Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

Kreuz und Rose


Lyrik von Josef Maria Mayer

REQUIEM



1

Sankt Valentin im Krankenhaus,
Der Herr ging bei Dir ein und aus.
Du lächeltest entrückt, bescheiden:
“Ist Einer bei mir mit dem Herzen,
Der trägt in seinen Seelenschmerzen
Den Hauptteil meiner Seelenleiden...“


2

Sankt Valentin kam zu Dir Gottes Sohn!
Du sagtest: „Ich begehr die Kommunion...“


3

Selig sind die Weinenden,
Sich im Tod Vereinenden!
Selig sind die Armen,
Ruhn in Gottes Armen...


AN EVI ZU SANKT VALENTIN

1

Wir können uns ja im ewigen Leben
Die Hand mal geben...


2

Dank sei Sankt Valentin, bei Jesus, Gottes Sohn,
Daß Evi heute mich gegrüßt am Telephon.


3

Was mir Jerusalem, Zehntausende mal Tausend,
Was Schar der Heiligen und Halleluja brausend?
Ach, wär ich Adam nackt, du nackte Eva süß,
Mein Garten Eden wärs und all mein Paradies!


AN DIE SCHÖNHEIT

O Schönheit, immerdar hab ich dich heiß gesucht,
Ich suchte immer dich und deiner Wonnen Bucht,
Ich wollte dich im Bild, im Ebenbilde schauen,
Ich wollte schauen dich in allen schönen Frauen,
Die Frauen schienen mir von deinem Glanz verschönt,
So vor den Frauen hab anbetend ich gestöhnt,
Ich selber schien mir nur der Schönheit bar und hässlich,
Ein Krüppel nur zu sein, ein Nichts und Niemand grässlich,
Bis ich zutiefst erkannt: Du bist in meinem Ich,
Die Schönheit schaute ich, ich schaute wahrlich dich,
Ganz paradiesisch schön und ohne alle Fehle,
Du Schönheit lebst in mir, du Seele meiner Seele!


SCHWARZE JUNGFRAU

Im Angesicht der schwarzen Jungfrau frage
Ich: Wo ist der Erlöser nun, der Lichtsohn?
Es ist ja überhaupt kein Kind zu sehen.
Sie, Unsre Liebe Frau der guten Hoffnung,
Ist die Madonna Paritura, die
Erst noch gebären wird den Gottessohn.
Sie ist die Große Mutter von Beginn.
Ich sah sie nicht in mütterlicher Haltung,
Die uns das lichte Kind entgegen hält,
Ihn, den Beweis zur Welt gebrachten Lichtes,
Auch wie die Schwärze noch das Kind verhüllt,
Unscheinbar macht den Lichtsohn, den Erlöser.
Das Lichtkind ist noch in der Dunkelheit
Des Leibes seiner Mutter, der ja auch
Materie ist, den Stoff symbolisiert.
Wär nicht die ungeheure Ruh und Würde,
Die strahlt vom Angesicht der Schwarzen Jungfrau,
So könnte man erschrecken vor der Herrin.
Und sähe man die Jungfrau ohne Goldschmuck
Und ohne ihren goldnen Sternenmantel,
So meinte man, zu sehn die Magna Mater
Und die archaisch-dunkle Steinzeit-Venus.
Sie könnte auch die Weisheit Gottes sein,
Herumgestoßen in der blinden Welt,
Die sich die Augen ausgeweint vor Schmerz
Und die verstummt ist vor der kalten Welt.
Von großer Schlichtheit ist die Schwarze Jungfrau,
Von einem in sich eingekehrten Ernst,
Ja, von hermetischer Verschlossenheit
Ist sie und birgt in sich das Urgeheimnis.
Ja, sie bewahrt und sie verhüllt das Licht,
Das Lichtkind ist noch nicht hervorgetreten,
Noch ruht das Kind verschlossen in der Mutter.
Sie, Unsre Liebe Frau der guten Hoffnung,
Ist schwanger mit dem Licht, mit dem Erlöser,
Gesegnet vom Geheimnis der Erlösung.
Erlösung ist zwar allzeit gegenwärtig,
Doch auch verborgen durch die dunkle Mutter.
Die wunderbare schlichte Jungfrau ist
Zu sehen als die Himmelskönigin
Vorm Hintergrunde der gestirnten Nacht.
Da wird es sichtbar, dass sie was verdeckt,
Denn hinter ihr erscheint der Kreuzesbalken
Und auch die Hände des Gekreuzigten.
Doch Christi Leib ist unsichtbar, verborgen,
Ist hinter der gebenedeiten Jungfrau,
Als spiele die erlösende Passion
Sich ab in Unsrer Lieben Frauen Seele.
Verinnerlicht ist sie in ihn versunken,
Sie hat das Leid in sich hineingenommen,
Sie brütet gleichsam über der Erlösung,
Die im Geheimen sich vollzieht und noch
Nicht offenbar geworden vor der Welt.
Trotz der Gewissheit, dass die Not sich wendet,
Erleben wir, was es bedeutet, in
Den dunklen unbekannten Augenblick
Hinein zu gehen und hinein zu handeln.
Was bliebe aber anders uns auch übrig?
Was wir versuchen, uns vorauszutragen
Ein Licht durch unsre Vorsicht, unsern Plan,
Wie oft jedoch wird unser Plan durchkreuzt
Vom Unsichtbaren, Unvorhersehbaren.
Ein Schritt, ein kleines Wort, kann Folgen haben,
Die niemals wir vorhergesehen haben.
Ja, selbst die nächste Zukunft ist uns dunkel,
Wir sind gezwungen doch, hieinzugehen
In unberechenbare Finsternis.
Doch dieses Schreiten in die Dunkelheit
Wird nur erträglich durch die süße Hoffnung,
In einer Mutter einen Halt zu finden.
Und dieser mütterliche Halt nahm an
Gestalt in der Figur der Schwarzen Jungfrau.
Ihr Licht ist zwar zur Zeit uns noch nicht sichtbar
Und trotzdem gehen wir hinein ins Dunkel
Voll Hoffnung, denn auf diesem Weg der Nacht
Kann unser Leben weiter sich erhellen.


BARJESUS AN APHRODITE

Sexgöttin Aphrodite, sei gepriesen!
Wir kommen hier zu deinem Heiligtum,
Die Frauen dienen dir als Tempelhuren,
Sie wohnen in dem heilgen Hain der Göttin,
Die Männer kommen zu den Tempelhuren
Und geben ihnen Geld und goldnen Schmuck
Und dürfen einmal lustvoll sie beschlafen
Und dienen so der Göttin freier Liebe!
Sexgöttin, wer mit deiner Hure schläft,
Der schläft in Wahrheit mit der Göttin selber!
Die Hure schminkt sich, schmückt sich, badet sich,
Sie zieht sehr kunstvoll ihre Kleider aus,
Der Freier betet seine Hure an,
Die Hure imitiert die Göttin, lacht:
Sexgöttin bin ich, komm und bete an,
Sexgöttin bin ich, komm, beschlafe mich,
Komm zur Vereinigung mit deiner Göttin!
In jenem lusterfüllten Augenblick,
Wo sich der Freier und die Hure lieben,
Der Mensch vereinigt sich mit seiner Göttin,
Im sexuellen Akt vereinigt sich
Der Sterbling mit der Gottheit freier Liebe!


GÖTTIN MORGENRÖTE

Wie königlich erstrahlt die Göttin Morgenröte,
Weißglänzend wie der Tau und rein wie weiße Jade.
Sie macht den Weg mir klar am Morgen im Gebete,
Sie ist so sanft und süß, voll Güte und voll Gnade.

Wie gut du bist, du strahlst bis zu des Himmels Küste,
Du leuchtest morgens klar in Heiterkeit und Frohheit,
Du badest dich und schmückst mit Perlen deine Brüste,
O Morgenröte, o du Göttin voller Hoheit.

Gemütlich ist dein Weg, du spendest deinen Segen,
Von Gott erleuchtet, gehst du mit mir augenblicklich.
So bring mir, Göttin mein, auf allen Lebenswegen
Das Glück, denn, Göttin, du allein machst wirklich glücklich.

Ja, bring mir doch von Gott, du meine Seelengattin,
Glückseligkeit und Heil und schon auf Erden Freude.
O Tochter Gottes du, gebenedeite Göttin,
Wie warst du gut und schön beim Morgensegen heute.

Die Vögel flöten schon mit jauchzendem Getöne,
Die Söhne morgens schon von deinen Gaben speisen.
Auch mir bringst du von Gott das Gute und das Schöne,
Bleib ich allein zu Haus, will ich dich, Göttin, preisen.


AN EROS

Den Pfeil, den Eros jüngst auf mich geschossen,
Der in die Glieder fuhr und fuhr ins Herz,
Zieh ich heraus, denn mir ist Blut geflossen,
Den ziehe ich heraus und dulde Schmerz.

Den ganzen Leib durchziehen tausend Venen,
Sie treiben mir das Blut in jedes Glied.
Aus allen diesen treib ich aus das Sehnen,
Der Liebessehnsucht Gift vertreibt mein Lied.

Heil, Eros, wenn du stiftest das Begehren,
Heil, Eros, deinem Gift- und Feuerpfeil!
Heil Eros! Ewig will ich Eros ehren!
Heil Eros! Heil der Liebe! Eros Heil!


CALLIPYGOS

Wie kann der heiße Eros überwintern?
Er schaut die Göttin mit dem schönen Hintern!


ODE AN DIE VENUS MIT DEM SCHÖNEN HINTERN

O Venus mit dem schönen Hintern,
Wie straff stehn deine Apfelbacken,
Dein Hinterteil erscheint mir göttlich,
Perfekt und makellos!

Die Venus, wenn sie vor mir schreitet,
Sie lenkt die Augen auf den Hintern,
Die Backen, wohlgeformt gerundet,
Perfekt und makellos!

Wenn Venus mit Eroten wandelt
Und spielt mit kindlichen Eroten,
So präsentiert sie stets den Hintern,
Perfekt und makellos!

Sie weiß von ihrem Kapitale,
Stets wandte sie mir zu den Rücken,
Ich beb, den Hintern anzubeten,
Perfekt und makellos!

Ich sah die Venus auch sich bücken,
Das breite Becken wie ein Becher,
Die prallen Popobacken zittern,
Perfekt und makellos!


PSALM

Die Herrin, die du liebst, ist wie ein Weinstock,
Es gleichen ihre Brüste prallen Trauben,
Ihr Becken ist ein Becher voller Mischwein,
Du lebst im Schauen schon, nicht nur im Glauben.

Und deine Söhne sind Olivenbäume
Und spenden reichlich reiner Weisheit Öle,
Sie prophezeien dir von Gottes Liebe.
So sehr beglückt dich Gott, o meine Seele!


NARR IN CHRISTO

Erlaube mir ein wenig Narrheit,
Versuch mich weiter zu ertragen.
Denn eifersüchtig für die Wahrheit
Hab ich dich Jesus angetragen

Als eine ganz perfekte Braut!
Die Schlange Eva kroch ins Ohr,
So hast du jetzt auch Trug geschaut
Und lauschtest auf der Lügner Chor.

Sei reine Einfalt vor dem Gott!
Du aber lauschtest fremden Lehren,
Sie sind für Christus nur ein Spott,
Ich muß den Lügengeistern wehren.

Das Evangelium, das ich
Als Prediger dir oft gepredigt,
Nimmst du nicht an, so hast du dich
Der Weisheit töricht schon entledigt.

Doch Evangelien-Verschnitte,
Die nimmst du an von Heidenketzern.
Voll Demut hab ich eine Bitte:
Vertraue nicht den kalten Hetzern.

Und bin ich schüchtern oft im Reden,
Doch hab ich göttliche Erkenntnis.
Ich habe dir vom Garten Eden
Perfekt gegeben mein Bekenntnis.

Ich bin zu einem Nichts geworden,
Zu einem kostenlosen Buch.
Ich kam von keinem Bettelorden,
Kam mit Geschenken zu Besuch.

Wie oft bin ich in Not geraten,
Doch niemals fiel ich dir zur Last.
Die Brüder stets mir Gutes taten,
Wenn du mich ausgesogen hast.

Ich habe mich so eingerichtet,
Daß ich dich keineswegs gestört.
Wie oft hab ich von dir gedichtet,
Der Muse Flüstern zugehört.

Die Weisheit Gottes lebt in mir
Und niemand nimmt mir diesen Ruhm.
Daß ich dich liebe voll Begier,
Weiß Gott in seinem Heiligtum!

Was ich getan, das will ich tun
Auch weiterhin in Gottes Namen.
Versuchen sollen Schwätzer nun,
Mich auch so kräftig nachzuahmen.

Die neuen Pseudo-Urgemeinden
Mit Pseudo-Weisen, wahrlich dumm,
Was soll ich sagen zu den Feinden
Und ihrem Evangelium?

Auch Luzifer ist ganz aus Licht,
Wie prächtig doch erscheint der Satan,
Wie herrlich ist doch im Gedicht
Der königliche Leviathan.

Der Ketzerei Apostelfürsten
Mit ihrem Rosen-Kreuze senden
Wird Gott dahin, wo Seelen dürsten,
Sie werden in der Hölle enden!


DU BIST DIE TOCHTER DES PHARAO

1

Geliebte, du bist wie die Sternengöttin,
Die weiß und strahlend sich erhebt zu Neujahr,
Wie hell und weiß ist deine glatte Haut,
Wie schauen deine Augen wunderschön,
Wie sprechen deine süßen Lippen lieb,
Wie schön dein Hals, ein Turm von Elfenbein,
Wie süß sind deine wundervollen Brüste,
Dein blaues Haar wie Lapislazuli,
Die Arme glänzen in den goldnen Spangen,
Die Finger sind wie weiße Lotosblüten,
Wie prachtvoll prall geformt ist dein Gesäß,
Wie offenbaren deine straffen Schenkel
Die Schönheit ewiglicher Weiblichkeit!

2

Mein Gott! O mein Geliebter, Lotosblume!
Ich bade gern vor deinem Angesicht,
Ich liebe es, im Bade nackt zu baden,
Wenn deine Augen liebend mich betrachten!
Du mögest meines Leibes Schönheit schauen
In einem transparenten Hauchgewand,
Befeuchtet von betörenden Parfümen.
Ich steige in das Wasser, bade mich,
Ich steige nackend wieder aus dem Bade,
Bei dir zu sein mit aller meiner Liebe.
In meiner rechten Hand ein roter Fisch –
Komm, mein Geliebter, schau mich liebend an!


SPRUCH

Junge Helden schützen schöne Frauen!
Alte Helden schützen gute Bücher!


TRÄNEN IM TRAUM

Am Abend bin ich eingeschlafen, Liebe,
Mit weher Sehnsucht, schwarzer Trauer Trübe,
Ich trauerte vor Gott: O Gott, ich leide!
Die Vielgeliebte ist wie schwarze Seide...
So schlief ich ein, in Träumen aufzuwachen.
Sah ich in Träumen ihr charmantes Lachen?
Ich wachte auf allein in meiner Kammer
Und weinte: Mama! lallte ich voll Jammer,
Um wieder einzuschlafen voller Trauer.
Am Morgen kam erneut ein Tränenschauer,
Verschleiert von der Trauertränen Trübe
Ich liebe dich in Gott, du meine Liebe!
Versinkend in der Trauer schwarzem Meere
Klag ich vor Gott, wie sehr ich dich entbehre!
Ach, könnte dieses Unglück mich vernichten –
Im Himmel einst muß ich nicht mehr verzichten!


TISCHGESPRÄCH

Die Menschenfresser heißen Arier.
Doch fressen sie auch Vegetarier?


IHR NAME

Sie heißt nicht Evi mehr, ich geb euch jetzt Bescheid,
Sie heißt jetzt Engelin und Ihre Ewigkeit.


SCHOLASTIK

Mit wie viel Engeln ich wohl sitze
Auf der Geliebten Nadelspitze?


DIALOG

Ich hab dich lieb, mein Evilein! –
Ich hab dich auch lieb, Torsten mein!


DIE WOLLUSTGÖTTIN

Verschlafen trat sie aus dem Schlafgemach,
Verträumt sie wandelte zur Toilette,
Die Wollustgöttin, meine Liebe, ach,
Alleine ging sie wieder in ihr Bette.


DIE GOTTESANBETERIN

Er:
Die Gottesanbeterin ist eine Spinne,
Den Mann sie ermordet hochzeitlicher Minne,
Sie lockte ihn lüstern ins klebrige Bette,
Auf dass seinen Samen im Schoße sie hätte,
Begattet er klebrig die Spinne, die nackte,
Sie tötet den Gatten im lüsternen Akte!
Sie:
Die Gottesanbeterin ist eine Spinne
Und setzt das gewaltsame Opfer der Minne
Und setzt den zu Tode geliebten Gemahle
Den Kinderlein vor zum genüsslichen Mahle!


PREDIGT

Der arme Lazarus ist tot,
Die Hunde leckten seine Wunden.
Der Reiche stets nur Spott ihm bot,
Der nun zur Hölle ist entschwunden.

Doch Lazarus im Himmel ruht
Im Schoße Unsrer Lieben Frauen.
Die Gottheit ihm nun Liebes tut,
Er darf der Gottheit Schönheit schauen.

Was, Freundin, lernen wir daraus?
Nicht nur das Werk der Nächstenliebe
Geht von des Dichters Gleichnis aus,
Zu trösten all des Elends Trübe.

Vom Himmel redet Jesus nicht
Zu uns im wüsten Weltgetriebe
Als dass wir schauen Gottes Licht
Und süß genießen Gottes Liebe.

Von Freundschaft redet Jesus hier,
Von Freundschaft, die im Himmel dauert.
O Freundin, dieses sag ich dir,
Dieweil mein Geist vor Glück erschauert!

Und wäre selbst ein Ehemann
Bei dir in diesem Weltgetümmel,
Der Tod doch bräche diesen Bann
Und frei von ihm wärst du im Himmel.

Die Freundschaft aber in dem Geist
Der Freundesliebe Jesu Christe,
Die Freundschaft Gott im Himmel preist
So wahr, wie schön sind deine Brüste!

So ewig unsre Freundschaft währt,
Ob Liebe auch auf Erden peinigt,
Doch ewig ist der Freundschaft Wert,
Die uns in Gottes Reich vereinigt!


MODENSCHAU

Ich singe Ode über Ode:
Frau Weisheit in der Schönheit Mode!


MADONNA SPRICHT

Im Winter ist so viel für euch gestorben –
Umsonst hab ihr um Liebesglück geworben.
Jetzt aber schaut auf der Natur Erwachen,
Schaut schöne Frauen an, hört Kinderlachen,
Wie Schöpfungen im Winter starben,
Natur erwacht in schönsten Farben.
Dem Schöpfer öffnet eure Herzen,
Die Herzen voller Liebesschmerzen.
Die Gottheit voll von Zärtlichkeiten
Verheißt euch Lust in Ewigkeiten!
Schaut Frühlinge, denn Gott in diesen
Verheißt euch Lust in Paradiesen!
Die Paradiese stehn euch offen!
Madonna heißt euch liebend hoffen!


COLOMBINE


Eine Commedia dell’Arte

Personen
Donna Laura, eine Edeldame in Venedig
Colombine, ihre Dienerin
Harlekin, lustiger Narr
Pierrot, melancholischer Narr
Suleika, arabische Tänzerin

VORSPIEL


SPRECHER
Zehn Jahre kennen wir uns schon...
CHOR
..kennen wir uns schon...
SPRECHER
Drum führen wir dies Drama auf...
CHOR
...dies Drama auf...
SPRECHER
Weil unsre Freundschaft oft ein Drama...
CHOR
..oft ein Drama...
SPRECHER
Dies Drama endet aber glücklich...
CHOR
...aber glücklich...
SPRECHER
So soll die Freundschaft heiter sein...
CHOR
...heiter sein...


ERSTER AKT


(Donna Laura und ihre Zofe Colombine, die einen Besen hält)
LAURA
Warum seh ich dich heut nicht putzen?
Wie willst du mir denn anders nutzen?
Ich seh dich nicht Gemüse schälen,
Nicht Messer mit dem Schleifstein stählen
Und nicht mir die Spaghetti kochen!
Muß ich auf meine Rechte pochen?
COLOMBINE
Ach Herrin, ich will fleißig sein,
Als wär ein Tuch die Seele mein,
Mit dem man Spiegel putzen kann.
(Laura ab)Ich sehne mich nach einem Mann,
Den meine Seele lieben kann
Und Küsschen küssen dann und wann...
(Sie wirft den Besen beiseite)Adieu, du dummer, dummer Besen!
Putzmagd bin ich zu lang gewesen!
Ich möchte jetzt Geliebte sein!
Will Liebeslust, nicht Liebespein!
(Sie bindet die Schürze ab)
Ich bin nun dreiunddreißig Jahre
Und hab noch schöne schwarze Haare.
Da sollte mich kein Mann mehr wollen
Und mit mir durch die Wolke tollen?
Ich warte, was die Zeit mir bringt
Und welches Lied mein Schicksal singt.
(Colombine ab. Harlekin in lustigem Kostüm und Pierrot in langem weißem Gewand, eine Mandoline umgehängt, treten auf.)HARLEKIN
Wir sind ja beide faule Diener
Und toll und Wenig-Geld-Verdiener
Und haben doch Gemüt und Herz
Zu manchem tollen Liebesscherz!
(Er macht lustige Sprünge)
PIERROT
Ah weh mir, denn mein armes Herz
Ist ganz verzehrt von Liebesschmerz,
Denn ich sah Colombine heute,
Die lieb ich mehr als andre Leute.
HARLEKIN
(springend und hüpfend)
Ha, dieses wunderschöne Mädchen
Ist köstlich wie Bajazzos Kätchen
Und Hanswurst seine, Margarethchen,
Die dreht so süß am Spinnerädchen.
PIERROT
Sie ist so schön, so schön, so schöne!
Süß wie der Mandoline Töne
Ist ihrer Stimme Nachtigall!
Prachtvoll der Haare Wasserfall
Wie eine Nacht am Niagara!
Sie lächelt lieblicher als Sara,
Die Zähne weiß wie Mandelkerne!
Und ihre Augen – Venussterne!
HARLEKIN
(dreht sich im Kreis)
Ja, Colombine ist ganz nett
Und ihre Schürze höchst adrett
Und ihrer Haare Pferdeschwanz
Weht wie ein Putztuch-Wirbeltanz!
PIERROT
Ah weh, ich glaub, sie liebt mich nicht,
Da löscht mir meines Lebens Licht!
HARLEKIN
Schaut man nach Andern aus, wenn man
Die schönste Schöne haben kann?
Ha, weißes Mädchen, schwarzes Brot,
Das macht mir meine Wangen rot.
(Er tanzt davon)
PIERROT
Der Augen süße Venussterne
Wie Mondpaläste in der Ferne...
(Er schleicht sich traurig davon. Das Mädchen Suleika aus dem Land von 1001 Nacht taucht verschleiert auf.)
SULEIKA
Wie kalt der Juli in Venedig!
Ach Bagdads May! Ach ich bin ledig!
(Harlekin taucht auf)An diesen Narren oder Toren
Hab ich mein Herz sogleich verloren!
(Er tritt herzu)
HARLEKIN
O, tausend Nächte angenehm
Im Garten von Jerusalem
Will tanzen ich mit dir und springen
Und immer deinen Namen singen –
Wie heißt du, wunderschöne Frau?
SULEIKA
Ich bin Suleika, komm und schau!
(Sie tanzt einen Schleiertanz)
HARLEKIN
(Um sie herumspringend)Da laß ich doch die Colombine,
Venedigs sommerliche Biene,
Dem Melancholiker Pierrot,
Der immer singt und summet so.
SULEIKA
Du starrst mit Blicken wie von Dackeln
Beim Tanz auf meiner Brüste Wackeln.
HARLEKIN
Ich sehe deine Brüste hüpfen
Und möchte in deinen Schleier schlüpfen!
SULEIKA
Ja liebst du mich denn, o mein Närrchen,
Mich Tänzerin aus einem Märchen
Von tausend und von einer Nacht?
(Harlekin lacht)
Hat grad dein Narrenherz gelacht?
HARLEKIN
Daß ich, das Närrchen Harlekin,
Der Tänzerin mit Tänzen dien,
Ist meines Herzens Herzverlangen!
Und darum meine Zähne sprangen
Zum Lachen auf, weil ich dich seh.
Pierrot mag haben Liebesweh,
Ich werf mich in der Schönheit Rachen
Und sterb mit Küssen und mit Lachen!
(Beide gehen ab. Vorgang.)


ZWEITER AKT


(Donna Laura und Colombine treten auf)
LAURA
Mein liebes Mädchen Colombine
Wie schön spielt auf der Mandoline
Der Melancholiker Pierrot
Und singt so süß und schmelzend, oh!
Ach wenn er nicht ein Diener wäre
Und unter einer Dame Ehre,
Ich würd um seine Liebe werben
Und würd für seine Liebe sterben!
COLOMBINE
Ich kenne jenen Diener nicht.
Venedigs Theologenlicht
Ist sein Gebieter, ist es richtig,
Dottore Grazioso wichtig?
LAURA
Pierrot ist sein getreuer Diener
Des Meisters, der ein Mediziner
Für Leib und Geist und arme Seele!
Daß nie wer seine Ehre schmäle!
Dottore aber ist vergeben
Und widmet Beatrix sein Leben.
Der Diener aber, der Pierrot...
Ich träume oft von ihm und so...
COLOMBINE
Wenn eine Edeldame ihn
Im Traum liebt, nicht den Harlekin,
Was soll ich dann mit seiner Ode,
Die sicher gar nicht nach der Mode!
LAURA
Du kannst ihn nehmen zum Gemahl,
Bist seine Muse allzumal
Und wirst verherrlicht, schlank und schmal,
Zur Göttin aus dem Sternensaal...
COLOMBINE
Was man so redet von den Musen!
Auf Musen reimen alle Busen!
Ich laß mich nicht als Göttin malen,
Ich möchte einen ganz Realen,
Der weiß zu fassen und zu streicheln,
Nicht nur mit Reimen mir zu schmeicheln.
(Laura ab. Pierrot schleppt sich herbei)
Was schaust du denn so traurig drein?
Hast du vergessen deinen Wein?
PIERROT
O Colombine, dich zu sehen!
Pierrot will sein Gemüt vergehen
Vor lauter Weh und Not und Schmerz,
Schenkst du ihm nicht dein Frauenherz!
COLOMBINE
Ach Klagen, immer nichts als Klagen!
Hast du nichts Nettes mir zu sagen?
PIERROT
Ach wunderschöne Colombine,
Du meines Herzens Guillotine
Mit deiner Schönheit Fallbeil scharf!
Daß ich dich sehn – und sterben darf!
COLOMBINE
Ich bin doch deine Nachbarin
Und eine arme Dienerin
Und keine arge Mörderin!
Nichts Böses hab ich doch im Sinn.
PIERROT
Nichts Böses? Sondern nur das Gute?
O Venus du, aus meinem Blute
Mit deiner Muschel aufgetaucht!
Mein Leben seinen Hauch aushaucht
Vor himmlischer Glückseligkeit,
Da du mir widmest deine Zeit!
COLOMBINE
Zuerst betrübt zu Tode – dann
Aufjauchzend wie ein Engel, Mann?
Kein Boden unter deinen Füßen?
Willst mich als deinen Engel grüßen?
PIERROT
Bei Gott! Du bist die schönste Frau,
Die sich in meiner Tränen Tau
Jemals wie Venus nackt gespiegelt!
O, deine Stimme mich beflügelt,
Ich seh mich in den Himmel ziehn!
Was willst du nur von Harlekin!
(Er wandelt verzückt-elend davon)
COLOMBINE
Ein Narr und Tor und wankelmütig.
O meine Seele, sei ihm gütig!
(Harlekin kommt hüpfend an)
O liebes Närrchen Harlekin,
Sahst du Pierrot vonhinnen ziehn?
HARLEKIN
(lacht)
O meine süße Colombine!
Venedigs süße Honigbiene!
Ich komm mit meines Herzens Dürre
Und schenk dir aus Äthiopien Myrrhe!
COLOMBINE
O wie sie duftet, o wie süß!
Ihr Öl in meine Haare gieß!
HARLEKIN
Gedacht erst für Suleika schön,
Daß Myrrhe ihre Locken krön,
Jetzt aber seh ich dich und da
Ist mir mit eins die Liebe nah.
(Er setzt ihr einen Myrrhekranz in die Haare und springt davon. Colombine geht auch ab. Suleika tritt allein auf.)
SULEIKA
Ach melancholischer Pierrot,
Ich lieb dich so, ich lieb dich so!
Das Volk nennt dich ein hässliches
Entlein – jedoch auch Sokrates
War hässlich, aber war auch weise.
Wenn deine Mandoline leise
Mir säuselt von der Seele Wonne,
Erblüht mir meines Herzens Sonne!
(Sie tanzt verträumt ein wenig)
Möchte dich in meinen Armen halten
Und meine Künste dir entfalten.
(Sie tanzt schwebend davon. Auftritt Colombine)COLOMBINE
Ach alle meine Sinne ziehn
In jedem Traum zu Harlekin!
Er könnte mir mein Herz erheitern
Und meinen Horizont erweitern,
Daß ich die Frohsinns-Inseln seh
In Freudenmeer und Jubelsee!
(Sie wandelt schön davon. Auftritt Pierrot)
PIERROT
Ach Einzige! Ach Colombine!
Sprich du Vergebung meiner Sühne
Und meiner Liebeslust mir zu,
Gib meiner wüsten Seele Ruh,
Vergib, dass ich dich liebe! – So
Hat nie bisher geliebt Pierrot!
(Er geht traurig ab. Vorhang)


DRITTER AKT


(Colombine auf einem Krankenlager liegend. Donna Laura dazutretend)
COLOMBINE
Sieh, wie ich auf das Lager sank!
Ich, Herrin, bin vor Liebe krank!
LAURA
O Colombine, liebst du ihn,
Den tollen Narren Harlekin?
COLOMBINE
Ich liebe ihn mit Gift im Blut!
Mich greift des Liebestodes Wut!
LAURA
Wenn dir der Tod bevorsteht, Colombine, musst du unbedingt ein Gleichnis vom schwarzen König Salomon von Äthiopien hören, der zur Zeit in Venedig weilt. Also höre, wenn du Ohren hast: Es war einmal eine schöne, etwas ängstliche Taube. Da nahte ihr ein Adler und wollte sie fressen. Sie aber flüchtete zum guten König. Der Adler trat vor den König und sagte: Gib mir die Taube, ich will sie fressen! Aber der König sagte: Ich gebe dir das Fleisch meiner Hände, das kannst du fressen, musst aber die Taube am Leben lassen! Der Adler willigte ein, aber nur unter der Voraussetzung, dass das Fleisch des Königs genauso viel wiege wie die Taube. Aber die Hände des Königs waren zu leicht. Erst als sich der König alles Fleisch vom Leib geschnitten hatte, gab sich der Adler zufrieden und flog gesättigt davon. Die Taube war frei! Und siehe da, durch ein Wunder stand der gute König in noch größerer Schönheit da als zuvor!
(Laura ab)
COLOMBINE
O lieber Gott; ich wünsche mir...
O Gott, ich wünsche mir von dir:
Mach meine Seele mir gesund...
Und gib mir Küsse auf den Mund!
(Es donnert)Wie fühl ich mich auf einmal kräftig
Und denk an Harlekin ganz heftig!
(Sie nimmt ihr Bett und geht ab. Auftritt Harlekin, im Kreise tanzend)
HARLEKIN
Ich hatte einen süßen Traum,
Der scheint mir mehr als leerer Schaum:
Ich stieg aus tiefen Erdenmeeren
Und flog durch sieben Himmelssphären,
Bis ich zum milden Monde kam,
Da waren Braut und Bräutigam,
Die Braut war da mein Colombinchen
Und Bräutigam ihr Harlekinchen!
(Er tanzt im Kreise, Hurrah, Hurrah rufend)Dann sah ich einen ganz aparten
Und wunderschönen Mondengarten,
Kartoffelknollen, Petersilien
Und lauter vollmondweiße Lilien.
(Er tanzt)
Und keine Tränen und kein Quängeln –
Doch Freundschaftsgruß von schönen Engeln!
Und vorm kristallnen Mondpalast
Goldbirnen an dem Eichenast.
Und in dem Mondpalast der Saal
War Mondstein ganz und goldner Stahl.
Dann sahen Braut und Bräutigam
Den Priester und ein weißes Lamm –
(Er klatscht vor Jubel in die Hände)
Und wieder jetzt auf dieser Erde,
Ich Colombine freien werde
Und werde mit der Liebe Beirat
Mit Colombine feiern Heirat!
(Colombine kommt)COLOMBINE
O Harlekin, was hör ich da?
Der Liebe Segen kommt mir! Ja!
HARLEKIN
Ich kauf dich frei von deiner Herrin!
Du werde eines Narren Närrin!
COLOMBINE
Und zur Besieglung unsres Bundes
Küss ich die Lippen deines Mundes!
(Beide freudig ab. Pierrot tritt traurig auf.)
PIERROT
Ach! Colombine ist vergeben!
Vergebens scheint mir nun mein Leben!
Nun sinnlos ists, um sie zu werben,
Nun will ich sterben, endlich sterben!
(Auftritt Suleika)SULEIKA
Ach melancholischer Pierrot,
Sieh doch, Suleika liebt dich so!
Dir küss ich Tränen von den Wimpern,
Dann musst du auf den Saiten klimpern
Für die Suleika eine Ode
Von ewger Liebe nach dem Tode...
(Sie küsst ihm die Tränen von den Wimpern)
PIERROT
Suleika, o Suleika mein!
Mein ganzes Leben sei nun dein!
Ich will dir widmen meine Seele
Und die kristallenen Juwele
Der Tränenflut um Colombine!
Dir weih ich meine Mandoline
Und meine Muse, meinen Genius!
Sei meiner Liebe Himmelsvenus!
SULEIKA
Laß uns besiegeln unsern Bund
Mit heißen Küssen auf den Mund!
PIERROT
Wir wollen Doppelhochzeit feiern!
Ich werde eine Hymne leiern
Fürs kleine Närrchen Harlekinchen
Und für sein süßes Colombinchen
Und für Suleika, meine Braut,
Die ich erkannt und angeschaut!
(Harlekin und Colombine treten hinzu, sich an den Händen haltend. Donna Laura kommt als letzte)
LAURA
Der schwarze Salomon und ich,
Wir feiern Hochzeit hochzeitlich,
Und dann ist Laura nicht mehr ledig:
Wir feiern Hochzeit in Venedig!
ALLE
Nach Liebesschmerz das Liebesglück!
Und damit endet dieses Stück.