Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

VERMISCHTE GEDICHTE


Von Josef Maria Mayer


DIE SEELE


Hinduisten lehren von der Seele,

Daß die Seele sich den Körper wähle,

Daß sie Buße tut für ihre Sünden,

Die begangen sie im alten Leben.


Wenn die Seele scheidet von dem Körper,

Wie ein Mädchen ablegt ihre Kleider,

Kehrt sie wiederum in einen Körper,

Büßen muß sie Millionen Jahre.


Wie die Seele zur Erlösung findet?

Zur Erlösung findet nur die Seele,

Wenn sie einsieht, dass sie eins mit Gott ist,

Daß die Seele und der Gott identisch.


Doch die Seele ist Geschöpf des Schöpfers,

Nicht identisch das Geschöpf dem Schöpfer.

Welch ein Wahn lässt denn die Inder glauben,

Das Geschöpf der Seele sei der Schöpfer?


Welch ein Wahnwitz, welch ein Aberglaube,

Daß ein Mensch mit einer Seele geistig

Soll im nächsten Leben Ratte werden

Oder Sumpfgras oder sonst ein Unmensch!


Neoplatonisten aber lehren,

Was der Gnosis Ketzer auch behaupten,

Daß aus Gottes Geist sei ausgeflossen,

Emaniert aus Gottes Geist die Seele.


Ausgeflossen sei aus Gott die Seele

In den Körper eines Todesleibes,

Der ist aus Materie, geschaffen

Von dem Demiurgen, bösem Gotte.


Welch ein Aberwitz und Aberglauben,

Daß aus Gottes Geist herausgeflossen

Sei die Seele, Gottheit von der Gottheit,

Wieviel Götter gibt es denn auf Erden?


Ist des Menschen Seele eine Göttin?

Soll ich knien, Geschöpfe anzubeten?

Aber von dem Demiurgen sag ich:
Böse Götter sind doch keine Götter!


Gott ist gut, die Güte ist die Gottheit,

Doch das Böse ist in Wahrheit Nichtsein,

Bosheit ist Abwesenheit der Güte,

Bosheit hat nicht eignes Sein und Gottheit.


Und dass die Materie vom Bösen

Sei geschaffen, widerspricht der Bibel,

Gott schuf alle Schöpfung, die er gut nennt,

Schuf den Menschenleib, den Gott sehr gut nennt.


Platon aber sagte von der Seele,

Daß vor der Empfängnis in dem Leibe

Diese Seele war bereits im Himmel,

Schaute Gott von Antlitz schon zu Antlitz.


Wenn die Seele selig schon im Himmel,

Warum kam sie in den Erdenkörper?

Hat die Seele denn im Himmelreiche

Irgendeinen Sündenfall begangen?


Besser wäre es ja, nie geboren

In der Welt zu sein, wenn schon die Seele

Selig schaute im Ideenhimmel

In glückseliger Vision die Gottheit!


Satans Engel fielen von dem Herrn ab,

Satans Sündenfall im Himmelreiche

Ihm bescherte ewige Verdammnis

Alle Ewigkeiten in der Hölle.


Wenn die Seele im Ideenhimmel

Schaute Gott, woher kommt dann die Seele?

Ist die Seele denn von Gott geschaffen

Oder selber ewig wie die Gottheit?


Ist nicht Gott der Herr der Seele Schöpfer?

Schuf der Schöpfer nicht aus Nichts die Seele?

Nein, nicht ewig ist des Menschen Seele,

Nein, nicht göttlich ist des Menschen Seele.


Aber jetzt des Christentumes Lehre

Nach dem engelgleichen Lehrer Thomas!

Was ist denn das Wesen einer Seele?

Seele ist das Formprinzip des Körpers.


Seele ist das Leben eines Leibes,

Seele ist das Formprinzip, ist geistig,

Gibt dem Leibe Leben und Entwicklung.

Pflanzen auch und Tiere haben Seele.


Pflanzen haben eine Pflanzenseele,

Diese ist an ihren Ort gebunden.

Tierisch ist das Formprinzip der Tiere,

Es bewegt sich, aber kann nicht denken.


Wenn im Augenblicke der Empfängnis

Aus dem Samen und dem Ei gebildet

Wird aus Lust der neue Menschenkörper,

Ist sein Formprinzip bereits die Seele.


Ja, im Menschen ist die Pflanzenseele

Und des Tieres Seele ist im Menschen,

Aber Gottes Ebenbild, Geist-Seele

Wird von Gott unmittelbar geschaffen.


Aber nicht gehaucht vom Munde Gottes

Wird die Seele in den Leib gegossen,

Denn das wäre wie im Platonismus,

Wo der Leib Gefäß, die Seele Inhalt,


Sondern Menschsein ist Leib-Seele-Einheit,

Ja, der Mensch ist nicht allein die Seele,

Und der Mensch besitzt nicht nur den Körper,

Sondern jeder Mensch ist selbst auch Körper.


Gott schafft nicht von außen für den Körper

Zu des Menschen Tier- und Pflanzen-Seele

Auch noch eine Menschenseele geistig,

Sondern in dem Inneren des Menschen,


In dem Embryo im Mutterschoße

Gegenwärtig immanent der Schöpfer

Schafft in einem freien Akt des Schaffens

Gottes Bild, die Menschenseele geistig.


Gott im Augenblicke der Empfängnis

Schafft unmittelbar die Seele geistig,

Sich zum Abbild, sich zum Gegenüber,

Gott den Menschen schafft zum Partner Gottes.


Gottes Liebe spricht das Wort zum Menschen:
Werde, o Geist-Seele! Und so wird sie.

Gottes Liebe spricht zur Menschenseele

In dem schöpferischen Wort der Liebe,


Gottes Partnerin, die Menschenseele,

Ist berufen von dem Wort der Liebe,

Ihrer Liebe Antwort Gott zu geben,

Mit dem ganzen Leben Gott ihr Ja-Wort.


So im Augenblicke der Empfängnis

Kommt von Gott der Anfang der Geschichte

Einer Liebe zwischen Gott dem Schöpfer

Und der Seele, der Geliebten Gottes!




LA FRANCE



Noch immer bewegt mich rührend

Diese Glückserinnerung:
Wie einst er die Flöte an meinen Mund gelegt.

Den ungeschickten, unerfahrenen Mund

Ließ er sich spitzen,

Bis der Mund rein

Und tönend blies.

Und seine Hände nahmen die Fingerglieder mein

Und hoben und senkten sie

Oft und immer wieder.


Wie rötlichflammend schienen die Wellen,

Dein Kleidchen war wie Rosenduft,

Dein Rock hat Rosenduft eingesogen.

In mir wirst du finden

Die Erinnerung an dein rotes Kleidchen.


Der Weinstock spannte seine Zweige aus,

Gold der Beeren

War den kleinen Vögeln

Ein willkommner Schmaus.


Mit weißen Händen

Zog die große Mutter

Die weißen Trauben

Voller Honigseim herein.


So weckt der Weinstock,

Eng verschlungen

Mit den Erinnerungen an die Jugend,

In meiner Seele die Idee:
Auf meinem Grabe soll der Weinstock wachsen.


Von duftender Schwelle

Erstreckt sich dämmernd der Raum,

Mit Blüten bestreut,

Ein stilles Bett für unsre Zweieinigkeit.


Als wir zusammen wohnten

Auf unsern Hügeln,

Bei der Quelle

Und am rauschenden Bach,

Im Hüttchen im Walde,


Da hörte ich durch meine bunten Träume

Dein kindisches Plaudern girren,

Wie strahlte meine Seele,

Da ich in deinen Augen

Dein freundliches Leuchten sah!


Was für ein hübsches Röckchen du hattest!


Abends im Licht der Kerze

Hat deine Stimme oft gelacht,

Während an das Fenster

Die Nachtfalter taumelten.


Wie Kinderseelen das Gute

Und Schöne und Wahre

Schöpfen wie aus einer reinen Quelle,

Quellfrisch, so höre ich

In meinen Träumen

Himmelsstimmen

Und liebliche Töne

Mich umschweben

Wie Engel

Am heiligen Ort,

Wie Wehen des Geistes.


Ich sah einen weißen Engel,

Der Engel stand vor mir.

Das Schweben des Engels

Hatte den Sturm und das Meer

Zur Ruhe gelegt.

Was willst du von mir, mein Engel,

In dieser Nacht?

Ich will deine Seele, sprach der Engel.

Mir schien der Engel schön wie eine Frau

Und ich streckte meine Arme nach dem Engel aus:
Fliehe nicht!

Aber der Engel schwieg

Und der Schimmer des Himmels verlöschte.

Nimm meine Seele mit in den Himmel,

Rief ich dem Engel zu.

Engel, bist du der Bote des Todes

Oder der Bote des ewigen Lebens?

Da war mein Herz wie eine dunkler Nacht

Und schöner doch als die Sonne.

Ich bin die Macht der Liebe,

Sprach der Engel, schön wie eine Frau.

In der Nacht sah ich das Feuer der Augen des Engels

Und durch die Schwingen

Sah ich die Krone der Sterne.


Mit reichen Blüten

Verging der Sommer.

Berauschend

Duftete unsre Ebene.

Ich schließe die Augen

Und höre kaum,

Was leise schwebt durch meine Träume.


Du warmes weiches Weib!

Frisch wie ein Engel!

Gott ergänzte durch dich meine Halbheit,

Gott gab, dass ich deine Seele fühlte,

Meine Augen glühten für deine göttliche Schönheit!


O Tropfen Wassers in der Grotte

Voll dunkler Nacht,

Die Tropfen klingen

Wie leise Küsse.


In den Feldern tönt Gesang,

Das heimliche Lied der Nachtigall,

Die Stimme erwacht in der Nacht,

In den Bergen hallt die Nymphe Echo

Und Hymnen tönen vom Meer

Und legen sich im Wald zur Ruhe.


Die Turteltaube ist

Der Schönen Liebe treu.

Ich bin treu

Der goldnen Leier

Der tiefgeschooßten Musen.

Gott ließ meine goldne Leier

Die Stimme des Herzens sein.


Wie Hirtenlieder einfach,

Heb ich meine Stimme,

In dem Plaudern des Bächleins

Such ich meinen Ton.


Ich lausche dem Erwachen

Der Morgenröte überm Wäldchen,

Ich lausche dem Girren

Der Turteltaubenpaare,

Ich stimme meine Saiten

Nach dem Grollen des Donners.


Ich will lauschen,

Wie in der Wiege

Lallt der Säugling,

Was die Honigbiene summt

Vorm süßen Schoß der Rose,

Was der gelbe Ginster flüstert

Am Saum des Flusses.


In der uralten Grotte

Höhlt die Zeit

Die steinerne Schale,

In welche die Tropfen gleiten.


Der Tag ist heiter,

Der blaue Himmel

Kleidet sich mit Lichtglanz.

Ein rosiger Schimmer

Hüllt wie ein feiner Schleier

Die großen Bäume ein.


Wieder erwacht der Frühling,

Die junge Lenzlust,

Gleich der jungen Nymphe,

Rosa und grün umweht,

Die heiter lächelnd

Dem Wasser entsteigt.


(Gott spricht:
Das Beste war,

Daß du manchmal geweint...)


Nahe beim See

Ist eine Quelle,

Sie entspringt

Im Schutz des Felsens,

Leichtfüßig schlüpft die Welle dahin

Und wandelt in die Ferne.


Meine Seele murmelt:
Oh, welche Wonne!

Wie finster war doch die Erde!

Wie grünt das Ufer heute,

Ich bin des Himmels Spiegel!


An der Quelle trinken

Die Vögel.

Wer weiß,

Ob nach langem Weg

In diesem Strome

Nicht sich spiegeln werden dereinst

Dieses Tal und diese Felsen.


Umstickt mit Schaum

Die Brücke

Und des Ufers Steine.


Wie heiter plaudert die junge Quelle!

Sie macht schon Pläne über Pläne.

Kochendes Wasser hält sich nicht mehr zurück!


Ich schwebe überm Tal,

Ich schwebe überm stillen Teich,

Ich schwebe überm Gebirge,

Ich schwebe überm Wald,

Ich schwebe über den Wolken,

Ich schwebe über dem Meer,

Ich schwebe über der Sonne,

Ich schwebe über dem Äther,

Ich schwebe über den Sternen!


Ich pflüge die Ewigkeit,

Himmlischen Schimmer,

Im Hochgefühl

Einer göttlichen Kraft!


Steig auf, meine Seele,

Und läutere dich

Im weltentrückten Reich

Und sauge reinen Trank,

Göttergleiches Traubenblut,

Aus der Glut

Des klaren Himmels!


Meine Seele

Hebt sich voller Kraft

Mit wehenden Flügeln

Zu Gefilden des Glücks

Voll Licht und Strahlen!


Geliebte, laß uns reiten

Auf dem Wein

In den Märchenhimmel!


Zwei Engel werden wir sein,

Glühend im gleichen Liebesfieber,

Wild,

Wir folgen dem himmelblauen Traum

In das ferne Funkeln der Sphären!


Auf Flügeln wiegen wir uns sanft

In der Glückseligkeit des Sturmes,

Wir beide sind trunken vor Glück!


Höre doch, ma chère,

Wie leise die Nacht hereinkommt.


Wir preisen dich,

Du süße Nacht!

Befreie uns mit frischen Küssen!

Hülle uns in deinen Schleier,

Wir sind bereit zur stillen Ruhe,

Ein schöneres Leben wird erwachen!


(Gott hielt uns in seiner Hand,

Als ich so schwach war wie du...)


Mich lockt ein Traumbild,

Es lockt mich über die Flut

Zum jungfräulichen weißen Strand

In der Bucht der Wonne

Der Insel der Glückseligen!


Dorthin will meine Seele reisen.


Die Luft ist heiß.

Die Zikade zirpt,

Sankt Josef ist gestorben

Und zirpt jetzt als Zikade.

Im Traum streicht die Zikade

Die Zither der Feen.

Die Baumrinde tropft

Den goldenen Harz.

Da schlummert die Zikade

Im gleißenden Sommermittag.


Und der Wein?
Wer macht ihn so rot wie den Rubin?

Ein Strahl glitt durch die Reben,

Eine Echse verirrte sich in den Trauben.

Dann wird kommen der Winzer

Und pflückt die Traube und den Sonnenstrahl.


Welch ein Parfüm

Steigt aus der jungen Blüte!

Welch ein reizendes Flüstern

Lässt mich hören

Das erste Ja-Wort

Von geliebten Lippen!


Immer wieder kommt ein Traum

Von jener Frau,

Die ich liebe, die mich liebt,

Die sich immer wieder anders hingibt,

Die mich immer versteht,

Und immer neu erscheint mir ihre Liebe.


Mein Herz fühlt sich verstanden,

Mein Herz liegt vor ihr wie ein Kristall.

Alles löst sich,

Nur sie wird meine Liebe sein,

Sie kühlt meine fiebernde Stirne

Mit ihren herzlichen Tränen.


Blasses Licht der Luna

Schimmert durch den Wald,

Von den Ästen schwingt sich

Ein Flüstern:
Ich liebe dich!


Ruhe senkt sich

Schön und tief,

Uns beiden geschenkt

Vom Himmel

Voller Sterne:
Die Nacht ist unser!


Laß ruhen mein schweres Haupt,

Noch umschweben Düfte mein Haupt,

Die Düfte deiner süßen Küsse,

Ich ruhe gebettet an deinen jungen Brüsten!

Nach den trunknen Gewittern

Gib Stille meiner Seele

Und angenehmen Schlaf,

Dieweil du neben mir schläfst.


Die große dunkle Ruhe

Sinkt auf mein Herz.

Ruhe auch du, meine junge Hoffnung,

Ruhe auch du, meine süße Lust!


Eine sanfte Hand wiegt mich

In der Wiege der Liebe.

Ich schmiege mich in die Nacht.

O Schweigen, nimm mich!


Bald wird sich alles lösen

In leisen Wellen,

Die schwingen so sanft.

Wie Flöten

Werden Glocken schwingen

Im Himmel,

Weiß wie Milch

Und süß wie Honig.


Es weint ein rsoiger Stern

Im Herzen

Deines empfindsamen Ohrs,

Schimmernde Ewigkeit

Hangt dir um den Hals

Und bis auf die Lenden herab.

Weiß perlt das Meer,

Ich bin an schäumende Brüste verloren,

Mein Blut tropft schwarz,

Ich vergehe an den gebieterischen Flanken.


Wonne durchwühlt meine Seele,

Feuer aus dem Universum,

Das Feuer macht mich jung,

Das Feuer durchdringt mich

Und reinigt mich.

Nun, ich spüre zwar Qualen,

Die eiserne Kette aus Menschenschmerzen

Zerreiben mir meine Glieder,

Mein Herz ist zerknirscht,

Aber du, o Liebe!

Ich fühle verjüngt den Leib

In Wonnen beben,

Eingetaucht in das wühlende Meer,

In das Urmeer

Voll wilden Lebens!


Am Felsen brechen sich die Wellen,

Das weiche Wasser wäscht den Stein.

Schweigen.

Donnernde Wogen brüllen

An die Felsenklippen.

Eine Insel,

Ernährt vom mütterlichen Meer

Im fernen Schimmer,

Eine Insel steigt umso höher,

Jemehr das Meer sich senkt.

Der Sand trinkt die Glut der Sonne.

O Heimkehr, Heimkehr

Zur Morgenröte der Schöpfung!

Alles wird zerstört,

Alles mischt sich und wird erneuert.

Im Augenblick schau ich

Die Ewigkeit.


Meine Seele ist reich

Durch Gottes Segen.

Mein Herz ist erfüllt von der Herrin.

Liebe, Liebe!
Schließ mir die Augen

Und führe mich auf deinen Straßen.


Maria, weil du

Die Frau bist,

Der Garten Eden

Der einstigen Zärtlichkeit,

Findet dein Blick mein Herz

Und befreit mich von den Tränen der Trauer.




REINHOLT FUCHS



1


In den guten alten Zeiten

Hatten einen Schwanz die Bären,

Einen Schwanz wie einen Säbel.

Wie verlor der Bär den Schwanz?


Eines abends sonnte sich

Bruder Bär vor seiner Höhle.

Da kam Reinholt Fuchs gelaufen,

Einen Fisch in seiner Schnauze.


Als nicht aufgepasst der Fischer,

Stahl sich Reinholt Fuchs den Fisch,

Lief davon. Jetzt fraß der Fuchs

Seinen leckern Fisch im Gehen.


Sah der Bär ihn: Was denn frisst du,

Lieber Bruder Reinholt Fuchs?

Reinholt sprach: Ein leckres Fischchen,

Hab das Fischchen selbst gefangen.


Ach, sprach zweifelnd Bruder Bär,

Wie kann man denn Fische fangen

Ohne Netze? Das ist neu.

Sage mir die reine Wahrheit!


Reinholt sagte eine Lüge:
Wer ist wohl auf dieser Erde

So verdummt wie du, mein Bruder,

Streng doch einmal dein Gehirn an!


Jetzt ist doch der Fluß gefroren.

Aber schlag ein Loch ins Eis,

Häng den langen Schwanz ins Wasser,

Dann kannst du die Fische angeln.


Bruder Bär, dein Schwanz ist länger

Als mein purpurroter Fuchsschwanz,

Viele Fische kannst du angeln,

So versuch es einmal nur.


Bruder Bär ward mächtig gierig

Nach dem leckern Fleisch der Fische,

Und so wallte er zum Fluß,

Hing den langen Schwanz ins Loch,


Wartete geduldig, lange,

Bis der Schwanz war festgefroren.

Stach der Schmerz ihm in den Knochen,

Dachte Bruder Bär, der Dummkopf:


Sicher hat ein Fisch gebissen

Mir in meinen langen Schwanz.

Das gibt eine leckre Speise,

Eine wahre Gaumenfreude.


Und der Bär zog an dem Schwanz,

Doch der Schwanz war festgefroren.

Weil der Bär so stark gezogen,

Abgerissen ist der Schwanz!


Ach, der Bruder Bär, der Dummkopf,

Er vertraute Reinholt Fuchs,

Hatte keinen Fisch gefangen,

Aber seinen Schwanz verloren!



2


Reinholt Fuchs, der schlimme Schelm,

Wollte eine Turtel fressen,

Doch der harte Turtelpanzer

War dem Hungrigen im Weg.


Da berief er seine Freunde,

Rief den Adler, den Schakal,

Rief das Schuppentier, das Wiesel,

Um die Turtel zu besiegen.


Kroch die Turtel in den Bergen,

Da entdeckte sie der Adler,

Stürzte aus der Höhe nieder

Auf die arme alte Turtel.


Reinholt Fuchs und der Schakal

Und das Suppentier, das Wiesel,

Alle eilten sie herbei,

Standen rings ums arme Opfer.


Doch die alte Turtel wusste,

Daß sie ihnen nicht gewachsen.

Zog zurück sich in den Panzer,

Lachte: Drinnen bin ich sicher!


Keine Bange, meine Freunde,

Sagte Reinholt Fuchs, der Schelm,

Lasst uns ruhig nur beraten,

Wie wir sie besiegen können.


Reinholt Fuchs sprach zu der Turtel:
Warum läufst du denn nicht weg?

Lachend sprach die alte Turtel:
Sicher bin ich nur im Panzer.


Sprach der Fuchs zum Schuppentier:
Du kannst Berge ja durchbohren,

So durchbohre nun den Panzer,

Kannst dir so Verdienst erwerben.


Als die Turtel das vernahm,

Da befiel sie heiße Angst.

Wenn das Schuppentier sich bohrt

Durch den Panzer, ist es aus!


Ruhig aber tat die Turtel

Und sie sagte auch noch lachend:
Schuppentier, versuch es nur,

Du zerbrichst dir Kopf und Schwanz!


Hörte dies das Schuppentier,

Da bekam es große Angst.

Reinholt Fuchs besann sich denkend,

Also sprach er zum Schakal:


Jetzt verkriecht sie sich im Panzer

Und wir müssen warten. Aber

Einmal kommt sie doch hervor,

Denn sie muß ja einmal atmen.


O Schakal, mein lieber Bruder,

Gib gut acht und bleibe wachsam,

Streckt den Kopf hervor die Turtel,

Beiß nur schnell den Kopf ihr ab!


Als die Turtel dies vernahm,

Da befiel sie heiße Angst.

Wenn die Feinde nicht verschwinden,

Wenn der Feinde geduldig wartet,


Wird sie sicher bald ersticken

Und verhungern und verdursten,

Sterben ihr die Beine ab.

Ruhig doch die Turtel lachte:


Wenn ihr so geduldig seid,

Tut nur, was ihr immer wollt.

Doch in meinem Panzer oben

Habe ich ein Atemloch


Und den Kopf streck ich nicht vor,

Tausend Jahre bleib ich drinnen.

Eure Kinder, Kindeskinder

Werden hier noch warten müssen.


Reinholt Fuchs riß auf die Augen,

Riß vor Staunen auf das Maul:

Auf den Felsen mit der Turtel,

Ich zerschlag sie mit dem Hammer!


Da erschrak die alte Turtel,

Daß den Panzer sie zerbrechen

Und dazu den ganzen Körper

Ihr zu einen Brei zerstampfen.


Tapfer lachte doch die Turtel:

Euer Hammer prallt doch ab

Und es springt zurück der Hammer

Und zerschmettert eure Schädel!


Ungeduldig der Schakal

Sagte: Was soll das Geschwätz?

Bringen wir sie auf den Gipfel,

Stürzen sie herab ins Tal!


Wie besorgt war da die Turtel,

Doch wie tapfer lachte sie:
Ich sprang vom Himalaya,

Ohne etwas mir zu brechen!


Wütend wurde Reinholt Fuchs:
Du verfluchte alte Turtel,

Hast du denn vor gar nichts Angst?

Ich will dich das Fürchten lehren!


Häufen wir den Scheiterhaufen,

Zünden wir ein Feuer an,

Bringen wir das Öl zum Sieden,

Kochen in dem Öl die Turtel!


Alle Freunde riefen Ja

Und die Turtel schwitzte Angstschweiß,

Doch sie lachte wieder tapfer:
Eine herrliche Idee,


Da die Turteln sich nicht baden

In den Flüssen oder Teichen,

Sondern ihre Leiber baden

In dem heißen Öl und Feuer!


Reinholt Fuchs fast explodierte

In dem Wüten seines Zornes:
Wenn du nicht das Feuer fürchtest,

Fürchtest du dich vor dem Wasser?


Adler, packe du die Turtel,

Trag sie über das Gewässer,

Lass sie fallen in das Wasser,

Da wird ihr der Mut vergehen!


O wie freute sich die Turtel!

Wasser war ihr Element!

Äußerlich doch furchtsam zitternd

Sprach sie unter falschen Tränen:


Lieber Bruder, lieber Fuchs,

Was hab ich denn nur verbrochen?

Mich ergreift die Todesangst,

Bitte, werft mich nicht ins Wasser!


Reinholt Fuchs war voller Freude,

Reinholt Fuchs war voller Spott:

Arme Turtel, lach doch wieder!

Warum bettelst du und weinst du?


Alte Turtel, altes Biest,

Wenn ich dich jetzt leben lasse,

Haben wir doch später wieder

Nichts als Ärger nur mit dir!


Da befahl der Fuchs dem Adler,

Anzufangen mit dem Werk.

Lauter jammerte die Turtel,

Lauter jubelte der Fuchs.


Reinholt Fuchs in seinem Jubel,

Reinholt Fuchs in seinem Jauchzen

Lachte laut, so laut sein Lachen,

Daß ihm fast der Atem wegblieb!


Und der Adler mit der Turtel

Schwebte aufwärts in die Lüfte,

Schwebte über dem Gewässer,

Ließ sie in das Wasser fallen.


Als die Turtel in den Fluß fiel,

Da war wieder sie zuhause,

Hob das Köpfchen aus dem Wasser,

Lachend rief sie zu dem Fuchse:

Reinholt Fuchs, ich rate dir,

In der Zukunft tu du nicht

Immer so, als wärst du weise,

Bist du doch ein Narr wie alle!



3


Reinholt Fuchs war faul geworden

Und er fing sich keine Beute,

Weil er ungeschickt und täppisch,

Etwas rundlich und bequem.


Einmal sah er eine Katze,

Eine schöne schwarze Katze,

Wie sie schlich wie eine Schlange,

Wie sie sich die Beute fing.


Reinholt Fuchs sprach zu der Katze:
Werde meine Meisterin!

Doch sie wusste, was er wollte!

Sie ließ sich von ihm nicht täuschen.


Dennoch sprach die schwarze Katze:
Alles werde ich dich lehren,

Wie man schleicht wie eine Schlange,

Wie man sich die Beute fängt.


Wenn ich alles dich gelehrt hab,

Sag mir, wirst du mir dann untreu?

Sicher wirst du mir dann untreu,

Denn ich kenn die Art des Fuchses!


Reinholt Fuchs verbeugte sich:
Bleib dir treu mein ganzes Leben!

Wer dir auch ein Haar nur krümmt,

Den zerfleischen meine Zähne!


So ließ sich die Katze täuschen,

Auch bewegte sie das Mitleid,

Als sie sah, wie Reinholt Fuchs

Unbeholfen war und linkisch.


Also legte sie den Kopf

Auf die Seite, schnurrte sanft:
Gut, ich will als Meisterin

Alles lehren, was ich weiß.


Reinholt Fuchs mit seinem Schwanz

Wedelte vor großer Wonne,

Kniete vor der schwarzen Katze

Wie ein Schüler vor Frau Weisheit.


Wenn ich alles einst gelernt,

Werde ich dich nie vergessen,

Meine Meisterin bleibt ewig

Mir in der Erinnerung!


Wenn ich je dir Leid bereite,

Will ich von dem Gipfel stürzen

In das tiefste Felsental

Und zerschmettern in dem Abgrund!


Nun die Katze lehrte ihn

Von der frühsten Morgenstunde

Bis zur letzten Abendstunde

In dem Tal und auf dem Berge.


Alles meinte nun der Fuchs

Schon gelernt zu haben, aber

Eines wusste er doch nicht,

Keiner kann ja alles wissen.


Eines Tages vor der Schule

Reinholt Fuchs sah so begierig

Auf die schöne schwarze Katze,

Wollte er ihr Fleisch vernaschen!


Reinholt Fuchs sprach also listig:
Katze, schließe deine Augen!

Sag mir nun, was sieht du jetzt?

Sehen deines Herzens Augen?


In demselben Augenblick

Reinholt Fuchs riß auf den Rachen,

Wie in Tollwut der Begierde

Seine Katze totzubeißen!


Tat die Katze auf die Augen,

Floh und sprang auf einen Baum:
Alles hast du nicht gelernt,

Kannst nicht auf die Bäume klettern!


Reinholt Fuchs, wie falsch du bist!

Wie verlogen deine Schwüre,

Wie gebrochen deine Treue!

Undank ist der Lohn der Welt!


Reinholt Fuchs versuchte noch,

Auf den Baum zu klettern oder

Zu zernagen seinen Stamm,

Aber alles war vergeblich.


Oben in des Baumes Wipfel

Sicher saß die schwarze Katze,

Höhnisch mit der samtnen Zunge

Leckte sie das süße Schnäuzchen.


Nun von Baum zu Baum die Katze

Sprang, verschwand in dunklen Wäldern.

Reinholt Fuchs war ziemlich kleinlaut

Und verkroch sich tief enttäuscht.



4


Reinholt Fuchs war unbeliebt

Bei den Tieren in dem Walde,

Er betrog das eine Tier

Und das andre täuschte er.


Keinem aber fiel es ein,

Sich zu rächen an dem Fuchs,

Nur allein der Bruder Affe

Rieb sich heftig seine Stirn,


Saß allein in seinem Baume,

Spielte in Gedankenspielen,

Rieb die Stirn, bis die Idee

Rein in seinem Geist erschien.


Er erzählte es dem Hasen,

Der in seinem Weißkohl saß,

Doch der war nicht überzeugt

Von dem Racheplan des Affen.


Doch der Affe sagte: Komm,

Setz dich oben auf den Berg,

Schaue nur von oben zu,

Schaue meiner Rache zu.


Und der Affe ging zum Fuchse:
Lieber Bruder Reinholt Fuchs,

Weißt du, was auf dieser Welt

Doch das beste Essen ist?


Reinholt Fuchs die Ohren spitzte:
Was die beste Leckerei?

Weißt du das, mein Bruder Affe,

Was am Besten schmeckt auf Erden?


Heute hab ich es erfahren,

Sprach zum Fuchs der Bruder Affe,

Denn das Leckerste auf Erden

Sind die Schenkel einer Stute!


Aber dass du Stutenschenkel

Zwischen deine Zähne kriegst,

Binde deinen eignen Schwanz

Mit der Stute Schweif zusammen.


Wenn du nämlich deinen Schwanz

Nicht zusammenbindest mit

Dem geschweiften Schweif der Stute,

Läuft sie weg, willst du sie fressen.


Aber wenn die Stute wegläuft,

Holst du sie nicht wieder ein.

Siehe da, da schläft die Stute,

Schau, wie sie da liegt und schläft!


Reinholt Fuchs dem Affen lauschte,

Wie gleichgültig blieb er doch,

Wie gleichgültig blieb er scheinbar,

Innen aber voll Begierde!


Was am besten schmeckt auf Erden,

Ach, das ist noch eine Frage,

Sprich ein ander Mal davon,

Komm du morgen ruhig wieder.


Reinholt Fuchs sprach so zum Affen,

Wedelte mit seinem Schwanz,

Ging davon. Der Affe ging,

Doch zurück kam Reinholt Fuchs.


Und er suchte nach der Stute

Und die Stute war sehr müde,

Arbeit gabs den ganzen Tag,

Müde lag sie auf der Wiese.


Reinholt Fuchs nahm seinen Schwanz,

Nahm den Schwanz mit seiner Pfote,

Knotete den Schwanz zusammen

Mit dem Schweif der müden Stute.


Reinholt Fuchs mit dem Gebiß

Biß der Stute in den Schenkel,

Und im Schlaf die Stute fühlte

Jähen Schmerz in ihrem Schenkel!


Aufgesprungen ist die Stute,

Fortgerannt die Stute stürmisch,

Schwanz und Schweif verknotet aber,

Reinholt Fuchs ward mitgerissen!


Ach das schmeckte gar nicht lecker!

Wie zerschmettert seine Knochen

Auf der felsenharten Erde

Und sein Schädel wie gespalten!


Bruder Affe auf dem Baum

Sah dem ganzen Schauspiel zu,

Klatschte lustig mit den Händen,

Jauchzte vor Begeisterung!


Auch der Hase auf dem Berge

Hüpfte lochend voller Wonne,

Lachte, lachte ausgelassen,

Lacht sich eine Hasenscharte!



5


Meine liebe Urgroßmutter

Fegte morgens ihre Stube,

Sie fand eine Silbermünze,

Tat sie in den Topf mit Brei.


Als sie ihren Brei gegessen,

War erneut der Topf gefüllt,

Wieder aß sie ihren Brei,

Wieder war der Topf gefüllt.


Als dies Reinholt Fuchs erfuhr,

Wollte er die Silbermünze:
Jeden Tag ein leckres Hühnchen,

Jeden Abend leckre Trauben!


Sprach der Fuchs zur Urgroßmutter:
Morgen nacht komm ich zu dir,

Fresse auf die Urgroßmutter,

Nehme mir die Silbermünze.


Meine Urgroßmutter weinte,

Da vernahm die grüne Erbse

Meiner Urgroßmutter Weinen,

Sprach die Erbse: Warum weinst du?


Erbse, meine kleine Erbse,

Morgen nacht kommt Reinholt Fuchs!

Sprach die Erbse: Urgroßmutter,

Alle Erbsen stehn dir bei!


Meine Urgroßmutter weinte,

Hörte dies das Hühner-Ei.

Sprach das Hühner-Ei: O Mutter,

Sage mir, warum du weinst?


Sagte meine Urgroßmutter:
Morgen nacht kommt Reinholt Fuchs!

Sprach das Hühner-Ei: O Mutter,

Weine nicht, ich steh dir bei!


Meine Urgroßmutter weinte,

Hörte das die rosa Krabbe:
Urgroßmutter, warum weinst du,

Warum tropfen deine Tränen?


Krabbe, meine leckre Krabbe,

Morgen nacht kommt Reinholt Fuchs!

Urgroßmutter, Urgroßmutter,

Weine nicht, ich steh dir bei!


Meine Urgroßmutter weinte,

Hörte das ein harter Knüppel:
Urgroßmutter, warum weinst du?

Morgen nacht kommt Reinholt Fuchs!


Meine Urgroßmutter weinte,

Hörte das ein grüner Frosch.

Urgroßmutter, warum weinst du?

Morgen nacht kommt Reinholt Fuchs!


Meine Urgroßmutter weinte,

Hörte das ein weises Spinnrad:
Urgroßmutter, warum weinst du?

Morgen nacht kommt Reinholt Fuchs!


Meine Urgroßmutter weinte,

Hörte dies der harte Hammer:
Urgroßmutter, warum weinst du?

Morgen nacht kommt Reinholt Fuchs!


In der Nacht kam Reinholt Fuchs,

Urgroßmutter lag im Bette.

Durch den Raum schlich Reinholt Fuchs,

Rutschte auf den Erbsen aus,


Schlich sich an das Ofenloch,

Steckte seinen Kopf hinein,

Blies das Feuer wieder an,

Daß es Licht im Zimmer werde,


Platzt das Hühner-Ei entzwei,

Blies ihm Asche ins Gesicht,

Suche Reinholt Fuchs nach Wasser,

Seine Augen auszuwaschen,


Steckte Reinholt Fuchs die Pfote

In das Wasser in dem Eimer,

Packte ihn die rosa Krabbe,

Kniff ihn mit den scharfen Scheren,


Heulte Reinholt Fuchs vor Schmerz,

Wollt sich auf die Mutter stürzen,

Stieß er an das Bett, doch wehe,

Ihn verprügelte der Knüppel,


Rief der Laubfrosch: Quak, Quak, Quak,

Rief der Laubfrosch: Schlag auf Schlag,

Sang das Spinnrad: Summ, Summ, Summ,

Sang das Spinnrad: Bring ihn um,


Reinholt Fuchs erfasste Panik,

Urgroßmutter sich erhob,

Reinholt Fuchs enteilte, aber

Rutschte auf den Erbsen aus,


Rutschte, knallte an die Tür,

Fiel herab der harte Hammer,

Urgroßmutter mit dem Hammer

Schlug den alten Schelmen tot!