Von Josef Maria Mayer
EPITAPH
Hier ruht der Leib, der schon zerfällt zu Staube,
Die Seele floh schon zu des Teufels Trübe!
O Wanderer, erkenn, wie gut der Glaube,
Wie schrecklich aber ist die Frauenliebe!
ERSTER GESANG
In der Thronstadt Kiew bei dem Fürsten
Wladimir fand statt ein feuchtes Gastmahl,
Ein Gelage für die vielen Fürsten
Und Bojaren, Ritter, Händler, Bauern.
Schön die Sonne ging schon zu Genaden,
Festesfreude ist schon auf der Höhe.
Sagte Wladimir: Bojaren, Fürsten,
Ritter, Händler, Männer ihr vom Dorfe,
Alle seid ihr wohlbeweibt mit Weibern,
Ich allein, der Fürst, bin ohne Liebste!
Kennt ihr eine schöne Fürstentochter
Wohl als Partnerin für euren Fürsten?
Schön gewachsen muß sie sein, gestaltet
Schön, das Antlitz schön, die Rede lieblich
Und die Gangart wie der Gang der Schwanin!
Denn ich will mit wem zusammenleben,
Mich beraten über Weltprobleme,
Nachts mit ihr genießend mich vergnügen!
Fürsten und Bojaren, Ritter, Händler,
Männer von dem Dorfe, Thronstadt Kiew,
Daß ihr eine habt, sie anzubeten!
Alle auf dem Gastmahl gleich verstummten,
Keiner gab dem Fürsten eine Antwort.
Einzig Dunajuschka Iwanowitsch
Trat hervor beim festen Eichentische.
Er ist schwer betrunken, doch er schwankt nicht,
Redet, doch verwirrt nicht seine Zunge,
Er verneigt sich vor dem frommen Fürsten:
Wladimir, ich kenne eine Fürstin,
Die allein dir ebenbürtig wäre.
In dem Lande Litaun bei dem König
Sind zwei wunderschöne Königstöchter,
Jünger ist Natascha Königstochter,
Älter ist Apraxa Königstochter.
Die Natascha reitet wie ein Ritter,
Die Apraxa sitzt zuhaus alleine.
Die Apraxa ist sehr schön gestaltet,
Schön ihr Antlitz, lieblich ihre Rede,
Ihre Gangart wie der Gang der Schwanin.
Mit Apraxa lebe du zusammen
Und berate dich in Weltproblemen
Und genieße nachts sie mit Vergnügen!
ZWEITER GESANG
Der Batyga sammelte die Heere,
Hatte vierzigtausend Heeresscharen,
Und der Sohn Batyga Batygowitsch
Hatte Heeresscharen vierzigtausend
Und der Eidam Tarakannik hatte
Gleichfalls vierzigtausend Heeresscharen,
Und der Djuk, der listenreiche Satan,
Hatte vierzigtausend Heeresscharen.
Nicht ergoss sich Wasser in dem Frühling,
Kiew ward umzingelt von den Heeren.
Falken müssen fliegen um die Thronstadt
Einen ganzen Sommertag im Lichte.
Und Batyga schreibt dem Fürsten Kiews:
Alter Hund, Fürst Wladimir, du Köter,
Schicke einen Mann mir her zum Zweikampf
Oder übergib die Thronstadt Kiew
Ohne Kampf und ohne Blutvergießen.
Traurig ward der Fürst und voller Kummer,
Wladimir voll Kummer, voller Kummer!
Alle Ritter waren fort aus Kiew.
Ilja Muromez war in dem Südland
Und Dobrynja bei dem großen Berge
Und Aljoscha überm blauen Meere.
War kein Ritter in der Thronstadt Kiew.
Sprach zum Fürsten da der Schenkenpöbel:
Unsre Sonne, Wladimir, du Herrscher,
Bei uns ist Wassilli Ignajewitsch,
Der kann mit Batyga fertig werden.
Seine Habe hat er schon versoffen,
Alles hat Wassilli schon versoffen,
Und Wassilli hat nicht Einen Rubel
Mehr, im Wein den Kater zu ersäufen!
Unsre Sonne, Wladimir, der Herrscher,
Ging nun durch die Schenken Kiews alle,
Fand Wassilli ruhen hinterm Ofen.
Und Wassilli stieg herab vom Ofen,
Neigte tief sich vor dem frommen Fürsten:
Unsre Sonne, Wladimir, du Herrscher,
Du weißt nichts von meinem tiefen Jammer!
Größer ist mein Gram als deine Sorgen!
Ach, es brennt und schmerzt mein schwerer Schädel!
Ah, die Adern meiner Scham sind Äste!
Wie sie zittern in dem Wettersturme!
Ach, ich habe keinen Wein im Becher,
Meinen großen Kummer zu ersäufen!
Schenk mir Wein in meinen leeren Becher,
Dann vernichte ich dir den Batyga.
Wladimir goß Wein in seinen Becher,
Roten Wein, so viel wie einen Eimer,
Bier goß er in einen zweiten Becher,
Wodka goß er in den dritten Becher,
Und sie gossen alles dann zusammen!
Ja, das waren sieben volle Eimer!
Und Wassilli trinkt mit Einmal alles!
Und Wassilli sprang auf Kiews Mauern
Und Wassilli griff sich Pfeil und Bogen
Und Wassilli schoß ins Zelt Batygas,
Tötete Batyga Batygowitsch,
Tötete den Eidam Tarakannik,
Tötete den listenreichen Satan!
Und Batyga schrieb dem frommen Fürsten:
Wladimir, du alter Hund und Köter,
Gib heraus Wassilli mir, den Mörder,
Der mir meine Freunde hat ermordet!
Doch da ging Wassilli Ignajewitsch
Durch die Pferdeställe, die von Ahorn,
Suchte sich den unberittnen Renner,
Setzt sich auf den unberittnen Renner
Und Wassilli reitet zu Batyga,
Bittet um Verzeihung: Meine Sünden
Mir verzeihe, meine großen Sünden!
Gib mir einen Becher roten Weines,
Gib mir einen Becher goldnen Bieres,
Gib mir einen Becher klaren Wodkas
Und ich werde Kiew dir besiegen.
Der Batyga diesem Wort vertraute,
Schenkte einen Eimer voll von Rotwein,
Schenkte einen Eimer voll von Bockbier,
Schenkte einen Eimer voll von Wodka,
Goss den ganzen Alkohol zusammen,
Sieben Eimer waren da voll Rauschtrank
Und Wassilli trank mit Einmal alles!
Und Wassilli sagte zu Batyga:
Gib mir vierzigtausend deiner Krieger,
Anzugreifen so die Thronstadt Kiew.
Und Batyga diesem Wort vertraute,
Gab ihm vierzigtausend Heldenkrieger.
Ritt Wassilli aus der Thronstadt Kiew
Und erschlug die vierzigtausend Krieger
Und erhob die starke Hand, die rechte,
Und sein Herz war voll von heißem Feuer
Und er tötet und vernichtet alle,
Ließ Batyga nichts zur Aussaat übrig.
Und Batyga reitet fort von Kiew
Und er schwor mit feierlichem Schwure:
Götter! Niemals geh ich mehr nach Kiew!
Niemals ich und niemals meine Söhne!
Niemals ich und niemals meine Enkel!
Männer gibt es in der Thronstadt Kiew,
Kirchenhymnen tönen in der Thronstadt,
Hochberühmt von Nowgorod die Glocken,
Süß die Küsse sind der Wassernymphen,
Hart und frostig ist es in dem Norden,
Dümmlich sind in Skoboda die Mädchen,
Schöne Frauen haben dicke Bäuche,
Pfaffen sind Komplizen frommer Krieger!
DRITTER GESANG
Wassilissa sprach, die Wunderschöne,
Zum Bojaren, ihrem Gusli-Spieler:
War ich stets denn nicht das Fass voll Tinte,
Darein du die Schwanenfeder tauchtest?
VIERTER GESANG
In der Thronstadt bei dem Fürsten
Wladimir fand statt ein feuchtes Gastmahl
Für Bojaren, Fürsten, Ritter Russlands.
Bei dem Gastmahl waren auch zwei Witwen,
Witwe Blud und Witwe Cas, die alten.
Und die Witwe Blud nahm einen Becher
Voll mit Wein in ihre weißen Hände,
Trug zur Witwe Cas den vollen Becher,
Freite mit dem Becher um die schöne
Maid Caina für ihr Söhnchen Choten.
Doch die Witwe Cas, sie nahm den Becher
Mit den Händen, goss den Wein des Bechers
Witwe Blud ins Antlitz, auf den Mantel,
Auf den Mantel aus den teuren Pelzen,
Sagte: Ha du Hündin, ha du Hure!
Dazu kommt es nicht, dass du Caina
Nimmst zum Eheweib für deinen Choten.
Wie herumgehurt dein Ehegatte
Einst in Nowgorod, so hurt dein Sohn auch,
Diese Missgeburt, der immer reitet
Mit dem vielgeliebten Knaben, Unfug
Treibt er in der Stadt und sucht nach Bohnen,
Wo ein Weib ihn lädt zum Mittagessen.
Doch Caina sitzt im Seidenkleide
In dem Turm von Elfenbein alleine,
Keine wilden Stürme um sie blasen,
Nicht wird sie verbrannt von Sommerhitze,
Regenschauer nicht ihr Kleid benetzen,
Ihre Nachbarn ehren sie voll Achtung,
Doch dein Säufer soll sie nicht verhöhnen!
Denn Caina hat auch einen Bruder,
Einen schönen Bruder, lieben Bruder,
Einen starken Ritter, guten Reiter,
Der wird deinen Choten schon verprügeln.
Ha, gefällt es mir, so mach ich Choten
Bei Caina zu dem Knecht des Hauses,
Soll er ihr doch ihre Küche fegen,
Soll er ihr doch ihre Tiere füttern,
Abfalleimer an die Straße tragen!
Oder ich verkaufe ihn als Sklaven
An Cainas allerbeste Freundin!
Wie entehrt stand Witwe Blud auf, traurig
Ging sie fort vom Gastmahl bei dem Fürsten:
Wie beschmutzt hat sie den teuren Pelz mir!
Wie befleckt ist nur mein teurer Mantel!
Witwe Blud nach Hause kam, da traf sie
Choten, ihre Leibesfrucht, die sagte:
Meine Herrin, meine liebe Mutter!
Warum kommst du traurig von dem Gastmahl,
Warum gehst du denn einher so unfroh?
Wies man keinen Platz dir zu am Tische
Oder reichte man dir nicht den Becher
Oder höhnte dich ein frecher Säufer?
Antwort gab die Witwe ihrem Sohne:
O mein Licht, mein lieber Sohn, mein Junge!
Einen Platz beim Mahl am Tische hatt ich
Und man reichte mir den vollen Becher
Und kein Säufer hat mich frech verspottet,
Aber Witwe Cas hat mich verspottet,
Witwe Cas, die Mutter der Caina,
Denn mit einem Becher vollen Weines
Warb ich um die reizende Caina
Für mein Söhnchen Choten Chotenuschka.
Doch die Witwe trank nicht von dem Becher,
Goß den Wein mir in das lichte Antlitz,
Goß den Wein mir auf den Pelz des Mantels,
Sprach zu mir: Du Hündin und du Hure!
Wie herumgehurt dein Ehegatte
Einst in Nowgorod, so hurt dein Sohn auch,
Diese Missgeburt, er reitet immer
Mit dem vielgeliebten Knaben, Unfug
Treibt er in der Stadt und sucht nach Bohnen,
Wo ein Weib ihn lädt zum Mittagessen.
Doch Caina sitzt im Seidenkleide
In dem Turm von Elfenbein alleine,
Wo nicht wilde Stürme um sie blasen,
Wo sie nicht verbrannt wird von der Hitze,
Wo der Regen nicht benetzt ihr Kleidchen,
Wo die Nachbarn sie verehren, achten,
Wo kein frecher Säufer sie verspottet!
Einen starken Bruder hat Caina,
Einen schönen Bruder, lieben Bruder,
Einen starken Ritter, guten Reiter,
Der wird deinen Choten schon verprügeln.
Ha, gefällts mir, mach ich diesen Choten
Bei Caina zu dem Knecht des Hauses,
Choten soll ihr dann die Küche fegen,
Abfalleimer tragen auf die Straße,
Ihre Tiere füttern in den Ställen!
Ha, gefällts mir, mach ich ihn zum Sklaven
Bei Cainas allerbester Freundin!
Sagte Choten zu der Witwe Mutter:
Dieses Höhnen soll Caina büßen!
Choten ritt mit dem geliebten Knaben
Zu dem Turm von Elfenbein Cainas,
Schlug mit seiner Keule an die Pforte,
Da war kein Gewitter, Blitz und Donner,
Doch des Turmes Tor ist aufgebrochen
Und es schlugen laut die Fensterflügel,
Daß Caina fast vor Angst gestorben!
Choten aber freite um Caina:
Schönste und liebreizendste Caina,
Wenn du zu mir kommst in aller Ehre,
Nehm ich dich zu meiner Ehegattin!
Wenn du nicht kommst, geb ich dich dem Knappen!
Deine schönen weißen Zähne werden
Fallen dir aus deinem roten Munde!
Deine langen schwarzen Seidenhaare
Werden grau und fallen dir vom Schädel!
Deine Beine gehen auseinander - - -
FÜNFTER GESANG
Übers Meer, das blaue Meer, das blaue,
Aus der grünen Meeresbucht gekommen,
Von dem Zaren jenseits blauen Meeres
Dreißig Purpurschiffe sind gekommen
Mit dem Fürsten Solowjew, dem Weisen.
Herrlich sind die Purpurschiffe alle,
Aber eines ist das Allerschönste:
Dieses Schiff hat lichte Adleraugen,
Adleraugen, himmlische Saphire,
Seine Augenbrauen Zobelfelle
Aus Irkutsk im weißen Land Sibirien,
Jedes Barthaar wie ein scharfes Messer,
Seine Ohren Sarazenen-Lanzen,
Daran hängen weiße Hermeline.
Diese kamen zu dem Fürsten Kiews,
Zu dem Fürsten Wladimir, der Sonne.
Auf dem Hauptschiff war ein weißer Sessel,
War gemacht vom weißen Zahn des Walroß,
Und mit Samt beschlagen war der Sessel.
Solowjew saß in dem weißen Sessel.
O mein Kapitän und o mein Seemann,
Womit kann ich Wladimir beschenken?
Sprach der Kapitän und sprach der Seemann:
Solowjew, du hast ja einen Goldschatz
Und auch einen Schatz von rotem Fuchsfell,
Einen Schatz von Seide auch aus China.
Dies Geschenk wird man nicht übel nehmen.
Also kamen sie zur Thronstadt Kiew,
Warfen Anker in dem Dnjepr-Strome.
Solowjew nahm seinen großen Goldschatz
Und den großen Schatz von rotem Fuchsfell
Und den Schatz von Seidenstoff aus China,
Trat zum Fürsten Wladimir, der Sonne,
Er verneigte sich vor der Ikone
HAGIA SOPHIAS – Gottes Weisheit –
Grüßte Wladimir, den frommen Fürsten,
Grüßt Apraxa auch, die schöne Fürstin,
Gab dem Fürsten seinen großen Goldschatz
Und den großen Schatz von rotem Fuchsfell
Und den Schatz von Seidenstoff aus China.
Ja, dem Fürsten und der lieben Fürstin
Die Geschenke haben gut gefallen.
Also sagte Wladimir, der milde:
Nimm für dein Geschenk Bojarenhöfe
In Besitz und edle Fürstenhöfe.
Aber Solowjew gab dies zur Antwort:
Wladimir, du milde Sonne Kiews,
Ich begehre nicht Bojarenhöfe
Zum Besitz und edle Fürstenhöfe,
Gib mir nichts als einen kleinen Acker,
Ungepflügten, unbestellten Acker,
Denn im Garten deiner schönen Nichte,
Der jungfräulichen Zabava Garten,
Will ich bauen eine Marmorwohnung,
In dem Garten mit den roten Pflaumen,
In dem Garten mit den Haselnüssen
Will ich bauen eine Marmorwohnung.
Wladimir gab Solowjew zur Antwort:
Muß mich erst beraten mit der Fürstin.
Doch Apraxa war ihm wohlgesonnen,
Darum gab der Fürst ihm einen Acker.
Solowjew ging zu den Purpurschiffen:
Auf, Matrosen, nehmt das Arbeits-Werkzeug,
Baut mir eine schöne Marmorwohnung
In der reizenden Zabava Garten,
In dem Garten mit den roten Pflaumen,
In dem Garten mit den Haselnüssen
Baut mir eine schöne Marmorwohnung.
An dem Abend, wie die Spechte hämmern,
Die Matrosen baun die Marmorwohnung.
Herrlich war die schöne Marmorwohnung.
Wie die Sonne war die erste Halle,
Wie die Luna war die zweite Halle,
Wie die Venus war die dritte Halle.
Morgens war die reizende Zabava
Bei der Messe in der Kirche Gottes,
Da sah sie in ihrem Pflaumengarten,
Sah im Garten mit den Haselnüssen
Eine wunderschöne Marmorwohnung.
Sprach Zabava zu der alten Amme:
Meine vielgeliebte Kinderamme,
Schau doch diese wundervolle Wohnung!
Antwort gab die liebevolle Amme:
O du honigsüßeste Zabava,
Jetzt ist doch das Glück zu dir gekommen!
Und Zabava sich frisiert die Haare
Und Zabava rot schminkt ihre Lippen
Und Zabava hängt die Muschelkette
Zwischen ihre wunderschönen Brüste
Und Zabava ging in ihren Garten,
Trat dann in die schöne Marmorwohnung.
In der Sonnenwohnung war ein Goldschatz,
In der Lunahalle glänzte Silber,
In der Venushalle klang die Gusli,
Solowjew war da der Guslispieler.
Der Zabava zitterten die Beine.
Solowjew, Gelehrter in der Liebe,
Nahm Zabava bei den weißen Händen,
Trug sie auf das Bett von Samt und Seide,
Legt sie in den weichen Pfühl des Bettes,
Sagte: Was denn zitterst du, Zabava?
Wir sind doch schon alt genug zur Liebe!
Sprach Zabava: Ich bin heiratsfähig!
Ah, sie küssten sich und machten Liebe,
Steckten an die Finger goldne Ringe.
Doch die Mutter Solowjews erfuhr es
Und beschloß, die Hochzeit zu verhindern:
Solowjew, mein Sohn, fahr du nach China,
Handle du mit Geld und sammle Reichtum,
Dann kannst du dir nehmen die Zabava!
Solowjew gesegelt war nach China,
Da kam in die Thronstadt Kiew einer,
Der ein dummer Kerl war, dummer Bursche,
Georg Michailowitsch, der Dummkopf!
Wladimir befragte diesen Narren:
Hörtest du von Solowjew, dem Weisen?
Georg Michailowitsch gab Antwort:
Solowjew, der Weise, liegt gefangen
Im Gefängnis in dem fernen China.
Da gab Wladimir, die milde Sonne,
Georg Michailowitsch Zabava,
Die liebreizende, zum Eheweibe.
Also gingen sie zur Kirche Gottes,
Schlossen dort das Sakrament der Ehe.
Als sie aus der Kirche Gottes kamen,
Um die Hochzeit fröhlich-feucht zu feiern,
Nahte Solowjew mit neunzig Schiffen,
Grüßte seine Mutter ehrerbietig,
Grüßte Wladimir, die milde Sonne,
Und Apraxa auch, die schöne Luna,
Setzte still sich an den Tisch von Eiche.
Wladimir befahl, den Wein zu holen,
Rotwein von dem Araratgebirge,
Reichte Solowjew den vollen Becher.
Da sprach die liebreizende Zabava:
O mein Onkel Wladimir von Kiew,
Das ist Solowjew, mein Vielgeliebter,
Dem ich schon geschenkt hab meine Liebe!
Georg Michailowitsch, der Dummkopf,
Hat den Segen nun vom fetten Popen,
Aber niemals werde ich im Bette
Ihm die körperliche Liebe schenken,
Wie ich Solowjew geliebt im Pfühle!
SECHSTER GESANG
In dem Garten, in dem grünen Garten
Ging die strahlende Prinzessin Marfa.
Vor ihr auf stieg eine lange Schlange,
Windet sich um ihre roten Schuhe,
Windet sich um ihre schwarzen Strümpfe,
Schlug den Schwanz an ihre weißen Schenkel –
Schwanger wurde die Prinzessin Marfa,
Trug ein Kindlein aus, gebar ein Kindlein.
Und die schöne Sonne ging zu Gnaden
Hinter schwarzen Bergen, blauen Meeren.
An dem Himmel strahlten lichte Sterne
Und geboren ward der Zaubermeister
Volch, der Meister der Magie in Russland,
In dem Mütterchen, dem frommen Russland.
Und er wuchs heran zum fünften Jahre,
Er spazierte auf der schwarzen Erde,
Da erbebte Mutter feuchte Erde,
Wilde Tiere liefen in die Wälder,
Vögel flogen aufwärts zu den Wolken,
Fische irrten um im blauen Meere.
Volch, der Meister der Magie in Russland,
Lernte alle Kunst und alle Weisheit,
Lernte alle Zungen aller Stämme.
Sieben Jahre ging er in die Schule,
Bis er in dem zwölften Jahre ankam,
Lernte alle Kunst und alle Weisheit,
Lernte alle Zungen aller Stämme.
Volch, der Meister der Magie in Russland,
Wollte zu dem Zarentum von China,
Zog dahin mit seinen dreißig Rittern,
Doch sie überwanden nicht die Mauer,
Unbesiegbar war die Mauer Chinas.
Nur ein Schmetterling kann da hinüber.
Volch verwandelt sich in einen Falter,
Seine dreißig Ritter werden Falter.
Also überwanden sie die Mauer,
Kamen in das Zarentum von China.
Da sprach Volch zu seinen dreißig Rittern:
Schlagt sie alle mit des Schwertes Schärfe,
Greise, Väter, Mütter, Töchter, Söhne!
Badet in dem Blute unsrer Feinde!
Leben lasst nur siebentausend Jungfraun!
Also mordeten die dreißig Ritter,
Aber Volch nahm sich zum Eheweibe
Jene wunderschöne Zarin Chinas,
Jene schöne Helena von China!
Seine dreißig Ritter aber nahmen
Dreißig Jungfraun sich zu Konkubinen.
SIEBENTER GESANG
Samson schaute, als er so dahinritt,
Einen Mann, versucht ihn einzuholen,
Doch erreicht ihn nicht, der Mann ist immer
Samson einen Schritt voraus im Wandern.
Sagte Samson: Edler Wandrer, warte,
Anders weiß ich dich nicht einzuholen.
Hielt der Wandrer an. Und Samson sagte:
Edler Wandrer, sag mir deinen Namen!
Sprach der Wandrer: Milan ist mein Name.
Samson sprach zum Wandersmanne Milan:
Wie erfahre ich mein Lebensschicksal?
Milan sagte: Reite bis zum Kreuzweg,
Reite links und laß den Renner laufen,
Bis du zu den Bergen kommst im Norden,
In den Bergen, unterm Eichenbaume,
Lebt ein Zimmermann, den sollst du fragen.
Samson also ließ den Renner laufen,
Kam zu Bergen, Wäldern, Bäumen, Teichen,
Ritt drei Tage, kam zum Zimmermanne.
Dieser flocht in seiner Hütte Haare,
Wob des Mannes und des Weibes Haare,
Blonde Mannes-, schwarze Weibes-Haare,
Flocht zusammen sie zu einem Knoten.
Sagte Samson zu dem Zimmermanne:
Warum flechtest du zusammen Haare?
Sprach der Zimmermann zum Ritter Samson:
Mann und Frau bestimmt sind füreinander.
Sagte Samson zu dem Zimmermanne:
Welche Dame werde ich denn lieben?
Sprach der Zimmermann zum Ritter Samson:
Reite du nach Kiew, in die Thronstadt,
Vierzig Jahre liegt schon deine Liebste
Auf dem Haufen Mist vor ihrer Hütte!
Samson aber dachte voll des Grimmes:
Reiten werde ich zur Thronstadt Kiew
Und die Dame auf dem Mist ermorden!
Also kam er in die Thronstadt Kiew,
Fand die Dame auf dem Miste liegen,
Rings um sie war harte Tannenrinde.
Samson bohrte seines Schwertes Spitze
In die Tannenrinde um die Dame,
Hinterließ ihr hundert runde Rubel,
Ritt davon zu Moskaus vierzig Kirchen.
Doch der Dame auf dem Miste, siehe,
Fiel vom Leib die harte Tannenrinde
Und sie war ein wunderschönes Weibsbild
Und ein wundervolles Frauenzimmer.
Mit den hundert runden Rubeln aber
Trieb sie Handel und erlangte Reichtum,
Bis ganz Russland sprach von ihrer Schönheit.
Samson hörte von der hochberühmten
Schönheit, freite dieses Frauenzimmer,
Nahm zum Weibe sich das schöne Weibsbild.
Als sie sich zum Hochzeitsschlaf gebettet,
Eheliche Liebeslust zu pflegen,
Schaute Samson auf des Weibes Busen
Eine Narbe: Woher kommt die Narbe?
Siehe, sprach die Frau, vor sieben Jahren
Kam ein fremder Mann in meine Hütte,
Stach mit seinem Schwert in meinen Busen,
Abgefallen ist die Tannenrinde
Mir von meinem Körper, ich erwachte,
Sah da hundert runde Rubel liegen.
Also Samson in dem Geist erkannte:
Keiner kann entfliehen seinem Schicksal
Und des Mannes Liebe zu dem Weibe
Ist vorherbestimmt von Gottes Vorsicht!
ACHTER GESANG
In dem freien Felde kommt Ilija
An ein Zelt heran von weißem Leinen,
Stehend unter einer großen Eiche,
Einer mächtigen und feuchten Eiche.
In dem Zelt das Bett war eines Helden
Von der Breite eines Doppelbettes.
Und Ilija band des Rosses Zügel
An die mächtige und feuchte Eiche,
Legte sich auf jenes Bett des Helden
Und schlief ein. Sein Heldenschlaf war kräftig
Und drei Tage schlief der edle Ritter.
In der dritten Nacht vernahm der Renner
Ein Geräusch von Norden: Mutter Erde
Bebte und die dunklen Wälder schwankten
Und die Flüsse traten aus den Betten.
Schlägt das Roß den Huf an Mutter Erde,
An die feuchte Mutter schwarze Erde,
Doch vermag Ilija nicht zu wecken.
Und da sprach das Ross mit Menschenstimme:
Auf, Ilija! Schläfst du, dich erquickend,
Ahnst die Not nicht über deinem Haupte?
Denn geritten kommt zum Zelte Samson!
Laß mich laufen in das Feld, das freie,
Du jedoch besteig die feuchte Eiche!
Sprang Ilija eilig auf die Füße,
Lief der Renner in das Feld, das freie,
Er jedoch bestieg die feuchte Eiche.
Schau, da kommt heran ein starker Ritter,
Hochgewachsen wie ein Wald von Eichen,
Mit dem Haupte ragend in die Wolken,
Auf den Schultern trägt er eine Lade,
Von Kristall war diese Bundeslade.
Ritt der Ritter zu der feuchten Eiche,
Nahm von seinen Schultern jene Lade,
Schließt sie auf mit goldnem Himmelsschlüssel,
Taucht herauf ein Weib, ein wunderschönes,
Solch ein wunderschönes Weib sah niemand
Auf der Erde je wie dieses Weibsbild,
Schön gewachsen sie wie eine Buche,
Edel war ihr Gang wie Gang des Schwanes,
Ihre Augen lichte Adleraugen,
Ihre Brauen schwarze Zobelbrauen,
Unter ihrem Kleid von feinster Seide
War der weiße Körper – ein Entzücken!
Da sie aufgetaucht war aus der Lade,
Deckte sie den Tisch mit guten Speisen,
Mit gesunden und mit süßen Speisen,
Nahm aus der kristallnen Bundeslade
Grünen Tee vom fernen Reich der Mitte.
Samson aß mit seinem Weib Delila,
Ging ins Zelt mit seinem Weib Delila,
Sich an seinem Weibe zu erquicken!
Beide mit Vergnügen unterhalten
Sich im Zelt, sich labend zu erquicken!
Ist der Ritter Samson eingeschlafen
Und das wunderschöne Weib Delila
Kam zur mächtigen und feuchten Eiche,
Sah Ilija in der Eiche sitzen,
Sprach Delila zu Ilija also:
Ei, du bist ein Mann nach meinem Herzen!
Von der mächtigen und feuchten Eiche
Steig herab zur feuchten Mutter Erde,
Laß uns Liebe machen in dem Grase!
Aber möchtest du mich nicht erquicken,
Wecke ich den starken Ritter Samson,
Sage ihm, dass du mich zu der Sünde
Drängtest, Unzucht in dem Gras zu treiben!
Ach, was sollte da Ilija machen?
Keiner wird mit einem Weibe fertig.
Solch ein Weib wie dieses Weib Delila
Ist unwiderstehlich, unbesiegbar!
Und wer möchte sich mit Samson messen?
Also stieg Ilija von der Eiche
Rasch herab zur feuchten Mutter Erde
Und beglückte sehr das Weib Delila!
Schließlich nahm ihn dieses schöne Weibsbild,
Steckte ihn in ihres Rockes Tasche,
Dann den Ritter Samson aufzuwecken.
Samson, aufgewacht von seinem Schlafe,
Steckte das geliebte Weib Delila
Nun in die kristallne Bundeslade,
Schloß die Lade zu mit goldnem Schlüssel,
Setzte sich auf seinen edlen Renner,
Ritt zum mächtigen Uralgebirge.
Da begann das Ross zu straucheln. Samson
Schlug den edlen Renner mit der Peitsche,
Mit der Seidenpeitsche peitschte Samson
Seines Rosses Flanken, welche bebten.
Doch da sprach das Ross mit Menschenstimme:
Früher trug mein Rücken einen Helden,
Aber heute trage ich das schöne Weibsbild
Und der Helden zwei auf meinem Rücken.
Ist es da ein Wunder, dass ich strauchle?
Ritter Samson zog nun aus der Lade
Sein geliebtes Wonneweib Delila,
Aus Delilas Tasche ihres Rockes
Samson zog hervor Ilija, fragte,
Was geschehen sei. Ilija sagte
Alles, wie Delila ihn beglückte!
Samson liebte doch das Weib Delila
Und Ilija ward sein Kreuzesbruder
Und so ritten sie zu dritt ins Weite.
NEUNTER GESANG
Ach! Dobrynja sprach zu seiner Mutter,
Sohn Nikitas zu des Leibes Mutter:
Warum hast du mich zum Leid geboren?
Wenn du mich gebären musstest, Mutter,
Hättest du mein Haupt umwickeln sollen,
Mir mit weißem Tuch mein Haupt umwickeln
Und mich werfen in das Meer des Nordens,
Dann in Ewigkeit läg ich im Meere,
Dann in Ewigkeit wär ich Dobrynja
Und ich ritte nicht durch Mutter Russland
Und ich tötete nicht arme Seelen
Und ich machte keine Mütter weinen
Und ich machte Kinder nicht zu Waisen!
Antwort gab ihm da die Witwe Mutter:
Ach, wie gerne hätt ich dich geboren
Mit der Schönheit von dem schönen Josef,
Mit der Kraft des krafterfüllten Samson.
Doch gebar ich dich, mein Sohn Dobrynja,
Voll der großen Liebe, großen Leiden!
Diese Gaben hat dir Gott verliehen,
Kraft und Schönheit ward dir nicht verliehen.
Zornig ward Dobrynja auf die Mutter,
Ging hinaus und sattelte den Renner,
Legte auf die Decken und den Sattel,
Den Tscherkessen-Sattel auf den Rücken,
Zog die Gurte straff, stieg auf den Renner.
Da geleitet ihn die Vielgeliebte,
Seine vielgeliebte Frau Natascha.
Doch die Witwe Mutter nahm den Abschied,
Kehrte um und ging in ihre Wohnung.
Doch die vielgeliebte Frau Natascha
Weinte: Ach Nikitas Sohn, Dobrynja,
Wann denn kann ich dich zurückerwarten?
Wann kommst du zurück in unsre Hütte?
Sprach Dobrynja: Ach Natascha, Liebste,
Warte du auf mich nur sieben Jahre,
Kehr ich nicht zurück in sieben Jahren,
Leb als Witwe oder werde Gattin
Eines andern edlen Ritters Russlands,
Doch Aljoscha nimm dir nie zum Manne!
Auch Natascha nahm nun Abschied, kehrte
In das Haus und weinte bittre Tränen.
Sieben Jahre sind vorbeigegangen,
Als Aljoscha kam zur Witwe Mutter:
Totgeschlagen liegt im Feld Dobrynja!
Als die Witwe Mutter dieses hörte,
Weinte sie: Mein Sohn, mein Sohn, Dobrynja,
Tot mein Sohn, mein Sohn ist tot, Dobrynja!
Wladimir, der milde Fürst von Kiew,
Und Apraxa, Kiews schöne Fürstin,
Traten zu Natascha mit der Bitte,
Einen Ritter Russlands nun zu freien.
Da bewarb vor allem sich Aljoscha,
Doch Natascha schwor beim Grab der Amme:
Sieben weitre Jahre will ich warten!
So vergingen sieben weitre Jahre,
Bis Aljoscha kam zur Witwe Mutter:
Totgeschlagen liegt im Feld Dobrynja!
Wladimir, der milde Fürst von Kiew,
Und Apraxa, Kiews schöne Fürstin,
Traten zu Natascha mit der Bitte,
Einen Ritter Russlands nun zu freien.
Da bewarb vor allem sich Aljoscha
Und Natascha gab ihr Ja Aljoscha!
Doch Dobrynja ritt in Russlands Weiten,
Als sein Renner strauchelte, Dobrynja
Sagte zu dem Renner: Ahnst du Unheil?
Und vom Himmel tönte eine Stimme:
Ich bin Juri, heiße auch Sankt Georg,
O Nikitas Sohn Dobrynja, höre,
Du von Gott geliebter Ritter Russlands,
Deine Frau Natascha nimmt Aljoscha,
Eile, diese Hochzeit zu verhindern!
Und Dobrynja ritt zurück nach Kiew,
Seine Mutter nicht den Sohn erkannte,
Als Dobrynja sprach zu seiner Mutter:
Kreuzesbruder bin ich von Dobrynja
Und Dobrynja schickt zu dir mich, Mutter,
In dem Keller liegt ein starker Knüppel
Und das Kleid von einem armen Bauern
Und Dobrynjas Saitenspiel, die Gusli,
Dieses alles soll ich an mich nehmen.
So Dobrynja ging im Bauernkleide
Mit dem Saitenspiel und mit dem Knüppel
Zu der Hochzeitsfeier von Natascha
Und Aljoscha. Und Dobrynja sagte:
Wladimir, du milde Sonne Kiews,
Du erlaube einem armen Bauern,
Mit dem Guslispiel die Braut zu feiern
Und den Bräutigam und alle Ritter.
Wladimir gewährte es dem Bauern
Und Dobrynja spielte auf der Gusli,
Sang so schön von Russlands frommen Rittern,
Daß der milde Fürst zum Bauern sagte:
Wähl dir einen Platz am Tisch der Ritter!
Und Dobrynja sagte zu dem Fürsten:
Sitzen möchte ich der Braut zur Seite!
Als Dobrynja saß bei seiner Liebsten,
Hat Natascha nicht erkannt Dobrynja,
Da Dobrynja zu Natascha sagte:
Leere diesen Becher bis zum Grunde,
Bist du eine Frau mit gutem Herzen.
Leer den Becher nicht bis zu dem Grunde,
Bist du eine Frau mit bösem Herzen.
Denn Dobrynja hatte in den Becher
Seinen Ehering getan, den goldnen.
Und Natascha leerte ganz den Becher,
Sah am Grund den Ehering, den goldnen.
Rief Natascha zu dem milden Fürsten:
Dieser Sänger ist mein wahrer Gatte!
Ja, zurückgekommen ist Dobrynja!
Doch Dobrynja sagte zu Natascha:
Warum nahmst du dir zum Mann Aljoscha?
Ach, so seid ihr Weiber – Gott erbarme! –
Lange Haare, aber kurz das Denken!
Ach, verzeih mir, flüsterte Natascha.
Und Dobrynja sprach zum milden Fürsten
Und zur schönen Fürstin: Warum aber
Gabet ihr Natascha einen Gatten,
Wo doch ihr Gemahl noch gar nicht tot war?
Und Dobrynja sagte zu Aljoscha:
Warum sagtest du zur Witwe Mutter:
Totgeschlagen liegt im Feld Dobrynja?
Kummer hast der Mutter du bereitet.
Und Dobrynja nahm den dicken Knüppel
Und verprügelte Aljoscha kräftig!
So die Hochzeit feierte Aljoscha,
So zerdroschen von dem harten Knüppel!
Nicht ein jeder findet eine Gattin,
Manchem bleibt die Liebe unbefriedigt!
Aber besser ehelos zu leben,
Also so wie Aljoscha Hochzeit feiern.
Dieses sage ich dem Meer zur Stille.
ZEHNTER GESANG
Tischwart war Dobrynja für drei Jahre,
Türwart war Dobrynja für drei Jahre,
Mundschenk war Dobrynja für drei Jahre.
In dem zehnten Jahr begann Dobrynja,
Reitend durch die Stadt umher zu streifen.
Doch das Mütterchen belehrt das Söhnchen:
Reite nicht umher in Kiews Gassen,
Reite nicht in der Marinka Gasse,
Eine Zauberin ist ja Marinka!
Doch Dobrynja hört nicht auf die Mutter
Und Dobrynja ritt durch Kiews Gassen
Und er kam in der Marinka Gasse,
Lieblich war Marinkas schönes Häuschen.
Und Dobrynja sah zwei Turteltauben,
Sah das Männchen mit dem Weibchen turteln,
Wie sie sich mit ihren Schnäbeln picken,
Wie er pickt ihr in den Taubenbusen,
Wie sie spreizt die weißen Taubenschwingen,
Wie sie beide mit den Schwingen schlagen
Und vom Liebesspiel die Wipfel krachen!
Da entbrennt Dobrynjas Herz in Stürmen
Und Dobrynja spannte seinen Bogen
Und er legt den Pfeil auf seinen Bogen
Und er schoss auf Täuberich und Taube,
Aber nicht traf er die Turteltaube,
Sondern traf den Schlangensohn Tugarin,
Der Marinka wertgeschätzten Hausfreund,
Schlangensohn Tugarin fiel vom Pfeile!
Und Marinka lehnte bis zum Gürtel
Aus dem Fenster sich, zum Zaubergürtel,
Und es sprach die Zauberin zum Ritter:
Warum schossest du aufs Taubenpärchen?
Ach, du trafst nicht Täuberich und Taube,
Schossest deinen Pfeil in meine Wohnung
Und es zitterten die Fensterflügel
Und gestorben ist mein lieber Hausfreund,
Mein begehrter Schlangensohn Tugarin!
Komm, begrabe nun den toten Körper!
Stieg Dobrynja von dem edlen Renner,
Trat in der Marinka traute Hütte.
Die Marinka lockte den Dobrynja
Hinter ihres Himmelsbettes Schleier,
Dort blieb er vom Mittag bis zum Abend.
Wenig sprachen sie, nur Liebe blickend!
Ging Dobrynja wieder aus der Wohnung,
Nahm Marinka sich ein scharfes Messer,
Aus schnitt sie die Spuren seiner Füße,
Sagte zu den Spuren seiner Füße:
Wie ich ausschneid seiner Füße Spuren,
Schneid ich aus Dobrynjas Herz, das rote!
Er soll ewiglich nach mir verlangen,
Nur Marinka soll Dobrynja wollen!
Und sie warf die Spuren seiner Füße
In der Zauberküche in den Ofen,
Sagte zu den Spuren seiner Füße:
Wie die Spuren dieser Füße brennen,
So vor Liebe brenne seine Seele!
Und Dobrynja ist entbrannt die Seele
Nach der schönen Zauberin Marinka.
Morgens sprach Dobrynja zu der Mutter:
Meine Herrin Mutter, gib zur Hochzeit
Und zum Eheweibe mir Marinka!
Doch die Herrin Mutter sprach zum Sohne:
Nimm dir Fürstinnen und Edeldamen
Und Prinzessinnen und Bäuerinnen,
Aber nimm dir niemals die Marinka!
Sie ist eine Zauberin, ein Dämon!
Doch Dobrynja hört nicht auf die Mutter,
Ging am nächsten Tage zu Marinka.
Und Marinka nahm mit ihren Händen
Bei den Händen den Dobrynja zärtlich:
Du wirst jetzt zu einem roten Fuchse!
Bist du erst von mir verwandelt worden
In den vielgetreuen Fuchs, den roten,
Dann verwandle ich dich in ein Fröschlein,
Sollst in meinem Teiche immer quaken.
Doch Marinka war ihm wohlgesonnen,
Sie verwandelt ihn nicht in ein Fröschlein,
Er bleibt ihr getreuer Fuchs, der rote.
Und der rote Fuchs lief in das Freie.
Als das hörte des Dobrynja Mutter,
Ging sie zu der Zauberin Marinka,
Sagte zu der Zauberin Marinka:
Meinen vielgeliebten Sohn Dobyrnja
Du verwandle nun in einen schönen
Jüngling, einen schönen, klugen Jüngling!
Wenn du den Dobrynja nicht verwandelst
In ein traumhaft wunderschönes Mannsbild
Voller Manneskraft und Gottesweisheit,
Dann verhex ich dich zu einer Elster!
Da erschrak die Zauberin Marinka,
Sie verwandelte den Fuchs, den roten,
In ein traumhaft wunderschönes Mannsbild
Voller Manneskraft und Gottesweisheit.
Aber des Dobrynja Herrin Mutter,
Sie verwandelte die süße Hexe
In ein weiß- und schwarzes Elsterweibchen!
Und Marinka flog als Elsterweibchen
In das Freie und vertrieb die Elstern
Und vertrieb die andern Elstern alle!
ELFTER GESANG
Sagen will ich von dem tapfern Helden,
Der ging immer in die Zarenschenke,
Trank dort viel vom dunkelroten Weine,
Trank den roten Wein nicht becherweise,
Trank den roten Wein gleich eimerweise,
Ganze Lagerfässer auszusaufen,
Vierzig Lagerfässer auszusaufen!
Da berauscht er ist vom roten Weine,
Ihm entfahren prahlerische Worte:
Kraftvoll bin ich wie der Große Peter,
Weiser bin ich als der Große Peter!
Doch da waren Leute auch vom Hofe,
Diese sagten solches an dem Zaren:
Unsrer Hoffnung orthodoxer Peter!
In der Zarenschenke gibt es einen
Deutschen Mann, der heißt Andreas Butman
Von dem Rosenbusche, ist ein Prahler.
Dieser Deutsche trinkt den dunklen Rotwein
Nicht aus Bechern, nein, aus großen Eimern,
Weiß die Lagerfässer leerzusaufen.
Und wenn er berauscht ist von dem Weine,
Spricht der Deutsche prahlerische Worte:
Kraftvoll bin ich wie der Große Peter,
Weiser bin ich als der Große Peter!
Peters heißes Zarenblut entbrannte,
Seine Schultern gingen auseinander,
Dunkel ward es ihm vor seinen Augen.
Und er schickte Diener in die Schenke:
Bringt Andreas Butman mir gefangen!
Kamen jene Knechte in die Schenke,
Neigten tief sich vor Andreas Butman:
Gehen wir zum großen Zaren Peter
Zu dem Gastmahl, trinken wir und schmausen!
Sprach Andreas von dem Rosenbusche:
Wartet noch ein wenig, Zarenknechte,
Leeren will ich erst noch diesen Becher,
Dieses vollen Bechers breites Becken!
Leckend selbst noch an des Bechers Scherben,
Sprach er: Gehen wir zum Zaren-Gastmahl.
Kamen sie zu dem Palast der Ritter
Kniete er vorm großen Zaren Peter:
Unsrer Hoffnung orthodoxer Peter!
Heil sei dir, du großer Zar von Russland!
Warum rufst du mich, was will mein Herrscher?
Was denn hat dein armer Knecht verbrochen?
Sprach der große orthodoxe Peter:
Ei, Andreas von dem Rosenbusche,
Immer sitzt du in der Zarenschenke
Und du trinkst zuviel vom roten Weine,
Dir entfahren prahlerische Worte:
Kraftvoll bin ich wie der Große Peter,
Weiser bin ich als der Große Peter!
Also schließe ich dich ins Gefängnis,
Laß dir deinen Kopf vom Rumpfe schlagen!
Sprach Andreas von dem Rosenbusche:
So erinnre dich, du unsre Hoffnung,
Wie du warst im Land der Goldnen Horde,
Bei den Heiden, wie ich dich gerettet!
Sprach der große orthodoxe Peter:
Ich erinnre mich, mein Lebensretter,
Und ich werde dich jetzt reich belohnen!
Ein Dekret verkünde ich im Reiche,
Daß Andreas von dem Rosenbusche
Darf im ganzen Reich in allen Schenken
Saufen soviel Wein wie er nur möchte,
Ohne einen Rubel zu bezahlen.
Und Andreas von dem Rosenbusche
Dankte heiß dem orthodoxen Zaren,
Eilte in die letzte Gossenschenke,
Schlug dort mit den Fäusten auf die Tische,
Brüllte wie ein Löwe: Schenkenpöbel!
Ihr Genossen aus der Gossenschenke!
Will sich einer mit Andreas messen,
Tritt er nur heraus aus seiner Hölle,
Ich will ihm den Schädel schon zerschmettern!
ZWÖLFTER GESANG
In der goldnen Mutter Moskau war es,
Da das Reich der Rusj kein Zar beherrschte,
Da das Reich kein Zarewitsch beherrschte,
Sondern Sie allein, die Große Zarin,
Sie, die orthodoxe Mutter Zarin,
Die im Zarenthrone saß drei Jahre.
Das vernahm der Ketzer Schwedenkönig,
Dieser, der getaufte Heide, rühmt sich:
Fahren will ich zu der Mutter Moskau,
Gottes Kirchen alle zu zerstören!
Niedermetzeln will ich alle Mönche!
Lassen werde ich in Mutter Moskau
Keine Manneskraft zur Aussaat übrig,
Und die Zarin nehm ich mir zum Weibe,
Denn ich halte sie für eine Hure!
Also schrieb der Ketzer Schwedenkönig
Einen Brief an unsre Mutter Zarin.
Als die Zarin diesen Brief gelesen,
Zitterten der Zarin weiße Hände
Und es tropften Tränen aus den Augen:
Herr, mein Gott, so laß mich eilends sterben!
Liegen möchte ich im Totenbette!
Ach erbarme dich, ach Jesus Christus!
Aber unsre Mutter Zarin hatte
Einen listigen Berater, welcher
Klug und weise war wie Fuchs und Eule.
Der Berater sprach zur Herrin Zarin:
Gräm dich nicht, du orthodoxe Zarin!
Singe ein Gebet zu Gott dem Schöpfer,
Ruf um Hilfe an den Herrn vom Himmel,
Setz dich dann in deines Thrones Sessel.
Sprach die orthodoxe Herrin Zarin:
Nein, ich will nicht sitzen in dem Sessel
Meines Throns, ich bin des überdrüssig.
Der Berater nahm der Herrin Zarin
Zarte weiße Hände, sie zu führen
An den Schreibtisch von dem Holz der Eiche,
Sagte: Eure Majestät und Hoheit,
Briefe schrieb der Ketzer Schwedenkönig,
Fragte, ob in Ordnung unsre Waffen?
Welche Antwort soll ich ihm nun schreiben?
Sprach die reine Frau und Mutter Zarin:
Mein Berater, schreib, was dir dein Herz sagt!
Der Berater schrieb dem Schwedenkönig:
König aller Schweden, sei willkommen
Hier bei uns in unsrer Mutter Moskau.
Unsre Waffen alle sind in Ordnung!
Doch bei uns in Russland ist es Sitte,
Daß man erst zu Gast ist bei der Dame,
Wirbt voll Liebe, bis die Dame Ja sagt.
Hier in Russland ist es nicht die Sitte,
Ohne leidenschaftlich-liebevolle
Werbung sich ein Weib zur Frau zu nehmen
Wegen des politischen Profites!
Solche Ehe nennt die Mutter Kirche:
Eitle, eitle Nichtigkeit der Ehe!...
Wahre Ehen schließt der Herr im Himmel!
Aber komm du ruhig zu der Zarin,
Spiel doch Schach mit unsrer Mutter Zarin,
Laß dir von der Herrscherin und Herrin
Karten legen, wie in Russland üblich.
Dieses Briefchen las der Schwedenkönig,
Brach in Lachen aus und fuhr nach Moskau,
Nahm Geschenke mit für Mutter Zarin.
Sprach der Schwedenkönig zu der Zarin:
Wegen des politischen Profites
Schließe du mit mir ein Ehebündnis!
Meine Ehepolitik ist weltlich,
Dazu braucht es keinen Segen Gottes,
Keinen Segensspruch der Mutter Kirche!
Sprach die reine Frau und Mutter Zarin:
Sieben Tage will ich überlegen,
Sei solange Gast in meinem Hause,
Da will ich mich gern mit dir vergnügen!
Drüber freute sich der Schwedenkönig!
Der Berater unsrer Zarin aber
Sagte zu der reinen Herrin Zarin:
Eure Majestät und Hoheit Zarin,
Muse und Athene, Russlands Göttin!
Mach den Schwedenkönig nur betrunken,
Nimm jedoch ein Messer mit zum König.
Kam die Zarin zu dem Schwedenkönig,
Sich verneigt der König vor der Zarin,
Und die Zarin machte ihn betrunken,
Fröhlich wurde da der Schwedenkönig,
Er begann zu plaudern mit der Zarin
Und begann, charmant mit ihr zu scherzen.
Tränen flossen aus der Zarin Augen,
Der Berater aber sprach zum König:
Ei, du edler König aller Schweden,
Leg dein Haupt nun in den Schoß der Zarin!
Lustig wurde da der Schwedenkönig!
Und die Zarin sprach zum Schwedenkönig:
Ruhe aus von deinem schweren Amte,
Bette nur dein Haupt in meinem Schoße!
Eingeschlafen ist der Schwedenkönig
In den Armen unsrer reinen Herrin,
Nahm die Frau und Herrscherin das Messer,
Schnitt dem Schwedenkönig seinen Kopf ab!