Von Josef Maria Mayer
ERSTE SZENE
FRANZ
Mein Vater, zwar ich weiß, dein Same zeugte mich,
Und Gott gehorche ich, indem ich ehre dich,
Für dich starb Christus auch und gab dahin des Lebens
Passion und Leidenschaft, doch ach, vielleicht vergebens!
VATER
Von Christus hörte ich, dass ihn verlassen Gott,
Daß man ihm Essig gab zu trinken voller Spott,
Ich hör die Botschaft wohl, allein mir fehlt der Glaube.
Und was ist mit dem Geist, der weißen Turteltaube?
Ich hör die Botschaft wohl. Da habe ich gelacht!
Was gab mir denn dein Gott? Der alles ich gemacht
Mit meiner eignen Hand, der Arbeit stetem Fleiße,
Der seine Arbeit tat in ehrlich-saurem Schweiße.
Was gab mir denn dein Gott? Er nahm den Vater mir
In meiner Jugendzeit. Da steh ich jetzt vor dir,
Mit vollem Menschenrecht den Herrgott anzuklagen,
Warum den Vater er mir nahm in Kindertagen!
Nein, alles tat ich selbst, Erfolg in dieser Welt
Verschaffte mir mein Fleiß und streng erspartes Geld!
FRANZ
Ich weiß, du liebst das Geld. Ägypten liebte Amon
Als goldnes Götzenbild, du aber liebst den Mammon.
Dein Geld, das ist dein Gott, du betest an das Geld!
Zwar deine Seele kann gewinnen alle Welt
Und kaufen alles sich, Genuss und Macht und Schätze
Und vor den Leuten Ruhm, doch gehst du in die Netze
Des Todes, ja der Tod, der Teufel fängt dich einst,
Wo in der Hölle du unendlich jammernd weinst!
VATER
So seid ihr frommes Volk, das Geld wollt ihr verspotten
Und schmäht der Kleidung Pracht, als fräßen sie die Motten,
Doch lebt ihr gut davon! Du lebst von meinem Geld,
Ich ebne dir den Weg zur Ehre in der Welt,
Ein Kaufmann wirst auch du, dir Schätze zu erwerben,
Zufrieden wirst du dann und satt an Leben sterben,
Zerflattern wird dein Hauch, dein Körper wird zu Staub.
An die Unsterblichkeit du meinethalben glaub,
Ich glaub an das allein, was ich mit Augen sehe.
Ich liebe Geld und Gut, ich lieb mein Weib der Ehe.
Dein Gottesglauben ist doch eine Illusion.
Nimm an mein Geld und dien dem Gelde auch, mein Sohn.
FRANZ
Ich las einst im Koran, den lesen die Muslime,
Ist Prophezeiung auch, erhabene, sublime,
Wie Vater Abraham vor seinem Vater stand
In Ur Chaldäas, in der Heiden wildem Land,
Der Vater Abrahams, er diente goldnen Götzen,
An Götterbildern sich von Golde zu ergötzen,
Der Vater Abrahams da sprach zu Abraham:
Mein Sohn, sei immer treu der Sippe und dem Stamm,
Mein Sohn, sei immer treu der Sippe und dem Stamm,
Sei eigenwillig nicht und isoliert ein Spötter,
Nein, deine Sippe ehr und deiner Sippe Götter.
Doch Abraham bei Gott dem Himmelsvater schwor:
Ich diene Gott allein, ich bin kein dummer Tor,
Ich diene Gott allein, ich bin kein dummer Tor,
Nur den Lebendigen und Ewigen ich preise!
Die Sippe närrisch ist, doch Abraham ist weise.
VATER
So aufgebläht und stolz du predigst deinen Gott,
Jetzt aber hör, mein Sohn, hör deines Vaters Spott:
Gab Gott dir dieses Kleid, Brokat und Samt und Seide,
Gab Gott dir dieses Kleid, Brokat und Samt und Seide,
Gab Gott dir diesen Schmuck, des Goldes Augenweide?
Dann weiß ich, was ein Mann von seinem Gotte hält,
Wenn Gott er wählt allein, verzichtet auf mein Geld!
Ihr Frömmler aber, ihr wollt euch so gar nicht schämen,
Zwar lästert ihr das Geld, doch wollt ihr’s gerne nehmen.
FRANZ
Hier hast du deinen Hut, ich geh mit nacktem Haupt,
Hier hast den Mantel du, ich hab ihn nicht geraubt,
Nimm hin das Oberhemd, was soll ich mit dem Hemde?
Nimm hin das Unterhemd, das meinem Leibe fremde,
Nimm dieses Beinkleid auch, den feinen Männerrock,
Ich bin kein Widder mehr und nicht ein Ziegenbock,
Und nimm zuletzt von mir, sieh meine stolze Pose,
Nimm alles du von mir, nimm meine Unterhose!
VATER
Jetzt schließ mit deinem Gott ein Bündnis, einen Pakt,
Ob er dich kleiden kann, denn du bist splitternackt!
BISCHOF
Ich, Vater Bischof von der Gnade unsres Gottes,
Befreie dich vom Hohn des väterlichen Spottes,
Ich Vater Bischof auf Apostels Stuhl und Thron,
Ich nehm dich an als Kind, sei du mein frommer Sohn,
Als deine Mutter wähl die Kirche, die katholisch,
Die heilig ist allein, die wahrhaft apostolisch,
In meinen Mantel hüll ich ein dich als dein Vater,
Weil Gott dein Vater ist, der Ewigvater, Rater,
Der Gottheld, Friedefürst, der dich zum Dienst bestellt,
Weil du dienst Gott allein und betest nicht zum Geld!
ZWEITE SZENE
FRANZ
Von einem Bettler hab erbettelt ich die Kutte.
Vom Heckenrosenstrauch pflück ich die Hagebutte.
FRAU ARMUT
Nun nicht des Vaters Geld und Gut dich mehr versorgt,
Der Vater in der Not dir nicht mehr schenkt und borgt,
Vertrau dem Vater in dem hohen Himmelreiche!
FRANZ
Der liebe Vatergott nicht meinem Vater gleiche!
FRAU ARMUT
Die Providentia gibt täglich dir das Brot,
Die Providentia, sie weiß von deiner Not.
Doch sorg dich nicht ums Brot, was dir den Leib soll kleiden,
Um leckre Speisen nur und Schmuck sich sorgen Heiden,
Das fromme Gotteskind, in Christus Gottes Kind,
Schaut, wie die Vögelein sich baden in dem Wind
Und wie sie in dem Laub und in den Teichen spielen
Und wissen nichts vom Fleiß und streben nicht nach Zielen,
Sie gehn zur Arbeit nicht, sie singen nur ihr Lied,
Die Lerchen singen froh, wenn früh die Sonne glüht,
Und wenn der Rosenmond beginnt des nachts zu wallen,
Dann vor der Rose rot aufseufzen Nachtigallen,
Die Amsel hüpft umher und pickt sich doch ein Korn
Und badet ihre Brust bloß in des Teiches Born,
Die Elster trägt den Zweig, zu bauen an dem Neste,
Das Turteltaubenpaar schon sehnt sich nach dem Feste,
Nach ihrem Hochzeitsfest, da kommen Fink und Star,
Bald hört man auch im Nest der Taubenküken Schar,
Im Lorbeerbaume hoch die neugebornen Spatzen
Von Gottes Vaterhuld so lieblich-töricht schwatzen,
Denn sie sind fromm und klug, sie wissen wohl, dass Gott
Trotz der Erwachsnenwelt und ihrem dummen Spott
Die Vögelein ernährt und sorgt für alle Vögel,
Dem Vogelorden ists die erste Ordensregel.
FRANZ
Und im Marienmai die Frühlingsblumen schön,
Ich schau sie allezeit mit seufzendem Gestöhn.
FRAU ARMUT
Die rote Rose schau in ihrem roten Kleide,
So schön war Sulamith selbst nicht in ihrer Seide,
Wie jedes Blütenblatt ist Kleidchen voller Reiz
Und in Entblätterung Vermeidung jeden Kleids.
So sah einst David nicht die junge Sunemitin
Und so nicht Salomo die süße Sulamithin.
Gott aber schenkt ein Kleid aus Duft der Rose rot,
Ob auch die Rose selbst muß einmal in den Tod.
FRANZ
Nun sag mir bei des Herrn barmherzigem Erbarmen,
Wie selig ist der Mensch, der von den geistlich Armen?
FRAU ARMUT
Ach, beides arm und reich ist nicht wie in der Welt.
Da gibt es einen Mann, der hat viel Gut und Geld,
Daß er Aussätzigen und ausgestoßnen Indern
Und armen Bettlern gibt und kleinen Waisenkindern.
Gesegnet ist der Mann, der ist an Gütern reich,
Gibt alles er dahin für Gottes Königreich.
Dann ist da auch ein Mann, der von den weltlich Armen,
Der immer sich verzehrt in bitterlichem Harmen,
Er hätte gern mehr Geld, er hungert nach dem Geld,
Weil er das Geld für den Glücksbringer Gottes hält,
Im Herzen ist der Mann längst einer von den Reichen,
Die beten an das Geld, ums Geld von Christus weichen.
FRANZ
Wer aber nichts besitzt und wer auch nichts begehrt,
Ist der allein vor Gott glückselig lobenswert?
FRAU ARMUT
Ein geistlich Armer ist gesegnet von dem Segen,
Wenn alles, was er hat und tut, all sein Vermögen,
Sein gutes Werk für Gott und seines Glaubenslichts
Bestreben nach dem Reich, erscheint ihm als ein Nichts.
Denn alles, was er ist, scheint wie ein Schatten flüchtig,
Der vor dem Herrn allein sich dünkt vollkommen nichtig,
Der an Verdiensten arm und Gnadengaben leer,
Sich ein Herr Niemand nennt, dem alles ist der Herr,
Der seine Nichtigkeit und seine Leere bade
In Gottes Überfluss und absoluter Gnade,
Wer ohne ein Verdienst zum Richter des Gerichts
Hinzutritt und bekennt: Ich bin vollkommen nichts!
FRANZ
Wie kann ich Kreatur die Nichtigkeit ertragen,
Daß ich nicht vor dem Herrn unendlich muss verzagen,
Wenn ich zur Herrlichkeit des Herrn komm ohne Werk?
FRAU ARMUT
In meinen Mantel braun der Bettelei dich berg,
Gib dich mir völlig hin, nimm mich als Frau zur Ehe,
In meinem Schoße du vollkommen ganz vergehe,
Denn dann ersetze ich, was dir an Gnade fehlt,
So dass der Herr nicht mehr all dein Versagen zählt,
Der Herr, schaut er dich an, schaut nur noch meine Tugend.
FRANZ
Sei mein, geliebte Frau in ewiglicher Jugend!
Ich sage Ja zu dir und küss dich mit dem Mund,
So wahr der Herr lebt, ich bin dein im Ehebund!
DRITTE SZENE
FRANZ
Seht, Eure Heiligkeit, ich sah in einem Traume
Den Neuen Adam stehn an einem Lebensbaume,
Dran Lebensfrüchte, süß wie Manna, voller Reiz,
Der Lebensbaum erschien mir aber als das Kreuz,
Der Lebensbaum, das Kreuz, wie eine Himmelsleiter
Zu Lebensfrüchten süß, die speisen Engel heiter,
Denn oben in dem Baum, in seiner Krone Laub
Sah ich erneut den Herrn wie trunken und ich glaub,
Denn ich empfing im Traum den wahren rechten Glauben,
An diesem Lebensbaum prall hingen süße Trauben,
Die jenem teilen mit, der sich dem Wein geweiht,
Der rot ist wie das Blut, des Gottes Trunkenheit!
PAPST
Dein Traum, mein lieber Sohn, prophetisch war und mystisch,
Da zeigte sich der Herr wahrhaftig eucharistisch.
FRANZ
Dann aber sprach der Herr und flüsterte mir ein:
In der Ecclesia sollst du die Säule sein!
In der Ecclesia sollst du die Säule sein!
Ich nehme dich als Kelch, darin den Wein ich reiche
Den Priestern und dem Volk in Gottes Königreiche.
Du bau die Kirche auf, die, ach, in Trümmern liegt.
Es ist die letzte Zeit, doch Mutter Kirche siegt!
PAPST
Ja, die Ecclesia, bei Unsrer Lieben Frauen,
Ist heute wenig schön, fast hässlich anzuschauen.
FRANZ
Das arme Gottesvolk hat irrend sich verirrt,
Auch weggefallen ist so mancher Seelenhirt.
Wer ist gehorsam, arm und keusch noch? Aber geldlich
Ist der Ecclesia Erbarmen nicht! Zu weltlich
Geworden ist die Schar des Gottesvolkes arm,
Wie Heiden leben sie, dass Jesus sich erbarm!
Weltkindern ähnlich mehr sie als des Lichtes Söhnen,
Gehorsam keiner mehr der Kirche ist, der Schönen.
Der Kirche ideal ist heilig und perfekt,
Doch ihre Kinderschar die Mutter hat befleckt.
Was aber klage ich von diesen armen Menschen?
Viel schlimmer ist die Schuld von Priestern und von Mönchen,
In Unzucht leben sie, nicht arm, gehorsam, keusch,
Sie dienen nicht dem Geist, sie säen in das Fleisch,
Die Mutter Kirche sie, die Makellose, Pure,
In Unzucht machen sie zu Babels wüster Hure!
Ich aber nach des Traums so visionärer Schau
Als Christi Architekt erneut ein Kirchlein bau,
Ein Kirchlein Unsrer Frau, ein friedliches und kleines,
Ein kleines Kirchlein nur, jedoch ein heilig reines.
PAPST
Erneuert wird allein Ecclesia, die Maid
Mit süßer Mutterbrust, durch wahre Heiligkeit.
Ja, heilig ist der Herr! So sehr ich mich bemühte,
Es war doch alles nur des großen Gottes Güte,
So sehr ich betete mit flehendem Gestöhn,
Die Gottheit war allein in Ewigkeiten schön!
So sehr mein Geist gestrebt nach der Vernunft und Klarheit,
Gott offenbarte sich als personale Wahrheit,
So viel ich auch geweint, sehr jämmerlich betrübt,
Selbst noch im tiefsten Leid hat mich mein Gott geliebt!
Ja, heilig ist der Herr! Allein ein Leben heilig
Hilft der Ecclesia. Franz, schreite mutig, eilig,
Durchwandle diese Welt, verkünde Gottes Reich,
Dein Herz sei nicht wie Stein, dein Herz sei fleischern, weich!
FRANZ
Ein Mittel für das Heil erkenn ich in der Beichte,
Wenn vor Barmherzigkeit die Sündenlast entweichte,
Wenn die Barmherzigkeit aus ihrem Mutterschoß
Verzeihung strömt und spricht von allen Schulden los
Und reinigt so das Herz. Bei Unsrer Lieben Frauen,
Ein reines Herz allein wird Gottes Schönheit schauen!
PAPST
Der Papst kann nicht allein und nicht nur ein Konzil
Die Kirche heiligen. Es steht am Glaubensziel
Die Heiligkeit zuletzt. Sie schwebt als Feuerwolke
Voran dem Klerus und dem ganzen Gottesvolke.
Berufen sind ja nicht die Kleriker allein
Zur Heiligkeit, es ist berufen der Verein
Des ganzen Volkes zu der Heiligkeit in Liebe.
Franz, schenke nur dein Herz freiwillig ganz dem Diebe!
FRANZ
Da jetzt mein Herz gehört so ganz dem Herzensdieb,
Bin ich vollkommen arm. Die Blöße ist mir lieb.
So ging Jesaja auch drei Jahre als der Nackte,
So tanzte David auch zum lauten Trommeltakte
Allein im Lebendenschurz vor Gottes Lade, schau,
So tanze ich entblößt vor allem vor der Frau,
Die ich zur Frau erwählt, der kleinen Povarella,
Ich tanze nackt vor ihr, der Signorita Bella!
PAPST
(lächelnd)So ziehe durch das Land mit deiner süßen Maid,
Bis alles armes Volk der Kirche sich geweiht,
Die Bettler vor dem Herrn sich weihen Jesu Herzen!
Geh, sei du Christi Bild! Sei gleich dem Mann der Schmerzen!
VIERTE SZENE
SULTAN
Giaur, wie findest du mein Königreich Maroc?
FRANZ
La France ist sehr schön in ihrem roten Rock,
Doch dass ich in Maroc, in Afrika darf stehen
Und darf von Afrika aus nach Atlantis sehen
Und auch das Mittelmeer und schauen unterdess
Das starke Säulenpaar des Halbgotts Herkules!
Hier an dem Mittelmeer verträumen Assassinen
Im Haschischrausch den Tag. Die Huris winken ihnen,
Die sechzehn Jahre jung mit Liebe in dem Blick
Aus Blüten legen still das Rosen-Mosaik.
Schuhputzerinnen schön und voll von Liebesliedern
Sind jungen Huris gleich, lustwandeln mit den Brüdern.
Hier ist ein jeder Mann und Jüngling Märchenprinz.
Hier dampft der heiße Tee von grünem Pfefferminz.
Hier gehn auf Teppichen die Fraun in frommen Schleiern
Und Märchen singt der Greis auf alten Schildpattleiern.
Man schaut hinüber hier zum Fels von Gibraltar.
Gewürze duften schön und bunt auf dem Bazar.
Am Hafen bieten stolz die Fischer ihre Fische,
Die Speise lecker liegt gebraten auf dem Tische.
Hier nicht Betrunkene vor wilden Schenken schrein,
Besoffen von dem Bier, besoffen von dem Wein.
Der Beduine schätzt die Schwester keusches Wasser,
Das nicht vergeudet wird von sinnlos eitlem Prasser,
Hier weiß man Wasser noch zu schätzen klar und hell,
Hier trinkt am liebsten man aus frischem Lebensquell.
Hier hastet nicht die Welt so sinnlos nach dem Gelde,
Hier sitzt der Patriarch und raucht in seinem Zelte
Den schönen Tabak aus der Wasserpfeife still,
Hier weiß der Patriarch, was man im Harem will.
Hier tönt vom Tempelturm, vom hohen Minarette
Ein Rufen noch nach Gott, dass Allah Ohren hätte
Und höre seines Volks Gebet, dass Allah säh
Huldvoll die Betenden auf Polstern der Moschee.
Ich liebe euer Land, wo nördlich-afrikanisch
Der Mittag ist so still, die Stille heilig-panisch,
Wo ich im Schatten ruhn kann von der Wanderung
Und Jesus beten an in der Begeisterung!
SULTAN
Messias Jesus wir auch ehren als Propheten.
Wie tut ihr Christen doch zu dem Messias beten?
Wenn deine Seele, Franz, für den Messias glüht,
Dann sing von deinem Gott mir doch ein Liebeslied!
FRANZ
Wie soll ich Afrika, wo stets die Sonne heiß ist,
Beschreiben, wie der Schnee des Christentums so weiß ist?
Mich zieht es aber nicht in Tempel, Hindostan,
Mich nicht in die Moschee, mein Bruder Muselman,
Mich zieht es, Jude, nicht in deine Synagogen,
Wir haben einen Kult, den Trinker nur gepflogen,
Wir treten sonntags früh in unser Weinhaus ein
Und zechen fromm und froh vom blutigroten Wein.
Was ist mir die Moschee mit ihrem Teppich helle?
Ich liebe mehr den Staub auf meines Lieblings Schwelle!
Fragst du mich, wer das ist, der Liebling, sag ich dir,
Er ist der Schenke, der stets redet: Ich bin hier!
Mein süßer Liebling ist das Ideal des Schenken,
Der allzeit willig ist, den Wein mir einzuschenken!
Doch schenkt er nicht nur Wein mir ein, der Trauben Glut,
Der Liebling schenkt mir ein sein eignes Herzensblut!
Ich trink mich selig voll mit blutigrotem Weine
Und sag zum Schenken dann: Ich, Liebling, bin der deine!
Dann spricht der Liebling still in mir wie Sonnenschein:
Ich kreis in deinem Blut wie Wein, ich bin ganz dein!
Ich kreis in deinem Blut wie Wein, ich bin ganz dein!
SULTAN
Du bist ja ein Poet! Kennst du die makellose
Geliebte aber auch, der Nachtigallen Rose?
FRANZ
O Rose voller Pein, von Herzensschmerzen rot,
Wie dich der Dorn durchbohrt beim Nachtigallentod!
Die süße Nachtigall, ganz frei von allem Zorne,
Sie stieß sich in die Brust die Spitze von dem Dorne,
Verblutete vor Schmerz und nährte mit dem Blut
Der Liebe Hoheslied, des Weltenliedes Glut!
Die Rose voller Pein, voll liebeskranker Schmerzen,
Sie stach mit spitzem Dorn und ritzte sich am Herzen
Und mischte, Rose rot, der Röte Feuersglut
Am Nachtigallenbaum mit Nachtigallenblut!
Doch wie die Nachtigall so um die Braut geworben,
So mit der Nachtigall die Rose ist gestorben!
Da sang die Nachtigall im Jenseits in der Nacht,
Da ist die Rose rot in Eden auferwacht!
O Rose weiß und rot, o Rose rot und weiß,
O Rosa Mystica in Edens Paradeis,
An Gottes Herzen du erblühtest, so zu reden,
Du Gottes Rose rot, o Rose du von Eden!
In deinem Rosenschoß gebettet liegt das All,
Du Rosenkönigin bei König Nachtigall
Entzückst im Paradies mich einst mit deinem Triebe,
Mich kleinen Schmetterling, der ich die Rose liebe!
SULTAN
Du Nachtigall Allahs, der Rose Bräutigam,
Wer ist denn deine Braut?
FRANZ
Die Rose Maryam.
FÜNFTE SZENE
KLARA
Mein Franz, mich hungerte nach einem langen Fasten,
Doch war ich bettelarm, wie Indiens Bettlerkasten,
Kein Geldstück war bei mir, die kleinste Münze nicht,
In meinem Kämmerchen verborgen vor dem Licht
Saß betend ich allein, da hörte ich die Stimme
Des Herrn und Bräutigams, so süß wie eine Imme:
Geliebte Klara mein, komm nur aus deinem Haus,
Geliebte Klara mein, komm nur aus deinem Haus,
Geh in den Sommer, in den Garten Gottes aus,
Sankt Agnes wartet dort, sie möchte mit dir essen,
Sankt Agnes hat dir dein Lobpreisen nicht vergessen.
So sprach der Bräutigam. Da ging ich aus dem Haus,
Ging in den Sommer, in den Garten Gottes aus.
In Gottes Garten sah ich an die roten Tulpen,
Die Tulpen schöner als ein Ritter in den Stulpen,
Im goldnen Weizenfeld der purpurrote Mohn
Viel schöner noch als selbst der weise Salomon.
Ich ging und sang ein Lied zu meinem Bräutigame,
Da traf ich eine Frau, da sprach die junge Dame:
Hier ist ein wenig Geld, so gehen Sie zu Tisch!
Hier ist ein wenig Geld, so gehen Sie zu Tisch!
Da kaufte ich mir Brot und roten Wein und Fisch
Und speiste nicht allein, denn mit mir saß zu Tische
Mein Jesus, mein Gemahl, und reichte mir die Fische,
Und mit mir saß zu Tisch Sankt Agnes auch, die Maid,
Die blonde Lockenflut allein ihr keusches Kleid.
So wandre ich allein im irdischen Getümmel,
Doch bin ich einsam nicht, denn um mich ist der Himmel.
FRANZ
O liebe Freundin mein, wenn ich spazieren geh
Durch Gottes Garten, ich Sankt Augustinus seh,
Stets in Gedanken ich mit Augustinus spreche
Und seiner Weisheit Wein in vollen Eimern zeche.
Er spricht dann oft zu mir vom Manichäertum
Und der Bekehrung zu dem Evangelium
Und wie er ward als Christ des Christentums Bewahrer.
Ich rede dann mit ihm vom Irrweg der Katharer,
Denn die Katharer nur das Manichäertum
Erneuern, lehnen ab das Evangelium
Von der Kenosis und der kommenden Theosis,
Wir lachen oftmals laut dann über ihre Gnosis
Und preisen Gottes Wort, gekommen in dem Leibe,
Und Gottes Schöpfung wir gleich einem schönen Weibe
Verehren trunken dann und rufen die Natur
Zum Lobe Gottes auf und alle Kreatur.
So mangelt es mir nicht an einem guten Freunde,
Dieweil ich einsam in der irdischen Gemeinde.
Gott Lob jedoch, es hat mir Gott zu meiner Ruh
Die Freundin beigesellt. Mein Seelentrost bist du!
KLARA
Fern der Ecclesia, der heilig unbefleckten,
Die Spirituellen sich versammeln in den Sekten.
FRANZ
Es ist allein die Schuld der Kirche in der Welt,
Die in der Unzucht hurt und traut allein dem Geld,
Wenn Spirituelle nicht mehr das Mysterium
Der Mutter Kirche sehn im Evangelium.
Das Evangelium ganz radikal zu leben,
Kann der Ecclesia die Geister wiedergeben.
KLARA
Ich will in Avignon ein Kirchlein bauen klein,
Die Kathedrale soll geweiht der Minne sein.
Frau Minne wahrlich ist von göttlicher Natur,
Ihr dienen wird dereinst ein frommer Troubadour,
Wird nach dem Lorbeerzweig des Ruhmeskranzes jagen
Und von der Minne Macht im süßen Stile sagen.
Er soll dann vor dem Dom, vor meinem Kirchenbau
Wie eine Göttin schön erblicken jene Frau,
Die seine Muse wird und seine Minnedame,
Der er’s allein verdankt, wenn fortbesteht sein Name.
FRANZ
Ach liebste Klara mein, ach liebstes Klärchen mein,
Ich will in Ewigkeit dein Freund und Bruder sein.
Die Zukunftskirche, wird sie schön sein, Prophetissa?
Sing der Ecclesia den Hymnus, Poetissa!
KLARA
Wie unsre Freundschaft, die geschwisterliche, ist
Der Kirche Freundschaft mit dem Freunde Jesus Christ.
Wie unsre Freundschaft, die geschwisterliche Freundschaft,
Ist ein Realsymbol der kirchlichen Gemeinschaft,
So eine Nonne kommt, die allzeit barfuß geht,
Sie lehrt in mystischer Erleuchtung das Gebet.
Gebet, Gebet, Gebet, ruft auf dem Berge Karmel
Die Nonne, deren Leib ist schön wie weißer Marmel,
Wie hingegossen sie vorm Engel liegt voll Reiz!
Ihr Freund wird aber sein geweiht allein dem Kreuz,
Er weiß, dass Gott ihn liebt, wie sehr ihn Gott auch quäle,
Die Weisheit schaut er in der dunklen Nacht der Seele.
FRANZ
Der Zukunftskirche sing den Hymnus, liebe Frau,
O Prophetissa, was siehst du in deiner Schau?
KLARA
Ich sehe eine Frau, wie eine Große Mutter,
Die von Atlantis bis zu Hindostans Kalkutta
Als Große Mutter voll des Herrn Barmherzigkeit
Den Durst des Christus stillt, die teilt mit ihm sein Leid,
Die trostlos in der Nacht erduldet Todesschmerzen.
Ich schaue ihren Freund, der dem Marienherzen
Die ganze Welt geweiht, der von Schwarzafrika,
Europa, Skythenland, zum fernen Asia
Die Afrikaner all und all die armen Inder
Der Muttergottes weiht, weil Alle ihre Kinder.
So wirkt die Freundschaft fort, die spirituelle, fort,
Der Psyche Hochzeit mit dem gottgezeugten Wort.
SECHSTE SZENE
FRANZ
Daß Jesus nicht Idee allein und nur symbolisch,
Dass wahrhaft inkarniert das Wort, das ist katholisch.
Der Philosophen Zunft den Philosophengott
Sucht voller Leidenschaft, dem schenk ich keinen Spott.
Ich aber will vielmehr den Kindern und den Armen
Hier machen evident das göttliche Erbarmen,
Daß Jesus ward ein Mensch, Gott selber ward ein Kind,
Auf dass wir allesamt auch Gottes Kinder sind.
HIRTEN
Wir sahen himmlisch schön die Herrlichkeit von Engeln,
Wir hörten den Gesang, ganz frei von allen Mängeln,
Wir sahen in dem Licht der Cherubini Schar
Und hörten Seraphim, die Stimmen rein und klar,
Und Sanctus sangen sie und sangen Hosianna
Und Halleluja auch und priesen Gottes Manna
Und wiesen darauf hin, Vorsehung hat’s gefügt,
Der liebe Gott als Kind in einer Krippe liegt.
Wir Hirten arm und schlicht, wir Hirten wenig heilig,
Wir wollten zu dem Gott im Leib des Kindes eilig.
JOSEF
Ich war bei meinem Herrn und Gotte in dem Stall,
Er, der geschaffen hat das ganze Weltenall,
Er, der so makellos und ohne jede Sünde,
Wie schaute er mich an! Wie sah ich in dem Kinde,
In seiner Augen Glut die Leiden dieser Welt!
Ob er als Gott und Kind die Welt in Händen hält
Wie eine Haselnuss, ich durfte dennoch schauen,
Links hält die Nuß mein Gott, rechts Unsre Liebe Frauen!
MADONNA
Begreifen konnt ich nicht in meiner Niedrigkeit,
Ich Mädchen schlicht und jung, ich kleine Erden-Maid,
Die ich mich sah als Nichts, als Niemand in der Demut,
Daß Gott mich so geehrt! Da fühlt ich eine Wehmut,
Daß ich, die ich verging in bodenlosem Nichts,
Erhoben ward von Gott zur Königin des Lichts,
Zur gnadenvollen Frau, zum Meisterwerk der Gnade,
Zu Gottes junger Braut, zur Himmelsstadt von Jade!
JOSEF
Madonna, jung und schön, ich sah dich immer an,
Mit seinen Augen liebt zuallererst der Mann,
Die Schönheit, die ich sah, war mehr als nur natürlich,
Du Schönste aller Fraun, du überkreatürlich,
Der himmlischen Idee der Schönheit völlig gleich,
An allem Liebreiz, Charme, Glanz, Anmut, Zauber reich,
Aus Gnade ganz gebaut, von Grazien übergossen,
Im Hohen Liede dir dir Lippen überflossen!
MADONNA
Als schon in meinem Schoß geborgen war der Sohn,
Da saß schon Davids Sohn in seiner Weisheit Thron,
Da tanzte schon mein Gott in seinem Hochzeitstanze,
Da sah er schon die Braut in ihrer Schönheit Glanze,
Er mehr als Salomo, sie mehr als Sulamith,
Da sang mein Gott und Herr der Hochzeit Hohes Lied!
MAGIER
Wir sahen einen Stern erstrahlen unter Sternen,
Die aus dem Orient gefolgt in weite Fernen
Der neuen Konstellation, da strahlend und purpurn
Des Königs Jupiter in Israels Saturn
Den Weg uns wies zum Stall, da wir den König fanden,
Den Hohenpriester und den wahren Gottgesandten.
Kein Schicksal ihn bestimmt, sein Leiden und sein Glück
Schrieb ihm kein Sternbild vor. Das heiliges Geschick
Der ganzen Erdenwelt hält er in seinen Händen
Und allen Anbeginn des Alls, das einst muss enden,
Hält Gott in seiner Hand wie eine Haselnuss.
Die Magier erflehn Madonnas Musenkuss!
MADONNA
Bei aller Wissenschaft, ich möchte euch bewirten
Mit Brot und Wein, zum Mahl ich lade auch die Hirten,
Es hat das Hirtenvolk den Gott zuerst gefühlt,
Ich wünsche, dass für mich ein Hirte Flöte spielt,
Die andern Hirten mir mit Messern ähnlich Blitzen
Als Kunsthandwerker schön mir einen Becher schnitzen
Und dann die Hirten zu der Hirtenflöte Klang
Auf Jesus singen mir den Musen-Wettgesang,
Auf Jesus, Gottes Sohn, denn jetzt heraufgezogen
Ist neu die Goldne Zeit der heiligen Eklogen.
HIRTEN
Dir, Muse, Lob und Preis, du Unsre Liebe Frau,
Weil wir die Göttin sehn in reiner Himmelsschau,
Als Opfer wir ein Lamm dem Gott der Götter bringen
Und, wie Madonna will, Eklogen Jesus singen!
SIEBENTE SZENE
FRANZ
Ich hab euch wirklich lieb, du Turteltaubenpaar!
Als ich ein Kind zu Haus in Mutters Garten war,
Ob es nun Frankreich war, Italien oder Spanien,
Das tut zur Sache nichts, da zwischen den Kastanien
In dem Kastanienbaum die Turteltaube saß,
Bei ihrem Gurren ich all meine Not vergaß.
Die Kätzchen nicht so schön miauen oder schnurren,
Wie ich das Girren lieb, der Turteltauben Gurren.
Großmütterchen mir oft das Märchen hat erzählt,
Mein Lieblingsmärchen dies der Märchen aller Welt,
Da ist das Mädchen arm, die arme Cindarella,
Ich glaube, darum lieb ich so die Povarella,
Die wurde doch die Braut des Prinzen. Weiß denn du,
O schöner Täuberich, wie immer Ruckediguh
Die Turteltaube rief: Die Braut ist nicht die Rechte,
Stiefmutters Tochter, das Geschöpfchen ist das Schlechte,
Doch Cindarella an der lieben Mutter Grab
Gebetet hat zu Gott, und Gott vom Himmel gab
Der armen Braut ein Kleid von schöner roter Seide,
So war das Mädchen doch die schönste Augenweide.
Ich schweife aber ab. Du Turteltaubenpaar,
Im Frühling ich schon oft der Liebe Zeuge war,
Wenn ihr so süß verliebt in Maienwonnetagen
Geräusche machtet mit der Schwingen Flügelschlagen.
Da sah die Taube ich in dem Kastanienbaum,
Der Taubenbusen war wie weißer Meeresschaum,
Da Samenflocken weiß von Pusteblumen schwirren,
Hör ich der Taube Ruf nach ihrem Tauber girren,
Der Tauber Antwort gibt von seinem Eichenbaum,
Von Taubengurren ist erfüllt der Lüfte Raum,
Da hör ich gurren in der Brunft und Brunst der Triebe
Geheimnisvoll in der Natur die Gottesliebe!
Das ist mein Thema jetzt, denn von der Kanzel hier
Ich predige das Wort zu jedem Erdentier,
Daß Liebe uns allein erlöst aus der Vergängnis,
Daß Liebe uns befreit aus jeglichem Gefängnis,
Vor allem allermeist erlöst uns von dem Ich,
Dem Egoismus, der so herrisch königlich
Uns in uns selbst verkrümmt. Doch wenn der Trieb der Triebe
Zu Gottes Trieb uns hebt, denn Gottes Trieb ist Liebe,
Dann wird der Liebe Brunst, der Liebe Macht sublim
Uns Liebe lehren wie die Engel Seraphim,
Dann glühen wir in Lust der Gottesliebe brennend,
Die Gottesliebe voll der Gotteslust erkennend,
Vereinen wir uns Gott in Einem Augenblick,
Im süßen Liebestod, der schenkt uns Liebesglück!
(Das Turteltauben-Ehepaar fliegt davon. Vom Himmel lässt sich schrecklich-majestätisch ein Lämmergeier vor Franz nieder und bittet stumm um seiner Weisheit Lehre.)In den Gebirgen hab gesehn ich Lämmergeier,
Die segelten allein in lichten Äthers Schleier,
Die Flügel Segel groß, ihr Leib ein Wolkenschiff,
Sie riefen manchmal sich mit hohem dünnem Pfiff.
Ja, reichlich lag das Aas und reichlich lebten Lämmer,
Ich sah die Herde schön in blauem Abenddämmer
Und in der Heide sah in Reif und Tau so fein
Ich Schädel liegen nackt und bleichendes Gebein
Und dachte an den Tod, der aller Welt verderblich.
Der Lämmergeier und die Lämmer all sind sterblich
Und auch der Hirte und der alte Hirtenhund
Und von dem Tode ist Natur am Herzen wund.
Da hört ich die Natur, wie Lämmergeier krächzen,
Da hört ich seufzen sie und leise stöhnend ächzen.
Wann wird Natur erlöst von der Geschöpfe Krieg,
Wann kommt das Friedensreich und des Messias Sieg?
Wenn der Messias kommt, die Menschen ewig leben,
Dann wird auch die Natur mit Trieben und Bestreben
Erlöst von Krieg und Tod und in dem Paradies
Der Lämmergeier spielt mit kleinen Lämmern süß.
(Der Lämmergeier erhebt sich und segelt herrlich davon. Eine Gruppe schwarzer Raben kommt.)Ich danke meinem Gott für euch, ihr schwarzen Raben,
Ich weiß, mit euch bringt Gott auch heute seine Gaben.
Die blaue Stunde kommt, es glüht das Abendrot,
Die ihr mir heute früh gebracht das weiße Brot,
Ihr bringt zur Abendzeit ein kleines Stück vom Fleische.
Die Schwester Wasser wird im Becher dann, die keusche,
Des Magens willen, der Gesundheit halber sein
Gemischt mit Frankreichs Saft, dem blutigroten Wein.
So Gott ernährt mich doch vom Abend bis zum Morgen,
Ob ich auch nichts getan, als frei von allen Sorgen
Zu predigen der Schar der lieben Vögelein,
Daß alle Kreatur soll Gottes Lobpreis sein.
Dem Prediger des Herrn gibt gnädig der Allweise
In dieser Erdenwelt das Trinken und die Speise,
Und so ernährt der Herr die Vögel der Natur
Und auch der Schöpferkraft geringsten Troubadour!
ACHTE SZENE
FRANZ
Wie lange Freunde schon, wie Bruder oder Schwester,
Wie lange Freunde schon, mein trunkener Sylvester!
SYLVESTER
Seit zwanzig Jahren schon gemeinsam wallen wir,
Ich schaute immer auf, mein Väterchen, zu dir,
Wenn du gegurrt, geruckt von Gott wie Turteltauben,
Du hast geholfen mir, an unsern Herrn zu glauben.
Die Kirche schien mir schlecht, verweltlicht sehr und reich,
Du aber lebtest vor des Meisters Himmelreich.
So Christus habe ich erkannt in dir, dem Christen,
So lieg auch ich jetzt an der Kirche Mutterbrüsten.
Frau Minne sangest du als Gottes Troubadour,
Ich liebe auch wie du die heilige Natur.
FRANZ
Zu Gnaden neigt sich schon die Sonne an dem Abend,
Die liebe Sonne ist erquickend und erlabend,
Wenn lächelt sie im Lenz, der Garten Gottes blüht
Und froh und liebevoll wird aller Welt Gemüt.
O Sonne oder Sol, du Genius der Sphären,
Ich höre deinen Sang den Schöpfergeist verehren,
Die du versenkst dich tief ins bodenlose Nichts
Und betest an den Herrn in Finsternis des Lichts!
SYLVESTER
Bald ist des Mondes Zeit. Ich weiß von einem Märchen,
Die Sonne und der Mond, sie waren einst ein Pärchen,
Das Schicksal trennte sie, nun suchen sie sich stets.
Das arme Sonnenlicht, zur Abendzeit vergeht’s
Und so ist es dahin, so grausam ist Fortuna,
Dann kommt gewandelt erst in Einsamkeit die Luna
Und ist so blass und bleich vor Trauer und verzagt
Und voller Wehmut leis in Liebeskummer klagt.
FRANZ
Das Märchen aber ist sehr traurig, mein Sylvester.
Frau Luna scheint mir mehr wie Klaras Ordensschwester,
Frau Luna Nonne ist, sie gab dem Herrn ihr Ja,
Jetzt weiß und rund, sie gleicht der reinen Hostia.
O Hostia, du Mond, du Jesu Christi Gattin,
Ich sing als Troubadour dich, meine Minnegöttin,
Wie du am Firmament mehr als die Sterne gleißt,
Doch hör dein Seufzen ich, mit dem du Jesus preist!
SYLVESTER
Der Mond scheint mir der Hirt, die Sterne sind die Herde.
In ihrem schwarzen Kleid sieht schön aus Mutter Erde.
Das Kleid steht ihr sehr gut, es schmückt sie vorteilhaft,
Ich fühl zur Erde noch geheime Leidenschaft.
FRANZ
Ich sing wie Hesiod, wie alle Humanisten,
Der Mutter Erde Lob und ihren breiten Brüsten!
SYLVESTER
Wie Mond und Sonne schön, Mars, Jupiter, Merkur,
Saturnus auch, sein Ring von kosmischer Natur,
Wie schön zur Abendzeit, zur Morgenzeit die Venus,
Doch Mutter Erde nur heimsuchte Nazarenus!
Was aber wissen wir vom Kommen unsres Herrn,
Ob er erschienen auch einst auf dem Morgenstern,
Ob auf der Venus auch versucht ward eine Eva,
Ob auf der Venus auch ein Papst thront namens Kefa?
FRANZ
Du, lieber Bruder, scherzt! Die Mutter Erde mit
Den breiten Brüsten sah allein, wie Jesus litt.
Ich bin ja einer nicht von den gelehrten Mönchen,
Die Mutter Erde gab der Schöpfergeist den Menschen,
Der Mutter Erde hat der Herr sich eingeflößt,
Auf Mutter Erde hat die Menschheit er erlöst.
SYLVESTER
Ich wär ein Engel gern, ein Bruder freien Geistes,
Der Leib ist ein Verließ, bei Platon sogar heißt es,
Der Seele sei der Leib ein Kerker, ja ein Grab!
Warum der liebe Gott mir diesen Körper gab?
Ach wär ich Engel nur, ich sage es bescheiden,
Und müsst ich nicht am Leib in meiner Seele leiden!
FRANZ
Hab Mitleid mit dem Leib, er ist ein Esel nur,
Es ächzt und krächzt und stöhnt die ganze Kreatur,
Die Esel schnappen Luft, sehn sie die Eselinnen,
Da steht des Esels Glied, da gibt es kein Besinnen,
So stürzt der Eselmann sich auf das Eselweib.
Wer wird erlösen mich von diesem Todesleib?
SYLVESTER
Mein Heiland ist der Tod, ein Heiland voll Erbarmen.
Empfange mich, o Tod, in deinen Heilandsarmen!
FRANZ
Im Gottesmutterschoß geborgen allezeit,
Bis Gottes Mutter mich gebiert in Ewigkeit!
Ich bin des Todes nicht, ein Aas zu seinem Futter,
Der Tod ist eine Frau, ist eine liebe Mutter
Und wird gebären mich zur Todesstunde süß
Ins Purgatorium und dann ins Paradies!
SYLVESTER
Todsünde, was ist das? Dass Satan uns nicht schade!
FRANZ
Verdienst nicht, ein Geschenk ist unsres Gottes Gnade.
Der Tod lobpreise Gott in alle Ewigkeit,
Weil unausforschlich ist des Herrn Barmherzigkeit!
NEUNTE SZENE
FRANZ
Die Triebe machen doch den Mann zu einem Tiere!
Ach dass ich nicht den Geist noch überm Fleisch verliere!
Ich werde niemals keusch, wenn Gott es mir nicht schenkt,
Marien Keuschheit in mein Fleisch und Blut versenkt!
(Über ihm in den Lüften erscheint ein Kreuz. Davor steht ein feuriger Engel der Liebe.)ENGEL
Die Feuerrose rot der Leidenschaft des Fleisches
Wird durch kein Violett erlöst, kein kirchlich-keusches,
Die Feuerrose rot der Liebesleidenschaft
Erlöst wird nur allein von Gottes Liebeskraft,
Der Weißglut Rose weiß, nicht Kühle ihre Weiße,
Die Weißglut-Rose ist die maßlos Über-Heiße!
FRANZ
Brenn du mir in mein Herz die Weißglut-Rose weiß,
Daß ich auch als Seraph die Inbrunst Gottes preis!
(Der feurige Engel schleudert fünf feurige Flammen auf Franz. Zwei Flammen verwunden seine Füße, zwei Flammen seine Hände, eine Flamme sein Herz.)ENGEL
Für eine Liebe von solch einer Größe geht es
Nicht ohne Wunden ab! Im Buch des Lebens steht es,
Daß du erlöst sollst sein, erlöst durch Liebe sein,
Drum habe Anteil auch an aller Liebespein
Der Liebe in Person, die ward zu Tod geschunden,
Verströmte all ihr Blut aus tausend offnen Wunden!
FRANZ
Die Füße sind mir wund, ich armer Wandersmann
Nun pilgre durch die Welt und sag den Frieden an,
Die Hände sind mir wund, ich arbeite hienieden
Und bin in Gottes Hand ein Werkzeug für den Frieden.
ENGEL
Doch unaussprechlich ist der namenlose Schmerz,
Der abgrundtief erfüllt das süße Jesusherz!
Für diesen Liebesschmerz, für Wunden solcher Sorte,
Gibt’s unter Geistern und Geschöpfen keine Worte!
Jetzt aber ahne du den Schmerz mit einem Mal,
Die Seele Jesu fühl und ihre Höllenqual!
FRANZ
In meinem Herzen ist so abgrundtiefer Schrecken,
Als wollte Gott in mir die Hölle auferwecken,
Als müsst ich selbst hinab, zum Feuersee, zum Pfuhl
Voll schwefligen Gestanks, um dort von Beelzebul
Noch die Verdammten selbst in Höllenqual zu trösten!
Der arme Lazarus im Himmel der Erlösten
Ging nicht zum reichen Mann, der brannte in dem See,
Ich bring dem reichen Mann ein wenig kühlen Schnee!
ENGEL
Was stammelst du, mein Freund! Wie sinnlos diese Klagen!
FRANZ
Ach, meine Höllenqual, sie ist nicht auszusagen!
Mein Christus in mir fährt ins Totenreich hinab,
Mein Christus in mir ruht versiegelt in dem Grab,
Doch meine Schmerzen sind ein reines Nichts, verglichen
Mit Jesu Christi Schmerz, als Gott von ihm gewichen!
ENGEL
Du, Franz, du leidest nicht, denn Jesus leidet nur,
Das Wort nimmt noch mal an die menschliche Natur
Und leidet die Passion, die Menschen zu erretten!
Du sollst die Seele nur im Bett des Kreuzes betten,
Dann mit dem Heiland und dem Herrn in seiner Pein
Wirst ein Erlöser du mit dem Erlöser sein!
FRANZ
In meinem Herzen ist ein Schnitt, mein Herz zerschnitten,
Ein Schwert geht durch mich durch! Was habe ich erlitten,
In meinem Herzen spür ich solche Liebesqual,
Als schlüge mir mein Gott ins Fleisch mir einen Pfahl!
ENGEL
Die Herzenswunde dein erheb zum Jesusherzen,
Mit deinem Schmerz berühr du des Messias Schmerzen,
Vereine deine Qual mit Jesu Christi Qual,
Vereine seinem Kreuz in deinem Fleisch den Pfahl!
FRANZ
O höchste Liebesglut, o heiße Liebesflamme!
Berühre ich das Herz von meinem milden Lamme,
Voll Sanftmut, Demut und voll süßer Mildigkeit,
Wie abgrundtief ist doch die Allbarmherzigkeit
Des Herzens meines Herrn, voll schöpferischer Triebe
Ein heißer Flammenherd, ein Brandaltar der Liebe,
Da Gottes Weißglut heiß voll Liebeslust sublim
Entflammt die Inbrunst der verzückten Seraphim!
ENGEL
Dein Seraph, das bin ich! Seraphisch deine Minne,
Der Liebesqualen und der Liebeslüste inne!
Pater Seraphicus, du Odem im Schamott,
Bist eine Flamme jetzt im Liebesfeuer Gott!