I
Der Augustus gab Befehl,
Alles Volk in Bethlehem
Lass sich zählen in Judäa,
Trage sich in eine Liste.
Josef sagte da bei sich:
Meine Söhne lass ich zählen.
Was wird aber mit dem Mädchen,
Die noch keinen Sohn geboren?
Wie soll ich sie zählen lassen?
Ist sie meine Ehefrau?
Ach ich scheue, das zu sagen.
Oder zähl ich sie als Tochter?
Alle Juden aber wissen,
Daß sie nicht ist meine Tochter.
Doch am Tag des Herrn geschieht,
Was der Wille ist des Herrn!
Und er sattelte den Esel
Und sein Sohn ging ihm voraus
Und sie nahten Bethlehem.
Josef schaute zu Maria.
Josef sah Maria traurig
Und er dachte: Ach sie sorgt sich
Wegen ihrer Leibesfrucht,
Die als Jungfrau sie empfangen.
Wie ergeht es dir, Maria?
Einmal ist dein Antlitz fröhlich,
Einmal ist dein Antlitz traurig?
Und Maria sprach zu Josef:
Meine Augen sehen zwei
Völker, eines weint und wehklagt
Und das andre jauchzt und jubelt,
Darum wein ich, darum lach ich.
Etwas weiter zogen sie
Und Maria sprach zu Josef:
Hebe mich herab vom Esel,
Denn das Kindlein will nun kommen!
Josef hob sie von dem Esel:
Wohin soll ich dich jetzt führen?
Wohin soll die Schwangre ich
Bringen unter Schutz und Schirm?
Diese Gegend ist so einsam!
Aber da war eine Höhle
Und er führte sie hinein,
Seine Söhne saßen bei ihr.
Eine jüdische Hebamme
Suchte er in Bethlehem.
Ich bin Josef, der Gerechte,
Der ich schaute in den Himmel
Und ich sah den Himmel klar
Und ich schaute auf die Erde
Und ich sah um eine Schüssel
Jüdische Proleten sitzen,
Die Proleten aßen nicht,
Sondern schauten in den Himmel.
Und ich schaute Lämmerherden
Und die Lämmer standen still
Und der Hirte hob die Hand
Mit dem Stabe und dem Stecken
Und des Hirten Hand erstarrte
Und die Hand blieb unbewegt
Und ich schaute schwarze Zicken
An dem klaren Wasser stehen,
Doch die Zicken tranken nicht,
Sondern schauten in den Himmel.
Eine Frau kam vom Gebirge:
Du Gerechter, wohin gehst du? –
Eine jüdische Hebamme
Suche ich in Bethlehem. –
Diese jüdische Hebamme
Sagte: Wer ist jenes Mädchen,
Die dort in der Höhle liegt,
Schwanger liegt dort in dem Stroh? –
Das ist meine Anverlobte! –
Also deine Gattin nicht? –
Sie ist reine Tempeljungfrau,
Ich ihr Schützer und Behüter.
Sie empfing vom Geiste Gottes! –
Sprach die jüdische Hebamme:
Das soll wirklich Wahrheit sein? –
Und ich sagte: Komm und siehe! –
Eine lichte Wolke Gottes
Füllte aus die ganze Höhle.
Und die jüdische Hebamme
Jauchzte jubelnd: Halleluja!
Hocherhoben ist mein Geist,
Meine Augen sahn ein Wunder,
Israel ist Heil geboren
Von der unberührten Jungfrau!
Und die lichte Wolke Gottes
Schwebte fort aus jener Höhle
Und ein Lichtstrahl kam vom Himmel
Und das Kindlein war geboren.
Und das Kindlein lag am Busen,
An den Brüsten der Madonna,
Und es saugte an den Brüsten
Der Madonna Milch des Trostes.
Und die jüdische Hebamme
Jauchzte jubelnd: Halleluja,
Daß ich dieses sehen durfte,
Diesen Gottesmutterbusen!
Und die jüdische Hebamme
Jene Höhle nun verließ
Und da traf sie Salome.
Salome, o Salome,
Wunder hab ich zu erzählen,
Eine Jungfrau hat geboren!
Das ist supernatural,
Das ist wirklich übermenschlich!
Doch da sagte Salome:
Nein, das werde ich nicht glauben,
Bis ich meinen Finger legte
An der Jungfrau Jungfernhäutchen.
II
Und die jüdische Hebamme
Eintrat in die Weihnachtshöhle:
Holde Maid, ein Streit entbrannte
Um dein heiles Jungfernhäutchen.
Salome nun untersuchte
Mit dem liebevollen Finger
Unsrer Lieben Frauen Scheide,
Ob sie unverletzte Jungfrau.
Laut ertönte ihre Klage:
Wehe mir, dass ich nicht glaubte!
Ich hab Gott den Herrn versucht
Und gezweifelt an der Jungfrau!
Meine Hand fällt von mir ab!
Und sie beugte ihre Knie
Vor dem göttlichen Gebieter
An der Mutterbrust der Jungfrau:
Meiner frommen Ahnen Gott,
Abrams, Isaks, Jakobs Gott,
Guter Gott, gedenke meiner,
Ich bin Tochter Abrahams,
Gib mich nicht der Schande preis!
Gott, gib mich den Armen wieder,
Denn du weißt, dass ich umsonst
Armen Fraun und Kindern helfe,
Ohne dass sie mich belohnen,
Aber ich vertraue drauf,
Wenn ich von des Lebens Mühen
Ruhe, dann belohnst du mich!
Und ein Engel Gottes sprach:
Salome, o Salome,
Gott der Herr hat dich erhört,
Gottes Liebe wird dein Lohn sein!
Du berühre nur das Kindlein,
Streiche sanft ihm übers Haupt,
Streichle seine sanfte Wange,
Streichle seine kleinen Händchen,
Nimm das Kindlein in die Arme,
Setze es auf deinen Schoß,
Drück das Kindlein an dein Herz,
Dann wirst wieder du gesund.
Salome trat zu dem Kinde,
Die Madonna gab ihr Kindlein
Salome in ihre Arme,
Jesus saß auf ihrem Schoße,
Salome anbetete
Jesus: O mein Gott und König,
Israel zum Heil geboren
Und den Heiden zur Erleuchtung!
Salome ward gleich gesund,
Ward sogleich gerecht gesprochen.
Siehe, eine Stimme sprach:
Salome, o Salome,
Schweig von dem, was du gesehen,
Schweig von dem, was du betastet,
Bis der Herr gekreuzigt worden,
Auferstanden von den Toten.
III
Josef machte sich bereit,
Fortzuziehen nach Judäa.
Große Unruh ist entstanden
Da in Bethlehem in Juda.
Da sind Magier gekommen:
Wo ist denn der Juden König?
Wir erblickten seinen Stern,
Kommen, um ihn anzubeten!
Als Herodes das vernahm,
Regte sich Herodes auf
Und er schickte zu den Priestern
Und befragte Schriftgelehrte:
Wie steht in der Schrift geschrieben,
Wo Messias wird geboren?
Da zitierten sie den Micha:
Wird in Bethlehem geboren.
Sprach Herodes zu den Weisen:
Magier, was saht ihr Seher?
Und da sprach ein Magier:
Jupiter stand im Saturn.
Diesen Stern erblickten wir
Heller als die andern Sterne,
Wir erkannten, dass der König
Ward in Israel geboren,
Jupiter ist Stern des Königs,
Stern Saturn ist Israels.
Und Herodes sagte: Geht,
Sucht den neugebornen König,
Wenn ihr ihn gefunden habt,
Kommt zurück und meldet mir,
Daß ich gehe, anzubeten
Den davidischen Messias.
Und die Weisen zogen fort,
Und der Stern, den sie gesehen,
Zog den Magiern voran
Bis zu Unsrer Frauen Höhle.
Und die Magier beschauten
Unsre Fraue und das Kindlein,
Schenkten Weihrauch, Gold und Myrrhe,
Weihrauch für den Hohepriester,
Gold für den Messiaskönig,
Myrrhe für den Gottesknecht.
Und die Magier entschwanden
Wieder in den Orient.
Als Herodes das erkannte,
Daß die Weisen weggegangen,
Da gebot er Kindermördern:
Geht, ermordet alle Kindlein!
Als Maria das vernahm,
Da erschrak die Liebe Frau,
Weinte über alle Kinder,
Rettete ihr Jesuskind,
Wickelte das Kind in Windeln,
Tat es in die Futterkrippe,
Wo der Juden Ochse stand,
Wo der Heiden Esel stand.
IV
Eine Frau nahm Duftgewässer,
Um das Jesuskind zu waschen.
Als sie Jesulein gewaschen,
Nahm sie dieses Duftgewässer,
Goss es auf ein junges Mädchen,
Die da weißen Aussatz hatte.
Aber von dem Badewasser
Jesu ward das Mädchen heil.
Die Bewohner jenes Ortes
Sprachen: Unsre Frau Maria
Ist wohl eine Muttergöttin?
Und das Kind ein kleiner Gott?
Josef und Maria aber
Mit dem Kindlein zogen weiter.
Das gesundgewordne Mädchen
Sagte: Jesus, nimm mich mit!
Josef und die hocherhabne
Liebe Fraue zogen weiter.
Eine öde Gegend war es,
Oft von Räubern heimgesucht.
Dieses Land durchzogen sie
Lieber in der dunklen Nacht.
Da erblickten sie zwei Räuber,
Die am Straßenrande schliefen.
Da erwachten beide Räuber.
Titus hieß der eine, sagte
Zu Dumachus, zu dem andern:
Laß die drei Personen ziehen!
Dieser Mann mit seinem Weibe
Und dem kleinen Muttersöhnchen
Mögen ungeschoren bleiben,
Geben sie uns etwas Geld.
Doch Dumachus wollte nicht,
Wollte Josef und Maria
Und das Jesuskind ermorden.
Doch der Räuber Titus sagte:
Freund Dumachus, nimm von mir
Alles Geld aus meiner Tasche,
Doch die Heilige Familie
Laß du ziehen nach Ägypten.
Die erhabenste Madonna
Hörte dieses Räubers Worte.
Gott der Herr wird dich erretten,
Alle Sünden dir verzeihen!
Jesus sprach zu seiner Mutter:
Liebe Frau, in dreißig Jahren
Werde ich am Kreuze hängen
Vor dem Tor Jerusalems
Und zu meinen Seiten werden
Diese zwei gekreuzigt werden
Und Dumachus mir zur Linken
Und Freund Titus mir zur Rechten
Und an jenem Tag Karfreitag
Geht Freund Titus mir voran
In den Himmelsgarten Eden
An des Paradieses Lustort!
Josef und Maria gingen
Weiter mit dem Jesuskinde
Zu dem Heiligtum der Götter,
Das in Sandstaub ward verwandelt.
Dann begab sich die Familie
In die Ortschaft Matarea,
Dort ließ Jesus durch sein Wort
Eine reine Quelle sprudeln,
In der reinen Quelle Wasser
Wusch Maria Jesu Hemd,
Welches roch nach Jesu Schweiß,
Unsre Fraue wusch es sauber,
Aber aus dem Schweiße Jesu
Ist entstanden jener Balsam,
Den es gibt in Matarea
Und der alle Wunden heilt!
V
Nahten sie sich einer Höhle,
Stieg Maria von dem Esel,
Setzte sich, auf ihrem keuschen
Schoße saß das Jesuskind.
Kamen aus der Höhle Schlangen,
Schrie die Liebe Frau Maria,
Jesus kletterte vom Schoße
Unsrer Frau, gebot den Schlangen.
Lobet Gott den Herrn, ihr Schlangen,
Wüstenschlangen, Meeresschlangen,
Würgeschlangen, Strumpfbandnattern,
Lobet Gott, Marien Sohn!
War Maria voller Bangen,
Aber Jesus sprach zu ihr:
Denk nicht, dass ich nur ein Kind bin,
Ich bin Gott von Ewigkeit,
Ich bin der vollkommne Schöpfer,
Der ich alle Schlangen schuf,
Alle Schlangen dieser Erde
Müssen ihren Schöpfer preisen!
Auch die schwarzen Pantherweibchen
Beteten zum Jesuskinde.
Wohin auch Maria ging,
Folgten ihr die Pantherweibchen.
Als Maria aber sah
All die schwarzen Pantherweibchen,
All die gelben Jaguare
Und die wilden Löwenjungen,
Da erschrak die Liebe Frau,
Doch das Jesuskind war fröhlich:
Fraue, keiner wird dich fressen,
Fraue, alle dienen dir!
Und die schwarzen Pantherweibchen
Fraßen nicht die weißen Schäfchen,
Fraßen nicht das Fleisch von Tieren,
Sondern nur noch grüne Blätter.
Von den weiten Wanderungen
In der Sonnenglut der Wüste
Ward Maria müde, setzte
Sich an einer Palme Stamm.
Sagte Unsre Frau zu Josef:
Könnt ich eine Feige speisen!
Doch die Feige hängt zu hoch
Oben an dem Stamm der Palme!
Josef sagte zu Maria:
Was begehrst du, was unmöglich?
Wie soll ich die Feige pflücken,
Die der Herr zu hoch gehängt?
Josef sagte: Ach, mich dürstet!
Fänd ich doch nur eine Quelle!
Da sprach Jesus zu der Erde:
Sprudle, Erde, eine Quelle!
Eine Quelle ist entsprungen,
Josef hat den Durst gestillt.
Da sprach Jesus zu der Palme:
Neige dich zu meiner Mutter,
Schenke ihr die süße Feige!
Und da neigte sich die Palme
Und Maria mit dem Mund
Nahm die Feige in den Mund.
Jesus sagte zu der Palme:
Nun erhebe dich, o Palme,
Steh im Paradiese Gottes!
Allen Paradiesbewohnern
Aller kommenden Äone
Sollst du süße Feigen schenken,
Weil mit ihren Mund Maria
Deine Feige hat genossen!
Josef und Maria kamen
Mit dem Kinde nach Ägypten,
Kamen zu dem Tempel jener
Isis mit dem Horusknaben.
Und die Muttergöttin Isis
Mit dem schwarzen Katzenkopf
Stürzte in den Wüstensand
Nieder vor Marias Füße
Und das Horuzskind von Stein
Mit dem goldnen Falkenkopf
Stürzte in den Wüstensand
Nieder vor Messias’ Füße.
Josef und Maria kehrten
Wieder heim nach Nazareth.
Nazareth bedeutet Flora,
Nazareth heißt Blumengarten.
VI
Und in Nazareth Maria
Sagte: O mein Herr und Gott,
David prophezeite einst
Vom Messias in den Psalmen:
Gottes Gnade, Gottes Wahrheit,
Sie begegnen einst einander,
Und Gerechtigkeit und Frieden
Küssen sich voll Zärtlichkeit.
Wahrheit sprießt aus Mutter Erde,
Schaut Gerechtigkeit vom Himmel.
So hat deine Macht dies Wort
Prophezeit einst über dich.
Als du Kleinkind noch gewesen,
Warst mit Josef du im Weinberg,
Als der Geist kam aus der Höhe
Säuselnd in mein Schlafgemach.
Zwar der Geist war dir ganz gleich,
Doch erkannte ich ihn nicht.
Und ich dachte von dem Geist:
Schau, das ist mein Jesuskind.
Und es sprach zu mir der Geist:
Wo ist denn das Jesuskind,
Gottes Sohn, mein Doppelgänger,
Daß ich Gottes Sohn begegne?
Als der Geist so zu mir sprach,
War ich in Verlegenheit,
Dacht ich: Das ist ein Gespenst,
Ein Gespenst will mich versuchen.
Also band ich diesen Geist
Betend an mein Himmels-Bett,
Ging zu dir und ging zu Josef
In den Weinberg, wo ihr wirktet.
Also sagte ich zu Josef:
Des Gespenst band ich ans Bett!
Du vernahmest das, mein Jesus,
Freutest dich im Geist und sprachest:
O wo ist mein Doppelgänger,
Daß ich ihn erblicken kann?
Sonst erwart ich diesen Geist
Selig hier in diesem Weinberg!
Als dein Wort mein Josef hörte,
Wurde er bestürzt im Herzen
Und wir gingen in das Haus
Und da fanden wir den Geist
Angebunden an mein Bett!
Und wir schauten dich an, Jesus,
Schauten an den Doppelgänger,
Fanden dich dem Geiste gleich.
Und es ward dein Doppelgänger
Losgebunden auf dem Bett.
Er umarmte dich und küsste
Dich mit liebevollem Küsschen.
So Gerechtigkeit und Frieden
Küssten, Gnade sich und Wahrheit
Küssten sich, der Geist und Jesus
Küssten sich in meinem Bett.