr euch länger plagen,
Die jeden schon verletzt an seiner Seele!
Wer in der Liebe war, der kennt die Hölle! –
Wohlan denn, auf! Folgt meinem Schlangenstab,
Ich weise euch den Weg zu Lethes Ufer,
Der aus der Urne Fluten lässt entspringen,
Wer die genoss, ist nicht mehr lebensmüde!
LETHE
Halt, was sind das für Schatten von Phantasten,
Die Psychopompus führt mit seinem Stab?
PYCHOPOMPUS
Das sind die schönen Formen von Verliebten,
Geschleudert in das wildgewordne Meer,
Aus dessen Schaum geboren Aphrodite!
LETHE
Und wurden sie erlöst von diesen Stürmen?
PSYCHOPOMPUS
Kein Gott kann sie aus diesem Sturm befreien!
LETHE
Sind sie ertrunken in dem Meer der Liebe?
PSYCHOPOMPUS
Ja, ja, ertrunken in dem Meer der Liebe!
LETHE
Wie konnte das geschehen, Psychopompus?
PSYCHOPOMPUS
Gott Eros hat die Liebenden ertränkt,
Er lockte sie in feuchte Grab durch Hoffnung.
LETHE
Und stillte er den Sturm, als sie ihm folgten?
PSYCHOPOMPUS
Ja, Eros stillte dann den Sturm der See,
Laut lachend ging er auf dem Wasserspiegel.
Der eine Freier warf hinweg sein Herz,
Ein andrer Freier seufzte, ward Phantom,
Der dritte Freier schmolz dahin in Tränen
Und sprach: Ich werde salziges Gewässer
Und sterbe dann im salzigen Gewässer,
Der vierte Freier schrie: Ich brenne, brenne!
Ein fünfter Freier sprach: Ich bin es nicht,
Mein Doppelgänger ists, ein Wiedergänger!
So fand ich sie. Nur einen Mann allein
Sah ich, der schüttelte sein Lockenhaupt,
Der froh war, dass er ganz alleine lebte,
Der leise flüsterte: Sie ist nicht tot...
PARZEN
Auch all die andern Freier sind nicht tot.
PSYCHOPOMPUS
Wie, höre ich die Stimme gar des Schicksals?
PARZEN
Denkt Hermes denn, es gäbe irgendetwas,
Das bliebe unbekannt der Schicksalsgöttin?
Sie kennt doch jedes Menschen Todesstunde!
PSYCHOPOMPUS
Die Freier sagen doch, sie seien tot!
PARZEN
Es stirbt ein Mensch, wenn meine Schere schneidet
Den Lebensfaden ab, den ich gewoben.
Doch diese Frier leben alle noch,
Wir spinnen noch an ihrem Lebensfaden.
PSYCHOPOMPUS
Ich glaube langsam, das ist Eros’ Werk,
Er goss in ihre Hirne den Gedanken,
Sie seien jetzt nichts mehr als Totengeister.
PARZEN
So lass sie trinken von den Wassern Lethes,
So werden sie vergessen Eros’ Namen
Und werden ihre Menschlichkeit entdecken.
PSYCHOPOMPUS
Neigt euch zum altehrwürdigen Gewässer,
Berührt den Lethe, schüttelt ab die Schatten,
Denn diese Schatten machen, dass die Götter
Euch mißverstehn und ihr euch selber fremd seid!
(Die Liebenden trinken vom kristallklaren Wasser des alten Lethe. Dann tanzen sie ihre Erfahrung in der Liebe. Sie sind jetzt verwandelt.)
PSYCHOPOMPUS
Schau, diese Freier sind sie selber wieder!
PARZEN
Jetzt wieder sind die Liebenden Substanzen
Und die Verliebten wieder starke Männer!
Beim Namen des ehrwürdigen Vergessens
Muß Eros fliehen in Ägyptens Wüste!
Wenn Eros im Vergessen wird ertränkt,
Stirbt Eros! Er, der Menschen unterdrückt,
Kann unterdrücken nicht die Schicksalsgöttin!
Das wär ein Hochmut, wollte Eros denken,
Er, Eros, sei so mächtig wie das Schicksal!
CHOR
O komm jetzt wieder, komm jetzt wieder
Und brenne heiß wie eine Flamme!
Rasch, wirf das Feuer auf die Erde,
Tu allen Menschenkindern Gutes!
Du bist zum zweiten Mal geboren
Zum Ruhm des ewigen Vergessens
Und zwar als Mahner für die Menschen,
Die hin und her geworfen werden
In Wirbelstürmen der Begierde,
Die Eros macht zu Totenschatten!
Spring auf, erheb dich, eile weiter,
Denn deine Glut ist um so reiner,
Als jetzt der Funke ward geschlagen
Der Reinen Liebe aus dem Schatten!
(Eros erscheint und begegnet den Freiern.)
EROS
Ihr Liebenden, empfangt jetzt meine Gnade!
Ja, dieser Ritus ist so ganz geeignet,
Am lichten Tage Eros zu verklären,
In dunklen Nächten Eros zu genießen!...
So will ich euch bewegt sehn, so im Tanz!
So lob ich mir die Jünger, die mir folgen!
Nicht Seufzer, Tränen und durchbohrte Herzen,
Nicht Höllenflammen und nicht Totenschatten –
Nein, Ätherkörper voll purgierter Liebe!
So sind die Menschen meines Wohlgefallens.
PSYCHOPOMPUS
Schaut immer auf die Schlange an dem Stab!
Verschließt die Ohren dem Sirenensang
Der magischen Verzauberung durch Eros!
Ah, jede Silbe, die er fallen lässt,
Ist eine Schlinge, die euch fesseln soll!
Wer Eros kennt wie ihr, der wird sich schützen!
(Die Liebenden tanzen hier den großen Tanz der Liebe.)
EROS
Kommt! Gebt doch Eros nicht die Schuld daran,
Daß vor der Zeit ihr wurdet Totengeister!
Wenn ihr dem Gott der Weisheit folgt allein,
Dann lebt ihr still in seligen Gedanken.
Nein! Nehmt euch Frauen! Plaudert mit den Frauen!
Berührt sie liebevoll! Genießt sie oft!
Die Geister gehen auf der Erde um!
Die Augen und die Zunge und die Hände
Erregen jenen Krieg, der Leben schafft!
In Wahrheit sind die Toten jene Seelen,
Die zählen sich zwar zu den Lebenden,
Doch tragen keine Liebe in dem Herzen!
(Hier schnappt sich jeder Freier eine Frau, es folgt ein frohes Fest.)
PSYCHOPOMPUS
Hört Eros euch verhöhnen und verspotten!
EROS
Seid nur nicht allzu weise, das bringt Gram!
PSYCHOPOMPUS
Nun gute Nacht, mein schöner Schmetterling!