Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

VIVI D’AMORE


Von Josef Maria Mayer



ERSTER TEIL

ALEXANDRINER



AURORA


Die junge Eos geht voran dem Helios,

Bevor der Sonnengott erscheint so licht und groß,

Das Mädchen kommt zuerst, das Mädchen Morgenröte.

Euterpe blase mir am Morgen meine Flöte,

So sing ich Eos jetzt, der Himmlischen mein Lied.

Wie doch ihr weißer Arm wie Rosen rosig blüht!

Wie rötlichblond gelockt ihr flattern ihre Locken,

Wenn morgens zu Gebet die Horen ihre Glocken

Erschallen lassen laut beim ersten Glanz des Lichts,

O makelloses Weiß des jungen Angesichts,

Wie reizend graziös und heiter dieses Kindchen,

Wie kusslich lacht ihr Mund, das lockend rote Mündchen!

Ein Mädchen kommt zuvor, dann kommt der Sonnengott,

Wie stolz steht sie, wie schlank in ihrem Chariot,

Wenn sie des Morgens fährt hinan zum dritten Himmel,

Die Mädchengöttin gern auch reitet ihren Schimmel,

Und aufrecht sitzt sie da im Sattel auf dem Pferd,

Die schlanke Göttin jung, aufrichtig hochgeehrt.

Was auch der Dichter sagt, geweiht der Göttin Wahrheit,

Wie dieses hübsche Ding ein Inbegriff der Narrheit,

Doch ist die Narrheit süß, die täglich ich erharr,

Dies närrisch-junge Ding ich preise als ihr Narr.

Von Aphrodite hab ich oftmals schon gesungen,

Doch Eos hat fürwahr die Königin bezwungen,

Ich weiß es wirklich nicht, in welchem Haine wars,

In welchem schwülen Bett, da Eos lag mit Mars,

Doch Mars, den Gott des Kriegs, so kündet uns die Mythe,

Den wollte für sich selbst die große Aphrodite,

Der Liebe Königin hat Eos drum bestraft:

Wenn ihr nur einmal noch in einem Bette schlaft,

Dann strafe ich dich so, dass immer du verliebt bist,

Verliebt und närrisch bist und allezeit betrübt bist,

Daß Liebeskummer du erleidest allezeit,

Der Liebe Flüchtigkeit, die Flüchtigkeit der Zeit,

Ich geb dir Flattersinn, du flirtest allzeit flatternd,

Dann scherzt du amourös, verliebten Plauderns schnatternd,

Doch wahre Liebe wird erfüllen nicht dein Herz,

Statt Liebe findest du allein des Flirtens Scherz.

So sprach die Königin der Liebe, ihre Sprache

War deutsch und dennoch schön und grausam ihre Rache.

Schau, Eos war verliebt, die Mädchengöttin jung,

Verliebt und närrisch war und in Begeisterung

Vergaß die Sitte sie, die Weisheit und die Tugend.

Denn Kleitos liebte sie, der schön in seiner Jugend,

Nur ihn hat sie begehrt, an ihm sich nur ergetzt,

Am liebsten hätt sie ihn ins Himmelreich versetzt,

Den jugendlichen Mann, den schönsten im Gewimmel,

Geliebt so oft und lang, bis er daheim im Himmel.

Doch flüchtig war der Flirt, der ersten Liebe Scherz,

Und Eos wieder nun verlor ihr Flatterherz,

Denn Eos liebte neu, ihr Lieben stete Neuheit,

Ihr Lieben Flatterei, ihr Lieben frische Freiheit.

Orion liebte sie, den Jäger mit dem Hund,

Der Hund hieß Sirius und ging am Himmelsgrund

Und nach der schwülen Zeit der ungeheuren Hitze

Im Sommer Hagel fiel, Gott sandte seine Blitze,

Orion schwitzte auch und wollte an der Furt

Erfrischen sich im Bad, er löste seinen Gurt,

Orions Gürtel war geschmückt mit goldnen Sternen.

Ein Astronom fragt Gott, Erkenntnisse zu lernen,

Wie Gott den Gürtel löst Orions in der Furt?

An Eos dachte er, da löste er den Gurt,

An Eos dachte er, vom Scheitel bis zur Wade

Ihm schwebte vor ihr Bild, als er im Wasserbade

Erfrischend sich erquickt und Eos nannte Miß

Aurora! Eifersucht da quälte Artemis,

Die Große Mutter mit den neunzehn Wonnebrüsten,

Die wollte selbst sich mit Orions Diensten brüsten,

Sehr eifersüchtig war die große Artemis,

Daß dieser Jäger nun verliebt war in die Miß

Aurora: Gottheit ich, als Gottheit Große Mutter,

Mit neunzehn Brüsten, die von Wabenseim und Butter.

Warum Orion doch sich Miß Aurora fing,

Nur weil sie jung noch ist, sie ist ein dummes Ding,

Weil rosig morgens früh aus weißem Nebelsüppchen

Aufsteigt so strahlend weiß das rötlichblonde Püppchen.

Orions Wankelmut verguckte sich in Miß

Aurora, er verehrt nicht mehr die Artemis,

Nur Eos schleicht er nach wie ein verliebter Kater,

So rächt sich nun an ihm die alte Magna Mater,

Vergeblich ist der Mann nach jungen Mädchen geil,

Durchbohren will ich ihm sein Herz mit einem Pfeil,

Weil angebetet er nicht große Busenwogen

Der Magna Mater, wird der Giftpfeil von dem Bogen

Durchbohren ihm mit Gift das so verhasste Herz,

Und sühnen muß sein Tod mir meiner Kränkung Schmerz!

Orion also starb von Hand der Magna Mater,

Orion hauchte aus die Seele zu Gottvater.

Doch Eos lag nicht lang in Todestraurigkeit,

Das Leben liebte sie, die Minnerin und Maid,

Ihr junges Herz verliebt und von Verliebtheit selig

In Scherzen sich erging und wie ein Freigeist fröhlich

Sie liebte Kephalos, den Vater Kephalos,

Den ließ sie liebend ein in ihren engen Schoß,

Ein Kind sie ihm gebar! Ein Sohn ist uns geboren!

Aurora morgens früh steht an den Himmelstoren,

Ja, lachen hör ich sie und girren mit Gestöhn!

Auroras Knabe war so herrlich und so schön,

Wie eine Lilie weiß, rot wie die Rosenblüte,

Sohn Phäton war so schön, dass Göttin Aphrodite

Ihn sich zum Sohn erwählt, sie nahm sich Eos’ Sohn,

Sie wurde Mutter ihm, die Königin im Thron,

Sie machte ihn zum Gott, den Knaben zum Exempel,

Der Venus Diener er in Paphos in dem Tempel,

Der Mediceeischen Cythere diente er,

Die auf der Muschel thront, die wandelt auf dem Meer.

Die Venus lieb ich auch, sie lieben alle Toren,

Und Phäton liebt sie auch, den Eos hat geboren,

Der schön war, wunderschön, weil göttlich ist das Kind,

Die Kinder sind so schön wie ihre Mütter sind.

Doch Eos ward nicht alt, verwelkt und grau und gräulich,

Ihr Hymen noch intakt, ihr Hymen noch jungfräulich!

Nicht ausgesogen war, verwelkt und schlaff die Brust,

Oh, diese Brüste noch die schönste Himmelslust!

O makellos und fest und straff noch diese Brüste,

Die prall und weiß und nackt verheißen Himmelslüste!

Wie, Eos war verliebt? Ist diese Nachricht neu?

War ungebunden noch ihr junges Herz, noch frei?

Wer war der junge Mann, nach dem sie schelmisch lugend

Mit kurzem Seitenblick, so schön in ihrer Jugend,

So schön der Jüngling war, Aurora mit Gestöhn

Nur immer sang ihr Lied: Du bist so schön, so schön,

So schön und reizend sind, o Jüngling, deine Glieder,

Ich singe dir mein Lied: O lieb mich immer wieder!

Des Jünglings Name war der junge Tithonus,

Miß Eos wollte nur am Morgen einen Kuß.

Doch dass die Zeit ihm nicht wie allen uns verderblich,

So bat sie Vater Zeus: O mache ihn unsterblich!

Gottvater hörte stets auf die geliebte Maid

Und schenkte Tithonus fürwahr Unsterblichkeit.

Unsterblich war er nun, doch seine beste Tugend,

Der schöne Jugendreiz, verfiel, denn stete Jugend

Vergessen zu erflehn Miß Eos hatte, ach,

Wie bald dem Manne doch am Besten es gebrach!

Zur Lyra der Poet, Psalmist mit seinem Psalter,

Beklagt sein eignes Ich, wie welkt es hin im Alter!

Miß Eos zwar blieb schön, doch Tithonus, der Aff,

Er wurde welk und matt, die ganze Mannheit schlaff.

Zwar Eos im Gemach wie einer Amme Segen

Den alten Tithonus tat voller Liebe pflegen,

Er aber allezeit blieb liegen im Gemach,

Und Eos ging allein zu Götterfeiern, ach,

Der alte Tithonus allein in seinem Bette,

Dieweil Miß Eos an der Musen Himmelsstätte

Allabendlich zum Fest gegangen war, zum Tanz,

Da wiegte die Idee ihr Becken voller Glanz,

Da tanzte die Idee, sie ließ ihr Becken schaukeln,

Da flatterte ihr Haar, die jungen Glieder gaukeln,

Doch Tithonus allein im Bett, der alte Sack,

Er saugte einsam nur am bräunlichen Tabak.

Und abnahm Tithonus, verging von Jahr zu Jahren,

Miß Eos aber noch mit rötlichblonden Haaren

War reizend jung und schön, der Alte doch verdirbt,

Zuletzt die Stimme nur noch als Zikade zirpt.

Wie die Zikade ich, ich zirp wie die Zikade,

O Miß Aurora, schenk mir deiner Grazie Gnade!



DIE ZWILLINGE


Die Retter singe ich, die oft ich eingeladen,

Sie speisten dann bei mir, sie mochten gerne baden,

Den Nektar reichte ich und das Ambrosia.

In Theoxenien, Gastmählern waren da

Bei mir die Zwillinge, die wunderschönen Götter,

Im Sopha lagerten die Zwillinge, die Retter.

Amphoren stellt ich hin, es rühmte sie mein Wort,

So hoch pries ich das Paar, dass auch bei manchem Sport

Den Siegeskranz errang ich vor den andern Sportlern.

Ich, wahrer Musensohn, nicht gleich den eitlen Wortlern,

Ich sang die Zwillinge! Ein Mann bestellte einst

Ein Lob der Zwillinge: Poet, der du erscheinst

Als Freund der Zwillinge, besing die Dioskuren!

Den Hymnus sang ich schön. Der Mann, ein Freund der Huren,

Verweigerte den Lohn: Zu hoch pries sie dein Lied,

Der eine Zwilling gar als Sohn des Höchsten blüht,

Doch auch den Menschensohn geselltest du den Göttern,

Ich weigre dir den Lohn! Laß du dich von den Rettern

Bezahlen, mein Poet, es zahlen dir den Lohn

Gewiss der Gottessohn und auch der Menschensohn.

So saßen wir beim Mahl. Da meldeten die Knechte,

Es nahten Reisende, es nahten zwei Gerechte.

Im gleichen Augenblick ging fröhlich ich hinaus.

Begraben ward der Mann mitsammen seinem Haus!

Vergeblich der Poet nicht lobt und rühmt die Götter,

Fürwahr die Zwillinge mich retteten, die Retter.

So stimme ich erneut zum Ruhm mein Saitenspiel,

Zeus Ehre sei voraus! Zeus liebt das Liebesspiel,

Vereinigte sich einst (o helft, ihr jungen Musen)

Der schönen Leda sich, so weiß ihr Schwanenbusen,

Gottvater selber kam zur Jungfrau auf der Bahn

Vom All zur Welt herab und nahte sich als Schwan,

Gottvater hat als Schwan die junge Maid begattet,

Da lag der Gott als Schwan vom Liebesspiel ermattet,

In ihrem Schoße lag sein langer Schwanenhals.

Noch in der gleichen Nacht (o Fluch des Sündenfalls)

Frau Leda sich ergab dem Manne Tyndareos!

Als nach der Liebesnacht heraufstieg reizend Eos,

Frau Leda schwanger war. Im Mutterschoß der Schönen

War jetzt ein Zwillingspaar. Doch von den beiden Söhnen

Vom Mann der eine war gezeugt, doch ohne Spott,

Der andre Sohn gezeugt war von dem Schwanengott.

Der Götter Gott allein nicht einen von den Söhnen

Erzeugte, sondern auch das Ideal des Schönen!

Was war das Ideal? Die schöne Helena,

Die junge Helena, sie, die ich heute sah,

Denn meine Nachbarin, die jugendliche Schöne,

Sie ist die neue mich entzückende Helene!

Die schöne Helena, sie ist unsterblich jung,

Homeros sie besang, voll von Begeisterung,

Der jungen Helena auch blies die Jubelflöte

Der alte Magier, der voll der Weisheit, Goethe:

So vierzehn Jahre jung die junge Helena,

Die mythologische Geliebte, die ich sah,

Ob mancher zweifelte auch an der Jungfrau Tugend,

Sie blieb doch ewig schön, Idee im Reiz der Jugend!

Die Dioskuren nun, die Retter-Zwillinge,

Mit Jungfrau Helena beinahe Drillinge,

Die Retter waren ganz wie minnigliche Ritter!

Die junge Helena mit Wimpernflutgezitter

Und mit der Grazie Geschmuck und Glorienglanze

Ergab sich jugendlich erotisch-schönem Tanze,

Es tanzte Lobpreistanz der Göttin schön die Miß

Helene in dem Haus der Göttin Artemis.

Der Jungfraungöttin sie, ja selber Jungfrau, glaubte,

Als König Theseus sie aus Liebesinbrunst raubte

Und brachte sie sogleich ins ferne Attika,

Versteckte dort das Kind, das Fräulein Helena.

Und König Theseus ging durch sieben Todes-Tore,

Um aus dem Totenreich zu rauben Jungfrau Kore,

Die Höllenkönigin, sie werde angetraut

Dem Freund Perithoos als ewig-junge Braut.

Die Dioskuren nun, als Retter wie als Ritter,

Ergaben sich dem Kampf und bis zum letzten Splitter

Die Lanzen brachen sie und kämpften mit dem Schwert,

Ob Attika sich auch wild um sich schlagend wehrt,

Ob Attika sich auch stolz seiner Weisheit brüstet,

Doch wurde Attika im Bruderkrieg verwüstet,

Die Dioskuren in dem Männermord und Krieg

Als Ritter kämpften, bis erfochten sie den Sieg,

Die junge Helena befreiten so die Ritter,

Sie, vierzehn Jahre jung, sehr lieblich und nicht bitter,

Sie war jungfräulich noch, unschuldig rein und keusch,

Die göttliche Idee im jugendlichen Fleisch!

Doch ihre Brüste schon wie lichte Silberglocken,

Verschleiert Brust und Scham von rötlichblonden Locken!

Beschwöre sie mir nicht aus Vorzeit-Mütter-Raum,

Sie schwebt vor meinem Geist so schön im Morgentraum,

Ich sah sie, der Poet, des weisen Goethe Nachfahr,

Sie meine Nachbarin, ich meiner Göttin Nachbar!

Im Kampf verwundet ward der arme Menschensohn,

Da eilte schnell zu ihm der fromme Gottessohn,

Den letzten Trost ihm noch, Versöhnung zu ihm fächelnd,

Da lag der Menschensohn im letzten Atem röchelnd,

Da rief zum Vatergott der fromme Gottessohn:

Im Himmel Vater mein in deinem weißen Thron,

Der Todesengel kommt, Gott Thanatos, der Bote,

Sprich, Vater, was erlöst den Menschensohn vom Tode?

War je ein Freund bereit zu sterben für den Freund?

War je ein Gott bereit zu sterben für den Feind?

Gottvater sprach zum Sohn: Die Menschensöhne sterben,

Du aber bist mein Sohn, dich setzt ich ein zum Erben,

Doch wähle selber du: Willst du im Paradies

Erlaben dich an Gott in Liebeswonnen süß,

Willst du vom Vatergott die Vaterwohnung erben,

Sohn, oder willst du gar als Stellvertreter sterben,

Unsterblich ist dein Geist, du bist ein Gottessohn,

Willst sterben dennoch du für Bruder Menschensohn?

Ich will es, Vater Gott, so sprach der Sohn zum Vater,

Der göttlichsten Person im griechischen Theater.

Zeus kraulte sich den Bart, im Blute noch ein Rausch:

Glückselig findet hier nun statt geheimer Tausch,

Der Gottessohn herab steigt in des Todes Hölle,

Ins Paradies geht ein der menschliche Geselle.

Für Kastor also starb mein Pollux, ohne Spott,

Drum preis ich Pollux auch als wahren Rettergott!



DAS ELEUSINISCHE MYSTERIUM


Versammeln wir uns nun, den Göttern uns zu weihen,

In einer Prozession, in einer frohen, freien,

Wir ziehen durch Athen an diesem ersten Tag.

O Hierophant, sag an des Festes Ordnung, sag,

Wie wir in diesem Fest an Feiertagen sieben

Die Muttergöttin und die Tochtergöttin lieben.

Der Tochtergöttin Preis, der Mädchengöttin jung,

Sie schwört dem großen Gott in der Begeisterung,

Jungfräulich bleibe sie und wähle nicht die Ehe,

Kein Mann als Bräutigam gelangt in ihre Nähe,

Als Göttin bleibt sie keusch, als Göttin unvermählt,

Jungfräulichkeit vor Gott die Mädchengöttin wählt.

Ein Mann als Ehemann war dieser Jungfrau gräulich,

Dem großen Gott allein sie wollte sein jungfräulich.

Jetzt kommt der zweite Tag. Wir baden in dem Meer,

Die Sünden waschen wir uns ab, befleckt nicht mehr

Von unsern Sünden all und unsern großen Schulden,

Der Muttergöttin wir, der Tochtergöttin hulden.

Wir fasten diesen Tag, denn die Enthaltsamkeit

Macht auf die Göttlichkeit zu hören uns bereit.

Die Dichter stimmen an die heiligen Gesänge,

Die Hymnen singen wir in ihres Metrums Strenge.

Die Mädchengöttin ja im unberührten Fleisch

Versprach dem großen Gott, sie bleibe Jungfrau keusch.

Der kleine Liebesgott jedoch, das lose Bübchen,

Der plante andres, denn er wollte, dass das Liebchen

Die Liebe trage noch hinab ins Totenreich.

Der Liebesgott mit Macht den Gott des Todes gleich

Verliebt macht, ach verliebt in jene Mädchengöttin:
Die Mädchengöttin sei des Totengottes Gattin!

Der Liebesgott darum den Pfeil vom Bogen schnellt:
Die Liebe herrsche auch im Reich der Unterwelt,

Die Mädchengöttin soll sich mit dem Gott der Schatten

Im Totenreiche noch als Ehegattin gatten.

Jetzt kommt der dritte Tag. Wir bringen Opfer dar,

Der Muttergöttin wir das Schweinefleisch sogar

Aufopfern und dazu wir opfern unsre Herzen

Der Mädchengöttin auf mit Freuden und mit Schmerzen,

Der Muttergöttin wir darbringen Schweinefleisch,

Die Herzen opfern wir der Mädchengöttin keusch.

Die Mädchengöttin war allein im grünen Garten,

Sie pflückte Blumen sich von ganz verschiednen Arten,

Sie pflückte Lilien sich und Rosen feucht von Tau

Und andre Blumen noch, die da cyanenblau.

Sie liebte Rosen weiß und Rosen auch die roten,

Da kam auf seinem Pferd heran der Gott der Toten,

Er raubte mit Gewalt die Mädchengöttin rein

Und führte sie ins Reich der Heimgegangnen ein,

Er wollte in dem Reich der Unterwelt voll Schatten

Der Mädchengöttin schön als Ehemann sich gatten.

Jetzt kommt der vierte Tag. Wir opfern nun den Wein,

Dem Weingott wir uns all mit goldnen Kelchen weihn:

O Weingott, unsern Geist mit deinem Wein berausche

Und unser altes Blut mit jungem Wein vertausche!

Der Muttergöttin Preis, die ihre Tochter sucht,

Die alle Götter in ganz Griechenland besucht,

Voll Schmerzen ist ihr Herz, in ihres Herzens Kammern

Ein großes Elend ist, ein Weinen und ein Jammern!

Wer macht das Herz mir still? Wer schenkt der Seele Ruh?

O Tochtergöttin, sprich, wo weilst du, Jungfrau du?

Ich eile durch die Welt, gleich einer alten Blinden,

Ich such dich überall! Wo werde ich dich finden?

O Tochtergöttin mein, mehr als ich selbst mir lieb!

Ein Zeichen gib mir doch, o Tochter, nur ein Piep!

Im Garten suche ich, bei Bäumen und bei Hecken,

Wo wolltest du dich denn vor der Mama verstecken?

Gib einen Strahl mir doch durch Wimpern deines Lichts,

Denn, Tochter, ohne dich die Mutter ist ein Nichts!

Jetzt kommt der fünfte Tag. Wir preisen Dioskuren,

Das Zwillingsgötterpaar! Den Knaben wir, den puren,

Wir liebevoll uns weihn, den Brüdern Helenas.

Wie Pollux doch im Schoß des Göttervaters saß!

Wir preisen beide euch, geliebte Zwillingsgötter,

Vor allem Pollux, der gepriesen wird als Retter!

Die Muttergöttin nun in einem Hause weilt,

Wo sie des Hauses Sohn mit Mutterliebe heilt.

Die Muttergöttin lebt im Haus wie eine Amme

Und labt des Hauses Sohn mit ihrer Liebesflamme.

Es hat des Hauses Sohn an seiner Amme Lust,

Sie spendet ihm die Milch aus ihrer vollen Brust.

Milanion so einst die weiße Brust erkannte

Der jungen Jägerin, der schnellen Atalante.

Jetzt kommt der sechste Tag. Und alle pilgern nun

Zum Heiligtume von Eleusis, dort zu tun,

Wie das Gesetz verlangt. Wir opfern dort dem Weingott,

Der gegenwärtig ist und ist nicht nur ein Scheingott,

Nein, wirklich glüht für uns im Wein das Höchste Gut,

Im Weine wirklich wir betrinken uns an Blut!

Wir weihen uns zuerst der großen Muttergöttin

Und weihen uns zugleich der lieben Mädchengöttin,

Die Muttergöttin ist der Mädchengöttin eins,

Wir weihn der Einheit uns des liebenden Vereins.

Jedoch im Totenreich, der Unterwelt der Toten,

Die Mädchengöttin aß nicht von den Götterbroten,

Von der Granatfrucht sie sich sieben Samen nahm,

Der Same dieser Frucht auf ihre Lippen kam,

Von der geheimen Frucht die Unschuld ist verdorben,

Die Mädchengöttin ist im Totenreich gestorben!

Jetzt kommt der siebte Tag, der Wichtigste im Fest,

Weil nun die Trauer uns, der Kummer uns verlässt,

An diesem siebten Tag, dem ruhevollen Heute

Kommt neue Freude auf, ganz jugendliche Freude,

Bei dem geheimen Trank, nach Fasten streng und rein,

Bei dem geheimen Trank, bei dem Mysterienwein

Das Finden preisen wir nach all dem langen Suchen,

Die Muttergöttin muß nicht mehr dem Tode fluchen,

Die Muttergöttin fand die Mädchengöttin neu.

O Muttergöttin, dich an deinem Mädchen freu,

Es kehrte wieder nun das liebe Kind ins Leben,

Der Muttergöttin hoch vor Glück die Brüste beben,

Der Mädchengöttin auch vor neuer Lebenslust

Die Brüste hüpfen schnell, es jubiliert die Brust!

O Mädchengöttin, dich im Leben so zu sehen!

Es ließ der große Gott die Jungfrau auferstehen!



SATIRE


Zum Hören nur verdammt? Und sollte ich nicht richten,

Muß Cordus mir zur Qual von König Theseus dichten?

Singt einer straflos mir nur Elegien, ach,

Komödien dichtend der und der singt Telemach

Und raubt mir meine Zeit! Orest im Wahnsinn schildert

Der, hat auch schon sein Buch mit Furien bebildert.

Was andern ist ihr Haus, ist mir der Hain des Mars,

Die Höhle des Vulkan, der Gast dort war, ich wars.

Wie Zephyr bläst, Gericht hält Minos unsern Ahnen,

Wer stahl das goldne Vlies, wer kämpfte mit Titanen,

Davon erzittern die Platanen, o mein Fürst,

Es bricht die Marmorwand, die starke Säule birst

Von Schall und Echohall unsterblicher Propheten.

Die gleiche Leier stets, ihr törichten Poeten?

Als Schüler zog auch ich die Hand zurück vorm Stock

Und gab im Aufsatz auch dem Herrn im Purpurrock

Den Rat: Privatmann sollst du werden, ruhig schlafen.

Das wäre Torheit ja, das müssten Götter strafen,

Zu schonen das Papier, wenn’s soviel Dichter gibt.

Warum gelüstet mich das Rennen so beliebt,

Das Rennen auf dem Feld, wo sich die Rose tümmeln

Des Mannes Luzius? Ich künd es allen Himmeln

Und tu auch euch es kund, sofern ihr seid bereit,

Zu hören auf mein Wort, bereit zu hören seid.

Wenn schlaff sich ein Eunuch beweibt mit geilen Frauen,

Wenn Mävia im Wald barbusig treibt die Sauen,

Wenn jener, der mir einst den dichten Bart rasiert,

Jetzt prahlend in der Stadt als Herr herumspaziert,

Crispinius, ein Knecht aus schlechtem Pöbelsamen,

Den Purpurmantel trägt kokett wie reiche Damen,

Wenn ihm am Finger glänzt der leichte Sommerring,

Weil in der Sonnenglut zu heiß ein andrer Ring,

Dann ist es wahrlich schwer, Satiren nicht zu schreiben.

Wer kann ertragen all das frevelhafte Treiben

Und hielte sich zurück, wenn er die Sünden sieht?

Der dicke Advocat an mir vorüberzieht,

Der Anwalt Matho, kaum passt er noch in den Wagen.

Dort kommt ein Denunziant, um Freunde zu verklagen,

Dem Adel, der schon fast vollkommen ruiniert,

Klaut er das letzte Geld, schnell wird der Schatz entführt.

Den fürchtet auch der Freund, wie Crassus, der vom Golde

Ihm gibt, Latinus, der ihm sendet junge Holde.

Wer dich vom Gehsteig stößt, verdiente sich im Bett,

Daß man im Testament bedachte ihn. Wie nett

Zum dritten Himmel führt, den Predigern zum Trotze,

Der steile Weg direkt durch alten Weibes Fotze!

Zwölf Teile jener erbt, elf jener, all der Glanz

Bemessen wird danach, wie herrlich war sein Schwanz!

So lass sie erben nur, erbleichen sie auch bange,

So wie ein andrer Mann, der trat auf eine Schlange,

Wie jener Mensch, der bangt, dass ihm das Wort versagt

Am Pulte von Lyon, er stottert ganz verzagt.

Mir lodert auf der Zorn, seh weichen ich Passanten

Vor einem reichen Mann, dem Erben seiner Tanten,

Der seinem Mündel hat das Erbe durchgebracht,

Die junge Nichte noch zur Hure hat gemacht.

Doch lässt man ihm das Geld, soll ihn die Welt nur hassen,

Gern trägt den Hass der Welt, wem man das Geld gelassen.

Verbannt ist zwar aus Rom der dicke Marius,

Doch schlemmt er fettes Fleisch mit schmatzendem Genuss.

Was schert ihn das Exil? Er lebt wie reiche Prinzen,

Doch ihrem Gelde nach laut jammern die Provinzen,

Ob die Provinz auch hat gesiegt in dem Prozess.

Und ach, das wär kein Stoff dem Dichter von Profeß,

Dem Jünger von Horaz, das Herz sich zu entladen?

Sing ich denn Herkules und seine Heldentaten,

Sing ich vom Labyrinth des Vaters Dädalus,

Sing ich den großen Fall des Sohnes Ikarus?

Ich singe, wie ein Mann zum Kuppler seiner Gattin

Geworden ist, wie sie als ihres Hausfreunds Göttin

Beerben kann galant den närrischen Galan,

Drum schnarcht im Sopha auch der Ehemann, der Hahn.

Ich sing den Mann, der Geld als Erbe hat gewonnen,

Das ihm im Lottospiel wie Wasser ist zerronnen.

Im neuen Wagen der auf allen Straßen prahlt,

Wo die Mätresse sitzt im Nebensitz und strahlt,

Wo die Mätresse strahlt wie scharlachrote Rosen,

Ich meine jenes Weib, das trägt gern Männerhosen.

Soll das Notizbuch ich nicht zücken alsogleich,

Seh in dem Wagen ich stiernackig fett und reich

Den, der das Testament gefälscht, sich selbst beschenkte?

Ist er denn der Mäzen, der Dichtern Gnade schenkte?

Er kam zu großem Glanz, er brauchte schließlich hier

Ein falsches Siegel nur zu stempeln aufs Papier.

Schau jene Dame dort, den Ehemann zu töten,

Sie mischt in seinen Kelch voll Wein das Gift von Kröten.

Die Schwestern lehrte sie, wie man um Gut und Hab

Im schwarzen Witwenflor den Gatten trägt zu Grab.

Die Tugend schätzt du hoch? Man schätzt den Reiz der Jugend,

Verhungern aber lässt man jämmerlich die Tugend.

Dem Lug und dem Betrug verdanken sie den Park,

Das edle Porzellan und was das Schlösschen barg.

Wie bleibst du ruhig, Herz, siehst du wie junge Bräute

Um Geld verkaufen schon den Kranz der Jungernhäute?



DIE KEUSCHE SUSANNE


Im großen Babylon Joachim lebt, dem Manne

Vermählt war eine Frau, die heilige Susanne,

Hilkias Tochter sie, sehr schön, voll Reverenz

Vor Gott, der Mächte Macht in höchster Transzendenz.

Die Eltern waren fromm, in ora et labora

Sie lebten allezeit nach dem Gesetz der Tora.

Susanne lernte so das göttliche Gebot,

Der Jungfrau Tora Weg vom Gotte Zebaoth.

Joachim war sehr reich. Er hatte einen Garten,

Da Blumen wuchsen bunt und Tulpen aller Arten,

Der lag bei seinem Haus, dem großen eignen Haus.

Der frommen Juden Schar ging darin ein und aus.

Gemeindeälteste tat die Gemeinde wählen

Zu richten übers Volk. Doch über diese Seelen

Sprach Gott: In Babylon verletzt ward das Gebot,

Man lebt dort gegen das Gesetz von Zebaoth.

Gemeindeälteste stolz von sich selber denken,

In Wahrheit meinen sie das Gottesvolk zu lenken,

Als kennten sie von Gott den wahren Gotteskult,

Doch leben ohne Scham in Sünde und in Schuld.

Die Männer traf man bei Joachim oft im Garten

Und abends in dem Haus, wo alle sich erwarten

Die Predigt und dazu den gottgeweihten Wein.

Susanne eines Tags im Mittagssonnenschein

Trat in den Garten ein, sie wollte dort bei ihren

Geliebten Tulpen still allein im Grün spazieren.

Die beiden Ältesten, die schauten da nach ihr,

Da stieg in ihrem Sinn herauf Begehr-Begier,

Es kochte auf das Blut, die heißen Augen rollten,

Susanne wollten sie, weil sie sie haben wollten

Verkehrte sich ihr Geist, sie dachten nicht an Gott,

Gott und die Reinheit war den beiden nur noch Spott,

Nur an Susanne noch und ihrer Reize Jugend

Die beiden dachten und verachteten die Tugend.

Sie waren aufgewühlt, es pochte in dem Herz,

Sie schwiegen beide doch vom wehen Liebesschmerz.

Doch beide wollten sie womöglich täglich gehen,

Susanne in dem Grün des Gartens anzusehen.

Und so verloren sie vor Wollust den Verstand,

Doch keiner seinem Freund die Wollust eingestand.

Der Ehe Heiligkeit und Keuschheit nicht mehr ehren

Die zwei, sie wollten nur noch mit der Frau verkehren.

Der eine sagte da zum Freund voll Listigkeit:
Komm, lass uns gehen jetzt, denn es ist Essenszeit.

Sie gingen beide fort, es trennten sich die beiden,

Wo ihre Wege sich am Kreuzweg nämlich scheiden,

Doch kehrten sie zurück, sie wollten wieder hier

Susanne wieder sehn! Voll brennender Begier

Nach dieser schönen Frau, der Tochter Zion Zierde,

Gestanden nun die zwei einander die Begierde.

Sie wurden einig sich, es sollt doch möglich sein,

Susanne einmal in dem Grün zu sehn allein.

So warteten die Zwei von heißer Wollust brünstig,

Ob naht ein Augenblick, der ihrer Wollust günstig.

Susanne eines Tags, es war die Sonne heiß,

Sie wollte baden die Gestalt des Leibes weiß,

Vom braunen Haar des Haupts hinab bis zu den Waden

Den makellosen Leib im keuschen Wasser baden.

Zwei Mädchen waren da als Mägde ihrer Frau

(Die eine Lea hieß, die Augen himmelblau).

Susanne wollte nicht aufs Bad mehr länger warten,

Die Badewanne stand im heißen Tulpengarten.

Es war ja keiner da, so dachte sie getrost.

Die beiden Ältesten begierlich und erbost

In einem Buschversteck im Garten sich versteckten.

Die Mädchen ihre Frau mit Wasserspritzern neckten,

Susanne lächelnd sprach zu Lea, schön wie Traum:

Bring mir das Badeöl, den Milch- und Honig-Schaum,

Die Glieder mit dem Öl vom Haupt bis zu den Waden

Will salben ich und will mich reinigen und baden,

So schließt das Gartentor, dass niemand kommt herein,

Wenn ich hier bade nackt, will ich alleine sein.

Die Mädchen lachend noch die Frau Susanne neckten

Und keine sah die Zwei, die sich im Busch versteckten.

Die Mädchen gingen fort. Die Ältesten, hervor

Gekommen aus dem Busch, sie sprachen: Da das Tor

Verschlossen ist, o Weib, sind wir allein im Garten,

Liebkosen wollen wir den Körper dir, den zarten,

Du bist so schlank und weiß, wir haben dich so lieb,

So treib es doch mit uns, erquicke unsern Trieb!




ZWEITER TEIL

HETÄRENBRIEFE




PHRYNE AN PRAXITELES


Fürchte dich nicht, du hast ein Werk voll herrlicher Wunder

Als ein Künstler vollbracht, wie es noch keiner vollbracht,

Als du deine Geliebte als Standbild im heiligen Haine

Aufgestellt. Ich steh neben der Cypria nun,

Neben dem Eros, den gleichfalls du gebildet aus Marmor,

Gönne mir den Ruhm. Denn wird dem Bildhauer Lob,

Lobt man seine Geliebte auch und hält sie für würdig,

Zwischen Göttern zu stehn. Eines nur fehlt mir noch, Freund,

Laß uns beieinander liegen im heiligen Haine,

Cypris und Eros, sie lieben den Liebesakt ja.



GLYKERA AN BACCHIS


Mein Menander geht nach Korinth, die Isthmischen Spiele

Anzuschauen. Ich weiß, was es bedeutet, den Mann

Auch nur kurze Zeit zu entbehren. Doch umstimmen kann ich

Meinen Menander nicht, der doch sonst gar nicht gern reist.

Wenn er kommt nach Korinth, so will ich empfehlen den Lieben

Deiner Obhut, ich will, dass du dich kümmerst um ihn.

Mein Menander weiß, wie eng wir beiden befreundet,

Doch ich bin sorgenvoll. Zwar als Hetäre du bist

Dennoch treu und keusch, Menander verliebt sich so leicht doch,

Er verliebt sich so schnell. Bacchis, bei deiner Gestalt

Würde selbst ein Weiberfeind schwach werden, sündigen wollen.

Daß er die Reise macht nur zu dem Isthmischen Spiel,

Nicht auch, Bacchis kennen zu lernen, kann ich nicht glauben.

Meine Eifersucht musst du mir, o Freundin, verzeihn.

Das wär nicht wenig, solch einen Buhlen wie diesen Menander

Zu verlieren. Und wenn ich ihn an Bacchis verlör,

Würde man mich von der Bühne des Theaters verspotten.

Kommt er aber zurück, wie er gegangen ist, nun,

Würde ich dir dankbar sein, meine Schwester-Hetäre.

Also lebe nun wohl! Cypria segne dich oft!



BACCHIS AN HYPERIDES


Wir Hetären sind dankbar, jede einzelne dankbar,

Wie auch Phryne es ist. Denn als Euthias, der Schuft,

Als Verkläger verklagt die überaus reizende Phryne,

War Gefahr nicht allein für die Verklagte, auch wir

Andern Hetären wurden alle verklagt von Euthias.

Wenn die Hetäre darf nicht von dem Liebhaber mehr

Geld empfangen, und wenn wir Geld empfangen vom Freier,

Gotteslästerer sind, wie der Verkläger gesagt,

Dann wärs besser, sich das eigene Leben zu nehmen,

Zu empfangen nie mehr einen Verliebten im Bett!

Nun aber müssen wir uns nicht mehr länger beklagen,

Weil Euthias so bös alle Hetären verklagt,

Nein, wir sind alle stolz auf das heilige Amt der Hetäre,

Hyperides denkt ja gut von dem heiligen Amt.

Alles Gute wünschen wir dir, du Anwalt der Frauen!

Du hast in Phryne dir eine geheiligte Frau

Zur liebreizenden Freundin gerettet, du Anwalt der Phryne,

Und uns willig gemacht, dir zu erweisen den Dank.

Anwalt, wenn du die Verteidigungsrede für Phryne

Schriftlich öffentlich machst, werden wir heiligen Fraun

Als verteidigte schöne Hetären ein Denkmal errichten

Dir zum ewigen Ruhm, wie es dem Anwalt gebührt.



BACCHIS AN PHRYNE


Als du bedrängt warst, Liebste, sorgte ich bang mich um Phryne,

Heute freue ich mich! Fort ist der schlechtere Mann,

Einen ehrlichen Freier hat meine Phryne gefunden!

Dir hat ja das Gericht, dir hat der Urteilsspruch ja

Große Ruhe gebracht in Athen und Griechenland, Phryne.

Und Euthias ist doch wahrlich genügend bestraft,

Muß er deinen reizenden Umgang nun missen. Aus Ärger

Ging Euthias zu weit. Aber vergiß du auch nicht,

Daß Euthias dich mehr liebt als Hyperides dich lieb hat.

Hyperides begehrt nun deine Dankbarkeit für

Seine Verteidigung, er beansprucht die Liebe für sich nun.

Aber Euthias ist, seit er verlor den Prozeß,

Heißer entflammt! Du kannst von ihm bald wieder erwarten

Bitten, seufzendes Flehn und einen Haufen von Gold.

Keiner soll schlecht doch denken von der schönen Hetäre,

Hyperides soll denken nicht, dass er ein Narr

War, als er dich verteidigte, wenn du Euthias nun wieder

Annimmst als Buhler im Bett! Und dass der Anwalt nicht denkt,

Seine Verteidigung vor Gericht wär ganz sinnlos gewesen,

Wenn nicht im Augenblick du vor den Richtern entblößt

Unterm hinabgerissenen Kleidchen die prächtigen Brüste!

Daß du das konntest genau in dem bestimmten Moment,

Hyperides allein, nur seine Verteidigungskünste,

Hatten es möglich gemacht, Richtern zu zeigen die Brust!



BACCHIS AN MYRRHINE


O bei Cypria, unserer angebeteten Göttin,

Niemals findest du doch einen besseren Mann

Als Euthias, an dessen Hals du hängst jetzt bezaubert,

Lebe du doch mit ihm, bis dass euch scheidet der Tod!

Unglückseliges närrisches Mädchen, so jung und so töricht,

Daß du mit solch einem Kerl selber dich ganz ruinierst!

Doch verlässt du dich auf deine Jugend und Schönheit?

Nun, es ist doch klar: Du wirst geliebt nur allein,

Weil er der schönen Phryne überdrüssig geworden!

Hyrperides willst du ja nur ärgern, weil er

Sich noch weniger macht aus dir. Er liebt eine Freundin,

Die seiner wert ist, fürwahr, sie ist so lüstern wie er!

Du hast einen Liebhaber, angemessen der Närrin,

Jeder, was er verdient! Das ist der Liebe Gesetz.

Bitte Euthias nur um ein Geschenk, um ein Schmuckstück,

Gleich behauptet der Mann: Sie setzt den Hafen in Brand

Und versucht die Regierung zu stürzen rebellischen Aufruhrs!

Jedenfalls wisse dies: Alle in Cyprias Dienst,

Alle wir Hetären, die schönen Sklavinnen Cypris’,

Hassen von Herzen dich, törichtes lächelndes Kind!



THAIS AN THETALE


Nie hätt ich gedacht, dass ich mich verfeindete, Freundin,

Mit Euxippe! Wir waren Befreundete ja.

Ach ich will nicht sagen, was alles ich für sie getan hab,

Als sie aus Samos kam. Siehe, Pamphilos gab mir

Viele Geschenke, ich hab ihn abgewiesen, ich wusste,

Daß Euxippe ihn liebt, dass sie Pamphilos begehrt.

Das hat sie mir schlecht gelohnt, Megara zu Liebe.

Nein, das wundert mich nicht, dass nun Megara erzählt

Schlechtes von mir. Beim Fest wars, bei der nächtlichen Feier,

Ich verwunderte mich, wie doch Euxippe so stolz.

Kichernd saß sie mit der Freundin Megara zusammen,

Ließ mich fühlen, wie sie frostig mir abgeneigt war,

Trällerte Spottlieder über meinen Buhlen, den Freier,

Der sich um mich nicht mehr müht! Schließlich verspottete sie

Meine Schminke und mein Parfüm. So arm ist die Närrin,

Die keinen Spiegel besitzt, nämlich sonst wüsste sie wohl,

Wie sie hässlich geworden, dann würde sie mich nicht verlästern,

Ich sei nicht mehr schön. Cypris, ich bin doch noch schön!

Doch was kümmert mich das? Ich will den Freiern gefallen

Und den Äffinnen nicht, nimmer Euxippe und auch

Nimmer Megara, allein den Freiern will ich gefallen.

Doch ich sag dir das nicht, weil michs nach Rache verlangt,

Rächen soll mich Nemesis, ja, die Göttin der Rache

Räche mich so, dass es weh tut den befreundeten Fraun!




THAIS AN EUTYHDEMOS


Seit du dir in den Kopf gesetzt, Philosophe zu werden,

Bist du geworden stolz, ernst und erhaben, du gehst

Mit dem Buch in der Hand zur Akademie, um zu lernen,

Der du vorübergehst achtlos hier an meinem Haus,

So als hättest du nie gesehen mein Haus in dem Garten,

Du bist wirklich verrückt! Wer ist denn dieser Sophist,

Der euch die schönsten Reden hält in Strenge der Weisheit?

Ach, wie lange er schon deine Hetäre bedrängt!

Ja, er ruiniert sich auch mit der Zofe Herpylia.

Damals wies ich ihn ab, denn ich begehrte nur dich.

Weil er dich aber abspenstig macht deiner schönen Hetäre,

Soll mir dein weiser Sophist Ehre erweisen im Bett!

Dann will ich deinen Weisheitslehrer dir zeigen,

Wie er nachts in dem Bett nicht nur wie üblich mich liebt!

Nein, das ist doch nur leeres Geschwätz und Grillenfang, Dummkopf!

Meinst du denn, ein Sophist wär den Hetären nicht gleich?

Der Sophist will wie die Hetären ja Geld nur verdienen,

Doch wie viel ehrlicher ist doch so ein Weibchen im Bett!

Denn wir leugnen die Götter nicht, nicht die Göttin der Liebe,

Wenn der Freier beschwört Cypris vor unserem Bett!

Wir Hetären fordern nicht auf, mit der Schwester zu schlafen

Oder anderen Fraun. Schlaft doch mit uns nur allein!

Scheinen wir dir nicht weise zu sein wie die weisen Sophisten,

Weil wir nicht reden vom Liebesgesetz im Atom?

Ich hab auch mit Sophisten gesprochen, im Bett der Hetäre

Kein Sophist träumt davon, neue Verfassungen und

Staaten zu gründen und Könige einzusetzen im Staate,

Lieber saufen sie Wein, bis sie betrunken und wild,

Bleiben im Bette liegen, bis der Mittag heraufzieht.

In der Erziehung auch sind wir nicht weniger gut,

Du vergleiche Aspasia nur mit Sokrates einmal,

Denn Aspasia hat Perikles weise gemacht,

Sokrates aber machte nur einen Kritias weise.

Leg deine Torheit doch ab, diese Unfreundlichkeit ab!

Mein Geliebter, so schön deine Augen in Liebe erstrahlten,

Schau jetzt nicht finster drein, weise, doch übel vergnügt!

Komm zu deiner Geliebten, wir wollen trinken ein wenig

Und einander das Ziel zeigen des Lebens, die Lust!

Ja, die Lust ist das Höchste Gut! Ich philosophiere.

Unser Leben ist kurz. So hat es Gott uns verfügt.

Siehe du zu, dass du nicht das kurze Leben verschwendest

Mit Gelehrsamkeit, die Liebeslust drüber vergisst!



SIMALION AN PETALE


Wenn es dir Freude macht und den Ruhm erhöht bei den Freiern,

Daß ich ewig steh vor der verschlossenen Tür,

Deinen schönen Sklavinnen meine Leiden zu klagen,

Die du zum Trost mir geschickt, als du dich selber verwehrt,

Ja, dann ist es dein gutes Recht, mich so kalt zu verspotten!

Zwar es hilft mir nicht, aber doch wissen sollst du,

Was ich für dich empfinde, was nur wenige fühlten,

Würdest du so sie wie mich frostig behandeln und hart!

Ach, ich dachte, der ungemischte Wein aus dem Süden

Würde mir spenden den Trost, dran ich mich gestern berauscht,

Den mein Freund Euphronius mir geschenkt hat aus Freundschaft,

Aber, ach, in der Nacht weinte ich trunken vor Lust

Und bejammerte laut meine unbefriedigte Liebe!

Zu Gelächter und Spott wurde ich jedermann da!

Ach, ich habe dir doch einen Kranz geschenkt für die Locken

Und nun reißt du den Kranz dir aus den Haaren und wirfst

Mir ihn zu Füßen, so wenig achtest du meine Geschenke!

Wenn es dir Freude macht, labe dich an meinem Leid,

Weide dich an meinem Elend und Kummer der Liebe!

Wenn es dir gefällt, sag deinen Liebhabern doch,

Wie du mich elend machst, sie, die du begehrst zu beglücken,

Jetzt noch, aber bald machst du dann elend auch sie!

Flehe zu Cypria, flehe zur himmlischen Göttin der Liebe,

Daß sie dir gnädig sei, wende von dir ihren Zorn,

Daß sie dich nicht bestrafe für die Härte des Herzens!

Siehe, ein anderer Mann hätte gelästert, geflucht,

Ich aber bitte um Liebe, ich aber bettle um Liebe,

Daß ich nicht, elend gemacht, selber mir gebe den Tod!



PETALE AN SIMALION


Könnte eine Hetäre leben von nichts als von Tränen,

Wäre ich wahrlich reich, schenkst du doch Tränen genug!

Was ich brauche, ist Geld und Kleider, Sklavinnen, Goldschmuck,

Wie soll ich leben sonst einer Hetäre gemäß?

Ich hab keinen ererbten Landbesitz wie Myrrhine,

Sondern nur meinen Leib, sondern allein meinen Lohn,

Nur die Geschenke meiner unvernünftigen Freier.

Seit ich mit dir verkehr, Liebhaber, geht es mir schlecht!

Meine Haare sind ungesalbt, ich trage nur Lumpen,

Schämen muß ich mich vor meiner Freundinnen Schar.

Wovon soll ich leben, bleib ich deine Geliebte?

Ach du weinst, du weinst? Balde doch weinst du nicht mehr.

Aber ich, wenn keiner mir lohnt die Künste der Liebe,

Hunger leide ich dann, hab dann kein Fleisch in dem Topf.

Über deine Tränen doch muß ich mich wundern, Geliebter,

Aber sie rühren mich nicht! Hart bleibt mein Herz wie ein Stein!

Bei der Göttin Cypria, du behauptest zu lieben,

Daß du nicht mehr leben kannst ohne die reizende Frau.

Kann dir deine Mutter nicht schenken herrliche Kleider?

Gibt dir dein Vater Kredit, dir nicht das Erbe bereits?

Wie glückselig ist doch Philotis, die Grazien haben

Gnädig sie angeblickt, gaben zum Liebhaber ihr

Meneklides, der macht ihr täglich schöne Geschenke.

Lieber gib mir Gold, lieber als Tränen allein!

Hab ich einen Totengräber zum Liebhaber oder

Warum weinst du soviel? Schickst du mir nur einen Kranz

Lilien oder einen Rosenkranz wie auf ein Grabmal

Und behauptest, des nachts traurig zu weinen, so gib

Mir ein Geschenk und quäle dich bitte nicht länger,

Quäl auch mich nicht mehr mit deinem Selbstmitleid, Freund!



MYRRHINE AN NIKIPPE


Diphilos kümmert sich nicht mehr um mich, denkt nur an Thetale!

Beim Adonisfest kam er noch einmal zu mir,

Nur um mit mir zu schlafen! Doch unbeteiligt beim Akte

War er und ließ sich nur lieblich umschmeicheln von mir!

Jetzt ist mir klar, dass er nichts mehr mit mir zu tun haben möchte!

Seit drei Tagen schon feiert Thetale sein Lied.

Botschaften schick ich ihm, die ihm meine Sklavinnen bringen,

Aber alles half nichts, immer nur stolzer wird er.

Also sperr ich die Pforte zu und schicke den Buhlen

Von mir weg! Wenn er noch mal mich zu beschlafen begehrt,

Nur um seine Thetale eifersüchtig zu machen!

Hochmut wird gedämpft, wenn ich ihn nicht mehr beacht!

Sonst verwende ich stärkere medizinische Mittel!

Mir fehlt nicht nur sein Geld, sondern es ärgert mich auch,

Daß jetzt seine Thetale fröhlich über mich spottet!

Du kennst den Liebestrank, den du schon oftmals erprobt,

Solchen Liebestrank brauch ich jetzt, seine Trockenheit heilsam

Zu kurieren, dazu sei’s auch der Trunksucht ein Heil.

Denn will ich ihm eine Versöhnungsbotschaft zusenden,

Tränen vergieße ich dann, spiel eine Szene ihm vor:

Möge die schreckliche Rachegöttin ihr Aug auf dich richten,

Wenn du mich, die dich doch liebt, so verachtest, verschmähst!

Er wird kommen, allein nur sein Mitleid zu zeigen

Einer, die für ihn brennt, dann wird er sagen dazu,

Wie es schön sei, sich vergangner Zeit zu erinnern,

Wie wir zusammen sonst saßen zu Mittag beim Mahl.

O wie wird er sich aufblähen, dieser verlorene Sünder!

Freilich, der Liebestrank kann ihm auch bringen den Tod.

Aber was kümmert das mich? Für mich soll er entweder leben

Oder sterben den Tod für eine andere Braut!