Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

Karine



Von Josef Maria Mayer

Was ich geschrieben habe, habe ich geschrieben.“
(Evangelium)


AN SANKT KARINE


(7. November)

Ich sah in Lourdes dein Andachtsbild,
Du warst ein engelreines Kind,
Du warst so klein, so lieb und mild,
Dein Geist unendlich wie der Wind.

Auf deine Fürsprach ich vertrau:
Mach mich zum Kinde, lass mich klein
Im Schoße Unsrer Lieben Frau
Ein Kind des lieben Gottes sein!


AN MARIA


Ich weihe, Gottesmutter, dir die Kleine,
Die viele Tränen schon vor mir geweint,
Die war dereinst hingebungsvoll die Meine,
Ist nun, geprüft und treu gefunden, Freund

Und hilft mit ihrem herzlichen Erbarmen
Dem Leidenschaftlichen und Leidenden
Und tröstet ihn in ihren Frauenarmen,
Wie eine Hirtin bei den weidenden

Und oft verlornen schwarzen Schafen steht
Und wie des Lebens Mutter Kinder nährt.
Wenn Gottes Liebe durch ihr Innres geht
Und mit der Seele Russlands mich belehrt,

Dann, Gottesmutter, segne, der ich diene,
Und sende ihr die Heilige Karine!


GEBET AN SANKT JOSEF


Ich grüße dich, Sankt Josef! So wie du
Trag ich ein Kind, das nicht von meinem Samen,
Des Tempels schweigendem Geheimnis zu
Und segne es mit Gottes Ja und Amen.

O Josef, der du Jesus in den Armen
Getragen wie ein Leuchter trägt die Kerzen,
O herze du mit herzlichem Erbarmen
Das kleine Kind, das trage ich im Herzen.

Der Gottesmutter seine Seele bringe
Und leg im Allerheiligsten ihn nieder.
Wir, Josef, tragen für Maria Ringe
Und weihen unsre Seelen immer wieder

Maria und die sie uns anvertraut,
Die Kinder unsrer Königin und Braut!


AN DEN KÖNIG DER KINDER


Was du tatest, Kinderkönig,
War, uns zu erlösen
Von dem Bösen, Kinderkönig,
Von dem fürchterlichen Bösen!

Was du gabest, goldner Knabe,
War die schönste Freude
Im Gebäude, holder Knabe,
Im kristallenen Gebäude.

Was du schufest, liebes Lämmlein,
War der Himmel
Im Getümmel, liebes Lämmlein,
In der Kinderlein Getümmel!

Was du küsstest, süßer Engel,
Waren Rosentriebe
Süßer Liebe, süßer Engel,
Ewig honigsüßer Liebe!


FRANZÖSISCHE KARINE


1

O goldne Sommertage der Ardeche!
O Bad in der Fontana Amorosa!
O L’Aphrodita in dem Linnen rosa!
O meine Süßgeliebte – comme une peche!

Wie einst Dionysos in Weingeländen
Mit seinem Pinien-Thyrsos liebte Aura
Und wie Petrarca die Madonna Laura
In Avignon – so hielt ich mit den Händen

Die Blüte der Provence, die süße Braut,
So süß wie Honig und wie Milch so weiß,
Betörend duftend wie ein grünes Kraut,
Genährt von heißer Sonne Strahlenkreis.

Mit ihr genoss ich meine Tage sehr
Und Nächte bei Les-Saintes-Maries-de-la-Mer!


2

Du Brandung der Gascogne bei Bordeaux,
Aus deinem Schaum entstiegen, ging Karine
(Und weißer Flieder blühte auf) nach Pau
Und in Abense-de-Haut auf eine Bühne:

Ein Pastorale spielten junge Basken
Von sommerlich verliebten jungen Hirten
Und jungen Dichtern mit antiken Masken
Und einer Schönen, weinend zwischen Myrten.

Wir stiegen in die Wolkeneinsamkeiten.
Im stillen Hirtenhaus der Pyrenäen,
Da sah ich Sapphos süße Seele gleiten
Durch Liebeslieder, nicht zu widerstehen.

Da liebte der Poet von Herzen die
Geliebte oben auf dem Pic du Midi!


3

Paris will ich besingen, das Paris
Mit seiner Mondnacht über Notre Dame,
Da aus der Seine entstiegen wundersam
Karine, rein wie aus dem Paradies

Und hüllte sich in Genovevas Vlies,
Verhüllend mit den Haaren ihre Scham.
Als Muse sie zu einem Maler kam
Und seine Bilder wurden südlich-süß. - -

...Steinwüste. Riesige Giganten
Von Obelisken-ähnlichen Trabanten
Erschlugen grausam-starr mit tötendem

Medusenblick. Da weinte Sokrates
Vor Diotima im Hotel de Jeunesse
In einer nächtlich-einsamen Rue M.



ODE AN KARINE


Wenn ich auch der Todesgedanken Schwere
Und die schwarze Galle der bittern Seele
Trag und den Zynismus des Elends in der
Seufzenden Seele,

Von der armen Einsamkeit langer Nächte
Trunken und vom Weine, dem armen Tröster,
Und erfüllt von Liebesverlangen, dürstend,
Manche belastend,

Fleh ich dich, Karine, mit meiner Seele
Trübster Träne Siegel, doch an, dass du mir
Beistehst mit der Liebe der Freundschaft und der
Treue der Seele.


AUS DEM RUSSISCHEN FÜR KARINE


Kuß auf die Braue – nimmt Sorgen fort,
Ich küss deine Braue.
Kuß auf die Lider – nimmt Schlaflosigkeit,
Ich küss deine Lider.
Kuß auf die Lippen – ein Trank von Wasser,
Ich küss deine Lippen.
Kuß auf die Stirne – nimmt fort die Erinnerung,
Ich küss deine Lippen.


HIRTENGEDICHT


1

Sei, Muse, eine Friedenskönigin,
Führ du mich aus den allzu wehen Schmerzen,
Führ mich ins schöne Tal der Hirten hin,
Da ich noch heile war an meinem Herzen,
Da ich noch Glück erfahren, noch gesund
Empfand und hing an meiner Freundin Mund.

Ich trug nur eine kleine rote Tasche
Mit den Gedichten Sapphos in den Händen.
Oh, gestern nacht verbrannte ich zu Asche,
Nun will ich mich zu meiner Freundin wenden,
Der ich in ihrem Engelssohne diene,
Doch damals war sie Mädchen noch, Karine.

Von Pau die Straße lang am grünen Gave
Wir fuhren abends nach Abense-de-Haut.
(Als ich in Lourdes gebetet fünfzig Ave,
Sah ich den Fluß hinab zum fernen Pau.)
Im Sommer einundneunzig – Schluss der Strophe –
Wir kamen an auf einem Bauernhofe.

Und Madelaine, Verwandte der Karine,
Versorgte uns mit pommes de paradis.
Am Sonntag ging sie zu dem Mahl der Sühne,
Die Glocken kleiner Kirche riefen sie.
Vom Papste sprachen wir, dem Gottesmann,
Beim roten Wein im Hause der Susanne.

Ich saß im Garten unter einem Baum,
Im Wipfel hockte eine schlanke Katze.
Ich bangte wie in einem Schreckenstraum
Vor ihrem Sprung und ihrer scharfen Tatze.
Vom Fenster schaute heitrer Seelenruh
Die lachenliebende Karine zu.

Den Enten ward der Kopf vom Hals geschlagen,
Den Hals nach unten hingen sie an Ketten.
Das Fleisch ward Festmahl an den Feiertagen,
Die Federn wurden Kissen in den Betten.
Wie schrecklich, ihrem Sterben zuzugucken,
Der armen Kreaturen letztem Zucken!

Der Hirte Marc rief aus des Stalles Toren
Die dichtbewollten Schafe zu der Schur,
Sie wurden umgeworfen und geschoren,
Ihr Blöken hallte weit durch die Natur,
Und zitternd – wie nach einem Weiheakt –
Sie standen wieder auf, so bang und nackt.

Wir waren auch am Friedhof von Omize,
Besuchten dort das Grabmal der Cathy.
Ein Engel leuchtete wie sieben Blitze
Vor meinem Seelenauge, tröstend sie,
Karine, die um Mutters Schwester weinte,
Die sie verloren in dem Tode meinte.

In einer späten Stunde, in Bordeaux,
Wo Schwan und Leier sahen zu uns nieder,
Saturn in Schwermut schwebte irgendwo,
Da sah ich in der Nacht um lila Flieder
Cathy als unsichtbare Seele schweben
Als einen Hauch aus Gottes ewgem Leben.


2

Ein hundert Jahre alter Baske nur
Alleine lebte in der Hirtenhütte.
Die Schafe führte er in die Natur,
Ein kleines Hündchen war um seine Schritte.
Die Schafe in der Wolle weißen Flöckchen
Am Halse trugen kleine Silberglöckchen.

Auch Jäger kamen, brachten Brot und Wein
Als Sakramente Frankreichs für den Glauben,
Sie gingen in der Buchen Silberschein
Auf Suche nach verborgnen Ringeltauben.
O schießt mir nicht die schöne Palombine,
Schön wie der runde Busen der Karine!

Im Gipfeltale war ein Bach, da war
Mit gelben Heidekraut besät die Wiese,
Ein Rauhreifschleier schleierte so klar
Und Nebel wallte um die Paradiese,
Am Abend mit den Wolkennebelschwaden
Den Berg in Gottes Stille schön zu baden.

An einen Felsen denk ich, der ein Thron
Der königlichen Muse war, die nennt
Geheimnisvolle Frau der Musensohn,
Der eine Gottheit aus dem Orient
Anbetet in dem mütterlichen Glauben,
Die Gottheit, rein wie sieben reine Tauben!

So innerlich war alles, Innenwelt
Der Wind, die Weide und der Sonnenschein.
Der Dichter seine Denkerstirne hält
An einen Stein, da sieht er in dem Stein
Weltinnenraum, des Kosmos Universen,
Das All war ihm zuhaus in seinem Herzen.

Uns hatte Madelaine wie eine Mutter
Mit Weißbrot und Pastete eingedeckt.
Sonst aßen wir nur Reis und Salz und Butter,
Was unsre Lebenskraft erfrischt und weckt,
Und reines Wasser von der lautern Quelle
Macht unsern Sinn und unsre Seele helle.

Der innerlich zufriedne Musensohn
Nachts in der Hütte hatte eine Schau,
Anwandelte ihn leise die Vision
Von heimgegangner Seele, weißer Frau,
Das war die schöne Sappho, innerlich
Sah er die Muse, die die Saiten strich.

Und eine Stunde will ich keusch besingen,
Gib, Liebe, dass ich in der Reinheit wachse,
Da Liebster und Geliebte sich durchdringen
Und in dem Kosmos kreist die Weltenachse
Und da das Weib in einem Urschrei bricht –
Sie schaun von Angesicht zu Angesicht...

Da war die stille Glut in dem Kamine,
Darüber wachte eine Wachsmadonne.
Ich feire den Geburtstag der Karine
In goldnen Zeiten der Septembersonne,
Und ist das Fest belastet auch von Leid –
Es ist das Fest der Mutter der Barmherzigkeit!


AN KARINE


Ich lieb an dir dein warmes Herz,
Das immer mir so gut begegnet,
Das tröstet mich in manchem Schmerz
Und mich mit frohen Stunden segnet.

Ich lieb an dir dein offnes Aug,
Das schaut mit solcher lieben Treue,
Aus dem ich Licht der Freundschaft saug,
An der ich immer mich erfreue.

Ich lieb dein offenes Gesicht,
Das offen trägt dein feines Fühlen.
Dein Angesicht ist ein Gedicht,
In dem der Griechen Grazien spielen.

Ich liebe deine Kindlichkeit
Und deine Einfalt, deine Güte.
Ich denke gern der schönsten Zeit,
Da ich für deine Schönheit glühte.

Und bin ich auch verliebt in S i e –
Karine, sei nicht eifersüchtig,
Denn unsre schöne Sympathie
Und unsre Freundschaft ist nicht flüchtig.



AN KARINE


Ich bin so heimatlos und unbehaust,
Denn keine Liebe lädt mich in ihr Haus.
Wohl mir, wenn du wie eine Schwester schaust
Mit Zärtlichkeit im Licht des Augenblaus.

Daß eine warme Seele sich erbarmt
Und hält mir durchs Jahrzehnt nun schon die Treue
Und mich in meiner Traurigkeit umarmt –
Wohl mir, geschieht mir doch, dass ich mich freue.

Dann schaue ich dich gern an, bist du müd,
Und fühl als Schwester dich in meinem Innern,
Und mag mich auch, wie du so süß und süd
Im Honigmond gewesen warst, erinnern.


ANNA


Geheimnis meines Lebens, warum du
So nah mir bist, so traulich mir vertraut
Als wärest du Gefährtin mir und Braut
Und bist es nicht, da ich in meiner Ruh

Alleine leb in stiller Einsamkeit
Und das ist gut, ist meines Lebens Weg.
Doch gottgeboren ist es, dass ich pfleg
Die Anna-Liebe. Sei mein Herz mir weit,

Daß mir mein Herz dich innig kann umfangen.
Und da ich dich umfing, hab ich getrunken
Dein Liebes-Lächeln, deiner Seele Fülle.

So lieb ich dich in Gott, der von den Wangen
Mir meine Tränen küsst, der in der Stille
In deinem Herzen lebt als Seelenfunken.


ODE AN KARINE


Auszuspeien schwärzliche Galle war
Mein Verlangen bitterster Stunde, da
Ich Verachtung litt und sehnte
Mich nach den herzlichsten Gunstbeweisen.

Da las ich den Prediger Salomo
Melancholisch: Alles ist nichtig und
Nur ein Haschen nach dem Winde
Und ein vergebliches Mühen alles!

Sanfte, milde weibliche Schönheit war
Zwischen reinen rosanen Röschen mir
Linde Tröstung meiner Seele,
Die ward verschlungen von schwerer Trauer.

Ganz in Schwarz gekleidet, den Trauerflor
Um die dunkle Seele gelegt, da war
Deine Rede, o Karine,
Öffnerin dunkelsten Tränenbrunnens.

Wehes Schluchzen brach aus der Seele mir
Wie ein Ungewitter aus Wolkennacht,
Wie ein Schrei verletzten Tieres,
Wie die Verzweiflung des Exilanten!


MARIA UND IHR BABY

FÜR KARINE ZUM HEILIGEN ABEND

Mein Kind, ich habe dich so lieb,
Du bist das Beste meiner Seele!
Der kleine Vogel singe Piep
Im Winter bei der dunklen Höhle.

Du Fleisch von meinem Fleische und
Du Blut von meinem Frauenblute!
Wie süß, wie lieblich ist dein Mund,
Wie blickt dein Auge rein, das gute!

Komm, lege dich an meine Brust,
Da darfst du Milch der Liebe saugen,
Darfst trinken, Kind, nach Herzenslust
Hier unter meinen Mutteraugen.

In meine Mutterarme schmieg
Dein gottgeschaffnes Kinderleibchen,
Daß ich dich in den Armen wieg,
Mein süßes Spatz, mein liebes Täubchen.

Mein Mutterherz vor Liebe glüht,
In dir ist nahe Gottes Liebe!
Du höchster Schatz für mein Gemüt,
Du Leuchte in der Wintertrübe,

Geboren als ein Winterkind,
Steigt mit dir wieder auf die Sonne.
Setz dich auf meinen Schoß geschwind,
Denn du bringst mir des Himmels Wonne!

Ich wickel dich in Windeln ein,
Will dich in meine Liebe hüllen,
Mein Jesuskind, mein Edelstein,
Will deinen Durst nach Liebe stillen!


BALTRUM

EIN REISESEGEN


Baltrum! Sieben Inseln ruhn im ostfriesischen Meere,
Aber die Kleinste du, die in dem Perlenkranz gar
Die Bescheidenste, ja, verschlafnes Dornröschen genannte.
Mir bist zu Heimat. Und hätt einst das Geschick es gewollt,
Wär ich in dir zur Welt gekommen, du Reich meiner Mütter.
Nun begrüße du freundliche Freundinnen mir,
Evelin grüß und Karine grüß und grüß ihre Kinder!
Mutter, schicke der Schar Ruhe und glückliche Zeit,
Hagebuttengeschmückte, den Kleinen kindliche Freude,
Schenke ihnen des Meers herrlichen Rauschegesang,
In den Dünen bereite ein Bett den Müden und sende
Sanfte Kaninchen vorbei, sage den Träumenden dies:
Alle Schöpfung will spielen vor Gott wie die glücklichen Kinder!
Seliger Meeresstern, strahl deinen Segen des Lichts
Auf die Lieben herab und gib ihnen Ruh von der Mühsal,
Heilige du den Bund liebreicher Freundschaft der Fraun
Und erscheine den Kindern im Traum und zeige den Schatz des
Heiligen Nikolaus, der da fuhr über die See.
Mag auch Eine gedenken vergangenen Urlaubs, gedenken
Des Poeten auch, der hier gefunden sein Glück.
Er verehrt den rettdachgedeckten Rundtempel, wünscht sich
Hier ein Stoßgebet zu dem all-liebenden Gott!



FAMILIEN-EVANGELIUM


1

Vor Notre Dame de Paris
Bist du aus der Seine getaucht,
Französische Aphrodite:
Anna!
Da die Glocken von Notre Dame
Geläutet wurden vom Glöckner,
Fiel dein langes braunes Haar
Auf deinen schönen weißen Busen,
Du lächeltest aus den meeresblauen Augen
Und mit den vollen Lippen dein süßestes Lächeln,
Lachenliebende Aphrodite,
Als dir der Dichter
Den Apfel der Schönheit überreichte.


2

Bei Saintes-Maries-de-la-Mer
Im Golfe du Lyon
Wir haben nackt gebadet
Und ruhten im Sandstrand bei dem umgischteten Felsen
Und schauten den spielenden, lachenden Kindern zu.
Damals tauften wir unsre Kinder
Im Mittelmeer
Auf den Namen der Mutter Natur und des himmlischen Vaters.


3

Buffodontel kam zur Welt!
Derselbe Stern, der über meinem Schicksal dunkelt,
Waltete auch im Leben Buffodontels.
In der Nacht des inneren Sterbens sah ich
Buffodontel, das lebendige Abbild Gottes!
Unendlich offene Augen!
Ich kann nur Kindern in die Augen schauen.
In den Augen war heiliges Licht,
Ein göttlicher Seelenfunke, unsterblich!
Siehe, ein Kind ist uns geschenkt,
Ein Sohn ist uns geboren!


4

Verwundet vom Leben, von schmerzreicher Liebe,
War mein Trost der selige Buffodontel,
Als er in meinen Armen einschlief.
O mein Gott, nun lässt du deinen Diener
In Frieden entschlafen,
Sagte der greise Prophet,
Als die Mutter Maria ihm
Das Jesuskind in die Arme legte.


5

Anna sprach mit Buffodontel
Die Sprache der Troubadoure aus der Provence,
Buffodontel sprach mit mir die Kindersprache.
Wie Adam im Paradiese, sagt die Bibel,
Den Tieren Namen gab,
Gab Buffodontel den Geschöpfen
Aus der Bilderbibel der Schöpfung
Alle seine eigenen Namen.
Die Krelle liebte er so sehr.
Damals lebte noch Aaron, der Kater.
Halleluja, rief Anna,
Als Aaron tragischen Todes starb.


6

Die göttliche Wesenheit,
Unser aller Schöpferin und Mutter,
Spielte vor dem Thron der göttlichen Majestät
Wie ein Kind!
Ich lernte die Weisheit
Aus den Kinderspielen Buffodontels.
Wie kalt die Kerle auch waren,
Wie grausam die schönen Frauen,
Wie verwundet der Minnesänger am Herzen auch war,
Wenn er mit Buffodontel spielte, war er im Himmel!


7

Da sprach Anna eines Tages zu mir:
Siehe, auf diese Weise
Haben wir einen Buffodontel zusammen!
Ein anderer Kerl stand in Annas Küche,
Ein anderer Kerl lag in Annas Bett,
Aber ich und Buffodontel
Waren wie Vater und Sohn!


8

O Gottesmutter!
Ich schenke deinem heiligen Herzen
Den geliebten Buffodontel!
Schenke ihm im irdischen Leben Glück
Und im himmlischen Leben dereinst
Die ewige Glückseligkeit im Paradies!
Da er nun dein ist, o Mutter der Menschen,
Zünd ich eine Kerze vor deiner Ikone an, o Maria.


9

Mein Schatz! sprach Anna eines Tages:
Ich bin schwanger!
Siehe, mein Liebster,
Nun kommt mir nicht nur eine Akkadanu,
Nun kommen ein großer und ein kleiner Akkadanu!
Ich jubelte: Halleluja!
Sie sollen kommen! Sie sollen leben!
Wir wollen sie lieben!


10

Im Mutterschoße
Liebte ich schon die Kinder.
Akkadanu der Kleine
Fastete immer und sprach mit Gott!
Akkadanu der Große
War ein großer Genießer!
Er genoß den Mutterkuchen und das Fruchtwasser
Und liebkoste den Schoß der Frau von innen.


11

Es war eine wahrhaft kaiserliche Geburt!
Buffodontel sprach in jenen weihevollen Tagen
Immer von dem Wolf,
Dem ward aufgeschnitten der Bauch,
Daß die kleinen Geißlein kamen heraus.


12

Da lagen die Zwillinge,
Wie zwei Sterne aus Annas Sternbild.
Akkadanu der Große schlummerte sanft in meinen Armen,
Akkadanu der Kleine sah mich aus großen Augen an
Und seine Augen sprachen von Gott.


13

Akkadanu der Große heiße fortan,
Wir wollen ihn so taufen:
Der Liebe!
Ich will ihn immer küssen, küssen, küssen!
Akkadanu der Kleine heiße fortan,
Wir wollen ihn so taufen:
Gott hat uns erhört!
Ich will immer gläubig
An den Lippen meines kleinen Papstes hängen!
Und Anna sei fortan
Die dreifache Gottesmutter,
Meine Herzensfreundin und Augenweide!


14

Ich trage Buffodontel auf den Schultern,
Wie einst Sankt Christopherus das Christkind trug,
Das so schwer war wie die ganze Welt.


15

O heilige Mutter Maria,
O heiliger Ziehvater Josef (nicht der leibliche Zeuger!),
O göttliches Jesuskind!
Segnet diese kleine Familie, Amen.


KINDERLIEDER



1

Iss du Eier, mein Sohn,
So wirst du zu einem Ei.
Rauche ich Tabak, mein Sohn,
So werd ich zu blauem Rauch
Und schwebe in den Himmel!

Wirst du zu Rauch, mein Vater,
Und schwebst du in den Himmel,
So werde ich ein Ei
Mit weißen Taubenflügeln
Und fliege dir nach in den Himmel!


2

Mein Vater, ich liebe das,
Wenn du mich hebst in die Höhe!
Mein Sohn, ich hebe dich hoch
Bis zu den himmlischen Wolken!

Die Wolken sind weich wie Kissen,
Da kann man gemütlich sich betten!
Mein Vater, heute Nacht
Wollen wir schlafen auf Wolken!

Vater, was wir nun brauchen,
Das ist eine Leiter zum Himmel!
Mein Sohn, wir spielen mit den Sternlein
Und reden mit dem Mann im Mond.

An den weißen Streifen von Rauch
Hängen wir unsre Kleider auf.
Vater, Mutter soll bei uns sein!
Ja, Sohn, gut ist es, eine Mutter zu haben!


3

Mein Vater, wir wollen kämpfen
Mit den Schwertern wie Ritter!
Mein Sohn, der Vater kämpfte auch
Mit seinem Vater, als er Sohn war.

Mein Vater, ich habe dich gefesselt!
O mein Sohn, ich will frei sein,
Frei sein wie ein freier Vogel!
Vater, wie ein wilder Tiger!


4

Vater, ich bin ein Ritter,
Bist du der Drache?
Mein Sohn, ich bin die Königin
Und habe zwei Kinder geboren!

Mutter, du bist der Königssohn,
Ich Ritter besiege den Drachen!
Mein Sohn, ist der Vater die Königin,
Ist die Mutter ja sein Sohn!


5

Im Anbeginne der Welt
Spielte die göttliche Weisheit
Wie ein Kind vor der Gottheit
Und war gern bei den Menschen!

Mein Söhnchen, meine Osterfreude!
Du bist der Spiegel der göttlichen Weisheit!
Dein Atem ist Atem von Gottes Atem!
Du bist ein Kind nach dem Herzen Gottes!


ODE AN KARINE


Wie ist es dir ergangen, mein Freund, allein,
Drei Tage, Lieber, dass wir uns nicht gesehen? –
Mein Liebchen, dunkle Tage waren’s,
Voll von der Traurigkeit Todesschatten!

Da dacht ich, wie die Großmutter mein vorm Tod
Begehrte mich zu sehen, doch keiner rief
Den Enkel an das Sterbebette.
Dacht ich daran und verging vor Trauer! –

Ach Lieber, ach du Lieber, nun muss ich auch
Vor Wehmut weinen! Leg dich in meinen Arm,
Weil deine Oma dir gestorben,
Ruhe Momente an meinem Busen!


IM ZIRKUS


Zebra staunte und Drommedar
Mit leuchtenden Augen der Knabe an.
Der Mutter leuchtendes Augenpaar
Sah wie Sterne im Dunkel der Mann.

Des Säuglings liebendes Ärmchenstrecken
Kann mein verbittertes Herz erwecken!
Ich vergesse die stolzen Musen –
Um nur mit dem lieben Kleinen zu schmusen!

Treuliebchen sah mich so treuherzig an,
Dieweil sie die kleinen Kinder liebkoste –
Gott, du schufest die Frau dem Mann
Zur treuen Liebe, zum herzlichen Troste!


KNABENLIEBE


1

Wenn du mich anschaust,
Wird mein Herz zur Blume.

Spielen wir reiner Liebe Spiele,
Wird die Erde zum Himmel.

Lernst du die Traurigkeit kennen,
Will ich dir Großmutter sein.


2

Meinen einzigen Schatz,
Den Einzigen, der mich liebet,

Will ich dir weihen, Maria,
Ihn, den Engel des Herrn!


3

Weltenschöpferin, Welterlöserin,
Ewige Mutter, Ewige Weisheit,

Wie die Gnaden deiner göttlichen Liebe
Durch die Mittlerin zu mir strömen,

Will ich Mittler von der Mittlerin Gnaden
Die Gnade meinem geliebten Knaben schenken!


4

Mein kleiner Gotteskrieger fragt:
Sag mir, ist Maria immer sanft?

Mein zärtlich geliebter Knabe,
Ich habe Maria nie anders erlebt!


5

Ein Feiertag der zelebrierten Liebe
War der Besuch des geliebten Knaben.

Die Nacht begehts mit der Muse Maria
Und mit ihrem überfließenden Kelch!


6

Ist der Knabe gegenwärtig,
Lacht mein Herz wie die Sonne.

Ist der Knabe zur Ruhe gegangen,
Erinnerung mild ist wie Mond.

Wir stehn in der Schrift geschrieben
Als Harfner David und Jonathan.


7

Allein in der Mitternacht unter dem Monde
Wir beiden Waisenkinder im Weltall –

Sei nicht traurig, o Seele des Sohnes,
Wir haben eine liebe Mutter im Himmel!


8

Mein Kind, wenn man allein und traurig ist
Und niemand versteht, wie traurig man ist,

Wenn man dann ruft zur Mutter Maria,
Dann kommt sie mit liebem Muttertrost!


9

„Auf der goldenen Sonnenblume
Fliegt das liebe himmlische Kind!

Es sinkt von dem Gott im Himmel
Der Meerjungfrau in den Schoß!“

(Von Juri)


10

Vieles Wissen bläht auf
Und Weisheit macht einsam.

Spiel mit deinem Kind
Und verwirkliche Liebe!


11

Kose ich mit Kindern und lächle den Frauen,
Will mir der Tag sehr freundlich erscheinen.

In der Nacht beim einsamen Mond alleine,
Glückselig bin ich mit der Madonna Maria!


12

Glitzert mein Herz wie Zucker vom Knaben,
Bist du mir Glanz und Gloria Gottes, Maria!

Bin ich umnachtet von Schwermut, Maria,
Bist du mir die Schwarze Madonna der Melancholie!


DER SCHLAFENDE KNABE


1

Wie lieblich, Liebling, dein Geschnarche,
Des Busens Senken, Busens Heben!
Wie herrlich ist es, in der Arche
Die Sündenflut zu überleben!


2

Ob Kontinente auch versinken
Und Volk mit Volk sich bös bekriegt,
Heil! Lieben, Denken, Singen, Trinken!
Mein Lieb in meinem Bette liegt!


3

Hingabe ist die schönste Gabe,
Von Gott der Menschen Sympathie!
Den Dichter inspiriert der Knabe,
Beim Wein besingt ihn das Genie.


4

Du liebst die Märchenweisheit, welche
Gespendet dir die Mutterbrüste!
Ich segne deinen Traum beim Kelche
Mit ewger Weisheit Jesu Christe!


5

Die Sternenordnung, o wie klar,
Die Spiegel voller Gottesglut!
Die stille Nacht wie wunderbar,
Da nebenan mein Liebling ruht!


6

Wer bei mir schläft, der träumt den Traum
Vom lieben Gott im Morgenrot,
Wie Jesus litt am Lebensbaum
Des Kreuzes, tötete den Tod!


7

Am Herzen liegt dem Philosophen
Ein Kind, das seiner Seele hold.
Drum muß er in der Trauer Ofen,
Weil so geläutert wird das Gold.


8

Nun muss ich vor Erschöpfung weinen
Und schluchzen trauervolle Tränen.
Bis Gott uns wieder wird vereinen,
Muß meine Seele weh sich sehnen!


ANNA


Ich nannte sie ein Weib,
Ein Weib der Wollust und der weichen Wonne,
Aus Fleisch und Blut der Leib,
Daß sich der Mann dran reib
Und jauchzt beseligt in das Reich der Sonne!

Doch nein, kein Wonneweib,
Dem wonnevoll die vollen Brüste beben,
O Dichter, anders schreib
Und schöner übertreib,
Denn auch ein Wonneweib ist scharf daneben.

Ich pries sie wilden Engel,
Der groß sich segnend an die Kleinen schmiegt,
Der zähmt die wilden Bengel,
Stillt jammerndes Gequengel,
Der alle dumme Daseinsnot besiegt!

Ein wilder Engel? Nein,
Sie schwebt nicht mit ätherischer Gebärde
Wie Licht im Sonnenschein
Um kleine Kinderlein,
Sie ist Natur, die Mutter, Mutter Erde!

Nun, o du Dichter, schweig
Und stille schmiege dich an ihren Busen
Und dich demütig neig,
Daß sie dir selber zeig
Ihr Wesen als die Liebendste der Musen:

“Ich nenn mich eine Frau
Und trag die königliche Frauenkrone
Wie Unsre Liebe Frau!
Wie Sie, Geliebter, schau,
Bin ich allein barmherzige Matrone!“


AN KARINE


In guten und in schlechten Zeiten
Will ich an deiner Seite stehn,
Wär ohne dich, mein lieber Bruder,
Das liebe Leben nicht so schön. –

Mein Lieb, im Sommer und im Winter
Mein Herz dem deinen Bruder sei.
Ich liebe dich und deine Kinder –
Steh uns die Liebe Gottes bei!


TRAURIGKEIT UND GLÜCK


Wohl, meine Freundin, ich bin traurig,
Doch glücklich ist das Herz des Christen,
Weil seine Seele wonneschaurig
Darf weinen an der Gottheit Brüsten!

Weil ich an Ihrer Brust darf weinen!
Und fühlt auch Trauer augenblicklich
Mein Herz, bin ich doch in der Einen
Ewigen Gottheit Armen glücklich!


KINDER


Mein lieber Säugling, Pfirsich,
Was wir für Scherze machen!
Wir schaun uns in die Augen
Und lachen, lachen, lachen!

Mein lieber Knabe, Ritter,
O wie wir kämpfen müssen!
Wir reiten zu der Jungfrau
Und küssen, küssen, küssen!


MARIEN HIMMELFAHRT


In deiner Hand, mein kleiner goldner Liebling,
Ergeht sich leise ein Marienkäfer,
Du hauchst ihn an, da öffnet er den Panzer
Und breitet seine Flügel, auf gen Himmel!

Zum Himmel, Papa, fliegt mein kleiner Freund,
Zum Himmel flügelt der Marienkäfer.
Da oben in den blauen Lüften lebt
Wohl eine wunderschöne blaue Fee!

Mein kleiner goldner Liebling, sag du mir,
Wenns regnet von dem Himmel auf die Erde,
Sind das die Tränen dann der blauen Fee?

Mein Papa, wenn es regnet von dem Himmel,
Dann sind das nicht die Tränen meiner Fee,
S’ist Milch vom Busen meiner Himmelsfee!


DIE HEILIGE FAMILIE IM WALDE


Es war am Karmelberg in großen Wäldern,
Da Josef und Maria und das Kind
Im Schatten hoher immergrüner Bäume
Spazierten und dem Sang der Vögel lauschten.

Maria spielte mit dem Jesuskinde
Im Sand des Bodens, ganz dem Spiel ergeben,
In Liebe eingetaucht zur Leibesfrucht,
Das Jesuskind war selig in dem Spiel.

Still schaute Josef seinen Lieben zu
Und dachte unterm Gurren einer Taube:
Im Spiel hat Gott die ganze Welt erschaffen,
Frau Weisheit schuf die Schöpfung durch ihr Spiel.

Und Josef schwoll im Herz Barmherzigkeit
Und heiße Liebe für das Jesuskind
Und sanfte väterliche Zärtlichkeit
Und eheliche Liebe für Maria.


KINDERGEBURTSTAG


Heut hat mein vielgeliebter Sohn Geburtstag, seinen dritten,
Er lebt in einem Garten, seine Mutter ist dabei.
Ich aber, der das Leben wählte eines Eremiten,
Ich feire meinen Sohn in meiner Bergeinsiedelei.

Ihr Elfen und Unsterblichen, macht glücklich meinen Sohn,
Macht ihn zu einem guten, frommen, einem weisen Mann!
Du Mutter Nacht, die ihn geboren hat, ich stoß mit dir
Mit meinem schöngeschnitzten Jade-Becher Weines an!


AN MILAN


Wieviel Küsse von deinen Lippen, Liebling,
Mir genug und übergenug sind, weißt du?
Soviel Sand an dem Strand von Sylt gelegen,
Soviel Sterne bei stiller Nacht der Kinder
Süße Träume betrachten von dem Himmel,
Soviel Küsse, von dir geküsst, sind lieblich,
Das mag reichen dem ganz vernarrten Paten,
Wenn die anderen Kinder sie nicht zählen,
Sie nicht Großmutter oder Mutter neiden!


FÜR MILAN


Abends stand ich frierend im Winterwind
Und wärmte mich am Gebet, am frommen:
Komm, geliebtes Jesuskind,
Marias kleiner Jesus, komm!

Er kam und legte sich süß in meine Arme,
Lachend sah er mir in die Augen.
Ich brachte ihn ins Bett zum Schlafen,
Im Traum zu wandeln in Edens Auen.

Barmherzig neigte die Mutter ihr Antlitz
Über das Kind, die friedliche Schönheit.
Ich sang ein Wiegenlied: Schlafe, schlafe,
Mein kleiner Jesus, schlafe schön!

Ich meditierte nachts über Sophia
Und welche Person sie verkörpert ganz,
Da lag unterm Antlitz Marias
Das Jesuskindlein im goldenen Glanz.

Und als ich schlummerte, Kraft zu schöpfen,
Zu erneuern der Seele inneren Samen,
Trat an mein Lager Er, der Schöpfer,
Erweckte mich und rief mich beim Namen!

Ich legte das Jesuskindlein nieder,
Er schloß die Augen mit schimmerndem Glanz.
Ich dachte: Wo sonst schläft man so selig und lieblich
Als unter Mutter Marias heiligem Antlitz?

Bevor heraufging die Morgenröte,
Erhob ich mich vom Ruhebette,
Daß ich mit dem Jubelgebete
Marias Morgenröte erwecke:

Maria, erscheine, erscheine, schöner Morgenstern,
Gieß über uns aus das Feuer der kindlichen Lust!
O beim Triumph deines reinen Herzens,
Dein Mutterherz pflanze in meine Brust!

Da erwachte das Jesuskind,
Er öffnete zärtlich seine Augenlider.
Ich drückte an mein Herz das himmlische Kind
Und lachend erwachte das Morgenlicht!


MILAN


Am Athos-Berge lebte in der Einsamkeit
Der Mönch Äneas Pius, seinem Gott geweiht,
Er betete und fastete zu allen Stunden
Und sah den Herrn, noch tiefer als die Herzenswunden,
Und betete und las in seiner Seele Buch:
O Christus, Gottes Segen! Um von meinem Fluch
Mich zu erlösen, der ich bin vom Fluch versucht,
Ist Gott ein Mensch geworden, ward am Kreuz verflucht!
O Segen Gottes, Liebe Gottes, absolute
Erlösung! Du vermische dich mit meinem Blute
Im Blute Christi, in dem gottgeweihten Wein,
Gib Christi Blut ins Wasser meiner Seele ein!
So betete Äneas Pius, der Sophia
Geweiht. Die Gottesmutter, Magd des Herrn, Maria
Erkannte ihren allerelendsten Verehrer
Und sprach zum Jesuskind: Du aller Gnaden Mehrer,
Bei jener Milch, mit der ich dich dereinst gestillt,
Mein lieber Sohn, sei wie die Mutter auch gewillt
Und spende meinem Diener überreiche Gnaden!
Maria brauchte Jesus nicht erst einzuladen,
Wenn Jesus zu Maria sah, der Prächtigen,
Sah er die Allmacht über den Allmächtigen,
Die nur zu bitten brauchte, so geschah es dann.
Maria kümmerte sich um den Gottesmann
Äneas Pius. Wie die Tauben in den Nestern
Äneas Pius hatte zwei sehr schöne Schwestern,
Die liebliche Evadme und die schöne Anna.
Da sang Maria leise bei sich Hosianna
Und so bewegte Anna sie in ihrem Herzen,
Daß sie begehrte, mit dem Brüderchen zu scherzen
Und ihm zu bringen auf des Athos Bergesthron
Den vielgeliebten Milan, seinen Patensohn.
Und Anna zog mit Milan nun den Berg hinan,
Den Berg, wo wohnt in der Klausur der Gottesmann.
Da handelte Maria, ja, sie tat ein Wunder,
Unsichtbar kam sie aus dem Paradies herunter,
Den Knaben von drei Jahren, den entrückte sie,
Der Jesusknabe von drei Jahren aber wie
Der Knabe Milan ging nun mit der Mutter Anna.
Und Milan bei Maria jauchzte: Hosianna,
O schöne Gottesmutter, o wie bist du süß,
Ich lebe wie im Traum bei dir im Paradies,
Wo Nektar und Ambrosia in Überflüssen
Mir strömt und wo ich darf die Gottesmutter küssen,
Die Gottesmutter küssen dreimal auf den Mund,
Im Himmel ist mein Herz, wie eine Frucht gesund,
Ich bin im Himmel, alles atmet Himmelsfrieden!
Der schöne Jesusknabe aber trat hienieden
Mit Milans Mutter Anna in die Zelle
Des Eremiten. Eine warme Liebeswelle
Ging aus von Jesus zu dem Gottesmanne,
Der Knabe winkte Abschied von der Mutter Anne
Und schmiegte sich mit seinem Herzen liebeswarm
Als Kind von Gottnatur dem Mönche in den Arm,
Des Kindes Busen pressend an des Mannes Busen,
Um als sein Liebling mit dem Mystiker zu schmusen.
Wie Gott der Schöpfer mit dem Liebling Jesus scherzte,
Der Pate nun den Liebling segnete und herzte.
Er meinte ja alleine Milan zu begegnen
Und so begann als Pate er den Sohn zu segnen
Und sprach zu ihm von Gottes Weisheit honigsüß,
Wie Gott die Welt erschuf und von dem Paradies
Und wie der Engel Gabriel Maria grüßte
Und sie das Jesuskind gebar, das uns versüßte
Des Todes Bitterkeit durch seiner Liebe Gabe
Und wie der Weiseste der Weisen war der Knabe
Und wie er dann als lieber Mann und guter Herr
Gewandelt wundersam auf dem bewegten Meer
Und wie er Tote auferweckte, heilte Sünder
Und wie er über alles Maß geliebt die Kinder
Und wie er Händler aus der Kirche trieb, der Held,
Weil in der Kirche nichts zu suchen hat das Geld,
Und wie ihn dann ein böser Mann und Übeltäter
Für Geld verraten, der geldgierige Verräter,
Und wie dann Jesus weinte im Olivengarten
Und tat auf seinen bittern Tod voll Trauer warten
Und wie er dann am Kreuz so weh gestorben ist
Und auferstanden dann als Lichtgestalt der Christ
Und aufgefahren in den Himmel ist zu Gott,
Zum lieben Gott, zu Jesu Gott und Milans Gott!
Der Jesusknabe in dem Aussehn Milans ging
Nun durch die Zelle, wo so manches Bildnis hing.
Das Jesuskind sah die Madonna wonneschaurig
Und sprach: Schau, auf dem Bilde schaut Maria traurig.
Nun sag, wo hier bei dir so viele Bilder sind,
Wo ist in deiner Zelle denn das Jesuskind?
Der Mönch sprach: Dort im Bild Marie Galaktrophousen,
Das Jesuskind gestillt wird an dem Mutterbusen,
Sieh dort das Jesuskind die Milch der Brüste saugen
Und sieh die Liebesseligkeit in Jesu Augen!
Da Jesus wollt in Milans Leib dem Mönch begegnen,
Dem Eremiten, hob das Jesuskind zu segnen
Die Kinderhand und streichelte dem Mönch das Haupt
So lieb, das sich der Mönch von Gott gesegnet glaubt,
Da gab das Jesuskind dem Gottesmann drei Küsse
(Für die drei göttlichen Personen die drei Küsse),
Das Jesuskind den Beter küsste auf den Mund,
Da ward dem Traurigen das wunde Herz gesund.
Im selben Augenblick, da Jesus küsste süß
Äneas Pius, küsste in dem Paradies
Mit Mutterkuss, wie küssen liebevolle Mütter,
Die Gottesmutter Milan, ihren Ritter!
Der Jesusknabe von Äneas Pius schied.
Äneas Pius sang ein frommes Kinderlied.
Die Gottesmutter gab der lieben Mutter Anna
Den süßen Liebling Milan wieder. Hosianna,
Der Liebling Milan war im Himmelsparadies,
Sein Mund war von dem Kuß Mariens süß!
Äneas Pius aber in der Beter-Zelle
Die Seele reinigte in heißer Tränenquelle
Und weinte betend: Mir im Herzen steckt ein Pfeil,
Ein Feuerpfeil der Liebe! Ich bin wund vom Heil!
Vom Liebespfeil verwundet ich, von Liebe krank,
Von Liebe krank! Ich sag der Gottes-Liebe Dank!


DER MYSTISCHE MILAN


1

Als der Heilige, Gebenedeite
Milan sah, den Sohn des Sehers Mayer –
Der zum Engel umgeschaffne Knabe
Ward der gute Genius des Sehers.
Von dem ganz verworfenen Geschlechte
Wilder Sünder, zum Gericht geschaffen,
Nahm der Herr auf Flügeln Milans Geist fort
In die Herrlichkeit des hohen Himmels,
In die Herrlichkeit beim Throne Gottes.
Gott gebenedeite Milans Seele,
Jeden Tag gab er ihm tausend Küsse,
Machte einen Thron im Himmelreiche
Gleich der Herrlichkeit des Thrones Gottes
Und inthronisierte Milans Seele.
Und von All zu All erscholl die Stimme
Gottes: Meinen lieben Engel Milan
Habe ich zum Fürsten aller Fürsten,
König über alle Himmelskinder
Eingesetzt im Thron, aus freier Gnade.
Und der Heilige, Gebenedeite
Offenbarte Milan alle Weisheit,
Daß er sie erkannte gleich dem Schöpfer.
Und die Gottheit machte ein Gewand ihm,
Machte ihm ein Kleid aus Licht der Sonne,
Gab ihm eine königliche Krone
Aus den Sternen und Planetensphären
Und er rief ihn: Kleiner Gott der Liebe!

2

Und der Engel Milan sitzt im Himmel
Und versammelt um sich Kinderseelen.
Die im Mutterschoß gewürgten Kinder
Sammelt er um sich im Himmelreiche
Und versammelt sie vorm Throne Gottes,
Stufenweise, klassenweise, alle
Unterrichtet er in Gottes Weisheit
Und im Geist antiker Philosophen.
Nämlich Gottes Geist spricht in den Schriften:
Wem schenkt Gott die schöne Mutter Weisheit?
Den Unmündigen und kleinen Kindern!
Darum ist des Milan-Engels Name,
Ist der höchste aller seiner Namen:
Prinz der Weisheit, seiner Muttergottheit!


DIE LETZTE LIEBE DES GEKREUZIGTEN DICHTERS


Ich denke jetzt noch der Geliebten,
So schön wie weiße Lotossprossen,
Im Schmuck die schönen braunen Haare,
Die Antlitzknospe aufgeschlossen,
Wie sie von Liebeslust ermüdet
Dem süßen Schlummer sich entwunden.
Ach das ist eine Weisheit, welche
Aus Torheit heute mir entschwunden!

Säh wieder ich die frische Jugend,
Das Mondgesicht der Liebe wieder,
Das Feuer von dem Pfeil der Liebe
Durchbohrte alle Lebensglieder!
Oh Wonne, ihres Busens Wogen
Wollt ich liebkosen, Liebe spielen!
Wie wär ich selig schon im Leibe,
Dürft ich an ihr die Hitze kühlen!

Ach, sähe ich sie wieder lächeln
Mit ihren Augen, himmelhellen,
Wie sie gehindert fast am Gehen
Von ihres Busens hohen Wellen!
Mit Küssen wollt ich sie bedecken
Und saugen an den süßen Lippen,
Wie Bienen an dem Kelch der Tulpe
Mit Stacheln von dem Nektar nippen!

Vergessen kann ich nicht die Liebe,
Wie sie von Liebeslust ermattet,
Das Schamrot ihrer weißen Wangen
Von ihrem braunen Haar umschattet.
Im Herzen trug sie mein Gedächtnis
Wie süße sündige Gedanken.
Sie schlang um meinen Hals des Schwanes
Der schlanken Arme wilde Ranken!

Vergessen kann ich nicht die Liebe,
Die einer Schwanin gleich verweilte
Im lotosreichen Teich der Wollust,
Bis sie dann morgens früh enteilte.
Mit Schamrot auf der Wangen Milchweiß
Sie still das Antlitz von mir wandte,
Doch aus den Augen Seelenfunken
Wie Sternenbotschaft sie mir sandte.

Ach säh ich die Geliebte wieder
Und säh die Augen traurig trübe,
Verwelkt des Leibes lichte Blüte
Von Trennungsschmerzen treuer Liebe,
Wie zärtlich wollte ich und brünstig
Sie heiß mit meinem Arm umfassen
Und nimmermehr die Augen öffnen
Und nimmermehr sie von mir lassen!

Ich weiß noch, wie die Liebste tanzte,
Ihr Leib getanzt in feiner Hülle,
Sie schaukelte die runde Hüfte,
Es bebte ihres Busens Fülle!
Aus ihrem klaren Angesichte
Hat sich des Mondes Licht ergossen,
Umrahmt von ihren braunen Haaren,
Voll Locken, welche schön geflossen.

Ich seh sie noch im süßen Schlummer,
Ein Duft ist ihrem Bett entstiegen,
Vielleicht von Moschus oder Sandel,
Den Sinn der Nase zu besiegen.
Ach ihre Lippen süß wie Honig
Wie Honigbienen summen, surren,
Und die wahrhaftig treuen Augen
Wie gallenlose Täubchen gurren.

Auch jetzt noch denk ich der Geliebten,
Gerötet vom gewürzten Weine,
Im Liebesspiele leidenschaftlich
Bewegt sie herrlich sich wie keine!
O liebe Lippen, süß wie Honig,
Die Augen leuchtend, die gesunden,
Von Moschusdüften, Sandeldüften
Ist süß der Leib der weiblich Runden.

Auch jetzt noch denk ich an ihr Antlitz,
Das selten sie geschminkt mit Schminke,
Doch oft mit Tropfen Liebesschweißes,
Daß ich den Schweiß vom Mund ihr trinke.
Ich denk an ihre klaren Augen,
An ihre Glut und ihr Erblassen.
Ihr Angesicht war wie die Mondin,
Wenn sie die Finsternis verlassen.

Auch jetzt noch schwebt vor meinem Geiste,
Wie sie mit zorniger Gebärde
Den Goldring riss von ihrem Finger
Und warf ihn wütend auf die Erde!
Wie dann das Weib, das königliche,
Als ich des Nachts im Bette nieste,
Versöhnt mit Wünschen der Gesundheit
Und Kindersegen-Wünschen grüßte.

Auch jetzt noch denk ich an ihr Antlitz,
Wie einst in Leidenschaft und Lieben
Die Wange war vom Silber-Ohrring
Zerkratzt und blutig wund gerieben.
Wie nach der Wonne unsrer Wollust
Des Schweißes Tropfen ihr erglänzten
Und so ihr Antlitz wie mit Perlen
Und Diamanten fürstlich kränzten.

Noch denke ich an die Geliebte,
Die würdig wie die Schwanin schreitet
Und gleich dem Kelch der roten Rose
Die feinen schlanken Hände breitet.
Ja, deren Brüste Perlenschnüre
Wie Rosenkränze rings umgeben
Und deren Grübchen in den Wangen
Beim Seufzen leise sich erheben.

Auch jetzt noch denk ich an die Liebste,
Vom Liebeskummer schwer getroffen,
Die Schüchterne mit Taubenaugen,
Sie, meine Labsal und mein Hoffen.
O aller Schönheit Reize vielfach
An ihrem schönen Frauenleibe!
Ihr Gang gleich königlicher Schwanin,
Gleich einem kaiserlichen Weibe!

Auch jetzt noch denk ich an die Liebste,
Die von dem Pfeil der Liebe wunde,
Die Schönste aller schönen Frauen
Und Mädchen auf dem Erdenrunde!
Kein Mädchen kann an Leibes Liebreiz
Und Seelenhuld ihr gleich sich zeigen.
Ein Kelch, gefüllt mit Wein der Wollust,
Ich trank den Kelch bis auf die Neigen!

Auch jetzt noch denk ich an die Brüste,
Wie lächelnd mir ihr Busen nickte,
Wie ihren Hals die Schnur von Perlen
Gleich einem Rosenkranze schmückte.
Sie wahrlich ward vom Gott der Liebe
Zum Paradiese ausersehen!
Sie sollte gleich der roten Fahne
Der Lust in Gottes Nähe wehen!

Auch jetzt noch denk ich der Geliebten,
Wie sie die Liebeslust verwirrte,
Sie Knoten schlang in ihre Zunge
Und doch wie eine Taube girrte,
Wie sie mit ihren Schmeicheleien
Und zarten Koseworten lallte
Und wie von Worten süßer Liebe
Ihr Mund von Honig überwallte!

Ich denk an sie (und will an Liebe
Auch noch im Paradiese denken!),
Wie sie die wonnevollen Augen
Tat keusch vor Scham und Reinheit senken,
Als von der Brust das Kleid gesunken
Und sie verschämte Nacktheit leidet.
Sie ist wie eine Königsschwanin,
Die durch die Lotosteiche gleitet.

Auch jetzt noch sehe ich die Liebe,
Ich häng nun gleich an meinem Kreuze - -
Ich seh den Honig ihrer Lippen
Und ihrer Blicke Zauberreize!
In ihren Armen wollt ich ruhen
Und würde nicht des Kaisers Freuden
Und nicht die Seligen des Himmels
Um Paradieses Lust beneiden!

Auch jetzt noch kann in meinem Geiste
Ich der Geliebten Bild nur finden,
Das lässt mir alle andern Bilder
Auch selbst der Heiligen verschwinden.
Was tu ich? Da im Augenblicke
Nun mir der Kreuzestod beschieden - -
Ah die Geliebte ist mein Leben,
Mir Liebeslust und Seelenfrieden!

Gewisslich, ohne die Geliebte
Mein Leben ist wie bittre Galle,
Mit der Geliebten süß wie Nektar
Und herrlich wie die Himmelshalle!
Sie ist die ewige Vertraute,
Die weiß mich himmlisch zu beglücken,
Wie kaum Gott-Vater und Gott-Sohn mir
Und Gott der Geist mir Liebe schicken!