von Josef Maria Mayer
„La Reine est morte – vive la Reine!
(Französisch)
„Aber ich selber, Königin,
Ich knie vor dir nieder,
Und huldgend, auf rotem Sammetkissen,
Überreiche ich dir
Das bisschen Verstand,
Das mir aus Mitleid noch gelassen hat
Deine Vorgängerin im Reich.“
(Heine, Die Nordsee)
ERSTER AKT
THAIS
ERSTE SZENE
(Vor der Eremitenzelle des Paphnutius.)
KNABE
Warum so traurig, Vater? Sonst so heiter!
PAPHNUTIUS
Das Herz voll Leid – das Antlitz voller Trauer!
KNABE
Was für ein Schmerz in deinem Herzen, Vater?
PAPHNUTIUS
Beleidigt wird der liebe Gott, der Herr!
KNABE
Wer denn beleidigt Gott, den lieben Gott?
PAPHNUTIUS
Die Kreatur, das Ebenbild des Schöpfers.
KNABE
Erschrecken muß ich da, es ist entsetzlich!
PAPHNUTIUS
Unnahbar Gottes Höchste Majestät,
Wer kann beleidigen der großen Gott?
Und doch beleidigt ihn der Mikrokosmos,
Ihn, Gott, der lenkt die Sonnen und Planeten!
Das Universum dient in Demut Gott!
KNABE
Was ist der Mikrokosmos, den du meinst?
PAPHNUTIUS
Der Mikrokosmos ist das Menschenkind.
Natur ist aus dem Streit der Elemente,
Gott schafft die Harmonie der Elemente.
Der Mensch ist nicht allein aus Elementen
Gebildet, sondern auch aus zwei Prinzipien,
Die feindlich gegenüber stehn einander.
KNABE
Was sind denn das für feindliche Prinzipien?
PAPHNUTIUS
Aus Stoff der Körper und aus Geist die Seele!
Die Elemente sind nur körperlich,
Der Leib nicht Geist, die Seele ist unsterblich.
Der Streit der Elemente macht den Kosmos,
Verschiedne Töne machen die Musik.
KNABE
Was ist das Wesen der Musik, mein Vater?
PAPHNUTIUS
Musik, das ist der Philosophen Weisheit,
Musik ist wie die Wissenschaft der Zahl,
Die Lehre von der Erde und den Sternen.
Musik kommt von Sophia, Gottes Weisheit!
KNABE
Ich wage nicht, nach Zahlenwissenschaft,
Erdkunde, Sternenwissenschaft zu fragen.
PAPHNUTIUS
Natur und Zahl und Kosmos zu studieren
Ist schwer und niemals kommt man an ein Ende.
KNABE
Doch rede von dem Wesen der Musik!
PAPHNUTIUS
Was fragen Eremiten nach Musik?
KNABE
Doch wissen möchte ich: Was ist Musik?
PAPHNUTIUS
Was meinst du mit Musik? Musik des Himmels?
Musik des Menschen? Die der Instrumente?
KNABE
Musik des Himmels? Vater, was ist das?
PAPHNUTIUS
Musik des Himmels wird gemacht von sieben
Planeten, die da tönen die Oktave.
KNABE
Vermag ein Mensch zu hören die Musik?
PAPHNUTIUS
Pythagoras, der Philosoph, vernahm sie.
Ach, die Musik des Himmels ist so schön,
Wenn man nur Einen Ton von ihr vernimmt,
So will man sterben gleich vor höchster Wonne!
Doch der vulgäre Pöbel hört sie nicht,
Weil Gott der Schöpfer sie geheim verborgen.
KNABE
Und die Musik des Menschen, was ist das?
PAPHNUTIUS
Das sind nicht Töne nur, ist auch der Atem
Der Kehle und der Trommelschlag des Pulses,
Die Harmonie der Glieder eines Leibes.
KNABE
Doch hörte ich, das Kreuz, die Torheit Gottes,
Zuschanden macht die Weisheit dieser Welt.
PAPHNUTIUS
Ob du ein Tor bist oder bist ein Weiser,
Egal. Der Stolz nur macht den Weisen hässlich
Und unbeliebt bei Gott. Ansonsten du
In Demut strebe nach vollkommner Weisheit!
KNABE
Die Kunst und Weisheit diene Gottes Ruhm!
PAPHNUTIUS
Erkennt ein Mensch die Weisheit, wie die Weisheit
Regiert durch Göttlichkeit der Harmonie,
So wird er mehr noch lieben sie, Sophia!
KNABE
Wenn du Frau Weisheit liebst, warum so traurig?
PAPHNUTIUS
Ein strahlendschönes Weib ist hier sehr schamlos!
So herrlich ihre Frauenschönheit ist,
So sehr doch geht sie auf dem schlimmsten Irrweg!
KNABE
Ach, sage mir, wie heißt die schöne Frau?
PAPHNUTIUS
Die Frau heißt Thais oder auch Thaisis,
Weil sie der Göttin Isis zugehörig.
KNABE
Ach, die meinst du, die reizende Hetäre!
PAHNUTIUS
Sie selbst, Thaisis voller Reiz und Sünde!
KNABE
Dass sie verdorben ist, ist kein Geheimnis.
PAPHNUTIUS
Sie zieht die Welt der Männer ins Verderben!
Ihr Schönheitszauber stiftet nichts als Sünde!
KNABE
Sie stiftet nichts als Unglück über Unglück!
PAPHNUTIUS
Wer ward nicht arm, die Hure zu beschenken?
Erblindet durch die Macht der Leidenschaft,
Die besten Männer streiten miteinander,
Wer sie am häufigsten besuchen darf.
KNABE
Das ist fürwahr ein Grund zur Traurigkeit.
PAPHNUTIUS
Wenn ich als geiler Freier mich verkleide
Und gehe so zur reizenden Thaisis,
Ob ich sie dann bekehren kann zu Jesus?
KNABE
Gott gab dir die Idee in deinen Geist,
Gott gebe Kraft dir auch zum Liebeswerk!
PAPHNUTIUS
Du aber bete für mich zu dem Herrn,
Daß mich die Schlange nicht versucht zur Sünde!
KNABE
Herr Jesus Christus warf den Satan nieder,
Herr Jesus Christus wirft auch Lilith nieder!
ZWEITE SZENE
(Das Haus der Thais. Paphnutius davor.)
PAPHNUTIUS
(draußen vor dem Haus)
O Thais! Bist du da? Ich suche dich!
THAIS
Wer bist du? Welcher Fremde fragt nach mir?
PAPHNUTIUS
Ich bin dir zugetan in großer Liebe!
THAIS
(lässt ihn ein)
Wer mir sein Herz mit Ganzhingabe schenkt,
Dem schenk ich meiner schönen Liebe Gunst!
PAPHNUTIUS
Thaisis, ach, wie weit bin ich gewandert,
Zu hören deine glockensüße Stimme,
Um deine Antlitz-Anmut zu genießen!
THAIS
Verschleiern will ich nicht mein Angesicht,
Willst du mit mir mit Lippenplaudern schwatzen.
PAPHNUTIUS
Geheimnis seien unsere Gespräche,
Geheim sei unserer Gespräche Ort.
(Sie gehen zusammen ins Schlafgemach der Thaisis.)
THAIS
Mein Schlafgemach! Gemütlich ist es hier.
PAPHNUTIUS
Noch ein geheimnisvolleres Gemach...
THAIS
Geheimnisvoller als mein Schlafgemach
Ist nur der Ort, den nur mein Schöpfer kennt...
PAPHNUTIUS
Dein Schöpfer? Welchen Gott nennst du den Schöpfer?
THAIS
Den wahren Gott, den Vater Jesu Christi!
PAPHNUTIUS
Ah, du kennst Jesus Christus, unsern Heiland,
Und führst so manche Seele in die Sünde?
THAIS
Wie kann ich mich versöhnen mit dem Vater?
PAPHNUTIUS
Betrachte innerlich dein Wahres Selbst!
Bereue alle Sünden deines Lebens!
Du ändre deinen Sinn! Sei nicht mehr Thais,
Nach Wollust lüstern und nach Schmuck und Seide!
THAIS
Herr Jesus mache mich zur Neuen Thais!
Herr! Mache mich zur Heiligen Thaisis!
ZWEITER AKT
ESTHER
ERSTE SZENE
XERXES
Wir, Unsre Majestät der Herr und Kaiser,
Wir wollen feiern mit den sieben Fürsten.
Kommt, meine Fürsten, kommt von fernen Ländern,
Komm, Fürst der Skythen, aus dem Haschisch-Zelt,
Komm, Fürst aus dem platonischen Athen,
Komm, Fürst der Großen Mutter India,
Komm, Fürst vom weisheitsvollen Reich der Mitte,
Komm, Fürst vom Reich der Königin von Saba,
Komm, Fürst der Schwarzen Mutter Afrika,
Komm, Fürst von dem versunkenen Atlantis,
Kommt, Fürsten, trinkt mit mir vom roten Wein!
Ein Gott wohnt doch im Heiligtum des Weines,
Der inspiriert uns wie der Geist der Götter!
Schaut meinen Boden an von schwarzem Marmor
Und die türkisen-samtnen Ruhelager,
Ein Diwan weiser Trinker soll sich lagern,
Und schaut die Säulen an von Alabaster
Und schaut die Äpfel der Granaten an
Und goldnen Glöckchen zwischen den Granaten
Und schaut die Perlenschnüre, Rosenkränze
Und Mandelblütenkelche, Lilienknäufe
Und schaut das Brot in seiner goldnen Schale!
Mit Gnaden werde ich euch überschütten,
Mit Gnaden! Fragt ihr euch: Mit welcher Gnade?
Mit Gnaden unaussprechlich-schöner Schönheit!
Die Allerschönste aller schönen Frauen
Sollt ihr mit diesen euren Augen sehen!
O Vashti, meine hohe Königin,
Mit deiner Schönheit blende meine Fürsten!
Geh, Page, melde meiner Königin,
Sie soll sich offenbaren meinen Trinkern!
ZWEITE SZENE
PAGE
O Vashti, hoheitvolle Königin,
Der Kaiser selbst verlangt nach deiner Schönheit,
Denn prahlen möchte er vor seinen Fürsten,
Welch eine Schönheit ihm zur Seite steht!
VASHTI
Ja, ich bin schön! Ich sorge mich auch sehr
Um meines Körpers makellose Schönheit.
Ich selbst bin meiner Schönheit Schöpferin
Und halte mich für eine Menschengöttin.
Der Kaiser bettle nur um meine Liebe,
Ich bin nicht, bin nicht die, die sich ihm schenkt.
Es mögen andre Frauen Demut üben
Und Magd des Königs sein, doch ich bin stolz!
Von Gott nicht will ich meine Kraft empfangen,
Ich selbst bin Gott, mein Gott ist meine Seele.
Soll doch der Kaiser betteln um die Liebe,
Verloren ist, wer Menschenliebe sucht!
Kein Mensch kann einen Menschen jemals lieben,
Wenn dieser Mensch sich selbst nicht lieben will.
Ich aber will mich selbst vor allem lieben,
Dann brauch ich keine Liebe eines Gottes,
Dann brauch ich keine Liebe eines Menschen.
Ich schaffe selbst mir meine eigne Welt,
Bin Schöpferin der Welt, die mich umgibt,
Denn weil die Welt ist Ausdruck meiner Seele,
Begegnet in der Welt mir meine Seele.
Wenn meine Seele nun sich selber liebt,
Begegnet in der Welt mir nichts als Liebe.
Was soll ich lieben einen Gott im Himmel
Und warum soll ich meine Nächsten lieben?
Daß ich mich selber liebe, ist genug!
Dann kommt durch mich die ganze Welt in Ordnung.
Der Kaiser muß sich selbst entscheiden, ob
Er Schöpfer oder Opfer möchte sein,
Ich jedenfalls will nicht ein Opfer sein,
Ich bin der Schöpfer meines eignen Lebens,
Denn meine Seele ist nicht Gott vereint
Als einem liebevollem Du, geliebt,
Nein, meine Seele ist mit Gott identisch.
Ich tu allein, was meine Seele will,
So tue ich den Willen meiner Gottheit.
Ich werde nicht zum Fest des Kaisers kommen,
Der Kaiser rechne nicht mit seiner Göttin,
Die Göttin feiert lieber andre Feiern,
Als sich vom Kaiser anzuhimmeln lassen.
Nein, ich verachte den verliebten Kaiser
Wie einen Wurm in seinem eignen Kot!
PAGE
O Vashti, Gott hat dich sehr schön erschaffen,
Ein großer Künstler ist doch Gott der Schöpfer,
Der deine Schönheit schuf so malerisch!
Man könnte nach der Schönheit deines Körpers
Astartes Statue aus Marmor machen.
Doch deine Seele ist total verhärtet,
Dein Herz ist hart und kalt wie Marmorstein.
VASHTI
Geh, Page, süßer Liebling deines Kaisers,
Ich mochte dich noch nie, serviler Sklave,
Sag ihm, er möchte mich in Ruhe lassen!
DRITTE SZENE
XERXES
Mein weiser greiser grauer Philosoph,
Was soll ich tun in dieser schweren Lage?
Ich bin verwirrt und weiß nicht was zu tun.
WEISER
Ich bin ganz still, du schütte aus dein Herz.
XERXES
Die Königin, die schöne Vashti, ist
So schön, ich schaue schon die Schönheit Gottes!
Die Schönheit Gottes schaue ich an Vashti,
Die Liebe schaue ich in meinem Pagen!
Die Schönheit Vashtis ist so wunderschön,
Ich betete sie an als meine Göttin!
Allmächtige Gebieterin, o Göttin,
Erbarme dich des ärmsten deiner Sklaven!
So hab ich ihre Schönheit angebetet.
Vergöttlicht so man aber einen Menschen,
Ein Weib, so ist das nichts als Götzendienst.
Sie ist doch meiner Huldigung nicht wert,
Zwar ist sie schön, doch ist sie seelenlos!
In ihrer Jugend voller Reiz und Anmut,
Da war sie fromme Gottessucherin,
Jetzt hat sie sich dem Bösen zugewandt
Und übergab die Seele Ahriman!
Sie-Teufel wurde meine schöne Vashti,
Bluttränen weine ich in meinem Herzen!
Wenn Perser schon Verbrecher kreuzigen,
So Vashti kreuzigt den verliebten Kaiser!
WEISER
Verbrecherkreuze gibt es für Verbrecher,
Die unserm guten Gotte wohlgefällig,
Doch andre Kreuze hasst der gute Gott,
Die Kreuze nämlich, wenn ein guter Mann
Verliebt ist in ein böses Weib und leidet,
Von diesem Leiden will ihn Gott erlösen!
XERXES
Ich hatte einen Tagtraum eines Mittags,
Ich sah die jugendliche Hoffnungsgöttin
Als Frau, bekleidet mit dem Sonnenlichte,
Sie goss aus ihren Händen Gnadenstrahlen
Hernieder auf ein junges schönes Mädchen.
WEISER
Die Göttin inkarniert in einer Frau
Für einen Tag, vielleicht für sieben Jahre,
Vielleicht für vierzehn Jahre auch, doch dann
Die Göttin kehrt zurück in ihren Himmel.
Die arme Frau in ihrer Sterblichkeit,
Verlassen von der Göttin, wird verlassen
Vom Liebesdiener, der sie angebetet.
Die Göttin aber kehrt zurück zur Erde
Und wählt erneut die Stellvertreterin,
Die immerjunge Göttin neu erscheint
In einer neuen Stellvertreterin.
XERXES
So will ich achten auf ein Wunderzeichen,
Wo sich nun inkarniert die junge Göttin.
WEISER
Dein Reich erstreckt sich ja von Mutter Ganga
Zum Gelben Vater Nilus in Ägypten,
Da lade alle jungen Mädchen ein,
Die ausgezeichnet süß und reizend sind,
Und wähle dann das schönste Mädchen aus,
Die deine neue Menschengöttin wird.
XERXES
Nun ist mir schon nicht mehr so schwer ums Herz.
WEISER
So gebe ich dir Unsrer Göttin Segen!
VIERTE SZENE
MARDOCHAI
Hadassa, meine junge schöne Nichte,
Verachtet wird der Jude doch von allen!
Der Jude, Gottes auserwählter Sohn,
Gott legt ihm seine Worte in den Mund,
Der Jude murmelt Gottes Worte immer
Und all sein Denken kreist allein um Gott,
Nichts andres interessiert ihn als die Gottheit,
Der überall in Gottes schöner Schöpfung
Die Gegenwart der Liebe Gottes sieht,
Der Jude wird verachtet von der Welt!
Die Menschen dieser Welt verachten ihn
Und bauen um die Herzen harte Mauern,
Die Stirnen machen sie zu Kieselsteinen,
Verstopfen sich die Ohren, diese Heiden
Sind wie die Kobra, die das Ohr verschließt,
Daß sie nicht hört die Stimme des Beschwörers,
Des gottgelehrten Schlangenflüsterers.
ESTHER
Bei Gott, mein lieber Onkel Mardochai,
Der du den Namen trägst des Gottes Marduk,
Ich aber, Esther, heiße Morgenstern,
Die ich den Namen trag der Göttin Ishtar,
Wir sind benannt nach Gott und Gott ist mit uns!
Wenn Gott der Herr auf unsrer Seite ist,
Was sollen wir den Hass der Menschen fürchten?
MARDOCHAI
Die Menschen hassen uns, in Wahrheit aber
Sie hassen Gott, den Gott, den sie nicht kennen!
Gott ist so groß, ist größer als das Weltall,
Gott hält im Innersten die Welt zusammen,
Zu diesem großen Gotte sag ich Du
Und Gott liebt mich noch mehr als ich mich liebe,
Ist mehr besorgt um all mein Gutes, Bestes,
Sorgt besser sich um mich als ich es könnte.
Wer diesen Gott erkennt mit seinem Herzen,
Den Gott der Liebe, der wird lieben Gott.
Die Menschen dieser Welt jedoch ersinnen
Sich einen Götzen voller Grausamkeit
Und hassen dann den Götzen ihres Herzens.
ESTHER
Wenn wir uns nun zu unserm Gott bekennen,
Verstehen unsern Gott die Heiden nicht,
Sie hassen Gott und hassen darum uns.
Sei aber nicht besorgt, mein lieber Onkel,
Wenn Gottes Feinde hassen unsern Gott,
So ist es Gottes Freunden eine Ehre,
Wenn Gottes Feinde hassen Gottes Freunde,
So werden wir vereinigt unserm Gott.
MARDOCHAI
Wie aber soll ich meine Feinde lieben?
Wie jene lieben, die mich so verachten?
ESTHER
Ich liebe brennend dich von ganzem Herzen!
Komm, gottgeliebter Mann, lass dich umarmen!
Komm, ruhe du am Herzen deiner Esther!
An diesem Herzen ruh, dem Wohnort Gottes!
MARDOCHAI
In deinem langen weißen Seidenkleid
Stehst du vor mir als jugendliche Jungfrau,
Dein Angesicht voll Liebreiz und Entzücken,
Dein Blick voll Lächeln, voller lichter Liebe,
Dein rotes Mündchen honigsüß und kusslich!
ESTHER
Ich liebe dich! Du darfst mich küssen, Onkel!
MARDOCHAI
Und wenn du groß bist, o Prinzessin Gottes,
Dann nehm ich dich zu meiner Ehefrau.
FÜNFTE SZENE
EUNUCH
O all ihr wunderschönen Haremsdamen!
So nun vernehmt ihr das Gebot des Königs,
Denn salben sollt ihr euch mit Salbungsölen
Und schmücken euch mit allen Schönheitsmitteln,
Mit Augenschminke und mit Lippenschminke,
Und kleiden euch mit euern schönsten Kleidern.
Wenn eine Frau ein halbes Jahr gesalbt ward
Mit der zerriebnen Myrrhe süßen Duft
Und noch ein halbes Jahr gesalbt ward dann,
Gesalbt ward mit den triefenden Balsamen,
Dann ziehe sie die schönsten Kleider an
Und schmücke sich mit allerschönstem Schmuck,
So führt sie der Eunuch zur Königshalle.
Aus diesem Harem jede Frau erscheint
Für eine Nacht vorm Thron des großen Königs,
Wenn er sie nicht erwählt als seine Braut,
Muß sie zurück ins Haus des Frauenharems
Und lebt fortan im Frauenhaus allein
Mit andern Frauen unter Schwatz und Plaudern,
Mit dem Eunuchen und dem Papageien.
Nur wenn der König einst in einer Laune
Verlangt nach einer von den Haremsdamen
Und sie mit ihrem Namen zu sich ruft,
So eile sie sogleich auf seinen Ruf
Und gebe ihre Schönheit willig hin.
HAREMSDAMEN IM CHOR
Wir sind die schönsten Frauen aller Welt,
Die Inderinnen und Chinesinnen,
Die Perserinnen und Tschirkassierinnen,
Araberinnen, Afrikanerinnen,
Der Chor der schönsten Frauen dieser Welt,
Wir präsentieren uns in unsrer Schönheit,
Auf dass der König aller Könige
Die schönste Frau der ganzen Menschheit wähle,
Die auserwählte Frau des Universums!
EUNUCH
Du junges schönes sanftgemutes Mädchen,
Du keusche Jungfrau Ishtar oder Esther,
Du Morgenstern, du Schönste aller Sterne,
Heut ist dein Tag, du trittst vor deinen König.
Gesalbt bist du mit Myrrhe der Passion,
Gesalbt mit den Balsamen allen Trostes,
Nun kleide dich mit deinem schönsten Kleide
Und lächelnd tritt vor deinen Herrn und König.
ESTHER
Mein lieber Vater Hege, du Eunuch
Des Himmelreiches, Kenner aller Frauen,
Ich bin ein Mädchen noch in aller Unschuld
Und weiß nichts von Verführungskunst der Frauen,
Sag du mir, welches Kleid ich tragen soll.
EUNUCH
Die andern Weiber tragen Reizgewänder,
Halbnackt gehen sie in transparenter Seide,
Du trage lieber doch ein keusches Kleid,
Verhülle deine jugendlichen Reize
Mit einem schwarzen Kleid im keuschen Schnitt,
Laß leuchten deines Angesichtes Schönheit,
Laß lächelnd strahlen deine Himmelsaugen
Und grüße liebreich mit dem roten Mündchen!
SECHSTE SZENE
ESTHER
Begleitet mich, ihr meine beiden Mägde,
Ihr schönen Dirnen aus dem Haremshause.
Du Dirne mit den langen schwarzen Haaren,
An deine Schulter lehn ich meine Schulter.
Du Dirne mit der Majestät von Busen,
Du sollst mir halten meines Rockes Schwanz.
Die Glocken läuten schon im Tempel Gottes,
Ich schreite meinem König jetzt entgegen.
Ich habe Furcht und Zittern vor dem Kaiser
Und lieb von ganzem Herzen doch den Kaiser.
KAISER
Komm, meine Braut vom Frauenhaus aus Susa,
Du sollst mir werden meine Königin!
ESTHER
Mein Kaiser, strahlend wie ein Engel Gottes,
Der Engel von dem Angesicht des Herrn
Erscheinst du mir, ich falle fast in Ohnmacht!
Wer schaute jemals solche Herrlichkeit
Und ist gestorben nicht vor großer Wonne?
KAISER
Die Gnade fand in meinen Augen, Mädchen,
Hab keine Angst vor deinem Herrn und König,
Ich bin ein Menschensohn, ich bin dein Bruder,
Die Spitze meines Zepters reich ich dir,
Berühre du die Spitze meines Zepters!
ESTHER
Laß küssen mich die Spitze deines Zepters!
KAISER
Begehre was du willst, o Königin!
Was ist das zwischen dir und mir, Geliebte?
CHOR
Gestorben ist die alte Königin,
Lang lebe unsre Neue Königin!
DRITTER AKT
EUCHARIS
ERSTE SZENE
ESK
Ah weh, ah wehe mir! Die dunkle Nacht
Verfinstert schmerzlich meine arme Seele!
Wie ist doch meine Seele voller Schmerzen
Aufs Blut gepeinigt von des Lebens Geißeln,
Wie ungerecht die Macht des Todes herrscht
Und mich versucht der Dämon der Verzweiflung!
Kein Trost! Nichts als allein das nackte Kreuz!
PAPST JOSEF
(Von seinem Balkon)
Heut ist der Tag der Makellosen Jungfrau,
Der Makellosen Konzeption Maria,
Das Mädchen ist der Gottesschönheit Spiegel,
Allein die Schönheit kann die Welt noch retten!
ESK
Das Licht geht auf, die Sonne scheint am Himmel,
Die Sonne leuchtet im Zenit des Himmels,
Was sehe ich? Ich sehe eine Frau,
Ich sehe eine schöne schlanke Frau
In einem langen weißen Seidenkleid,
Mit einem weißen Schleier auf dem Haupt,
Der Schleier und das Kleid sind goldverziert,
Die Brust gegürtet ist mit goldnem Gürtel,
Sie breitet ihre Arme herzlich aus
Und von den schlanken weißen Händen strömt
Das Gnadenlicht der Gnadensonne Gottes,
So steht die Frau, bekleidet mit der Sonne,
Die Miterlöserin erscheint vor mir
Und schüttet Gottes Licht auf diese Erde.
DIE FRAU IN DER SONNE
Mein lieber Sohn, nun sieh das Neue Leben,
Das Gott dir zeigt, auf neue Art zu leben,
Ein Leben voller Herrlichkeit und Glanz,
Ein Leben solchen lächelnden Entzückens,
Daß du erfüllt von Freude wirst und Wonnen!
ESK
Die lichten Ströme von der Gnadensonne
In Überflüssen überfluten brennend
Die Erde, in dem goldenen Gewölk
Des Glanzes Gottes sehe ich ein Mädchen,
Ja, meine Nachbarin Eucharis ists!
Eucharis ist die Schönheit, die mich rettet,
Die Jugendschönheit, die die Erde rettet!
EUCHARIS
Gegrüßet seiest du, mein Nachbar Esk,
Der Friede Christi sei mit deinem Geist!
ESK
Und auch mit deinem Geist, o Kind Eucharis!
ZWEITE SZENE
(Kellertreppe)
ESK
Ich steige nun hinab die Kellertreppe,
Steig in den Kellerraum des Unbewussten.
Es muß die Niederfahrt zum Höllenpfuhl
Voran gehn einer steilen Himmelfahrt.
Was find ich in des Unbewussten Keller?
Wird mit der Fürst der Ratten hier begegnen?
Gott schuf so Schönes wie die Turteltaube,
Doch warum schuf der Herr die ekle Ratte?
Schuf etwa Luzifer als Demiurg
Die Hässlichkeit der nackten geilen Ratte?
Doch ich muß niedersteigen in die Hölle!
Ich weihe mich der Königin der Hölle,
Der Lieben Frau Proserpina-Maria!
Hier hab ich in dem Korb die alte Wäsche,
Befleckt die alte Wäsche von der Schuld,
Von Fett und Schleim und Kot der Daseinsschuld.
Ist denn das Dasein selbst schon eine Schuld
Und unser Sterben Buße nur und Sühne?
Ich will doch meine alte Wäsche waschen
Und muß hinunter in des Waschraums Beichtstuhl.
Das Lebenswasser wasche meine Wäsche
Und gebe neues reines weißes Linnen!
Hier also steh ich vor der Höllenpforte
Und lese angeschrieben an der Pforte
Das Wort: Du lasse alle Hoffnung fahren!
So öffne dich, du alte Todespforte,
Erbebe, Schwelle zu der Unterwelt,
Denn Esk durchschreitet jetzt des Todes Tor!
(Die Tür wird von innen geöffnet und Eucharis tritt hervor.)
EUCHARIS
Ich hatte meine römischen Sandalen
Gelassen in der alten Waschmaschine,
Hier sind sie wieder, meine Jesuslatschen.
(Ab.)
ESK
Wie schön sie ist! Wie aus der schwarzen Nacht
Des langen keuschen Kleides reiner Tugend
Die Morgenröte aufscheint ihrer Locken
Und wie vom Rosenrahmen ihrer Haare
Die Sonne ihres Angesichtes leuchtet
Mit himmlischen Saphiren lichter Augen!
Eucharis ist die Königin der Hölle
Und ist zugleich die Königin des Himmels,
Sie ist die Meisterin der dunklen Nacht,
Die Morgenröte einer neuen Zeit,
Die Gnadensonne wahren Christentums!
Sie ist die keusche Mädchengöttin Hoffnung,
Ich schaue, hoffend wider alle Hoffnung,
In diesem Mädchen an den Menschheitsfrühling!
DRITTE SZENE
ESK
Welch eine Gnade, liebes Kind Maria
Von Mexiko, dass du die Weihnacht feierst
Mit mir gemeinsam in dem deutschen Volk.
Wie schön du bist mit deinen vierzehn Jahren,
Mit deinem langen schwarzen Seidenhaar,
Mit deinen warmen braunen Augensternen,
Mit deinem südlichbraunen Angesicht.
Du gleichst der Indianita Morenita,
Gleichst Unsrer Lieben Frau von Guadelupe.
Ich trage allezeit ihr Bild bei mir,
Schau hier, das Urbild deiner Mädchenschönheit.
MARIA VON MEXIKO
O meine liebe junge Freundin Fanny,
Ich schenk dir goldnen Indianerschmuck,
So schmücke dich zur Ehre deines Schöpfers.
FANNY
Maria, du bist solch ein liebes Mädchen,
Dein warmes Auge hat mein Herz erobert.
FANNYS VATER
Maria, die du bist aus Rom gekommen,
Ich sah auf dem Balkon des Vatikan
Papst Josef, neben ihm standst du, Maria,
Ich sah den weisen Greis im weißen Haar
Und neben ihm das junge braune Mädchen.
MARIA
Papst Josef ist geboren von der Schwarzen
Madonna von Altötting, seinen Ring
Gab er der Schwarzen Muttergottes Finger.
ESK
Wie schön du bist geschmückt, o Kind Maria,
Wie schön am Handgelenk der Rosenkranz,
Am Hals Mariens Wundermedaillon,
Am Ohr die kleine Perle der Madonna,
Am Finger einen Ring der reinen Jungfrau.
Wie heilig ist dein goldner Schmuck, Maria,
Du schmückst dich nicht aus böser Lust an Unzucht,
Du schmückst dich zu dem Wohlgefallen Gottes
Und Gott gab dir unendlich schönen Liebreiz!
MARIA
Du lieber Esk, du bist ein lieber Mann,
Begehrenswerter Mann, Mariens Schatz,
Ich schenk dir einen schönen Rosenkranz
Aus Mutter Rom, Papst Josef gab den Segen
Dem Rosenkranz aus roten Rosenblüten,
Papst Josef hier und hier der Papst Johannes,
Die Perlen duften süß wie Rosenöl,
Du bete jeden Tag den Rosenkranz!
ESK
Ich benedeie deinen schönen Leib,
Ich benedeie deine festen Brüste,
Ich benedeie deine braunen Arme,
Ich benedeie deine straffen Lenden,
Der Künstler bog sie wie Juwelenspangen!
VIERTE SZENE
ROSA MYSTICA
Schau her und siehe, was ich dir jetzt zeige!
ESK
Die Jungfrau schwebt herab vom hohen Himmel,
Sie trägt ein langes weißes Seidenkleid
Und einen weißen Schleier auf dem Haupt.
Auf ihrer rechten Brust die weiße Rose
Der sieben Freuden Unsrer Lieben Frau,
Auf ihrer linken Brust die goldne Rose
Der Gloria der Mater Gloriosa,
Im Tal der Brüste, diesem Doppelhügel,
Die rote Rose ihrer Liebesschmerzen,
In Blut und Glut erotischer Passion!
Ich weiß, es stören sich die Protestanten
An dieser Jungfrau mit den beiden Rosen
Auf ihren Brüsten, die sich liebend wölben,
Denn Protestanten scheint, dass diese Jungfrau
Ist eine Liebesgöttin aus dem Heidentum,
Ich aber liebe ihre Doppelbrüste
Und liebe auch das Tal der Doppelbrüste,
Da Gottes Eros wohnt als rote Rose,
Der Eros Gottes, der gekreuzigt ist!
ROSA MYSTICA
Ich komme jetzt herab die Himmelstreppe,
Du küsse brünstig jede Treppenstufe,
Die ich mit bloßen Füßen sanft berühre.
ESK
Ach noch den Schatten deiner bloßen Füße
Im Staube auf dem Stein der weißen Treppe
Bin ich nicht würdig, mit dem Mund zu küssen.
ROSA MYSTICA
Drei Stufen steige ich zu dir herab,
Steig aus der Herrlichkeit herab zur Gnade,
Steig von der Gnade nieder zur Natur.
Drei Stufen küsse du der Himmelsleiter,
Drei Küsse küsse du in Buß und Sühne.
ESK
Den Stein zu küssen, den dein Fuß berührte,
Ist fast als küsste ich den Mund der Gottheit!
ROSA MYSTICA
Ich werde jetzt mit meinem bloßen Fuß
Aus Mutter Erde eine Quelle schürfen,
Hier tauche ein die Kranken und die Kinder,
Ihr sollt die Kinder nicht im Schoße töten!
ESK
Oh, wie verwandelt sich die Jungfrau jetzt!
Statt eines langen weißen Seidenkleides
Seh ich sie jetzt in einem grünen Mantel,
Bestickt mit goldnen Sternenordnungen,
Und unter ihrem grünen Sternenmantel
Seh ich ein Hauchkleid, das bestickt mit Blüten,
Sie öffnet dieses hingehauchte Kleid
Und zeigt mir ihre makellosen Brüste,
Die Brüste, die der Gottmensch einst gesogen!
ROSA MYSTICA
Die weiße Rose meiner rechten Brust
Und goldne Rose meiner linken Brust
Berühre küssend du mit deinen Lippen,
Tu Sühne so für aller Sünder Sünden,
Die mir durchbohrt das liebevolle Herz!
Ja, deine Buß und deine Sühne sei,
An meinen hochgebenedeiten Brüsten
Zu saugen Milch der Mutterliebe Gottes!
FÜNFTE SZENE
TANTE
Ich stehe jetzt mit einem Bein im Grab
Und hab gelitten alle Leiden Hiobs
Und kann verzweifeln nur an meinem Gott,
Was musste ich auf Erden so sehr leiden,
Wie soll ich sagen: Gott, ich lobe dich!
ESK
Der Christus an dem Isenheimer Kreuz
Hat doch gelitten für die ganze Menschheit,
Weißt du denn nicht, o meine liebe Tante,
Daß du durch Leiden dir verdienst den Himmel?
TANTE
Bevor ich sterbe, ich mit meinem Herzen
Voll Heimweh und voll wunderlicher Schmerzen,
Will ich den Neffen noch als Gatten sehen.
Du aber wählst dir stets die falschen Frauen,
Nur schöne Frauen, die nicht Geist besitzen,
Die reizend sind, doch harte Herzen haben.
ESK
Ich bin romantisch, tauge nicht zur Ehe.
TANTE
Doch schau dir an die liebliche Eucharis,
Wie fromm sie betet bei der Kommunion,
Wie heiter sie, ein Inbegriff der Hoffnung,
Wie schön sie ist und voller Höflichkeit,
Voll Anmut ihres Leibes, ihrer Seele.
ESK
Ja, wenn Eucharis einmal mich besuchte
Und mir ein Wort voll schöner Liebe sagte!
Ich träumte jüngst, daß ich umging die Mutter
Dione, und Eucharis einen Brief schrieb,
Wie ich sie traf in ihrem Mädchenzimmer.
TANTE
So ist es gut. Ich gehe jetzt zu Gott.
MADONNA
Mein Esk, mein vielgeliebter Schatz, Begehrter,
Berufener, mein andrer keuscher Josef,
Eucharis sollst du nicht zur Gattin nehmen!
ESK
Ich liebte viele Frauen schon auf Erden,
Fand statt der roten Rosen nichts als Dornen!
MADONNA
Dies ist so, weil ich dich erwählt zum Gatten,
Ich möchte dich für mich alleine haben,
Ich will, dass du mit mir vereinigt wirst,
Ich lade dich in meinen keuschen Schoß ein...
ESK
Jetzt hab ich ein Gesicht! Ich seh den Engel
Dich grüßen: Chaire kecharitomene!
Du stehst vorm Bett im blauen Linnenkleid
Und deine rötlichblonden Locken wallen,
Da sehe ich dein Bett, das breite Lager,
Ein rotes Laken ist darauf gespannt,
Drauf liegen rote Decken, rote Kissen.
MADONNA
Im Himmel lade ich dich in mein Bett,
Wenn du auf Erden lebst als Junggeselle.
ESK
Madonna schwebte wieder in den Himmel.
Mein Page du, mein zweites Jesuskind,
Du tröste mich mit deiner süßen Liebe!
PAGE
Hier hab ich eine Schale voller Gras
Und voller Moos und voller weißer Kiesel,
Es ist ein kleines Gartenparadies,
Der Garten Eden ists, Marias Bett,
Maria liebt dich einst im Garten Eden!
SECHSTE SZENE
ESK
O Venus Medici, du Allerschönste,
In meiner Jugend trug ich die Ikone
Der Venus Medici an meinem Herzen
Und wählte dich zu meinem Ideal,
Ob mir auch damals schien, ein hübsches Mädel
Sei dir aus dem Gesicht geschnitten, Göttin,
Das Mädel aber wurde alt und welk,
Du bist noch immer schön und reizend, Jungfrau!
VENUS MEDICI
Als einst mein Minnediener Botticelli
Die wunderschöne Simonetta schaute,
Die Schwester von Amerika, die Fürstin
Der Medici, da malte er mein Bild.
Die schöne Simonetta ist gestorben
An Schwindsucht, sie ging auch den Weg des Fleisches.
Mein Bild jedoch, das weitberühmte Bild,
Verehrt wird auch noch an der Mauer Chinas.
ESK
Von welchem Himmel hast du deine Schönheit?
VENUS MEDICI
Ich hab sie aus dem Himmel der Ideen.
Im Platonismus kommt die Anima
Vom Himmel, wird gehaucht von Gottes Geist,
Hier dargestellt als Zephyrus und Aura,
So kommt die Anima zur Mutter Erde,
Die Mutter Erde breitet ihre Arme
Und gibt der Anima den Stoff des Mantels,
Ein schönes Kleid aus Nichts als Blumenduft.
ESK
So, Göttliche, bist du die Anima!
VENUS MEDICI
Mein Liebster, bist du sehend oder blind?
Siehst du die Anima als Schönheitsgöttin
Spazieren in dem Liebreiz reiner Jugend
In deiner Nachbarschaft? Ist nicht Eucharis
Der makellosen Göttin Ebenbild?
Eucharis ist die Göttin von der Göttin,
Eucharis ist der Lichtglanz von dem Lichtglanz!
So trage meine heilige Ikone
Zu ihrem Haus und diene deiner Göttin,
Indem du dies mein Bild Eucharis schenkst.
ESK
Dein Wunsch ist mir Befehl, o Makellose!
(Er klingelt an der Tür der Eucharis)
EUCHARIS
Womit kann ich dir dienen, lieber Nachbar?
ESK
Schau diese heilige Ikone an
Und sage mir: Erkennst du Gottes Schönheit?
EUCHARIS
Ja, Gottes Schönheit, meine Zwillingsschwester,
Aus Einem Schwanen-Ei die Zwillingsschwester!
ESK
Du bist fürwahr der Göttin Zwillingsschwester
Und Huldigung entrichte ich der Göttin,
Indem ich Huldigung entrichte dir,
Der königlichen Anima aus Gott,
Du gottgehauchte Göttin Anima!
EUCHARIS
Ich stell die heilige Ikone auf
Bei dem Altar in meinem Schlafgemach.
SIEBENTE SZENE
ESK
So kommst du eben von der Katechese?
Was aber denkst du von der Kommunion?
EUCHARIS
So wie ein Vater seinem Sohne gibt
Das weiße Brötchen und die süßen Trauben
Und ihm nicht Brötchen nur und Trauben schenkt,
Vielmehr ihm in dem Brötchen und den Trauben
Den süßen Schmach der väterlichen Liebe...
ESK
Ich feire dich als Jungfrau Primavera,
Du bist die neue Frühlingszeit der Kirche,
Die junge Kirche ohne Fleck und Falten,
Die junge Kirche ohne graue Haare,
Die junge Kirche ohne fette Hüften,
Die junge Kirche ohne welke Brüste,
Die makellose Braut des Christus Jesus!
Schau, Jesus will als Miterlöserin
Und Mitarbeiterin der Hoffnung dich!
Hilf Jesus, sei du Jesus die Gehilfin,
Nach der Kultur des Todes dieser Zeit
Die neue Zivilisation der Liebe
Zu bringen allen Menschen, allen Völkern,
Trag du den Frieden Christi in die Welt!
Der Herr bedarf der Liebe deines Herzens!
Nimm diese sieben weißen Rosen an,
Die Rosen der Madonna, Makellose,
Sei keusch und rein wie eine weiße Rose,
Die weiße Keuschheit der Madonna ist
Die Weißglut ihrer Liebesganzhingabe
An Gott den Herrn, den Bräutigam der Seele!
EUCHARIS
Ich danke dir, mein lieber Freund und Nachbar,
Für dieses schöne Bild der Primavera
Und für die weißen Rosen der Madonna.
Empfange du zum Dank als ein Geschenk
Hier diese süße weiße Götterspeise
Mit diesem süßen roten Nektarsaft!...
ESK
Erheben möchte ich die Schale dankend
Und weihen diese Schale meiner Gottheit!
Wie köstlich schmeckt doch diese Götterspeise,
Wie schön das Weiß der Götterspeise schon,
Ich sehe in dem Weiß der Götterspeise
Den weißen Leib, das weiße Fleisch der Liebe!
Ich speise dieses weiße Fleisch der Liebe,
Als ob ich liebend weiße Brüste küsste,
Und koste süßen roten Nektarsaft
Wie Küsse von dem Rosenmund der Liebe!
Geliebte, diese Speise, dieser Saft,
Sind mir dein weißer Leib, dein rotes Blut!
Wie körperliche Liebes-Einigung
Im Hochzeitsmahl des Liebessakramentes
Ist die Vereinigung mit deinem Fleisch
Im weißen Schaum der süßen Götterspeise!
Die Himmlischen und Geister so genießen
Der Gottheit Fleisch in der Vereinigung
Gewiss in paradiesischen Genüssen
Kaum seliger als ich auf Erden schon
In dem Genusse deines weißen Leibes!