Von Josef Maria Mayer
DIDO
Die Königin war lange schon getroffen
Von Liebesschmerz und nährte ihre Wunde
Mit ihrem eignen Blute und verzehrte
Sich in geheimem Feuer. O, der Mut
Des Helden, seiner Herkunft großer Ruhm,
Das schwebt ihr immer wieder vor den Augen.
In ihrem Herzen leben seine Züge
Und Worte. Ihr versagt die Sehnsuchtsglut
Entspannte Ruhe allen ihren Gliedern.
Am nächsten Tag erleuchtete Aurora
Mit Phöbus’ Fackellicht die Erdenwelt,
Nachdem vom Himmel sie die Nacht vertrieben.
Da wandte Dido sich verstört an ihre
Geliebte Schwester, an ihr andres Ich,
Mit diesen Worten: Anna, meine Schwester,
Traumbilder schrecken mich in meiner Seele,
In meiner inneren Zerrissenheit!
Was für ein Mann kam in mein Haus als Gast!
Wie groß sein Mut, wie groß ist seine Stärke,
Wie tritt er auf! Ich glaube – und mein Glaube
Betrügt mich nicht – er stammt von Göttern ab!
Gemeine Sterbliche verrät die Angst.
Ach, welches Schicksal hat ihn umgetrieben,
Von welchen Kämpfen weiß er zu erzählen,
Die er bestanden hat als starker Held.
Wär mein Entschluss nicht unerschütterlich,
Nicht noch mal einen Mann zum Mann zu nehmen
Im Ehebund, nachdem der Tod mich täuschte
Und meine erste Liebe mich betrogen,
Und wäre Hochzeit mir und Hochzeitsfackeln
Zuwider nicht und wahrlich mir ein Gräuel,
So könnte ich erliegen der Versuchung.
Ach, Anna, Anna, ja, ich geb es zu,
Nach des unglücklichen Sychäus Tod,
Nachdem mein Haus besudelte mein Bruder
Mit meines Gatten Blute, hat allein
Nur dieser Mann an mein Gefühl gerührt
Und meinen Vorsatz kurz gebracht ins Wanken.
Da ist sie wieder, diese Leidenschaft
Der Liebe, wie ich früher sie empfunden!
Doch lieber soll sich mir die Erde auftun
Und der Allmächtige mit seinem Blitz
Mich schleudern zu den bleichen Todesschatten,
Als dass ich meinen Ehemann verletze.
Er, der als Erster sich mit mir vereinigt,
Hat alle meine Liebe mitgenommen
Und er bewahrt sie mir im Grabe auf.
So sprach sie und benetzte ihr Gewand
Mit Tränen, die ihr aus den Augen spritzten!
ODEN VON HORAZ
1
Welcher schlanke Knabe, lieblich duftend,
Drängt dich, Pyrrha, auf das Rosenlager
In der Grotte? Wem zuliebe
Bindest du dir auf die langen Haare,
Einfach zwar geschmückt, doch reizend? Oftmals
Weint er, dass sich deine Treue wandelt
Und die Gunst der Götter, wundert
Oft sich über aufgewühlte Meerflut,
Der dich selig jetzt genießt als Mädchen,
Glaubt, du werdest immer für ihn da sein,
Immer liebend. Ahnungsloser!
Trügerisch ist deine Gunst, unglücklich
Der, dem du als Unbekannte leuchtest!
Ich hab aber, dies bezeugt die Tafel,
Aufgehängt die feuchten Kleider
Jener Gottheit, die beherrscht die Meere!
2
Du siehst, wie von dem hohen Schnee, weiß leuchtend,
Soracte ragt, die Wälder sich verneigen,
Die Last nicht tragen können, wie die Flüsse
Im scharfen Frost zu Eis erstarren.
Vertreib die Kälte, Thaliarchus, spar nicht,
Leg Holz in den Kamin und nimm großzügig
Den sieben Jahre alten dunklen Rotwein
Und gieß ihn oftmals in den Becher!
Das andre stell anheim den guten Göttern,
Wenn sie die Stürme auf empörtem Meere
Bezwungen, dann bewegen sich Zypressen
Nicht mehr, nicht mehr des Berges Eschen.
Erforsche nicht, was bringen wird das Morgen.
Den Tag, den dir vergönnt das Schicksal heute,
Nimm freudig an. Verschmäh in deiner Jugend
Nicht Tanz und nicht die süße Liebe,
Solang du jung bist und dir fern das Grauhaar
Vergrämten Alters. Jetzt geh auf den Marktplatz
Und such zur festgesetzten Dämmerstunde
Das angenehme Lippenplaudern,
Und such das Lachen des verborgnen Mädchens,
Wie es erklingt aus eines Winkels Tiefe,
Und nimm das Pfand, von ihrem Arm gezogen,
Den Ring, gezogen von dem Finger!
3
Nicht forsche, denn versagt ist uns das Wissen, welches Ziel
Die Götter mir und dir, Leuconoe, bestimmt, gib dich
Mit Babels Zahlenkunst nicht ab. Doch trag, was immer kommt,
Ob Jovis mehr der Winter noch gewährt, den letzten schon,
Der grade das Thyrrener-Meer am harten Felsen bricht.
Sei klug, trink Wein, und schneide deine Hoffnungen zurück
Auf ein geringes Maß. Wir sprechen noch und schon entflieht
Voll Neid die Stunde. Carpe diem! Trau der Zukunft nicht.
4
Wenn du, Lydia, Telephus’
Rosennacken preist und bräunliche
Arme, wehe, dann schwillt mir
Über meiner Galle Bitterkeit!
Ich gerat von Sinnen! Bleich
Werden meine Wangen, tränennaß,
Und verraten, wie die Glut
Kriechend mir an meinem Herzen nagt!
Weh! Wenn euer trunkener
Streit entstellt dir deiner Schultern Glanz
Und der Kerl im Liebeswahn
Dir sein Zeichen in die Lippen beißt!
Hörst du noch auf meinen Rat?
Ewig wird er dich nicht lieben, der
So entweiht den süßen Kuß,
Dem die Venus süßen Nektar gab!
Dreimal glücklich sind doch die,
Deren Liebesfessel nicht zerreißt,
Unzerstört vom Ehezwist
Endet eher nicht als mit dem Tod.
5
Die Mutter aller Liebesgötter,
Der Sohn Semeles und die große Göttin
Der Ausgelassenheit befehlen
Mir, mich der Liebe wieder zuzuwenden!
Mir glüht die Schönheit der Glykere,
Die weißer leuchtet als der reinste Marmor,
Und mich entflammt ihr Scherz und Mutwill
Und die verführerischen Zauberblicke!
Mit Macht stürmt auf mich ein die Venus,
Sie duldet nicht, dass ich von Skythen singe
Und Persern, die auf Rossen reiten,
Und andern Dingen, die für Venus nichts sind.
Bringt, Knaben, bringt den grünen Rasen,
Geweihte Büschel Laubs und frommen Weihrauch
Und einen Becher edlen Weines!
Nach meinem Opfer naht die Göttin gnädig.
6
Du meidest mich, o Chloe, wie das Rehkitz,
Das in den Bergen einsam sucht die Mutter,
Nicht ohne grundlos Angst zu haben
Vor jedem Lufthauch in dem Walde.
Denn ob der Frühling naht, im Laube schauert,
Und ob die Feuersalamander schlüpfen
Durch Brombeersträucher, immer beben
Dem jungen Rehkitz Herz und Beine.
Doch ich verfolge dich nicht wie der Tiger
Und wie der Löwe, um dich zu zermalmen.
Laß endlich ab von deiner Mutter,
Denn du bist reif, dem Mann zu folgen.
7
Venus, Königin von Paphos,
Laß dein liebes Zypern, ziehe
In das Schlafgemach Glykeres,
Die dich ruft beim Weihrauchopfer!
Mit dir eile auch der Eros
Mit den Grazien und Nymphen.
Venus, ohne dich ist reizlos
Doch die wunderschöne Jugend!
8
Will nichts wissen von der Perser Pracht,
Knabe, nichts von den geflochtnen Kränzen,
Ich such nicht, wo eine späte
Rose noch erblüht.
In die Myrten winde nichts hinein,
Daran liegt mir nichts. Dir und den Sklaven
Stehn die Myrten gut, wie mir auch,
Trink ich meinen Wein.
9
Noch trägt des Nackens Neigung nicht das Joch,
Noch leistet sie die gleichen Dienste nicht
Wie anrdre Kühe. Noch kann sie
Ertragen nicht des Stieres Stoß!
Nach grünen Wiesen steht der jungen Kuh
Der Sinn, wo sie der Hitze Drücken sich
Im Flusse stillt, sich fröhlich freut,
Mit jungen Kälbern im Gebüsch
Zu spielen. Zähme dein Verlangen nach
Der Traube, die noch unreif ist! Doch bald
Wird dir ein purpurroter Herbst
Die Traubenbeeren färben blau.
Bald folgt sie dir. Denn stürmisch eilt die Zeit,
Die Jahre nimmt sie dir, legt ihr sie zu.
Bald sucht die junge Lalage
Den Gatten sich mit freier Stirn,
Die du so liebst, wie niemals Pholoe
Und niemals Chloris, deren Schultern weiß
Wie Mondschein spiegelnd sich im Meer,
Wie niemals Gyges, dieses Kind,
Der unter einer jungen Mädchenschar
Vermochte jedermann zu täuschen, denn
Lang wallte ihm sein goldnes Haar,
Sein Antlitz war sehr feminin.
10
Du Weib des armen Ibikus,
Ein Ende mach doch deiner Hurerei
Und deinem lüderlichen Trieb,
Du stehst dem Grabe schon so nahe! Hör,
Hör auf, bei junger Mädchen Schar
Den Mond zu trüben durch den Nebeldunst.
Ob das noch passt zu Pholoe,
Doch nicht zu Chloris. Deine Tochter kann
Bacchantisch wild mit Trommelschlag
Das Haus der Männer stürmen. Liebe zwingt
Die Tochter, wie ein junges Reh
Zu kokettieren mit dem lieben Mann.
Dir altem Weib ist es gemäß,
Zu spinnen! Spiel die goldne Lyra nicht
Und steck die Rose nicht ins Haar
Und leer den Rotweinkrug nicht bis zum Grund!
11
Sonst war den Mädchen ich gefährlich
Und diente gut im Minne-Orden!
Die Lyra ist jetzt kampfesmüde,
Ich leg sie nieder in dem Tempel
Der schaumgebornen Aphrodite.
Ja, Knaben, legt die Fackeln nieder,
Die Stangen und die Schlüssel alle,
Die manche Tür dereinst geöffnet!
O Göttin du von Paphos-Ktima
Und Memphis, die du nicht den Schnee kennst,
Triff einmal nur, o Aphrodite,
Die kühle Chloe mit der Peitsche!
12
Brutaler, den die Venus mächtig macht,
Wenn, Steinerner, dir sprießt der erste Bart,
Wenn abgeschnitten wird die Lockenflut
Und deine Wangen purpurrosenrot
In Stacheln sich verwandeln, dann, mein Freund,
Rufst du, so oft du in den Spiegel schaust:
Ach, warum war ich nicht als Kind verliebt!
Doch jetzt! Was sind die Wangen nicht mehr weich?
BATHSEBA
Ich bin der König David und ich steh
Im Frühling in dem Garten und ich seh
Durchs Fenster, sehe durch des Fensters Scheibe
Die Wohlgestalt von einem nackten Weibe,
Die nackend steht in ihrer Badewanne,
Ergötzen einem schönheitstrunknen Manne,
Erotischer als in der Badewanne
Der Älteste sah nackend die Susanne,
Ja, glaubt mir, meine Söhne, meine Enkel,
Ich sah des Weibes nackte straffe Schenkel,
Der Aphrodite gleich von Zyperns Küste,
Ich sah im Wasserstrahl die vollen Brüste,
Die prall von Muttermilch des Trostes schienen,
Ich sah der Spitzen köstliche Rosinen,
Die Brüste glichen weißen Marmorbällen,
Umspült vom Schaum der dampfend heißen Wellen.
Ich sah der vollen Brüste Silberglocken
Und wallen sah ich lange schwarze Locken,
Die feuchten Haare schienen nicht zu enden,
Das Schwarzhaar glänzte noch an ihren Lenden.
Nun stieg das nackte Weib aus ihrem Bade.
Daß ich das sah! Ich danke Gottes Gnade,
Denn Gottes Offenbarung ist das Weib,
Die Schönheit Gottes in dem nackten Leib.
Sie rieb sich mit dem Badetuche trocken,
Sie trocknete die wilden schwarzen Locken
Und band ums Haupt das Tuch als einen Turban.
So sah nicht Santa Evelin Papst Urban,
Als er ihr spendete den Corpus Christe.
Noch aus dem Hemdchen quollen ihre Brüste,
Die Brüste quollen aus dem Hemd von Seide,
Von Spitze war die Wäsche ihrer Scheide.
Doch – bei der Göttin Hagia Sophia –
Bathsheva ist die Gattin des Uria!
Ich will das Weib in meinem Bette haben,
Will mich mit ihr am Liebesspiel erlaben
Und mit der Vielgeliebten Liebe machen,
Ganz wie die Weisen lehren diese Sachen,
Nach allen Regeln dieser Liebeskunst,
Wie Mann und Frau noch steigern ihre Brunst.
So also lud ich meine nackte Eva
Ins Frühlingsparadies, ich lud Bathsheva
Zu einem leckern Mittagessen ein,
Wir aßen Fleisch und tranken Apfelwein.
Betrunken von dem Apfelwein, dem süßen,
Wir waren wieder in den Paradiesen,
Und ich war Adam, sie die nackte Eva,
Ich David, sie die reizendste Bathsheva.
Da bat ich und beschwor sie beim Gewissen:
Laß deinen weißen Schwanenhals mich küssen!
Und sie erlaubte es aus reiner Gnade.
Den schlanken Schwanenhals aus weißer Jade
Hab ich geküsst mit meines Mundes Küssen.
Das ist doch alles, was wir machen müssen,
Uns küssen! Ach ich liebe dich so sehr,
Ich möchte küssen deines Fleisches mehr!
Von ihren Schultern ist das Kleid geglitten,
Ich brauchte sie auch nicht sehr lange bitten,
An jener Stelle, wo des Brusttuchs Träger
Lag auf dem Schulterbein, hab wie ein Jäger
Ich die Gazelle und das Kitz gejagt,
Die Schulter küsste ich der Gottesmagd.
O Herr, sie gnädig meinem wilden Beten!
Ich bat sie: Laß mich deinen Nacken kneten,
Die Muskeln kneten dir am schönen Rücken!
Noch deckt dein Seidenhemdchen mein Entzücken.
Bathsheva aber war so mild und nett,
Sie legte voll der Gnade sich aufs Bett,
Sie drückte auf das Laken ihren Bauch,
Ihr Seidenhemdchen wie ein leichter Hauch,
Ich schob das Hemd hoch, sah den Rücken nackt,
Und setzte rittlings, wie beim Liebesakt,
Mich auf den straffen Hintern der Bathsheva
Und knetete den Rücken meiner Eva,
Dieweil sie wohlig stöhnte in den Kissen.
Oh, ihre nackte Frauenbrust zu küssen!
Ach dass der Liebende will immer mehr!
Die nackten Brüste ich begehrte sehr!
Doch mein Bekenntnis bleibe sittsam keusch –
Ich schweige von der Wollust in dem Fleisch,
Ich sage nur, ich hob den Unterrock,
War auf dem Scheideberg Gazellenbock!
HEDDAS SAGEN
1
Zornig wurde Simon Petrus,
Als er morgens aufgewacht,
Seine Schlüssel waren weg,
Seine goldnen Himmelsschlüssel.
Wie er seinen Bart geschüttelt,
Wie er sich ans Haupt geschlagen!
Überall sucht er die Schlüssel,
Er, der Sohn des Großen Meeres.
Und er sagte diese Worte:
O mein Sohn Johannes Markus,
Lausch der Rede deines Paten,
Sohn Marias, deiner Mutter:
Keiner ahnt es noch auf Erden
Und es schweigt davon der Himmel,
Meine Schlüssel sind geraubt,
Meine goldnen Himmelsschlüssel.
Petrus und Johannes Markus
Gingen zu dem Berge Zion,
Dort wohnt Unsre Liebe Frau,
Sie, die Königin der Liebe.
Und es sagte Simon Petrus:
Unsre Liebe Frau Maria,
Leihest du mir deinen Mantel,
Daß ich meine Schlüssel finde?
U.L.F.
Ja, ich gebe dir den Mantel,
Wär er auch aus Sonnenstrahlen
Oder grünlich wie das Meer
Und bestickt mit Diamanten.
Und Johannes Markus nahm
Unsrer Lieben Frauen Mantel,
Flog und eilte in die Wartburg
Zu dem Ketzer Junker Jörg.
JÖRG
Ich hab Petri Himmelsschlüssel,
Hab sie unterm Gras vergraben.
Wer sie wieder haben will,
Geb mir Unsre Frau zur Braut!
Und Johannes Markus flog
Schnell zurück zu Simon Petrus.
Unsrer Lieben Frauen Mantel
Rauschte wie der Wind in Tannen.
Hast du gut vollbracht die Arbeit?
Gib mir Kunde, sagte Petrus.
Auf dem Stuhle denkt man selten,
In dem Bette sinnt man Weisheit.
MARKUS
Ich hab gut vollbracht die Arbeit.
Junker Jörg hat deine Schlüssel.
Keiner wird die Schlüssel finden,
Darf er Unsre Frau nicht freien.
Und sie gingen zu Liebfraue,
Suchten auf die Allerschönste.
Markus sprach: O Liebe Frau,
Lege an das Hochzeitskleid!
Wütend wurde Unsre Fraue,
Fauchte wild wie eine Katze,
Fiel ihr Rosenkranz zur Erde.
Was! Ich bin doch keine Hure!
So berieten sich die Engel,
Gabriel sprach so, der Weise:
Petrus trag das Hochzeitskleid,
Lege an Liebfrauen Gürtel!
Unsrer Frauen Rosenkranz
Trage er am Handgelenk,
Unsrer Frauen Skapulier
Trage er in seiner Tasche,
An dem Hals ihr Medaillon,
Um die Lenden des Gemütes
Unsrer Frauen Keuschheitsgürtel,
Auf dem Haupt Liebfrauen Schleier.
Petrus sprach, der echte Kerl:
Soll ich denn zum Mädchen werden?
Mann bin ich nach Gottes Herzen!
Soll ich sein wie eine Jungfrau?
Aber doch die Engel Gottes
Schmückten Petrus mit dem Schleier,
Rosenkranz und Medaillon,
Skapulier und Gnadengürtel.
Und Johannes Markus sprach:
Petra, du bist meine Herrin,
Ich, die liebliche Johanna,
Bin voll Demut deine Magd.
Widder zogen ihren Wagen,
Petrus und Johannes kamen
Zu dem Junker Jörg, der sagte:
Bringt mir Unsre Frau als Braut!
Ich hab viele Mutterkühe,
Meine Wonne sind die Kühe,
Ich hab Schätze viel und Schmuck,
Fehlt nur Unsre Frau zur Gattin.
Gäste kamen auf die Feier,
Petrus speiste einen Hahn
Und gebratne Peterfische,
Trank den edlen Wein von Kana.
Anhob da der Reformator:
Niemals sah ich eine Frau
So begierig fressen Fleisch,
So begierig saufen Wein!
Und Johannes sah zur Erde,
Sagte: Unsre Liebe Frau
Hat drei Tage nicht gegessen,
Hat drei Tage nicht getrunken.
Junker Jörg hob nun den Schleier,
Doch erschrak er vor den Augen:
Unsrer Lieben Frauen Augen
Gleichen Blitzen! Gottes Zorn!
Sah Johannes zu der Erde,
Sagte: Unsre Liebe Frau
Hat drei Nächte nicht geschlafen,
Drum gerötet sind die Augen.
Da kam Katharina Bora,
Sie war einmal eine Nonne,
Die gelobte Jesus Treue,
Nun des Reformators Bettschatz.
Katharina Bora bat
Um ein Brautgeschenk. Da sprach
Petrus zu dem Junker Jörg:
Zeige mir den Himmelsschlüssel!
Junker Jörg rief durch die Wartburg,
Tinte auf den Teufel spritzend:
Bringt mir Petri Himmelsschlüssel!
Rattenschwanz des Antichristen!
Denn ich will den Himmelsschlüssel
In die Himmelspforte stecken,
Will den Himmelsschlüssel legen
Unsrer Frauen in den Schoß.
Petrus lacht das Herz im Leibe,
Als er sah den Himmelsschlüssel.
Mit den Himmelsschlüsseln schloß er
Jörg aus Christi Kirche aus.
Mit den Himmelsschlüsseln schloß er
Katharina Bora aus
Jesu Christi Kirche aus,
Weil die Ehe sie gebrochen.
Also holte Simon Petrus
Sich den Himmelsschlüssel wieder
Und er dankte allermeist
Gott und Unsrer Lieben Frau!
2
U.L.F.
Komm, du schönste Frau der Frauen,
Wache auf vom Schlummer, Freundin!
Dunkle Nacht ist nun und Mondschein,
Komm, wir reiten in den Himmel!
Komm, wir laden Gott den Vater
Ein in unsre offnen Herzen,
Gott, der Judith einst das Schwert gab,
Ihren Feind zu überwinden,
Gott gibt Wonne seinen Söhnen,
Gibt den Söhnen gute Gaben,
Wort und Weisheit frommen Männern
Und Gedichte den Poeten.
Petrus wollen wir verehren,
Daß er uns den Segen spende.
Reite nun auf deinem Pony,
Santa Evelin von Lüttich!
SANKT EVI
Unsre Liebe Frau, o Freundin,
Ziehen Katzen deinen Wagen?
Ziehen Vögel deinen Wagen?
Ziehen Kühe deinen Wagen?
Satteln werde ich mein Pony,
Werde mit dem Druck der Schenkel
Lenken mein geliebtes Pony,
Flüstern ihm in seine Ohren.
Oh, was schaust du so betörend,
Liebe Frau, mit Silberblicken?
Hast du doch den Bräutigam
Im Gemach, den lieben Josef!
U.L.F.
Wie du plauderst, Santa Evi!
Denkst du, dass ich meinen Gatten
In dem Brautgemache liebe
Nach normaler Menschenweise?
Lass uns auf des Renners Rücken
Sitzen auf dem Sattel, plaudern,
Sprechen wir von Josefs Stammbaum
Und vom großen Urmann Adam.
Meinen Josef will ich segnen,
Werde ihm des Vaters Erbe,
Eine Wohnung in dem Hause
Seines Vaters in den Himmeln!
Josef baute mir ein Hüttchen
Mitten in den schönen Garten
Mit dem weichsten Himmelsbette
Und mit einer Badewanne.
Sage nun von Josefs Ahnen,
Sage an von seinen Vätern,
Sage an von seinen Müttern
Bis zu Eva, bis zu Adam.
SANKT EVI
Josef ist der Sohn von Jakob,
Jakob stammt von Salomo,
Von dem Bräutigam Sophias,
Dieser kam vom Schoß Bathsebas,
Welche David einst erkannte
Nackend in der Badewanne,
Josef stammt von König David
Und von dessen Urgroßmutter
Ruth, ihr Name heißt: Die Freundin,
Die sich in der Nacht geschlichen
Zu dem schönen Manne Boas,
Lag ihm bei im grünen Gras,
Hob den Zipfel seines Rockes
Von dem Bein des schönen Boas,
Schmiegte sich an seine Beine,
Bat ihn, sie nun zu erlösen,
Jakob stammt vom Stamme Juda,
Der die Dirne Tamar liebte,
Tamar saß im Dirnenschleier
Lüstern in der Hurengasse,
Weil ihr Onan seinen Samen
Nicht in ihren Schoß ergossen,
Sondern ließ den Samen fallen
In den Büschen auf die Erde,
Josef stammt von Israel,
Israel von Isaak,
Isaak von Abraham,
Abraham von Mutter Eva,
Mutter Eva war die Flanke
Adams, Bein von seinem Beine,
Vater Adam, Mutter Eva
Sind die Eltern aller Menschen,
Adam liebte seine Eva
Paradiesisch in dem Garten,
Da sie paradiesisch nackt
Sich vereinigten in Liebe.
Dieses weiß ich, Liebe Frau,
Wer noch mehr weiß, sage mehr.
Josef aber folgt ein Sohn,
Welcher lieber ist als er.
U.L.F.
Reiche Josef nun den Becher
Voll mit Hochzeitswein von Kana!
Meine Brüste sind wie Trauben
Und mein Schoß ein Mischweinbecher!
SANKT EVI
Liebe Frau, ich bin nun müde,
Möchte ruhn in meinem Bette,
Kuscheln mich in meine Decke
Wie in einen Mutterkuchen.
Hab ich dich genug geehrt?
Liebe Frau, ich lieb zu wenig!
Was ist meine kleine Liebe
Gegen deine große Liebe!
Oh, du brennst in Liebesgluten!
Du rennst durch die dunklen Nächte
Wie die brünstige Gazelle
Mit dem engen Muttermund!
Wie die brünstige Gazelle
Röhrst du auf den Scheidebergen
Heiß nach dem Gazellenbock:
Weide auf den Scheidebergen!
Ah, wie viele Männer liebst du!
Rufst du denn nicht viele Männer
Unter deinen Sternenmantel,
Unter deinen roten Rock?
U.L.F.
Santa Evelin von Lüttich,
Dich umschmeichle ich mit Liebe!
Schleiche du wie eine Katze,
Jesus Christus ist dein Kater!
SANKT EVI
Liebesfeuer seh ich brennen!
Brennen seh ich Mutter Erde!
O die Welt verbrennt im Feuer,
In der Glut der Schönen Liebe!
Also fülle nun den Becher
Mit dem Traubenblut der Liebe!
Josef sauge an den Trauben,
Schlürfe aus dem Mischweinbecher!
U.L.F.
Schlürfen soll er aus dem Becher
Mischwein der Vereinigung!
Saugen soll er aus den Trauben-
Brüsten Wein der Gottes-Ehe!
AN DIE MADONNA
(Nach Hölderlin)
Oft hab ich deinetwillen
Und wegen deines süßen Kindes
Gelitten, o Madonna,
Seit ich von dir
Gehört in stiller Kindheit.
Nicht allein der Prophet
Steht unter der Vorsicht,
Auch der Diener. So bin ich
Berufen, dein zu sein.
So will dein göttliches Kind
Mich finden allein
In den Armen seiner Mutter.
Manchen Gesang, den ich gesonnen
War, zu singen der Gottheit,
Den hat mir weggezehrt
Die verzehrende Schwermut.
Aber, himmlische Jungfrau,
Dennoch will ich dich feiern
Und niemand soll mir schmähen
Meine deutsche Schönheit.
Ich wandle allein
Zum Garten, wo die Lilie blüht,
Und wandle zum Tempel
Der uralten Mutter
Des Abendlandes auch.
Nämlich es waltet über den Menschen
Statt anderer Götter
Die Ewige, Schöne Liebe allein.
Siehe, damals begann es,
Als getragen du im Schoße
Das göttliche Kind und mit ihm
Der Knabe war, Johannes, der Prophet.
Ihm war gegeben, zu deuten
Die Erwartung der Völker
Und die Stimme des Herrn.
Gut ist die Weisung, aber
Sie tötet wie ein Schwert
Das Leben, wenn im Zorn sie verwendet
Ein Ungeweihter oder ein Herrensohn.
Gelassenheit und Ergebung
Ist gegeben den Lieblingen Gottes.
So starb Johannes.
So starb auch dein Sohn, o Mutter.
Du sahest sie beide sterben
Und trauertest heilig in deiner Seele,
Als das Schwert dir den Busen durchbohrt
Und du Mutter der Menschen wurdest.
Darum wohnst du nun
Im Herzen Gottes, Mutter,
Und hütest mit mütterlichem Herzen
Die armen Menschenkinder alle.
Und wenn in heiliger Nacht
Ein Mann an die Zukunft denkt
Und sorgt sich um das liebe Weib
Und die armen holden Kinder,
Dann kommst du, Königin,
Lächelnd fragst du, was er sich sorge,
Da er dir Weib und Kinder geweiht.
Wer denkt der frommen Patriarchen
Nicht gern und erzählt die Wunder
Gottes, an ihnen geschehen?
Wenn aber Frevler
Lästern das Heilige,
Dann blickt das Alte
Trauernd auf die Söhne
Und hasst die Söhne des Frevels.
Darum behüte
Die jungen Reben,
Himmlische Mutter,
Sei ihnen Schutz und Schirm
Und breite deinen Sternenmantel
Über die wilden Kleinen.
Erziehe sie gut
Im Lichte deines Lächelns
Und mit dem Tau deiner Küsse.
Nicht sollen die Reben irren
Auf dem Erdboden wild umher.
Sei ihnen Stab und Ulme,
Jungfrau, dass sie reifen zum Licht
Des Himmels Gottes.
Deine Dichter aber,
O Madonna, die trunkenen Trauben,
Sie sollen dir opfern
Nur den besten Opferwein
Auf deinem Altar, Geliebte.
Das Böse ist Nichts.
Das müssen wir begreifen
Wie der Adler den Fang.
Wir sollen nicht immer
Der Amme im Schoße sitzen,
Denn es liebt die alte Mutter,
Wenn reif werden ihre Söhne.
Es lustwandeln heiter
Die Kinder Gottes
Auf den Bergen, wo die Heide blüht,
Wo am Fuß des Gebirges
Die makellose Quelle entspringt
Von deinem Fuß, Madonna.
An den Grenzen Teutoburgs aber,
Bei den Externsteinen, ist auch
Voll Geistes das Land,
Und es hat der Himmel dort
Sich einen Altar gebaut.
Ein Zimmermann
War dein Bräutigam,
O Madonna, und baute liebend
Dir die bräutliche Kammer.
Da trugest du das Kind
Vom Geist gezeugt im Schoße schon.
Uns aber, die wir dir allein
Gewidmet sind, bist du
Die himmlische Braut.
Darum wollen wir
Nicht fürchten die Furcht
Und in der Todesangst
Im Ölgarten gleich sein
Deinem blutenden Sohn.
Aber es gibt ein Geschlecht,
Die ehren dich nicht
Und fürchten nicht den Herrn.
Wenn der Himmel sich öffnet
Und Gott erscheint
Im Donner und Wettersturm
Und Christus spricht
Zum Manne zu seinen Füßen,
Dann spotten die Spötter
Und lachen die Toren.
Unheilig sind sie, viele sind es,
Aber es wird kommen ihr Gericht
Und meine Rechtfertigung durch die Gnade
Deiner Erwählung, Madonna.
Was kümmern mich die Toren,
Sing ich mein Lied den Reinen.
Ich werde sterben, aber mein Gesang
Von deiner Schönheit, Madonna,
Geht die vorgezeichnete Bahn,
Die du ihm bestimmt.
Das hindert nicht der Markt.
Wenn dann in kommenden Zeiten einst
Ein frommer Minner lauscht
Dem Minnesang, Madonna,
Dann grüß ihn holdselig
Und sag ihm, wie meine Tage
Voll Wonne und Schwermut gewesen.
So geht von einem zum andern
Der Stab deiner Huld.
Noch eins ist zu sagen.
Ich habe mich nämlich
Gewandt an die Schatten
Und Sterblichen angetan
Das göttliche Kleid.
Es singen aber die Himmlischen
Selbst ihr Lob.
Wir pressen dem Leiden ab
Die makellose Schönheit
Und lassen die Fahne
Wehen im Winde der Unbefleckten.
Du hast Rätsel gesprochen. Heilig
Sind die Rätsel der Weisheit.
Aber wenn irdisch und gemein
Das heilige Himmlische scheinen
Soll und das Wunder geschmäht wird,
Dann zürnen die Erzengel alle,
Die stark die heilige Mutter schützen,
Denn Gott spricht dich selig, Madonna!