Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

DIE HEILIGE JEANNE D’ARC


Von Josef Maria Mayer



ERSTE SZENE


(Jeanne als Hirtin ihrer Lämmerherde ruht, an eine Eiche gelehnt, und schnitzt einen Becher.)

JEANNE
Kommt zu der Hirtin heim, ihr lieben kleinen Lämmer!
Die Vesperglocke ruft! Es kommt der Abenddämmer.
STIMME DER HEILIGEN MARGARETHE
O süße Jungfrau Jeanne, tu auf dein Muschelohr,
Dich rufen Heilige aus hoher Himmel Chor.
JEANNE
Was ist das für ein Ton, was spricht für eine Stimme?
Schlägt Gott mich jetzt mit Wahn, der Herr in seinem Grimme?
MARGARETHE
Sei, Jungfrau, ohne Furcht, es ruft durch uns dich Gott.
JEANNE
Die Menschen in dem Dorf verspotten mich mit Spott.
MARGARETHE
Erhaben stehe du darüber, laß die Kerle.
Sankt Margarethe ich bin, Gottes Meeresperle,
Und hab mit Drachen auch heroisch einst gekämpft.
JEANNE
Wie deine Stimme rauscht, wie redest du gedämpft.
MARGARETHE
Befrei du Frankreich auch vom Drachen, Jungfrau! Diene
Gott und dem Vaterland! Jetzt hör auf Katharine!
JEANNE
Sankt Margarethe, du sprichst mild und mütterlich,
Hör ich dich noch einmal? Ach, wie ich liebe dich!
STIMME DER HEILIGEN KATHARINE
O süße Jungfrau Jeanne, die liebe Margarethe
Wacht über deinen Geist, sie hört auf dein Gebete.
Sankt Katharine ich, die führte einst den Papst
Von Avignon nach Rom. O dass du dich erlabst
An deiner Freundin Gruß! Mit jedem der Gedanken
Und aller deiner Kraft Gott diene und den Franken!
JEANNE
Ich arme Hirtin nur, will nur im Schatten ruhn,
Was soll ich für den Herrn und für mein Frankreich tun?
KATHARINE
Geh eilig zum Dauphin und krön zum König ihn!
Dir ist das scharfe Schwert der Ritterin verliehn!
JEANNE
Ich kenne nur den Stab, den Stecken und die Flöte,
Wie ich die Flöte blies in stiller Morgenröte.
STIMME DES ERZENGELS MICHAEL
Maria sendet mich, ich Engel bin ihr Knecht,
In Frankreich richte du die Wahrheit auf, das Recht!
JEANNE
Ich liebe Frankreich ja, die Heimat der Franzosen,
Mein süßes Heimatland, mein Leben unter Rosen,
Und darf ich nicht als Lamm in Lilienauen ruhn,
Was, Engelsstimme, was soll eine Jungfrau tun?
MICHAEL
Geh du zu dem Dauphin, zum König ihn zu krönen,
Vertreibe England aus dem Vaterland, dem schönen,
Drei weiße Lilien auf der blauen Fahne Grund
Dein Liebesbanner sei, sei du von Sehnsucht wund,
Erlöse Frankreich aus der Knechtschaft Allerleiheit,
Nimm dieses Engelsschwert und kämpfe für die Freiheit!
JEANNE
Wenn ich berufen bin von dir zum Freiheitskrieg,
Werd ich erlangen dann, erringen dann den Sieg?
MICHAEL
Die Briten wird dein Schwert im Freiheitskampf besiegen,
Doch siegend wirst du selbst den Feinden unterliegen.
JEANNE
Sag, Engel, sterbe ich, komm ich ins Paradies?
MICHAEL
Vertraue Notre Dame, die gütig, mild und süß!
STIMME DER JUNGFRAU MARIA
Du süße Jungfrau Jeanne, sei du Marien Gleichnis!
Das Unbeschreibliche, hier wird es zum Ereignis.
JEANNE
Wie kann ein Mädchen arm und schlicht dir gleichen, Frau?
Jetzt hör ich dich nicht nur, jetzt schau ich eine Schau!
Im weißen Seidenkleid mit langen schwarzen Haaren,
Im weißen Schleier seh ich dich mir offenbaren,
Du anmutvolle Frau, viel schöner als mein Traum,
Wie du erscheinend schwebst hier überm Eichenbaum.
MARIA
Sei du zum Kampf bereit, ja selbst zu Todesschmerzen,
Um Frankreich mir zu weihn und meinem reinen Herzen!
JEANNE
In deinem Namen will ich kämpfen, Notre Dame,
Idee der Frauen du, Marie, plus belle des femmes!
MARIA
Du süße Jungfrau Jeanne, der Jungfrau Ebenbild,
Jetzt Löwe mehr als Lamm bist du im Kampfgefild,
Heerscharenführerin bin ich in Schlachtenreihen,
Nun sollst du selber dich, Jeanne, meinem Herzen weihen!


ZWEITE SZENE


(Jeanne und der Dauphin, alte Nonnen und junge Theologen.)

JEANNE
Mein heiliger Dauphin, zum König krön ich dich,
Dazu bin ich gesandt von Gottes Mutter, ich!
DAUPHIN
Ich bin von Herzen dir, du schönes Kind, gewogen,
Dich sendet Notre Dame? Das prüfen Theologen.
THEOLOGE
Dich sendet Notre Dame? Wer ist denn Notre Dame?
JEANNE
Die forma dei! O Marie, plus belle des femmes!
THEOLOGE
Du sahst vielleicht ihr Bild. Ist sie dir eine Göttin?
JEANNE
Des Vaters Tochter und des Sohnes Mutter, Gattin
Des Geistes ist Marie, sie ist total perfekt!
THEOLOGE
Ist von Empfängnis an die Jungfrau unbefleckt?
JEANNE
Begnadete von Gott, die Kecharitomene,
Wie Gabriel gegrüßt in der berühmten Szene,
Begnadet ist Marie vom ersten Augenblick,
Geschöpf des Geistes und des Schöpfers Meisterstück,
Das Allbegnadetsein ist immerdar ihr Wesen,
Die allgebenedeit, vom Schöpfer auserlesen.
THEOLOGE
Dich sendet Notre Dame? Dich sendet nicht der Sohn?
Ist Jesus nicht der Herr im höchsten Himmelsthron?
JEANNE
Daß Jesus Mittler ist zu Gott dem Himmelsvater,
Verkünd ich deutlich hier in dem Sakraltheater,
Allein der Mittler schenkt uns seiner Gnaden Tau
Durch seine Mittlerin der Gnaden, Unsre Frau.
Wie Jesus kam zur Welt durch Unsre Frau, die keusche,
Der Logos Gottes nahm von Unsrer Frau vom Fleische,
So Gottes Gnade kommt zu uns durch Unsre Frau,
Die Gnadenmittlerin, die aller Gnaden Tau
Vermittelt von dem Sohn zu ihren Kindern nieder.
Drum sendet mich Marie, ich sag es immer wieder,
Weil so es will der Sohn. Maria ist so schön
Und möchte, dass ich den Dauphin zum König krön!
THEOLOGE
Folgst du bist in den Tod der Jungfrau, der perfekten?
JEANNE
Ich sterbe für das Herz der Ewig-Unbefleckten!
DAUPHIN
Mein Theologe, sag, rechtgläubig ist sie doch?
THEOLOGE
Sie ist ein Ochse, der nur zieht an Jesu Joch.
DAUPHIN
Doch, soll sie retten uns, ist sie denn auch jungfräulich?
Ach, wär sie schon entweiht, weh mir, das wär mir gräulich!
NONNE
Ich werde prüfen Jeanne, ob sie ist Christi Braut,
Ob sie ist keusch, ob heil ist ihre Jungfernhaut.
Komm, süßes Mädchen Jeanne, hier ist ein Zelt im Raume,
Hier will ich prüfen dich, du süß gleich einem Traume,
Ob noch dein Hymen heil, ob makellose Maid
Du bist, ob heilig noch an dir Jungfräulichkeit.
(Jeanne folgt der alten Nonne in das Zelt mitten im Raum. Nach einiger Zeit erscheinen sie wieder. Jeanne errötet vor Scham, aber strahlend.)
JEANNE
Ich Jungfrau bin noch heut ein makelloses Mädchen,
Nicht irgend so ein Weib, ein Evchen oder Käthchen,
Ich bin die reine Jeanne, die Lilie weiß und keusch!
NONNE
Ja, unverletzt, intakt ihr Hymen ist im Fleisch.
JEANNE
Wie Sankt Hieronymus, Jakobus auch berichtet
Und wie ein Dichter einst in Versen es bedichtet,
War Unsre Liebe Frau viel keuscher als der Schnee,
Doch wurde sie geprüft vom Weibe Salome,
Die wollte sich vor Gott des klugen Zweifels rühmen
Und rührte Unsrer Frau versuchend an das Hymen,
Daß ihr verbrannt die Hand, da schrie sie in den Wind:
Verzeihe mir, mein Gott! Da kam das Jesuskind
Und rührte Salome verzeihend an, die Flamme
Erlosch an ihrer Hand, die zweifelnde Hebamme
Nach dieses göttlichen Erbarmens Gnadenakt
Versicherte der Welt: Die Jungfrau ist intakt!
DAUPHIN
So bist du orthodox und nicht wie Ketzer gräulich,
Du bist kein wildes Weib, bist Mädchen und jungfräulich,
So sage mir das Wort und richt die Botschaft aus!
JEANNE
Mein heiliger Dauphin, bei Gottes Vaterhaus
Beschwör ich dich, Dauphin, sei deiner Sklavin gnädig:
Preis Eurer Majestät, der Ihr seid Frankreichs König!


DRITTE SZENE


(Der Dauphin und Jeanne. Adel und Klerus.)

DAUPHIN
Von England sind wir rings umgeben, unser Feind
Allgegenwärtig ist, allmächtig, wie es scheint,
Wir aber sind verzagt wie kranke Eremiten,
Was können wir noch tun bei dieser Macht der Briten?
Sie haben unser Land erobert, herrschen jetzt,
Sie haben ihren Herrn auf unsern Thron gesetzt.
Franzosen denken nur an süße Liebeslust,
Ja, der Franzose denkt an der Französin Brust,
Die Briten aber ernst und streng an ihre Waffen,
Als Krieger hat sie wohl der böse Feind geschaffen.
Was soll die Venus mit der Amatoris Ars,
Wenn mächtig triumphiert mit seiner Waffe Mars?
Was soll der Liebespfeil im Angesicht des Krieges?
Die Liebeswonne geht verlustig ihres Sieges!
Der Brite mit Gewalt in die Provinzen brach,
Wie aber sind geschwächt, sind wie Verliebte schwach.
Der Brite will am Mast die Kriegesfahne hissen,
Franzosen denken nur ans Küssen, Küssen, Küssen.
Es sprach ein Philosoph im alten Griechenland,
Es habe alle Welt den inneren Bestand
Durch süße Liebeslust, der Liebe Seligkeit
Und gleicherweise auch durch Hass und Krieg und Streit.
Jetzt aber scheint die Lust der Liebe sich zu zieren,
Der Hass und Streit und Zorn des Feinds zu triumphieren!
Franzosen glauben zwar, die Liebe sei uralt,
Doch hat sie uns geschwächt. Der Brite mit Gewalt
In seinem Hass und Zorn kommt als ein großer Krieger
Und Herzenshärtigkeit bleibt in der Schlacht der Sieger.
Ich sehe einen Kampf, ich sehe deutlich das,
Die Liebe streitet mit dem Widersacher Hass,
Die Liebe streitet mit der Feindin Anti-Liebe!
Ach, wenn doch der Triumph der Liebe ewig bliebe!
Kannst du beweisen, Jeanne, dass du als Kriegerin
Zu mir geschickt von Gott? Und wirst du Siegerin
Im Kampfe sein und wird des Feindes Waffe stumpf
Und jauchzt noch Frankreich auf und feiert den Triumph?
Wird triumphieren nach des Krieges Allerleiheit
Das süße Liebesglück in Frankreichs wahrer Freiheit?
JEANNE
Mein heiliger Dauphin, komm in den Nebenraum,
Ich sage dir, was du gesehen hast im Traum...
Ich sage dir, was dein tief-innerstes Geheimnis,
Dann wirst du glauben mir, dann länger kein Versäumnis!
(Jeanne und der Dauphin gehen allein in die Nebenkammer.)
ADLIGE
Das junge Teufelsweib – Sie tut, was ihm beliebt –
Französin jung und schön – Sie weiß, wie Frankreich liebt –
Wie voll ihr Busen ist – Heiß pochen ihre Herzen –
Wie ihn verhext die Hex – Gott Amor scheint zu scherzen –
KLERIKER
Gott stehe Frankreich bei, geb uns den alten Glanz!
O betet oft für den Dauphin den Rosenkranz!
Die Maid und der Dauphin, die sich jetzt mystisch paaren,
Und Gott wird Frankreichs Ruhm aufs neue offenbaren!
Chérie Marie, chérie Marie, plus belle des femmes!
Die Glocke läuten lass im Dom von Notre Dame !
(Jeanne und der Dauphin erscheinen wieder, der Dauphin lächelnd.)
DAUPHIN
Jetzt weiß ich es und knie auf meines Gottes Stufen,
Die Weisheit Gottes hat zum König mich berufen!
Unwürdig bin ich zwar, ich bin im Grunde schlecht,
Als König bin ich auch nur meines Gottes Knecht,
Herrsch ich auch absolut, so bleibe ich ein Sklave,
Die Jungfrau helfe mir, ich bete stets mein Ave,
Die Jungfrau steh mir bei in dem Mysterium
Der jungen Jeanne, sie führt mich zu dem Königtum,
Die Jungfrau sendet Jeanne, Heerführerin der Heere,
Die Frankreich uns befreit, die Berge und die Meere,
Ich weiß, sie führt das Heer, die unsern Feind abwehrt,
Die Jungfrau in der Hand hält Gottes scharfes Schwert!
JEANNE
Berufen zu der Schlacht, Heerführerin der Heere,
Befreie Frankreich ich, die Berge und die Meere,
Befreie Notre Dame und ihren Sohn Paris,
Ja, Frankreich wieder wird der Liebe Paradies!
Vertreiben England wir im großen Freiheitskriege,
Der Brite unterliegt, die Liebe wird im Siege
Der Freiheit jauchzen laut! Die Freiheit führt uns an,
Die Jungfrau Freiheit führt, wir folgen wie ein Mann!
Ich aber künde euch ein heiliges Geheimnis,
Wenn ich verschwiege das, es wäre ein Versäumnis:
Ich sieg nicht mit dem Schwert in meiner rechten Hand,
Das Schwert in meiner Hand, befrei ich nicht das Land,
Ich siege mit dem Schwert in dem durchbohrten Herzen,
Triumph der Liebe glüht wie heiße Todesschmerzen!
Die Jungfrau Freiheit siegt in jauchzendem Triumph,
Wenn man der Jungfrau schlägt das Haupt von ihrem Rumpf,
Die Lilienflamme wird im Opferfeuer wehn,
Dann erst wird im Triumph die Freiheit auferstehn!


VIERTE SZENE


(Schlacht im Loire-Gebiet zwischen Franzosen und Engländern. Jeanne in Ritterrüstung reitet dem französischen Heer voran. Neben Jeanne reitet La Hire, der Wilde, ihr eifrigster Paladin.)

ENGLÄNDER
Soldaten der Armee, so kämpft in diesem Krieg,
Des Krieges Pflicht und Amt allein, das ist der Sieg,
Unsterblichkeit allein sei euch das Schild, die Waffe,
Denn der Franzose ist doch nur ein geiler Affe.
Ob euer Körper auch verübt im Krieg den Mord,
Ob euer Körper gar fährt in den Hades-Ort,
Das ist uns alles gleich, denn wir sind nichts als Seele,
Die Seele hört allein die göttlichen Befehle:
Tu, was du tuen musst! Bist du ein Krieger nun,
Sollst du nicht als Poet im Arm der Muse ruhn,
Bist du ein Krieger, dann erhebe deine Waffe!
Was schadet es, ob stirbt ein geiler Franken-Affe?
Der Leib ist gar nichts wert! Sie säen in das Fleisch,
Unsterblich sind nur wir, wir reinen Engel keusch!
Was ist uns Schmach und Scham? Wenn wir im Krieg versagen!
Ja, soll die Nachwelt denn von Englands Kriegern sagen,
Sie seien Weiber zag und Memmen weibisch feig?
Zu der Unsterblichkeit Olymp als Krieger steig,
Mein britischer Soldat, für deines Nachruhms Ehre,
Erhebe Pfeil und Schwert, erhebe die Gewehre!
JEANNE
Bei Frankreichs Fahne schwört! Auf blauem Fahnengrund
Drei Lilien weiß und rein! Vernehmt vom Mädchenmund:
Die erste Lilie ist Maria vorm Gebären,
Als Jungfrau keusch und rein wir Unser Mädchen ehren,
Die zweite Lilie ist Liebfrau in der Geburt,
Da Gottes Logos ging durch ihres Schoßes Furt,
Da wollen wir die Maid als Unverletzte rühmen,
Intakt und unverletzt die Jungfernhaut, das Hymen,
Intakt und unverletzt des Hymens Jungfernhaut,
So rein die Mutter ist, die Tochter und die Braut,
Die dritte Lilie ist Maria auserkoren,
Jungfräulich unverletzt, nachdem sie Gott geboren!
Ja, die drei Lilien sind der Jungfrau Ruhmespreis,
Auf blauem Himmelsgrund der Jungfrau Lilie weiß.
Bei David, Salomo und Gad und auch bei Nathan,
Die Jungfrau ganz intakt vertilgt die Schlange Satan!
LA HIRE
O Jeanne, du wildes Weib, ich reit dir hinterher,
Ich schau dir hinterher, ich seh geteilt das Meer,
Du reitest mir voran, du Frankreichs freie Liebe,
Auf Englands Hinterteil verteil ich meine Hiebe,
Ich schau dir nach, o Jeanne, und deines Pferdes Schwanz,
Wie tanzt die Stute doch in wilden Kampfes Tanz!
(Ein englischer Soldat schießt auf Jeanne einen Pfeil ab. Verwundet stürzt sie vom Pferd.)
JEANNE
Ah, Pfeil in meine Brust! Wir werden nicht verlieren
In diesem letzten Kampf, wir werden triumphieren!
Ich weiß, in meiner Brust des Feindes spitzer Pfeil,
So sehr es mir zum Schmerz, so sehr es euch zum Heil!
Jetzt weiß ich, Gottes Hand schenkt Frankreich die Loire
Zum Eigentum zurück. Ich Jungfrau offenbare:
Der Pfeil in meiner Brust, das Schwert mir hier im Herz,
Der Pfahl in meinem Fleisch, in meiner Brust der Schmerz,
Wird mehr als alles Werk der Waffen in dem Kriege
Die Heerschar Frankreichs bald zuführen ihrem Siege!
(Jeanne, mit dem Pfeil in der Seite, hält die Fahne mit den weißen Lilien hoch und rennt den berittenen französischen Soldaten voraus.)
LA HIRE
Du Tapferkeit im Schmerz! Du Heldenmut im Schmerz!
Du Mädchen sanft und zart mit deinem Löwenherz!
Am Abend sanft ein Lamm, ein friedevolles Lämmchen,
In deinen Augen blau des Venussternes Flämmchen,
Jetzt, wo vom Busen dir herabströmt heißes Blut
Und du uns gehst voran mit starkem Todesmut,
Jetzt alle Männer wir von einem Mädchen lernen,
Der Mond begeistert uns, uns, die Armee von Sternen,
Wir folgen in den Tod, das Haupt fällt uns vom Rumpf,
Bei deinem Herzensblut, wir glauben dem Triumph
Von Frankreichs Freiheit und französisch freier Liebe!
Gott der Allmächtige in seinem höchsten Triebe,
In seiner Zeugungskraft und göttlichen Potenz,
In seinem freien Akt, der schuf die Welt im Lenz,
Gott der Allmächtige im Ewigsten der Triebe
Ist höchste Liebeslust und ewig-freie Liebe!
Die freie Liebeslust im göttlichen Erschaffen
Die Lilienfahne weiht und segnet unsre Waffen!
JEANNE
Ha, England klemmt den Schwanz wie feige Hunde ein,
Sie fliehn aus Frankreich fort, sie fliehn den Sonnenschein,
In ihre Scheiden nun sie stecken ihre Säbel
Und flüchten wieder heim in ihre Geisternebel!
Loire, du bist frei, Loire, du bist frei,
Dein Paradies ein Mai, dein Paradies ein Mai,
Wo über Frankreich herrscht der Geistesfreiheit Sonne
Und Unsre Liebe Frau ist unsre Liebeswonne!
(England flieht! Jeanne bohrt den Schaft der heiligen Fahne in den blutigen Boden der Loire.)


FÜNFTE SZENE


(In einer Prozession ziehen der Dauphin und Jeanne, gefolgt von Klerus, Adel und Volk, auf den Königsthron zu Reims zu. Jeanne trägt die marianische Fahne der französischen Freiheit.)

JEANNE
O Mon Seigneur Dieu! La France kommt jetzt zu Gott !
La France sei unbefleckt von allem bösen Spott!
Die Erstgeborene der Kirche ist die Schöne,
Von der Apostelin geborn, La Madelaine!
La Madelaine war die Braut vom Menschensohn,
Ihr Sohn ist der Dauphin auf Frankreichs Königsthron!
La France weiht sich jetzt ganz Notre Dame Noire,
Paris und die Provence, Bordeaux und die Loire!
Maria liebt La France, sie hat sie angeschaut
Als Erstgeborene und schöne Jesusbraut,
Ja, Notre Dame Noir, die Gottesmutter, Schwarze,
Den König selber stillt an ihres Busens Warze.
Der König Frankreichs kommt, der Siebte König Karl,
Aix-en-Provence bringt er und Avignon und Arles,
Er bringt dem großen Gott den Gave der Gascogne,
Die braunen Frauen auch vom Weinberg der Dordogne
Und Rhone und Ardeche und auch den Berg Ventoux,
Die Pyrenäen führt er Gott dem Schöpfer zu,
Les-Saintes-Maries-de-la-mer im Löwengolfe
Und alle Lämmlein, die er schützte vor dem Wolfe,
Und jedes Mutterschaf trägt er in seinem Arm
Und bittet für La France: O großer Gott, erbarm!
Zum Gott der Liebe führt er liebend die Pariser,
Pariserinnen auch, sie sollen Paradieser
Und Paradieserin einst sein im Paradies,
Jerusalem von Gott beschützt die Stadt Paris!
Wir weihen Ludwig dir den Elften, Henri Qutare,
Wir weihen Sacré Coeur und weihen den Montmartre!
Ich bin ein Mädchen nur, ein armes schlichtes Weib,
Dazu ein schlechtes noch, und sterblich ist mein Leib,
Mein Atem ist sehr knapp in meiner armen Lunge
Und unbeholfen lallt französisch meine Zunge!
(Der Dauphin vor dem Königsthron. Die goldene Krone liegt auf dem roten Samt des elfenbeinernen Thrones. Über dem Thron die Ikone der Schwarzen Gottesmutter.)
DAUPHIN
Ich weihe Frankreich Gott, der göttlichen Vernunft,
Dem Logos, Gottes Sohn! Seraphisch sei die Brunft,
Mit welcher Frankreich sich der Gottheit schenkt zukünftig,
Die voller Glauben ist, zugleich ist ganz vernünftig.
Der göttlichen Vernunft wir weihen den Verstand,
Die Weisheit voll Esprit in der Franzosen Land!
Die göttliche Vernunft wir preisen weise, witzig,
Das Feuer der Vernunft voll von Esprit, der spritzig
Ist wie der Schaum des Sekts! Champagner in das Glas!
Vor Gott bekennt La France: In vino veritas!
Dir weihn wir uns, o Saint Esprit! Der Liebe Pfingsten
Gieß aus auf deine Braut und schenke deiner jüngsten
Geliebten, schenk La France, die schäumt wie Meeresschaum,
Den Menschheitsfrühling, den uralten Menschheitstraum
Des goldenen Äons! Nach trister Allerleiheit
Den Menschheitsfrühling schenk und blase, Geist der Freiheit!
O Saint Esprit, du bist die Freiheit, die da bläst
In Stürmen übers Land, und ohne dich verwest
La France wie ein Skelett! Mit deinem Blasen, Wehen,
La France wird mit Gebein und Fleische auferstehen,
Mit Muskel, Sehne, Nerv, mit lichtem weißem Fleisch,
Gehüllt ins Kleid aus Duft und Licht der Sonne keusch!
Zum Garten Frankreich wird von Pinien und Akazien,
Französinnen im Hain lustwandeln wie die Grazien!
Zur Stadt der Liebe wird die Marmorstadt Paris,
La France wird auferstehn, der Menschheit Paradies!
Dann auftaucht aus dem Schaum der Wasserflut der Seine
Des Herrn Geliebte voll von Reiz, La Madelaine!
Zum König krönt sie mich, La Madelaines Sohn!
Nur Liebe dann durchströmt die Zivilisation,
In Frankreich Liebe herrscht, die Gottheit, fern des Spottes,
Dann waltet in La France die Freie Liebe Gottes!
(Der Bischof nimmt die Krone und krönt den Dauphin zum König Karl dem Siebenten.)
BISCHOF
O Sapientia Divina, Königin!
Inthronisiere Karl, den Siebten König, in
Dem Throne von La France! Vernunft der Gottheit walte!
Jetzt segne Gott La France, der Ewige-Uralte!
(Karl der Siebente setzt sich gekrönt in den Thron.)
VOLK
Heil Karl der Siebente! Mehr als Gerechtigkeit
Den Miserablen, Herr, erweis Barmherzigkeit!


SECHSTE SZENE


(Jeanne in Paris. Vor Notre Dame von Paris auf der Isle de la Cité. Gespräch mit dem Priester von Notre Dame, einem ernsten Mann im schwarzen Rock.)

JEANNE
Du, Unsre Liebe Frau in deinem großen Tempel,
Immaculé, du bist ja allzeit mein Exempel,
Ich preis dein Gotteshaus inmitten von Paris,
Du, Neue Eva, herrschst in Frankreichs Paradies!
Ich klage dir mein Leid, o meine Große Mutter,
Ich armes Lämmchen klein ward eines Wolfes Futter.
Ja, Karl der Siebente verübte den Verrat,
Juristen halfen ihm, die Anwaltschaft im Staat,
Der Advocaten List, der Rechtsanwälte Listen
Verübten den Verrat, ach wehe den Juristen!
Jetzt bin ich ganz allein, an meinem Herzen wund,
Von Norden kommt herab betrügerisch Burgund,
Verräter allesamt, nach Satans Messe-Riten,
Die Judaspriester mich ausliefern an die Briten.
O Mutter groß und schwarz, welch bittre Leiden, welch
Verachtung leide ich! O Mutter, laß den Kelch
An mir vorübergehn! Ich bin kein trunkner Zecher,
Doch sehe ich im Geist den riesengroßen Becher,
Der größer ist als ich, gefüllt mit Lug und Trug,
Mit Hinterlist, Verrat! Voll Galle ist der Krug,
Und lecken muss ich noch den Essig von den Scherben
Und sterben! Jesus sei bei mir in meinem Sterben!
PRIESTER
Ich habe mich befasst mit Mystik, Alchemie,
Dies eine weiß ich nur, die eine Lehre, die
Geheime: Gott erzeugt mit schöpferischem Triebe
Noch aus dem letzten Dreck die Allgewalt der Liebe!
JEANNE
Kennst du die Liebe auch, du ernster Gottesmann?
Ich seh dein Studium dir und dein Grübeln an.
Studierst du Wissenschaft? Chaldäa und Ägypten?
Steigst zu den Toten noch in Katakomben, Krypten?
Und kennst die Liebe doch, des Universums Sinn?
PRIESTER
Die mit dem schwarzen Haar, ach die Zigeunerin,
Mit ihrem Beckenschwung und ihrem kurzen Rocke!
Sie ist mein Fluch! Denn sie, ach, tanzt mit ihrem Bocke!
JEANNE
Und dennoch, Gottesmann, und höher als Verstand
Begreifen kann, geweiht, gesegnet deine Hand,
Die knetet uns den Gott! Gib mir den Priestersegen!
PRIESTER
Der Schmerzensmann am Kreuz führ dich auf seinen Wegen!
(Der Priester geht in den Tempel zurück. Jeanne setzt sich an den Uferquai der Seine unter eine Brücke. Von ferne tönt eine traurige Flöte.)
JEANNE
Julie, Erinnerung dich wieder jetzt erkennt,
Wie in der Unzucht du genommen den Student,
Der junge Philosoph studierte Philosophen
Und suchte dennoch nur die Närrischste der Zofen,
Dem gabest du dich hin. Das Ende von dem Lied:
Der junge Philosoph verlor sein Mannesglied
Und du verlorest so der Buhlereien Wonne
Und tratst ins Kloster ein als Büßerin und Nonne.
Ach wärst du jetzt bei mir, du reizende Julie,
Die Schönheit wollt ich schaun, der Jugend Harmonie,
Die marianisch ist, die christlich-aphrodisisch,
Die Schönheit staunen an und trunken dionysisch
Noch einmal singen laut der Gottesschönheit Preis!
Doch Gott will andres jetzt von seiner Magd, ich weiß,
Nicht Schönheit soll ich schaun, ich soll dem Herzensdiebe
Ein Opfer bringen dar, ein Opfer meiner Liebe
Und Jesus lieben weiß und Jesus lieben rot
Und seine Schönheit schaun in seinem Martertod!
Ich bin bereit, mein Gott, die Sünden abzuzahlen
In letzter Agonie, der Todeskrämpfe Qualen,
Verkrüppelt an dem Leib und fast schon ganz verwest,
Zu lieben noch mein Kreuz, weil nur das Kreuz erlöst!
Ah wilde Liebesglut! Mit fürchterlichem Reize
Erscheint der Bräutigam, mein Gott an seinem Kreuze!
Ich seh den Bräutigam, den mystischen Gemahl,
Zum Bette ward sein Kreuz, zum Brautgemach der Pfahl,
Zur Hochzeit ruft der Tod, mein Gott will mich umwerben,
Den Kleinen Liebestod soll ich im Feuer sterben,
Daß, wie der Meeresschaum umgischtet weiß den Fels,
Ich in der Todesnacht mit meinem Gott verschmelz!
(Burgunder und Engländer kommen mit Spießen und Stangen und nehmen die Jungfrau gefangen.)
BURGUNDER
Du junges schönes Weib, ach, gib mir einen Kuss,
Nur Einen Liebeskuss zu trunkenem Genuss!
ENGLÄNDER
Du Hexe ganz fatal! Du alte Satansschlange!
Als nackte Hure du an deinem Pfahle prange!
Vampir, Vampir, umsonst schminkst du die Lippen rot,
Dein Buhle Luzifer begattet dich im Tod!
JEANNE
Die arme Jungfrau fällt jetzt in die Hand der Sünder.
La France! Weinen muß ich heiß um deine Kinder!


SIEBENTE SZENE


(Jeanne vorm Ketzerprozess der Inquisition der englisch-burgundischen Gegenkirche.)

INQUISITORISCHER JURIST
Glaubst du, im Gnadenstand gerechtfertigt zu sein?
JEANNE
Ach das weiß Gottes Gnad im Innersten allein!
Doch wär ich nicht im Stand gerecht in Gottes Gnade,
So wäre übel das und ewiglich mein Schade,
Dann flehte ich zu Gott trotz aller meiner Schuld:
Herr, schenk Barmherzigkeit mir armem Kind und Huld!
JURIST
Ein Werkzeug willst du sein des Himmelreichs hinieden?
JEANNE
Ein Werkzeug Gottes bin ich, Werkzeug für den Frieden.
Ob ich im Gnadenstand befindlich, weiß nur Gott,
Doch dass ich Werkzeug bin, da duld ich keinen Spott!
Ich bin von Gottes Geist Berufene, Erwählte,
Von Unsrer Lieben Frau und ihrem Herz Beseelte.
JURIST
Glaubst du, das Himmelreich zu gründen in der Welt?
Das Himmelreich allein ist in dem Himmelszelt!
JEANNE
Ich bin das Himmelreich, denn in mir herrscht der König,
Die Basileia ich, denn in mir waltet gnädig
Der König aller Welt, der König Jesus Christ,
Drum Himmelreich mein Herz schon hier auf Erden ist.
JURIST
Jetzt tust du wie ein Lamm so sanft und so demütig,
Wie eine Taube girrst und gurrst du jetzt sanftmütig,
Doch sahen wir dich auch in kriegerischer Schlacht,
Da warst du ein Skorpion, vom Tod war deine Macht,
Da warst du nicht so sanft wie Jakobs Liebling Rachel,
Da warst du Furie, Skorpion mit seinem Stachel,
Da warst du nicht so süß wie Sulamith der Schrift,
Der Schlange warst du gleich, in deinen Zähnen Gift,
Nicht gleich der Freundin Ruth, geschmiegt an Boas Wange,
Empuse warst du da und mörderische Schlange,
Medusa warst du gleich in wildem Hass und Wut,
Gezücht der Natter du, der Otter, Schlangenbrut,
Nicht gleich der Lieben Frau mit Liebe in dem Herzen,
Da war dein Herz von Stein, mit bitterbösen Scherzen
Du scherztest mit dem Tod und führtest manchen ein
Ins Totenreich, da war den bittres Herz von Stein!
JEANNE
Nein, ich bin wie ein Fisch, bin keusch gleich einem Fische,
Wie aus dem Wasser klar die Speise kommt, die frische,
Ich bin so sanft und rein wie Wachteln in dem Mai,
Ich bin so lieblich wie ein kleines Wachtel-Ei,
Ein weißes Dampfbrot ich, gleich Kuchen, süßem Brote,
Mit meiner Liebe speis ich tröstend sogar Tote!
JUDASPRIESTER
Ich kenn dich wildes Weib, du bist die femme fatal!
Du saugst wie ein Vampir den Mann aus, deinen Baal!
Der Juden Lilith du, du ,mordest unsre Kinder,
Lockst in das Lotterbett des Ehebruchs die Sünder,
Die Hure Babel in Aix-en-Provence, in Aix,
Vampir in der Provence, du Hure und du Hex!
JEANNE
Warum bist du so streng zu einem armen Mädchen?
Nein, ich bin keine Hex, kein Evchen oder Käthchen,
Ich glaub an Unsre Frau und an den lieben Gott,
Ja, Jesus ist mein Gott! Was soll mir da dein Spott?
JUDASPRIESTER
Wie, Jesus ist dein Gott? Ihr Weiber seid doch Biester!
Warum verneigst du dich dann nicht vor Christi Priester?
Der Priester ist allein der Christus in der Zeit,
Ja, er ist Christus selbst, von Gottes Geist geweiht,
Drum küss du mir die Hand und weine deine Beichte,
Die sinnlich und lasziv, die sexuelle, feuchte!
JEANNE
Ich seh dir in das Herz und kenne deinen Traum,
Von Kindern träumst du nachts in deines Bettes Flaum,
Du willst dich tierisch geil den Affen gleich erlaben
Und dich erquicken an der Unschuld kleiner Knaben!
Nicht Christus bist du gleich! Betört von jedem Reiz,
Du schlägst das Christuskind alltäglich an das Kreuz!
Ich sehe: Christus steht an seiner Martersäule,
Die Peitsche zischt um ihn, er schreit mit Wehgeheule,
Die falschen Kleriker, sie geißeln meinen Gott
Mit ihrer Unzucht und der Blasphemie, dem Spott,
Sie geißeln meinen Herrn, wie Schlangen sind die Sünder,
Denn Gottes Liebling lebt im Herzen kleiner Kinder!
JUDASPRIESTER
Ein Laie bist du nur in Christi Kirchenleib,
Ein Laie und sonst nichts, dazu ein schlechtes Weib,
Die Weiber aber sind, fern allen Hexenzweifels,
Wie Mutter Eva nur das Einfallstor des Teufels!
Die Weiber sind Natur, sind Sünde und sind leiblich!
Die Sünde seh ich nackt, Frau Sünde nackt und weiblich,
Frau Sünde weiblich nackt, sie packt den Schlangenschwanz
Und nimmt ihn in den Mund in dem lasziven Tanz!
JEANNE
Du Judaspriester wirst noch in der Hölle braten!
Wer deinem Rat gehorcht, ist nicht von Gott beraten!
Gehorchen will ich nur dem weisen Papst von Rom
Und meinem Vater Gott im hohen Ätherdom!
JUDASPRIESTER
Nur Gott gehorsam und dem eigenen Gewissen?
Im Höllenfeuer wirst du Satans Arsch noch küssen!
Verbrennt die Hur und Hex, vernichtet den Vampir!
Sie ist der Antichrist, der Lügner und das Tier!
JEANNE
Prophetin Gottes bin ich in Jungfräulichkeit
Und Jesu Christi Braut in aller Ewigkeit!


ACHTE SZENE


(Jeanne wird von englischen Soldaten und einem englischen Priester zum Scheiterhaufen geführt.)

JEANNE
O armer Gottesmann, ich hab nur Ein Begehren,
Du sollst mir Christi Leib im Sterben nicht verwehren!
Ich weiß, jetzt kommt der Tod! O Jesus, Gottes Sohn,
Gib Anteil deiner Jeanne an deiner Kommunion!
ENGLISCHER PRIESTER
Nur schlechte Früchte bringt ihr teuflischen Gewächse!
Das weiße süße Brot, das geb ich nicht der Hexe!
Bist du denn gar getauft, du wüste Sünderin?
Rebellin bist du nur und wilde Ketzerin!
Du sollst das weiße Brot mit deinem Mund nicht schänden,
Nein, ohne einen Trost sollst du allein verenden!
JEANNE
(flüsternd)
O süßer Jesu mein, du schaust mir in das Herz,
Du weißt, o Menschenfreund, mein Leiden ist dein Schmerz,
Es steckt ein Schmerzensschwert, durchbohrend meine Brüste,
Voll Qual im Herzen mir, ich gleich dir, Jesu Christe!
Dahin die Weiblichkeit, des jungen Leibes Reiz,
Ich bin zu Tode krank, ich häng an deinem Kreuz!
Was meint der Liebe Gott mir alles zuzumuten?
Das Blut fließt aus der Brust und alle Wunden bluten!
Jetzt will ich nur noch eins, dass du jetzt bei mir bist
Und spendest deinen Leib, o Retter Jesus Christ,
Geheimnisvoll dein Fleisch in meinen Mund zu stecken
Und meinen lieben Leib vom Tode zu erwecken!
ENGLISCHER PRIESTER
Du meinst, du armes Weib, in deiner Sünden Reiz,
Der Venus Tochter du seist von dem Vater Zeus?
Was wird dein Leichnam sein? Du wirst wohl zum Vampire,
Zu einem Werwolf gar, du Gattin von dem Tiere!
Ja, zum Vampir allein du wilde Hure taugst,
Die du als ein Vampir dem Mann den Saft aussaugst!
JEANNE
(singend)
O Große Mutter, schwarz in deinem goldnen Throne,
O Schwarze Mutter, groß mit deinem kleinen Sohne,
Vierge Marie, chérie, plus belle des femmes,
O Notre Dame Noir, Marie, mon ame, mon ame !
(Der englische Soldat bindet Jeanne an die Martersäule inmitten des Scheiterhaufens und zündet den Scheiterhaufen an.)
SOLDAT
O liebes Mädchen du, verzeihe meiner Seele
Und deine Seele Gott dem Vater anbefehle!
JEANNE
(in den Flammen)
So lobe Gott den Herrn, du schönes Sonnenlicht,
So lobe Gott den Herrn, der Luna Angesicht,
So lobe Gott den Herrn, du Regen aus der Wolke,
So lobe Gott den Herrn mit allem Vogelvolke,
So lobet Gott den Herrn, ihr früchtereichen Bäume,
So lobet Gott den Herrn, ihr weißen Meeresschäume,
So lobet Gott den Herrn, du Wiese und du Au,
So lobe Gott den Herrn, du Blume weiß und blau,
So lobet Gott den Herrn, ihr Mutterschafe, Lämmchen,
So lobet Gott den Herrn, ihr grünen Glühwurm-Flämmchen,
So lobe Gott den Herrn, du Tau auf grünem Gras,
So lobe Gott den Herrn, du Wasser klar wie Glas,
So lobet Gott den Herrn, ihr Gipfel und ihr Berge,
So lobet Gott den Herrn, ihr Nymphen und ihr Zwerge,
So lobet Gott den Herrn, du Kaiser und du Papst,
So lobe Gott den Herrn, du Mutter mit dem Obst,
So lobet Gott den Herrn, ihr Afrikaner, Inder,
So lobet Gott den Herrn, ihr Mädchen und ihr Kinder,
So lobe Gott den Herrn, du hochzeitliches Weib,
So lobe Gott den Herrn, du Seele in dem Leib,
So lobet Gott den Herrn, ihr Mönche und ihr Nonnen,
So lobet Gott den Herrn, ihr Maler und Madonnen,
So lobe Gott den Herrn, du Denker und Prophet,
So lobe Gott den Herrn, du Minner und Poet,
So lobet Gott den Herrn, du Freier und du Dame,
So lobe Gott den Herrn, du keuscher Mannessame,
So lobe Gott den Herrn, du Priester an dem Tisch,
So lobet Gott den Herrn, ihr Brot und Ei und Fisch,
So lobe Gott den Herrn, du mächtigster der Triebe,
So lobe Gott den Herrn, du eheliche Liebe,
So lobe Gott den Herrn, du Sämann deiner Saat,
So lobe Gott den Herrn, du Mann im Zölibat,
So lobe Gott den Herrn, du Spieler auf der Leier,
So lobe Gott den Herrn, du Sankt-Marien-Freier,
So lobe Gott den Herrn, du Minner voller Brunst,
So lobe Gott den Herrn, du Dichter mit der Kunst,
So lobe Gott den Herrn, du kirchliches Theater,
So lobe Gott, denn Lust hat an dir Gott der Vater!