Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

JUNGFRAU JULIA



Von Josef Maria Mayer


ERSTER TEIL
DAS MARTYRIUM DER HEILIGEN JULIA


ERSTE SZENE


(Karthago in Nordafrika im vierten Jahrhundert nach Christus. Julia in ihrem Elternhaus. Ihre Mutter Katharina. Ihre Schwester Maria und ihr Bruder Noah.)

JULIA
Als unser lieber Vater ist gestorben –
Ich muß doch immer an den Vater denken,
Wie bei der Feier der Beerdigung
Ganz Afrika stand auf für unsern Vater
Und zu den Trommelschlägen in der Kirche
Sich Afrika erhob wie Ein Soldat,
Um das Geleit der Ehre ihm zu geben,
Wenn Papa geht in Gottes Vaterhaus.
MARIA
Jetzt schaut der Vater von dem lichten Fenster
Des Vaterhauses Gottes zu uns her
Und steht uns bei vom Himmel als ein Schutzgeist.
MUTTER KATHARINA
Ich habe meinen Ehemann verloren
Und dies ist so, als schnitte man mir ab
Von meinen beiden Brüsten eine Brust.
Seh ich jetzt auf der Straße Ehepaare,
So sticht es wie ein Schwert in meine Brust!
Ich finde Tröstung nur in Gottes Kirche,
Dort sprach ein altes Mütterchen zu mir:
O Katharina, was ist Ganzhingabe
An Jesus Christus? Ganzhingabe ist,
Daß alles du empfängst, was Gott dir gibt,
Und wenn der Herr dir etwas nehmen wird,
Daß du es Gott dann gibst mit einem Lächeln.
So sprach das alte Mütterchen, doch ich
Kann den Verlust noch nicht verschmerzen. Weh mir!
KNABE NOAH
Du hast doch mich noch, meine liebe Mama!
Ich brauche doch dein süßes Mutterherz!
MARIA
Ich fühle einen Ruf von Jesus Christus,
In die Mission zu gehn. Schwarzafrika
Hat noch so viele arme kleine Kinder,
Die schreiend weinen nach der Liebe Gottes.
JULIA
Ja, mir hat Jesus heute Nacht im Traum
Ein Wort gesagt für dich, mein Schwesterherz:
Ich, Jesus, bin ein Kind in Afrika!
MARIA
Die Kinder sind die Lieblinge des Herrn,
Und wer die Kinder schändet, kreuzigt Jesus!
Wer aber kleinen Kindern Liebe schenkt,
Schenkt Jesus Liebe, tröstet Jesu Herz!
MUTTER KATHARINA
Marie geht also nach Schwarzafrika
Und Noah bleibt an meiner Mutterbrust,
Du aber, Julia, wo willst du hin?
JULIA
Ich schaute gestern Abend im Gebet
Den jungen auferstandnen Meister Jesus,
Nicht mit den Augen meines Körpers, aber
Doch mit den Augen meines Herzens sah ich
Den jungen Jesus, der so wunderschön war,
Daß ich es nicht mit Worten sagen kann.
Sein Kleid war weiß, doch war das Weiß nicht blendend,
Es war ein süßes eingegossnes Licht.
Ich schaute seine feinen schlanken Hände,
Die waren wunderschön, fast transparent.
An seiner rechten Hand am vierten Finger
Trug Jesus einen goldnen Ehering.
Sein Angesicht war unaussprechlich schön,
Ich dachte im Gebet, der Wahnsinn kommt,
Das ist der Wahnsinn, das ist so unglaublich,
O Jesus, du bist so unglaublich schön,
Du brichst mir fast das Herz mit deiner Schönheit,
Ich müsste sterben, in den Himmel kommen,
Daß ich ertragen könnte deine Schönheit,
Um ewig deine Schönheit zu genießen!
Da sagte Jesus Christus: Julia,
O Julia, ich kenne dich beim Namen!
O Julia, ich habe einen guten
Geschmack und will des jungen Mädchens Liebe!
O Julia, sei du nur keine Närrin
Und sage nicht: In meiner Jugend will
Ich mich verschwenden an die Welt, die Lust
Genießen in der Welt, und wenn ich alt bin,
Dann gehe ich ins Kloster, werde Nonne
Und schenke Jesus mich als seine Braut.
O Julia, ich habe einen guten
Geschmack und will des jungen Mädchens Liebe,
Ich, Jesus, will das Herz des jungen Mädchens!
MUTTER KATHARINA
O süßer Jesus der Barmherzigkeit,
Dank, dass du dir erkoren Julia
Zu deiner Braut, die ohne Falten ist!
MARIA
Ich bete zu der Schwarzen Muttergottes:
O Schwarze Muttergottes, o Maria,
Erbarme dich der Kinder Afrikas!
NOAH
O Mama! Müde bin ich, Känguruh,
Ich schließe meine kleinen Äuglein zu,
O Himmels-Abba, laß die Augen dein
Nur immer über meinem Bettchen sein!


ZWEITE SZENE


(Die Jungfrau Julia und ein heidnischer Dichter.)

DICHTER
O Julia, ich preise deinen Namen,
Du bist die Göttlichste der schönen Damen,
Ob du auch glaubst an Jesus Nazarenus,
Du bist die Enkelin der Göttin Venus!
JULIA
Ach, das Geschmier der Farbenkleckserei
Auf weißer Leinwand macht doch keinen Gott.
DICHTER
Ich Dichter, inspiriert von Gottes Eros,
Besing dich wie der heilige Homeros,
Du, schöne Helena, bist meine Muse.
Schau, einst in Troja lebte Frau Kreuse,
Die Ehegattin von Äneas war,
Dem Prinzen Trojas, schön und wunderbar.
So wahr der Weingott feiert mit Silenus,
Äneas war der Sohn der Göttin Venus,
Denn Venus, Königin des Paradieses,
Ergötzte einst den frommen Mann Anchises,
Daß Venus schwanger ward, und sie gebar
Äneas, diesen Prinzen wunderbar.
Äneas aber liebte die Kreuse.
So wahr mir helfe des Homeros Muse,
Kreuse von Äneas hat empfangen
Den Julus. Und so hat es angefangen,
Das heilige Geschlecht der Julier.
O Venus in der Muschel auf dem Meer,
Du Himmelskönigin Urania,
Urmutter bist du dieser Julia!
JULIA
Wenn du von Venus sprichst, bin ich pikiert!
DICHTER
Doch meine Muse singt dich immer weiter.
Dein Name, Julia, bedeutet: heiter,
Ein heitrer Himmel, klar wie lichtes Glas,
Die Heiterkeit, das heißt Serenitas,
Kein weißes Wölkchen an dem Himmel blüht,
So klar scheint mir dein heiteres Gemüt.
Dein Name, Julia, das heißt: die Junge,
O bei dem Atem meiner kranken Lunge,
Wo ist ein Mann, der je geliebt die Tugend
So innig wie ein Mädchen in der Jugend?
Ich prophezeie in Begeisterung:
Die Himmlischen sind ewig schön und jung!
Dein Name, Julia, das heißt: die Schöne,
Und ich bekenn mit seufzendem Gestöhne:
Die Götter haben dich zumeist verschönt,
Die Schönheitsgöttin selbst hat dich gekrönt!
JULIA
Was ist an meinem Namen schon gelegen?
Mein Jesus gibt mir einen neuen Namen!
DICHTER
Auch Cäsar Julius war Sohn der Venus!
So wahr der Weingott feiert mit Silenus,
Die Schwester Cäsars, die hieß Julia
Wie du, ja, die Cäsarin Julia
War Cäsars Schwester. Venus voller Lust!
Nach Julius war Cäsar der August.
Augustus’ Tochter, die hieß Julia.
Ovid, der Dichter, einst die Schöne sah,
Der Dichter lehrte da in einem Buch,
Wie kunstvoll man begeht den Ehebruch.
Augustus aber war ein Moralist,
Dem Ehe und Familie heilig ist.
Die Tochter Julia, sie ward verbannt,
Ovid verbannt ward an den Moldaustrand.
JULIA
Hab Dank für deine chronique scandaleuse!
DICHTER
Nun gib mir Urlaub, Jungfrau Julia,
Daß ich verklär dich als Urania,
Als Königin der Schönheit, als Idee,
Die Göttlichkeit der Schönheit, die ich seh.
(Dichter ab)
JULIA
Ach Jesus, soviel Schmutz hab ich gehört!
Wie geistig unsre Umwelt wird verschmutzt!
Man nennt das zwar Kultur, man nennt das Kunst,
Sie beten aber nur den Körper an.
Die Schönheit wird gelobt als Augenlust,
Doch ob die Seele hässlich, ekelhaft
Und widerlich und voller Unrat ist,
Das scheint egal zu sein. Du aber, Jesus,
Du schaust die Schönheit in den Herzen an.
STIMME DER MUTTERGOTTES
Mein liebes Kind, du fragst, warum ich schön bin?
Schön bin ich, weil ich voller Liebe bin!
Es ist auf Erden doch kein Menschenkind,
Das nicht von Herzen gerne schön sein möchte.
Drum liebe, Tochter, wenn du schön sein willst!
Und wenn du betest und mit Jesus sprichst,
Wird deine Seele immer schöner, liebes Kind.
JULIA
Ich bin ganz dein, Maria tota pulchra!


DRITTE SZENE


(Die germanischen Vandalen haben Karthago überfallen und in Trümmer gelegt. Diese germanische Rotte hat die Julia auf einem Schiff entführt und segelt mit ihr nach Korsika. Die germanischen Seemänner sind betrunken und grölen.)

GERMANEN
Bei Wotan und bei Thor und allen Göttern
Der heiligen Germanen, unsre Rasse
Ist auserwählt, die Erde zu beherrschen!
O Wotan, du der Führer der Germanen,
Du machst uns zu der Erde Herrenrasse!
Wir, die Germanen, sind die Übermenschen!
Die Macht, die Weltmacht, das ist unser Wille!
Vor allem aber diese alten Juden
Mit ihrem Gott der Demut hassen wir,
Der alte Gott der Juden lehrt die Demut,
Die Sklavendemut, diese Hundedemut!
Wir aber vom Geschlecht der Arier
Sind keine Sklaven, sondern Herrenmenschen!
Bei uns ist nicht der Arme Gottes Liebling,
Nein, Wotans Liebling ist der starke Krieger!
Der Gott der Arier will Krieg und Sieg,
Der Gott der Arier will Herrenmenschen,
Die stolz sind, weil sie Übermenschen sind!
Doch zu den Juden mit den Hakennasen
Gesellen sich die Christen, sanfte Lämmer!
Was predigt Jesus seinen Christenschafen?
Glückselig sind die Armen in dem Geiste,
Glückselig die Barmherzigen voll Mitleid,
Glückselig, die da Trauertränen weinen,
Zumeist glückselig, die gekreuzigt werden!
Ach, dieser jämmerliche Schwächling Jesus,
Ein Jude, seine Mutter eine Hure,
Wir hassen diesen Schwächling an dem Kreuz,
Wir hassen diesen gottverlassnen Gott!
JULIA
O Jesus, hab Erbarmen mit den Armen,
Der alte Satan spielt mit ihren Herzen!
O Jesus, wie beleidigt man dein Herz,
Wie leidest du in deinem Herzen Schmerzen!
O du mein Gott, wie könnte ich dich trösten?
Ein Liebender, der Liebe schenken will,
Der aber Spott nur und Verachtung erntet,
O Jesus, das bist du, ein Liebender,
Der als Freiwilliger den Liebestod
Für die geliebte Menschheit starb, die Menschheit
Hat aber nichts als Hohn und Spott für dich!
O Jesus, trösten möchte ich dein Herz,
Geliebter, jedenfalls – ich liebe dich!
GERMANEN
Kommt, Männer, lasst uns saufen Götterbier,
Wir wollen einmal ganz besoffen sein!
Denkt, Männer, an die Wonnen eurer Jugend,
Als ihr besoffen durch die Welt getaumelt
Und jedes Weibchen nahmt, das willig war!
O Freiheit in der Trunkenheit der Götter!
Die Götter saufen kräftig in Walhalla!
Ha, ein Germane, der den Strohtod stirbt
Und friedlich einschläft in dem Sterbebett,
Der kommt zur Hel, zur finstern Höllengöttin!
Doch die Germanen, die im Kriege sterben,
Sie steigen auf ins himmlische Walhalla,
Mit Wotan, Thor und allen andern Göttern
Sie saufen Bier der Götter in Walhalla!
Die Schwanenmädchen, himmlische Walkyren,
Sie schenken immer wieder diesen Kriegern
Das Götterbier in ihre Hörner ein!
Ja, wahre Krieger der Germanen sind
Die Krieger, die aus Totenschädeln saufen
Und sich betrinken an dem Hirn der Feinde!
Ah! Aber diese Jungfrau Julia,
Ein Schwanenmädchen ist sie und Walkyre!
Schaut doch nur diesen Schwanenhals euch an!
Das muss man doch den Christenschafen lassen,
Daß sie entzückend schöne Weibchen haben!
JULIA
Wenn ihr betrunken seid, ihr armen Kerle,
Dann scheint euch jedes Weibchen schön.
GERMANEN
Ja, Kätzchen! Freyja, unsre Liebesgöttin,
Sie ist auch solch ein süßes Schmusekätzchen!
Ah, Kätzchen, warum streckst du deine Krallen?
JULIA
Ihr tut mir leid! Entmenschte Tiere seid ihr!
GERMANEN
Kommt, Männer, lasst die Weiber, lasst das Mädchen!
Sie sinds nicht wert, dass man sich um sie kümmert!
Dumm sind die Weiber, falscher noch als Katzen!
Kommt, zündet an das hohe Opferfeuer,
Wir schlachten unserm Gotte Thor den Bock,
Wir fressen Fleisch zur Ehre unsrer Götter,
Denn unsre Götter lieben Fleisch und Bier,
Wir fressen Fleisch und saufen Götterbier
Und taumeln trunken in Walhallas Betten!
JULIA
Ich aber wache meinem Gott zu Ehren.
GERMANEN
(lachend)
Germanen saufen wenig, saufen selten,
Doch wenn sie saufen, saufen sich auch kräftig,
Und kräftig saufen die Germanen immer!


VIERTE SZENE


(Korsika. Die Germanen feiern ein heidnisches Sommersonnenwendenfest. Sie beten die Sonne als Gott an. Julia ist in einer dunklen Hütte eingesperrt.)

DRUIDE
Germanen, beten wir die Sonne an!
Im Sommer steht die Sonne im Zenit,
Die Sonne herrsche über alle Lande,
Sie bringt hervor das Leben auf der Erde,
Sie sendet ihre Strahlen, wohlzutun.
Wir breiten alle unsre Arme aus,
Empfangen von der Sonne Himmelskräfte.
Laßt uns die Seelen in der Sonne baden
Und fasst die Sonnenstrahlen mit der Hand.
Die Sonne ist das Vorbild unsres Lebens,
Die Jugend ist wie eine Morgenröte,
Die Reife ist der Mittag und der Sommer,
Das Alter ist wie Herbst und Abendröte,
Der Tod ist aber winterliche Nacht.
Doch nach der winterlichen Nacht des Todes
Geht wieder morgens früh die Sonne auf
Und wiederum erscheint der schöne Frühling.
Die Toten werden alle neugeboren
Und werden wieder Kinder auf der Erde.
Unsterblich ist das Leben aller Seelen,
Die Seelen haben Morgen, Mittag, Abend,
Doch nach der Nacht kommt wiederum der Morgen.
Die Sonne ist das Zeichen unsrer Hoffnung,
Im Winter sehnen wir uns nach dem Frühling,
Wenn wieder lustig scheint das Sonnenlicht.
Die Stunde aber, die den Frühling trennt
Vom Sommer, ist der Eintritt in den Himmel,
Der Himmel nämlich ist dem Sommer gleich,
Wenn alles sich ergötzt an Lust der Liebe!
Germanen, seht, die Sonne ist ein Gott,
Die Sonne ist die Göttin von Germanien.
Drum tragen wir das Zeichen auch der Sonne,
Das Sonnenrad, das Hakenkreuz Germaniens!
Doch weil die Sonne ist ein Gott am Himmel,
Drum braucht der Gott der Sonne Opfergaben.
Die Opfergabe, die die Sonne liebt,
Ist Menschenblut und Menschenfleisch am meisten!
GERMANEN
Holt Julia aus ihrer finstern Kammer,
Sie soll das Hakenkreuz Germaniens küssen!
(Die Vandalen schleppen Julia herbei.)
DRUIDE
Nun wirf der Sonne eine Kusshand zu
Und falle nieder vor dem Hakenkreuz!
JULIA
Ihr irrt euch sehr, Germanen und Vandalen!
Im Anfang war die Schöpfung noch ein Nichts,
Der Schöpferische Geist schuf aus dem Nichts
Den Urkeim aller Schöpfung, einen Kern.
Der Schöpferische Geist gab in den Kern
Urkeime aller Dinge dieser Schöpfung
Und eine Intelligenz vom Schöpfergeist,
Die je den Keimen aller Dinge sagte,
Wann, wo und wie sich alles soll entwickeln.
Zuerst entwickelte sich Urmaterie
Als Chaos, doch der Schöpferische Geist
Gestaltete das Chaosmeer zum Kosmos.
Im Kosmos waren nebelhafte Kräfte,
Die sich verdichteten zu Galaxien
Und Myriaden Sonnen. Unsre Sonne
Ist eine nur, ein Feuerball im Kosmos.
Des Schöpferischen Geistes Weisheit ist es,
Die sagt der Sonne, wie sie kreisen soll,
Die sagt der Erde, wie sie kreisen soll,
Die sagt der Luna, wie sie kreisen soll.
Und Sonne, Luna, Erde, sie gehorchen
Des Schöpferischen Geistes Weisheit pünktlich.
Der Geist kennt die Systeme aller Sonnen
Mit Namen und er ruft sie auch mit Namen
Und sie gehorchen seinem Wort und folgen
Dem göttlichen Befehl und funktionieren
Gemäß der Ordnung Schöpferischer Weisheit.
Gehorsam ist der Kosmos seinem Schöpfer.
Doch alle Sonnen, Monde und Planeten,
Sie haben keinen freien Willen, sondern
Gehorchen Gottes Weisheit, weil sie müssen.
Im sechsten Zeitabschnitt der Weltentwicklung
Entwickelte der Mensch sich, Mann und Frau.
Gott gab den Menschen einen freien Willen,
Für Gott zu leben oder gegen Gott.
Wenn jetzt ein Mensch mit seinem freien Willen
Sich frei entscheidet, Gott zu lieben, siehe,
Dann gibt das ganze Universum Antwort
Der Schöpferischen Kraft. Das Universum
Spricht mit den Lippen eines freien Menschen:
Ich liebe dich, du Schöpferische Weisheit!
DRUIDE
Geschwätz von Philosophen! Küsse jetzt
Das Sonnenrad, das Hakenkreuz Germaniens!
Wenn du dich weigerst, Julia, dann wirst
Wie Jesus du von uns gekreuzigt werden!
JULIA
Ich bete kein Geschöpf als Gottheit an!


FÜNFTE SZENE


(Hügel von Korsika. Auf einem Hügel steht ein hohes Holzkreuz, ein griechisches Kreuz in der Form des Buchstabens T. An dem Kreuz angebunden mit den Armen am Querbalken die heilige Julia. Sie trägt ein langes rotes Gewand, ihre langen braunen Haare fluten um ihren Leib. Ihre großen braunen Mandelaugen sind zum Himmel gewandt. Rechts und links unter dem Kreuz stehen hässliche Germanen in schwarzen Uniformen. Sie haben vom Hass hässlich entstellte Gesichter, höhnisch grinsend. Scheinbar triumphieren die hässlichen germanischen Monster, aber in Wahrheit ist deutlich, dass die gekreuzigte Julia in einer strahlenden Reinheit und Schönheit hoch erhoben ist über diese germanischen Untermenschen und entmenschten Bestien in ihrer barbarischen Hässlichkeit. Die heilige Julia an dem griechischen Kreuz, das steil in den Himmel ragt, scheint in ihrer übernatürlichen Schönheit und marianischen Reinheit ein weiblicher Jesus und fordert zur Anbetung auf.)


JULIA
Ich merke keinen Schmerz in meinem Körper,
O Jesus, ob sie mich auch quälen wollen,
Ich fühle mich so leicht wie Schwanenflaum!
Ja, hier erfüllt sich meine Heiterkeit,
Denn heiter lacht und klar in mir der Himmel.
Wie wohlig ist mir, Jesus, an dem Kreuz!
Denn du hast meine Augen aufgetan,
Ich sehe: Ich bin nicht allein am Kreuz!
Ich zwar bin hier als Jungfrau angebunden
Im roten Kleide des Martyriums,
Doch du bist angeschlagen an das Kreuz
Mit Nägeln, in der Nacktheit eines Sklaven.
So ruhe ich in deinen Heilandsarmen.
Ja, Julia und Jesus sind vereinigt
Und unser Hochzeitslager ist das Kreuz!
Wie frei und heiter fühlt sich meine Seele!
O Jesus mein, ich sehe dich und mich
In Liebe der Vereinigung am Kreuz,
Zusammen angebunden auf dem Bett
Der mystischen Vermählung auf dem Kreuz
Und sehe dich und mich, vereint am Kreuz,
Und seh das Hochzeitsbett des Kreuzes fliegen
Und triumphierend durch den Kosmos schweben!
STIMME JESU
Geliebte Julia, jetzt bist du mein!
Ich habe dich geschaffen, dich zu lieben,
Ich will dir ewig meine Liebe schenken,
Von Ewigkeit zu Ewigkeit dich lieben!
Schau nicht zur Welt herab der Gottvergessnen,
Zur Welt voll Mord und Gotteslästerung,
Erhebe deine Augen zu dem Himmel,
Ich öffne dir den Himmel, Julia!
JULIA
Ich sehe goldne Straßen weißen Lichtes
Die Bahn bereiten mir zum offnen Himmel
Und in dem heiter-klaren offnen Himmel
Ich schaue schon die Gottheit Schöner Liebe,
Ein süßes Licht, noch weißer als der Schnee,
Voll goldnen Glanzes, goldner als die Sonne,
Ja, meine Seele taucht schon in das Licht,
Ich tauche in den Ozean des Lichts,
Tauch in den Ozean der Schönen Liebe!
O Himmel aller Himmel – alles weiß,
O Himmel aller Himmel – alles bunt!
O Himmel – welches ruhevolle Schweigen,
O Himmel – welche schöne Harmonie!
STIMME JESU
Du wirst im Himmel noch viel schöner sein,
O Julia, als du auf Erden schön warst!
Denn darum bin ich Gott ein Mensch geworden,
Daß du als Mensch zur Göttin werden kannst!
Du wirst versunken sein in Gottes Liebe,
Die Liebe Gottes wird dich ganz erfüllen!
Als Gottes Kind wirst du zutiefst geliebt sein,
Als Gottes Braut wirst du vollkommen lieben!
Die Gottheit gibt dir einen neuen Körper,
Der Körper wird aus Geist und Lichtglanz sein,
Der Körper wird durchgeistigt sein von Seele
Und wird so leuchten wie die lichte Sonne
Und wird beweglich sein wie schnelle Blitze
Und wird so leicht und heiter sein wie Flaum!
JULIA
O Jesus, heute in dem Paradies
Denk du an deine Jungfrau Julia!
STIMME JESU
Ja, Amen! Julia, noch heute
Wirst du bei Jesus sein im Paradiese!
Komm in das Paradies, den Lustort Gottes!
GERMANE
Jetzt stirbt und fahre zu der finstern Hel!
(Er stößt mit einem Schwert in Julias Herz.)
JULIA
O Jesus, Jesus, Jesus!
(Sie stirbt. Über ihrem toten Körper steigt eine schneeweiße Turteltaube auf und fliegt in den heiteren Himmel.)




ZWEITER TEIL
LIEBESSONETTE VON PAPST ALEXANDER VI. AN DONNA JULIA




ABSCHIED VON VANOZZA

Vanozza, alte Frau, wie wurdest du so bitter,
Nun fünfzig Jahre alt, und voll der Sünden Spur,
Jetzt will ich nicht mehr sein versklavt dein Minneritter,
Dein Bruder bin ich jetzt, dein Freund des Geistes nur.

Wie hast du mich gequält mit deiner Launen Zanken,
Wie feindlich warst du oft, je mehr ich dich gewollt!
Die lang vergangne Zeit der Jugend in Gedanken,
Denk oft ich noch daran, wie reizend du und hold.

Jetzt willst du streiten nur, mit meinem Geiste zürnen,
Wie hast du doch dein Herz gemacht so felsenhart!
Doch lässt sich Christi Papst nicht narren von den Dirnen,
Egal ists mir, dass du dem Dummkopf dich gepaart.

Eins aber ich beklag: Wohin ist all dein Charme?
Du warst so reizend süß, erotisch, liebeswarm!


BRIEF AN VANOZZA

Hast du gesehen auch das junge schöne Mädchen?
Und fandest du sie auch wie ich so wunderschön?
Die Himmelskönigin erschien mir in dem Städtchen,
Da Donna Julia im Garten ich gesehn!

Ich sagte dir schon oft, Vanozza, edle Dame,
Ich liebe doch allein die Himmelskönigin,
Der Himmelskönigin dien ich als Bräutigame,
Der ich der Ritter nur der reinen Jungfrau bin.

Du wolltest mir das nie von ganzem Herzen glauben,
Du dachtest immer nur: Er sehnt sich nach dem Fleisch,
Er will ja rucken nur und gurrn wie Turteltauben
Und jetzt begehrt er doch das junge Mädchen keusch.

Wenn Donna Julia im Sonnenlicht ich seh,
Dann schau ich liebend an die himmlische Idee!


VANOZZA AN DEN PAPST

Ha, Eure Heiligkeit geworden ist zum Narren,
Auf Freiersfüßen Ihr folgt einem hübschen Kind!
Da könnt Ihr lange auf des Mädchens Gnade harren,
Mit Euch treibt Amor Spott! Gott Amor, der ist blind!

Seht, Heiligkeit, Ihr nicht, dass blühend wie ein Engel
Das junge Mädchen ist und scheint so himmlisch rein
Und makellos, perfekt und ohne alle Mängel
Und faltenlos die Braut des Gottessohns zu sein,

Doch unter dem Gesicht verbirgt sich ohne Zweifel
Die Gottvergessenheit und Liebe zu der Welt,
Die Lust der Weltlichkeit, der Erde eitler Teufel!
So prüft das hübsche Kind und schenkt ihr Gold und Geld,

Sie wird den Silberschmuck gewiss begierig fassen!
Nein, Eure Heiligkeit soll von dem Mädchen lassen!


DER PAPST AN VANOZZA

Vanozza, Rose rot mit deinen scharfen Dornen,
Verwelkt, o Rose rot, ist all dein Scharlachrot!
Was zürnst du mir, dass ich der neuen Auserkornen
Der Jungfrau Blüte keusch, die weiße Lilie bot?

Ich schaute in der Nacht in betender Vigilie
Die schöne Julia in meinem Geiste an,
Da schaute ich im Geist die keusche weiße Lilie
Mit ihrem tiefen Kelch – ich bin ja doch ein Mann!

Ein altes Judenweib sprach von den Kabbalisten,
Die Lilie sei ein Bild der Gottesliebe tief,
Weil tief der Lilie Kelch! Ich Oberhaupt der Christen
Fand den Gedanken wahr, empfand ihn intensiv.

Oh welche Liebe weckt, oh welch Verlangen, welch
Verzückung mir verschafft der Lilie tiefer Kelch!


DER PAPST AN DONNA JULIA

O Julia, als ich dich hab zuerst gesehen,
Da schienst du mir zu sein die Schönheit in Person!
Ich sah dich göttlich-schön bei deiner Schwester stehen,
Die Schwester schien mir da ein Himmelsengel schon.

Du aber, Julia, schienst mehr noch als ein Engel,
Warst Unsre Liebe Frau, die Himmelskönigin,
Madonna warst du mir, die Jungfrau ohne Mängel,
Der Engel Königin, der ich ihr Sklave bin!

Ich suche, Julia, schon lange die Ikone,
Da Unsre Frau gemalt so schön wie du es bist!
Ich rufe, Gottes Geist, mit Gott in Einem Throne,
Daß ich noch finden darf ein Bild, dass lieblich ist

Wie du so lieblich bist, unendlich unaussprechlich!
Des Gotteswortes Mund bin ich und dennoch schwächlich.


DER PAPST AN DONNA JULIA

Ich denke oft daran, wie ich zum zweiten Male
Dich, Julia, gesehn: Ich saß in meinem Thron,
Da standest du vor mir im reinsten Gnadenstrahle,
Wie Gottes Schönheit selbst im ewigen Äon!

Da hob ich an mein Wort aus dem Apostelstuhle
Und sprach dich an, du Frau aus Gottes Paradies!
Da sprachst du lächelnd vom Gymnasium, der Schule,
Ich aber hörte nichts, sah nur dein Lächeln süß.

Du reichtest mir voll Huld zum Abschied deine Rechte,
Ich schaute auf zu dir und sagte: Schöne Frau!
Jetzt sitze ich allein im Vatikan die Nächte
Und danke Gottes Geist für dieser Schönheit Schau!

Ich reiche selbst als Papst ja kaum an deine Wade,
Die du gleichst Gottes Geist voll Schönheit und voll Gnade!


DER PAPST AN DONNA JULIA

Bei deiner Mutter war ich zur Geburtstagsfeier,
Ich war dort als der Papst, hieß: Eure Heiligkeit.
Dein Vater zeigte mir die Harfe und die Leier,
Die selber er gebaut in weiser Fleißigkeit.

Auch deine Oma sah ich dort und alte Tanten,
So mancher lästerte mit bitterlichem Spott
Die Mutter Kirche, auch dort waren Protestanten
Und Atheisten auch, die kennen keinen Gott.

Wie war ich da allein mit meinem wahren Glauben
An Unsre Liebe Frau und an das liebe Kind!
Da hörte draußen ich Gegurr von Turteltauben
Und Gott der Ewige sprach zu mir in dem Wind!

Da schaute ich beim Stall die himmlische Madonne
Und dann erschienest du, o honigsüße Wonne!


DER PAPST AN DONNA JULIA

Wenn ich Petrarca wär und sänge Donna Laura,
Dann hätte Worte ich und könnte schildern dich,
Ja, wenn ich Bacchus wär, du meine liebste Aura,
Doch bist du Julia und ich bin – leider – ich!

Dein langes braunes Haar in fließender Kaskade
Floß flutend auf den Schnee, den weißen Schwanenhals,
In höchster Lieblichkeit umfloss dich Gottes Gnade,
In reiner Schönheit Reiz, wie Licht des Wasserfalls.

Wie durstig schaute ich doch deine braunen Augen,
Die mandelförmigen, heiß wie ein Meteor!
Oh, deine Augen mir zu Himmelspforten taugen,
Der Seele Fenster sie, der Seele Himmelstor!

Doch dass du, Julia, dann lächelnd zu mir sprachest!
Mit Gottesschönheit du doch nicht das Herz mir brachest!


JULIAS MUTTER AN DEN PAPST

Ach, Eure Heiligkeit, verzeiht des Mädchens Mutter,
Die hütet nur ihr Kind vor allem Herzeleid!
Wie in dem Sonnenlicht Ihr schmelzet hin wie Butter!
Ihr schwärmt, o Christi Papst, in Eurer Einsamkeit!

Mein liebes Kind bedankt sich für den Botticelli,
Die Venus makellos und Unsre Liebe Frau!
Mein Mann bedankt sich für die Geigen und die Celli,
Er sagt mir allezeit, wie sehr er Euch vertrau.

Für Shakespeares Drama auch von Jungfrau Juliette
Dankt unser Haus Euch sehr. Doch Julia verliert
Vor Shakespeare doch zu sehr! Die Niedliche und Nette
Wär über Shakespeares Lob doch allzu sehr pikiert!

Doch Gottes Feuergeist – was alles nicht vermöcht er?
O Petrus, segnet mich und alle meine Töchter!


DER PAPST AN DONNA JULIA

Ach Donna Julia, ich soll mit Protestanten
Von Weisheit reden und von Aristoteles,
Anschauen soll ich fromm der Ketzer fromme Tanten
Und heiter sein, voll Geist, wie weiland Sokrates

Und soll die Ketzer noch belehren über Logik,
Den Universalienstreit entscheiden voller Macht,
Soll lehren noch dazu von Gottes Pädagogik
Und von der Mystik Geist und von der dunklen Nacht!

Vergebne Liebesmüh! Hör, Mädchen, wie ich stöhne:
Wie wär ich lieber doch auf deinem Sommerfest
Und schaute dich nur an, du makellose Schöne,
Wie hielte dich mein Blick mit tausend Strahlen fest!

Was soll die Logik mir, der Theologen Summen?
Vor deiner Schönheit kann ich mystisch nur verstummen!


DER PAPST AN DONNA JULIA UND IHRE EDLE MUTTER

Ich schaute in der Nacht die Schönheit an, die reine,
Des Mädchens makellos, der weißen Lilie gleich.
O Donna Julia, ich bin so ganz der Deine,
Du Schönheitsideal aus Gottes Himmelreich!

O Mutter Julias, du milde süße Kathi,
Ich schaute in der Nacht voll schwermutvollem Schmerz
Dein süßes Mutterherz. Man nennt mich Papa, Vati,
Doch sehn ich mich zutiefst nach einem Mutterherz!

Madonna, Unsre Frau! Du Jungfrau und du Mutter!
O Lilie keusch und rein, o Rose liebesrot!
Ich Papst als Steuermann, ich lenk der Kirche Kutter,
Ich aber sehn mich sehr nach einem frühen Tod!

Ich weine in der Nacht voll jämmerlichem Schmerz:
O Jungfrau, heile mich, o süßes Mutterherz!