Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

PLATONISMUS


Von Josef Maria Mayer


Platon ist ein guter Freund, aber die Wahrheit ist eine bessere Freundin.“

(Sprichwort)




ERSTER TEIL

APOLOGIE DES CHRISTLICHEN PLATONISMUS




DIE IDEE


(In der Wohnung des Evangelisten Markus. Petrus, der Bischof von Rom, ist zu Gast. Sie haben eben ihr Abendessen beendet.)

MARKUS

Alle guten Gaben kommen von Gott. Wir danken dir, Vater, du gibst uns das tägliche Brot. Lieber Petrus, der Vater gibt nicht nur Brot, nicht wahr?

PETRUS

Nein, auch Schafskäse und Oliven.

MARKUS

Dazu den guten Wein vom Libanon.

(Markus schenkt ein. Die beiden Jünger Jesu stoßen mit den Bechern an.)

Gott schafft den Wein zur Freude unsrer Herzen. Ich trinke auf den Wein!

PETRUS

Ich trinke auf die göttliche Schönheit!

MARKUS

Du lasest im Platon?

PETRUS

Ich meine, Platon ist vom Heiligen Geist inspiriert.

MARKUS

Ist das nicht die Schrift allein?

PETRUS

In der Schrift ist die ganze Offenbarung bezeugt, nämlich die Offenbarung Christi, der uns als die menschgewordene göttliche Weisheit die ganze Wahrheit über den liebenden Gott offenbart, die wir zu unserm Heil benötigen. Aber Gott ließ sich auch nicht unbezeugt bei den Heiden. Es ist wahr, der Herr Jesus sagte, das Heil kommt von den Juden. Aber auch unser Bruder Johannes verwendet in seinem Evangelium den Begriff des Logos, der aus der heidnischen Philosophie stammt. Schon der Autor des Buches der Weisheit setzte sich mit dem Hellenismus der alexandrinischen Philosophen auseinander, nahm das Gute auf, verwarf das Schlechte und ergänzte das Fehlende aus der Inspiration des Heiligen Geistes.

MARKUS

Nun meinst du, Platons Begriff der Idee sei ein ebenso heiliger Begriff wie der Logos des Johannes?

PETRUS

Den Logos finden wir zuerst bei Heraklit, dann bei den Stoikern. Johannes hat den Begriff bestätigt und gesagt: Ihr Griechen kennt nur den Logos Spermatikos, den Samen des Wortes, Spurenelemente der göttlichen Wahrheit. Ihr habt Gutes erkannt, das Evangelium zeigt euch nun die Wahrheit über den Logos, den ihr geahnt habt. So können wir nun auch mit der Idee verfahren.

MARKUS

Findet sich der Begriff der Idee in den Heiligen Schriften?

PATRUS

Wenn du bedenkst, dass die Idee das Urbild der Dinge ist, wie es im Geist Gottes existiert, die irdischen Dinge aber ein unvollkommenes Abbild der Idee sind, so findest du diesen Gedanken von Urbild und Abbild an manchen Stellen in der Heiligen Schrift. Moses zum Beispiel sah in einer Vision den himmlischen Tempel Gottes und sollte nach dem Abbild dieses Urbildes die Stiftshütte auf Erden bauen. Unser Bruder Paulus schreibt in seinem Brief an die Hebräer, das irdische Heiligtum war ein unvollkommenes Abbild des himmlischen Heiligtums. Wir finden hierin die himmlische Idee des Tempels und das irdische schattenhafte Abbild in der Stiftshütte, im Tempel Salomos. Des weiteren schreibt Moses im Buch der Genesis, Gott schuf den Menschen nach seinem Ebenbild oder Abbild, und schuf den Menschen als Mann und Frau. Die Menschheit in ihrer doppelten Erscheinungsweise als Mann und Frau ist also Abbild und Gott selbst ist das Urbild. In Gott also ist die Idee des Menschen, der Mensch als Mann und Frau ist das Abbild dieser Idee des Menschen. Wir bekennen aber, dass der Mensch nach dem Gleichnis des ewigen Sohnes Gottes geschaffen ist. Christus ist also die Idee, der Mensch sein Abbild.

MARKUS

Ich habe das Wort Idee in der Heiligen Schrift noch nicht gefunden.

PETRUS

Der Buchstabe tötet, der Geist macht lebendig. Das Wort Idee steht nicht in der Schrift. Aber in dem Wort Abbild steckt notwendigerweise das Wort Urbild, denn warum sollte man ein Abbild als Abbild bezeichnen, wenn es nicht das Abbild eines Urbildes wäre? Der Gedanke eines Urbildes oder mancherlei Urbilder ist also dem Geiste nach in der Schrift enthalten. Dieses Urbild aber nennt Platon Idee. Dem Wort nach nicht, dem Gedanken nach wohl ist die Idee in der Schrift enthalten.

MARKUS

Haben die Rabbinen von der Idee gewusst?

PETRUS

Die Rabbinen haben die Vorstellung, das Gesetz, die Torah, sei ein irdisches Abbild einer ewigen Torah. Ja, sie behaupten kühn, Gott der Schöpfer habe vor der Schöpfung in der ewigen Torah gelesen und aus ihr den Plan der Schöpfung genommen. Die ewige himmlische Torah ist also die Idee, die Torah in den fünf Büchern Moses ist das irdische Abbild in menschlicher Sprache. Die ewige und himmlische Idee der Torah beginnt mit dem Buchstaben Aleph, aber die irdische abbildhafte Torah in menschlicher Sprache beginnt mit dem Buchstaben Beth.

MARKUS

Nun gut, das ist alles spekulative Theologie. Aber den Begriff der Idee kann ich akzeptieren. Man kann doch sagen, wenn man den Prolog des Johannesevangeliums paraphrasieren wollte: Im Anfang war die Idee und die Idee war bei Gott und die Idee war Gott und alles was geworden ist, ist durch die Idee geworden. Dennoch befürchte ich, wenn wir uns zu weit auf den Platon einlassen, ja, auf die heidnische griechische Philosophie überhaupt, dass wir dann in Gefahr geraten, der gnostischen Häresie zu verfallen und einen Synkretismus aus Heidentum und Christentum zu schaffen.

PETRUS

Wie unser Bruder Paulus sagte: Prüft alles und das Gute behaltet. Und Paulus kannte sich aus in den griechischen Dichtern und in den griechischen Philosophen, er kannte die Epikuräer und die Stoiker gut. Ja, er scheute sich nicht, den Begriff der Charis, das ist Gnade, zu dem Hauptbegriff seiner Theologie zu machen.

MARKUS

Ja, die Charis, die Gnade, die uns rettet, ist doch ein durch und durch evangelischer Begriff.

PETRUS

Und dennoch war die Charis beim Homer sowohl die Göttin Aphrodite als auch der zauberhafte Liebreizgürtel der Göttin Aphrodite. Wir müssen eben die Begriffe klären. Aber lassen wir das mit der Charis. Schauen wir uns lieber die Lehre Platons etwas genauer an. Denn mit oberflächlichen Urteilen werden wir uns nicht vor Irrtümern wahren. Der Maßstab aber, an dem wir messen, was bei Platon Ahnung oder gar Schau der Wahrheit ist und was bei Platon Irrtum ist, sei das Evangelium und der Glaube unsrer Kirche.



ÜBER GOTT UND DIE SCHÖPFUNG


MARKUS

Glaubte Platon denn an den einen Gott, den Schöpfer?

PETRUS

Wir werden wohl noch sehen im Laufe unsres Gesprächs, das Platon Gott vor allem betrachtete als das Ziel des menschlichen Lebens, als das zu Erkennende des Philosophen und als das Höchste Gut der menschlichen Liebe. Gott ahnte er doch beeindruckend deutlich als das Ziel des Menschen, aber seine natürliche menschliche Vernunft sagte ihm auch, dass alles Seiende eine Ursache hat und dass es darum ein Ewigseiendes als Erstursache und Erstbeweger geben muß. Ob er sich das Ewigseiende als die Erstursache alles Seienden und die göttliche Schönheit als das letzte Ziel der menschlichen Liebe als Eines dachte, als einen persönlichen Gott, darüber wissen wir nichts genaues. Ihm fehlte natürlich die göttliche Selbstoffenbarung in Christus, der uns Gott als den Schöpfer des Alls und als das letzte und höchste Ziel der Menschheit offenbarte. Aber Platon kommt diesen Gedanken doch sehr nahe.

MARKUS

Wie denkt er sich denn die Schöpfung?

PLATON

Er geht eben von seiner Idee aus. Gott besitzt in sich die vollkommene Idee alles Seienden. Sowie es eine Idee jedes einzelnen Seienden gibt, die Idee des Tisches, die Idee des Pferdes, so gibt es gewissermaßen auch als die eine und einzige Ur-Idee die Idee der Schöpfung. Nach diesem Urbild, der ewigen Idee in Gott, ist die Schöpfung (Platon spricht geheimnisvoll) geschaffen und geworden. Wir rühren mit diesem doppelten Ausdruck, nämlich die Welt sei geschaffen und geworden, an ein philosophisches Geheimnis, das unsre Weisen noch lange bedenken werden. Denn wenn es im ersten Buch der Schrift heißt: Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde, nämlich die unsichtbare geistige Schöpfung und die sichtbare materielle Schöpfung, so hat doch der Schöpfer die Welt nicht in einem Willensakt fertig hingestellt, sondern sie zugleich auf geheimnisvolle Weise werden lassen. Mir scheint es durchaus weise und ein Paradox zu sein, wie es die Weisen lieben, davon zu sprechen, dass Gott nach einem ewigen Urbild der Welt in Gott die Welt sowohl geschaffen hat als auch hat werden lassen. Wir wollen es dabei belassen.

MARKUS

Die Rabbinen haben ja berechnet, die Welt sei sechstausend Jahre vor Christi Geburt geschaffen. Platon (hörte ich einmal) spricht von weit größeren Zeiträumen der Existenz der Welt. Mir kam das wie müßige Spekulation vor. Was weiß der Mensch, wie viele tausend oder gar zehntausend Jahre die Welt existiert? Der Hochmut der Naturphilosophen ist doch gar zu groß. Hat nicht einer von den Griechen errechnet, wie viele Sandkörner ins ganze Universum passen?

PETRUS

Platon sagte, Gott schuf als ein guter und schöner Werkmeister eine gute und schöne Welt. Gott fand, das Schönste der Seele sei die Vernunft und das Schönste am Leibe die Seele. Darum gab der göttliche Werkmeister der Seele die Vernunft und dem Leib die Seele. Die Vernunft des Menschen will nun einmal Gott und die Welt und den Menschen ergründen.

MARKUS

Hat nach Platon nur der Mensch eine Seele mit Vernunft oder gibt es da eine Weltvernunft, einen Weltgeist?

PETRUS

Platon dachte sich das so: Wie beim menschlichen Leib die stofflichen Elemente von dem Leben der Seele vereint, beseelt und belebt werden und von der Vernunft in der Seele sowohl die Seele als auch von der Seele des Menschen sein Leib regiert wird, so wird auch der sichtbare Körper des Kosmos von einer Seele durchwaltet, die nämlich das Leben des Kosmos ist und die Weltseele wiederum wird regiert von der Weltvernunft. Diese Weltvernunft aber als den Regenten des Universums nennt er Logos.

MARKUS

Diese Weltvernunft ist also der Logos, der Mensch geworden ist in Jesus von Nazareth.

PETRUS

Da der Logos die Weltvernunft ist und sozusagen der König des Universums, aber auch das innere Lebensprinzip des Universums, und diese Weltvernunft ist Jesus, der ewige Sohn des ewigen Vaters, kann man sagen, das Herz Jesu als das Zentrum seiner Person ist das Zentrum des Universums. Hörtest du nicht, dass die Philosophen von einer Zentralsonne sprachen, um die sich alle Planeten bewegen? Ich denke, man kann sagen, diese pythagoräische Zentralsonne des Universums ist das Herz Jesu, des fleischgewordnen Logos.

MARKUS

Schön. Aber was bedeutet dann Weltseele? Mir kommt der Begriff der Weltseele wie ein rein heidnischer philosophischer Begriff vor. Ich finde ihn nicht in den heiligen Schriften unsres Glaubens. Es ist Heidentum und die Gnostiker haben doch die Weltseele zu einer Art neuer heidnischer Göttin gemacht. Wie kann ein guter rechtgläubiger Christ, der ans Evangelium von Jesus Christus glaubt, von der Weltseele sprechen?

PETRUS

Unsre Gemeinden singen doch die alte Hymne: Gottes Liebe ist es, die die Welt im Innersten zusammenhält! Wir glauben zwar, dass Gott der Schöpfer vor der Welt existierte und als der Ewige erhaben ist über Raum und Zeit, kurz, wir glauben an den transzendenten Gott. Aber wir bekennen auch, dass Gott das Leben ist, dass Gott das Leben in jedem Menschen ist. Wenn Gott nicht in jedem Lebendigen mit seinem göttlichen Leben geheimnisvoll-offenbar gegenwärtig wäre, so würde alles zu nichts zerfallen. Nichts kann leben, wenn es nicht Leben vom göttlichen Leben hat, wenn nicht das göttliche Leben in allem Lebendigen das Leben wäre. Gott selbst ist die Seele der Welt. Die Schöpfung ist geschaffen nach dem Abbild des dreifaltigen Gottes, die Schöpfung ist nicht identisch mit dem dreifaltigen Gott, aber der dreifaltige Gott ist das innere Lebensprinzip alles Lebendigen, das innere Seinsprinzip alles Seienden. Darum auch die alten Schriftsteller von der göttlichen Weisheit sprachen, die durchwaltet das All, wie im Buch der Weisheit zu lesen. Die göttliche Weisheit also, die Sophia, durchwaltet das All, sie ist die Weltseele. Unser Bruder Paulus aber sagt, der auferstandene Christus ist die Sophia Gottes. Wir haben aber auch eine Prophetin in unserer Kirche, die davon spricht, Visionen zu haben von dem Heiligen Geist als der göttlichen Liebe, die aus dem Vater und dem Sohn hervorgegangen die Welt im Innersten zusammenhält. Man kann also auch den Heiligen Geist als den Atem oder Hauch Gottes, den Windhauch Gottes, die Ruach ha kadosch, die am Anfang über dem Chaos schwebte, als Weltseele bezeichnen.

MARKUS

Platon glaubte also an den Logos als die Weltvernunft, er ahnte die Ruach ha kadosch als die Weltseele, aber hat er nicht auch an die olympischen Götter geglaubt? Die olympischen Götter aber, Sünder sind sie allesamt, alle Götter der Heiden sind Dämonen, sagt die Schrift. Wenn Platon auch den Sohn Gottes und den Heiligen Geist geahnt hat, so hat er es doch auf gefährliche Weise gemischt mit der Verehrung der olympischen Dämonen.

PETRUS

Platon nennt zwar die Planeten Götter, den Planeten Venus nennt er Göttin Venus und so weiter, aber doch gewissermaßen wie im Scherz. Weißt du doch sicher, dass er von den Griechen wegen Gottlosigkeit zum Tode verurteilt worden ist, also wegen Lästerung der Götter. Eigentlich spricht er nicht von den Göttern, er unterscheidet auch zwischen dem einen ewigen Gott und den geschaffenen Göttern, sondern er spricht von den Planeten und vor allem von den Planeten als von denen, die die Zeit bestimmen. Das erinnert doch an die Genesis, da Sonne und Mond vor allem als Maß der Zeit bezeichnet werden. Die Genesis und Platon behaupten also gleicherweise, dass mit dem kosmischen Raum und seinen Planeten auch die Zeit entstanden ist. Aber was ist Zeit? Wer von den endlichen Geistern hat ergründet, was Zeit ist?

MARKUS

Nun, die Zeit ist eine unbegreifliche mathematische Formel. Petrus, noch einen Becher Wein?

PETRUS

Aber ja, gewiß!



DIE SEELE


MARKUS

Platon lehrte die Unsterblichkeit der Seele, er nennt den Körper einen Kerker der Seele, er glaubt nicht an die Auferstehung des Fleisches. Das alles ist doch eine Irrlehre.

PETRUS

Nun aber langsam mit den jungen Pferden. Sprechen wir über den Ursprung der menschlichen Seele.

MARKUS

Was sagte Platon?

PETRUS

Ich denke, er widerspricht sich, denn einmal spricht er davon, die Seele sei das Bewegende des Leibes und als solches Bewegendes selbst der Bewegung nicht unterworfen, die Seele sei ewig und ungeschaffen. Er lehrt nämlich die Präexistenz der Seele, das heißt, die Seele war, vor der Empfängnis des menschlichen Leibes und vor dem Einzug der Seele in den Keim des menschlichen Leibes, im Ideenhimmel und schaute Gott. Andererseits behauptet er, der göttliche Werkmeister habe aus dem Material der Weltseele gleichsam die einzelnen Seelen abgetrennt und jede Seele einem Himmelsstern zugeordnet, woher die Seele herabkäme in den menschlichen Leib, den die Götter aus den vier Elementen geschaffen, bis die Seele heimkehre zu ihrem Stern und dort im Himmel selig lebe.

MARKUS

Ist die Seele nach Platon nun ungeschaffen oder geschaffen?

PETRUS

Wir, die wir den ersten Satz der Heiligen Schrift haben, dass Gott im Anfang Himmel und Erde geschaffen, wir können natürlich keine Seele als ungeschaffen behaupten. Denn der Himmel als das Unsichtbar-Geistige und die Erde als das Stofflich-Sichtbare bilden auch Leib und Seele ab. Gott hat im Anfang die unsichtbare himmlische Seele und den sichtbaren irdischen Leib geschaffen. Was heißt aber: Gott schuf im Anfang? Ist dieser Anfang der Anbeginn der Zeit, ein Zeitpunkt der Schöpfung? Oder ist dieses im Anfang eine Aussage, wie die Rabbinen lehren, der bedeutet: Im Urprinzip schuf Gott, das heißt, im Wort schuf Gott, in der Weisheit zeugte Gott die Seele und den Leib? Denn dann nähern wir uns Platon, der behauptete, der göttliche Werkmeister habe aus der Weltseele, das ist die göttliche Weisheit, die Seelen genommen. Denn die Geistseele des Menschen als das vernünftige Ebenbild Gottes ist im Bild und Gleichnis der göttlichen Weisheit geschaffen, und die göttliche Weisheit, die das All regiert, wie Salomo sagt, haben wir schon mit der Weltseele identifiziert.

MARKUS

Sagst du also, Platon habe recht, wenn er die Schaffung der Seele nach dem Bild und Gleichnis der göttlichen Weisheit, oder wie er sagt, der himmlischen Weltseele, behauptet? Das kann ich eben akzeptieren. Aber die Schaffung des Leibes durch die Götter, das ist nun wirklich finsterstes Heidentum.

PETRUS

Wir kommen später zum Leib, wie ich denke, denn da liegt ja auch dein Hauptvorwurf gegen Platon. Aber es ist eine lange philosophische Tradition, die Schaffung des niederen stofflichen Bereichs nicht dem Schöpfer unmittelbar zuzuschreiben, sondern Mittler einzusetzen. So meinen welche, die Weltseele gehe aus dem göttlichen Geist hervor, die Weltseele bringe den Körper des Kosmos hervor, das heißt die Natur, die Natur wiederum schaffe die stofflichen Körper. Ich denke, es ist doch wirklich bedenkenswert, die Schaffung der sterblichen irdischen Körper auf eine gewisser Art einer mitschöpferischen Natur zuzuschreiben. Es ist, als ob der Schöpfer etwas von seiner Schöpfermacht in die Natur gegeben, und als ob der göttliche Schöpfergeist nun schöpferisch tätig werde durch ein schöpferisches Tätigsein der Natur. Wir sind also wieder bei dem Punkt, bei dem wir schon waren, dass die Schöpfung sowohl von Gott geschaffen als auch natürlich geworden ist.

MARKUS

Wenn nun aber Platon die Seelen, die vernünftigen Geistseelen der Menschen, die nach dem Bild und Gleichnis der göttlichen Weisheit gezeugt worden sind, den Sternen zuordnet, die Sterne ihre himmlische Heimat nennt und die Sterne als den Ort ihrer ewigen Heimkehr bezeichnet, so scheint mir dies verdächtig nah an der babylonischen Astrologie und dem Götzendienst der Sterngötter zu liegen.

PETRUS

Mir scheint aber Platon damit nicht auf die Astrologie und den Fatalismus hinzuweisen, sondern vielmehr eine philosophische Ahnung auszudrücken, dass die Seele himmlischen Ursprungs ist und in den Himmel ihre Heimkehr hat. In seiner natürlichen Erkenntnis, noch nicht erleuchtet durch den Offenbarungsglauben, bezeugt er damit den Ursprung der Seele in Gott und das ewige Ziel der Seele in Gott. Und das wollen wir doch auch sicher glauben.

MARKUS

Wie willst du nun die Präexistenz der Seele rechtfertigen? Wie willst du die Lehre rechtfertigen, die Seele habe vor der Empfängnis des Menschen im Himmel Gott geschaut?

PETRUS

Ich denke, diese Lehre von der Schau Gottes durch die Seele im Ursprung stammt aus der philosophischen Schau, die Seele trage in sich ein Gottesbild, eine Erkenntnis Gottes. Aber ich will später darauf zurückkommen. Zuerst einmal will ich die christliche Position vom Ursprung der menschlichen Seele darstellen. Wir bekennen nämlich den Kreationismus der Seele. Die Seele ist Kreatur und Gott ist der Creator ex nihilo.

MARKUS

Wann und wie schafft Gott nun die Seele? Und schafft er aus Nichts oder aus der göttlichen Weisheit?

PETRUS

Was ist denn überhaupt Seele? Platon sagte, die Seele ist das Leben des Leibes, das Lebensprinzip. Aristoteles nennt die Seele das Formprinzip. Die Seele formt, entwickelt, gestaltet das stoffliche Leben des Leibes. Nun behaupten die Philosophen für alles Lebendig-Stoffliche eine lebendige Seele als Formprinzip. Das pflanzliche Leben hat eine vegetative Seele, diese Seele ist Lebensprinzip des pflanzlichen Stoffes, ist nicht beweglich, sondern an den Ort gebunden, und ist nicht vernünftig. Das tierische Leben hat eine animalische Seele, diese Seele ist das Lebensprinzip und Formprinzip des tierischen Stoffes. Diese animalische Seele ist beweglich, sie kann den Ort verändern, sie wird geleitet durch ihre instinktiven Triebe, ist aber nicht vernünftig.

MARKUS

Nicht einmal die Seele eines Delphines ist vernünftig?

PETRUS

Ja, scherze nur. Der Mensch nun besitzt eine geistige, vernünftige Seele. Diese vernünftige Geistseele wird aber von der Heiligen Schrift Ebenbild Gottes genannt. Der Mensch allerdings vom Augenblick der Empfängnis an, vom Augenblick der Vereinigung des männlichen Samens mit dem weiblichen Ei und der ersten Bildung eines Embryos, besitzt natürlicherweise sowohl eine pflanzliche Seele als auch eine tierische Seele. Die vernünftige Geistseele des Menschen allerdings als Ebenbild Gottes wird unmittelbar von Gott geschaffen.

MARKUS

Ich kann dir nicht folgen. Woher kommen denn die pflanzlichen und tierischen Seelen?

PETRUS

Nun, in dem natürlichen Vorgang der Vereinigung von Mann und Frau entsteht aus der schöpferischen Fruchtbarkeit der Natur der stoffliche Embryo, der von Natur aus das pflanzliche Formprinzip und das animalische Formprinzip an sich hat. Das Ebenbild Gottes in der vernünftigen Geistseele geht allerdings nicht natürlicherweise aus dem Liebesakt hervor, sondern stammt unmittelbar aus Gott.

MARKUS

Gott gießt also die vernünftige Geistseele in den bereiteten Leib des Embryo? Wird die Seele von außen irgendwie eingehaucht?

PETRUS

Hier erliegst du selbst einem platonischen Irrtum. Denn das Wesen des Menschen wird richtigerweise als eine Einheit von Leib und Seele bezeichnet. Das ist allerdings nicht so, dass der Leib als ein Gefäß zu betrachten wäre, in den die Seele irgendwie eingegossen würde. Sondern es ist eine Einheit, ein gegenseitiges Durchdrungensein, die Seele ist im ganzen Leib und der ganze Leib ist in der einen Seele.

MARKUS

Wenn aber die Geistseele weder eingegossen noch eingehaucht wird, wie kommt sie dann unmittelbar von Gott zum stofflichen Embryo?

PETRUS

Wir behaupten nun nicht allein die Transzendenz Gottes, sondern in gleicher Fülle der Wahrheit die Immanenz Gottes. Denn Gott ist nicht der Vater im Himmel in solcher Weise, dass er über den sieben Planeten und über dem Fixsternhimmel in einem kristallinen Empyreum throne, sondern Gottes Liebe ist es, die die Welt im Innersten zusammenhält, wie unsre Gemeinde singt. Gottes Liebe also im Inneren der Welt, im Inneren der Schöpfung, im Inneren der Natur, Gottes Liebe ist auf geheimnisvolle Weise innerlich gegenwärtig in dem natürlichen Schaffen des Embryos durch das Mitschöpfertum von Mann und Frau. Ja, wir können sagen, in dem Akt der Vereinigung des Männlichen und des Weiblichen ist Gottes Liebe gegenwärtig, nämlich im Innern, als die schöpferische Liebe Gottes. Diese schöpferische Liebe Gottes unmittelbar erzeugt also in dem Augenblick der Entstehung des Menschen die vernünftige Geistseele des Menschen nach ihrem eigenen göttlichen Urbild. Die Geistseele wird im Augenblick der Zeugung und Empfängnis von der göttlichen Liebe von innen her gezeugt und gesetzt. Wie Gott im Anfang sprach: Jhehi Or! Es werde Licht! So spricht die schöpferische Gottesliebe im Innern der Zeugung zur Geistseele: Sei! Und so ist die Geistseele. Und was ist die Geistseele? Sie ist das Bild nach dem Bilde Gottes.

MARKUS

Was heißt das nun, die vernünftige Geistseele sei Abbild nach dem Bilde Gottes?

PETRUS

Wir behaupten, Gott habe nicht eine identische Masse von Seelen gezeugt, die alle auf gleiche Weise Bild vom Bilde Gottes sind, sondern jede individuelle Seele ist ein einmaliges und einzigartiges Bild Gottes, ein individuelles und originales Abbild Gottes. Und hier ist der Ort für Platons Lehre von der Seele, die eine Schau Gottes gehabt hat. Diese Schau Gottes fand nicht vor der Zeugung statt, sondern im Augenblick der Zeugung ist der ebenbildlichen Geistseele ein Bild Gottes eingehaucht, eine verborgene Gottesschau im Innersten der Seele. Darum sagen die heiligen Lehrer auch: Geh in dein Herz und du findest Gott. Denn im Innersten der Seele verborgen ist ein originales einzigartiges Abbild Gottes. Dies zu verwirklichen und im menschlichen Leben zur Entfaltung zu bringen, ist die Aufgabe des Menschen. Und dazu hilft ihm die Gnade Gottes.

MARKUS

Wenn nun jede Seele persönlich-einzigartiges Gottesbild ist oder in sich trägt, dann gibt es soviel Gottesbilder, wie es menschliche Seelen gibt.

PETRUS

Ja, gewissermaßen gibt es so viele Gottesbilder wie es Menschen gibt und darum auch so viele Wege zu Gott, wie es Menschen gibt. Platon beschrieb das in seiner mythologischen Sprache so: Die Seelen haben im Ideenhimmel Gott geschaut, aber sie haben Gott gleichsam in den Spiegelungen der himmlischen Götter geschaut. Verzeih mir, wenn ich offen rede, aber der eine hat die Venus geschaut, der andere den Apoll, der dritte die Minerva, und so weiter.

MARKUS

Und das in deinem Munde! Platon kam doch nicht von den heidnischen Göttern los.

PETRUS

Er meint natürlich nicht die olympischen Götter in dem Sinne, wie von ihnen menschlich-allzumenschlich als Sündern gesprochen wird. Nein, was er schaut, das sind verschiedene Qualitäten und Wesenszüge Gottes in einer Personifikation: die personifizierte göttliche Liebe und Schönheit, die personifizierte göttliche Weisheit, die personifizierte göttliche Wahrheit, und was immer du willst, der göttliche Friede, das göttliche Licht, die göttliche Barmherzigkeit, die göttliche Allmacht und so fort, was immer von Gott gerechterweise gesagt werden kann. All diese Qualitäten Gottes schaute Platon in philosophischer Schau als personifizierte Hypostasen und nannte sie nach der ihm zur Verfügung stehenden theologische Sprache eben Götter.

MARKUS

Und diese göttlichen Eigenschaften Gottes werden von den verschiedenen Seelen verschieden geschaut und abgebildet?

PETRUS

Die Lehrer der christlichen Weisheit behaupten eine jeweils besondere Hingeneigtheit jeder individuellen Seele zu besonderen Aspekten Gottes. Daraus entstehen die unterschiedlichen Theologien, Philosophien und spirituellen Biographien. Ja, einer der weisen Meister behauptete, die Seele, die eine besondere Qualität Gottes besonders im Leben verehrt und angebetet und abgebildet durch ein heiliges Leben, kehre im Tode zu eben dieser Qualität Gottes heim und vereinige sich mit dieser einzigartigen Hypostase Gottes.

MARKUS

Wie das?

PETRUS

Die der göttlichen Weisheit gedient, die kehren im Tod zur göttlichen Weisheit heim und vereinigen sich mit der göttlichen Weisheit. Die der göttlichen Liebe gedient, vereinigen sich mit der göttlichen Liebe. Und so fort, ich denke, du verstehst.

MARKUS

Credo in unum Deum.

PETRUS

Amen.



DER LEIB


MARKUS

Noch einen Schluck vom roten Wein?

PETRUS

Nur zu!

MARKUS

Lacrimae Christi!

PETRUS

Der Wein erfreut das Herz des Menschen, das Brot stärkt den Leib.

MARKUS

Christus verschmähte es nicht, einen Leib anzunehmen. Platon aber nennt den Leib ein Gefängnis der Seele. Die Stoiker gar konnten sich nichts besseres vorstellen, als möglichst bald Selbstmord zu begehen.

PETRUS

Ich weiß, dich erhitzt der Satz Platons, der Leib sei Kerker der Seele. Aber hast du schon im Buch der Weisheit gelesen? An der Stelle, da Salomo den Herrn um die göttliche Weisheit bittet, klagt Salomo: Der vergängliche Leib beschwert und bedrückt den vieles überlegenden Geist. Und hast du doch gewiß in den Briefen unsres weisen Bruders Paulus studiert, ob du da auch zu der Stelle gekommen bist, da Paulus seufzt: Ah weh, wer wird mich von diesem Todesleib erlösen? Hast du Paulus gehört in seinem herzerschütternden Seufzer: Solange wir aber in diesem Leibe sind, sind wir fern vom Herrn, und ich hätte wohl Lust, abzuscheiden und beim Herrn zu sein? Was sagst du dazu?

MARKUS

Es ist aber doch gerade die große Ketzerei der Gnosis, den Leib zu verachten. Sie leugnen ja, dass Christus einen wirklichen Leib gehabt.

PETRUS

Die Gnostiker machen es fein, wie übrigens andre Heuchler so mancher Sekte auch, sie sagen, unser Geist hat Erkenntnis Gottes, was wir im Leibe tun, berührt unsern Geist nicht, der voll ist von Erkenntnis Gottes, so können wir getrost zu den Huren gehen, die Ehe brechen, außerehelichen Verkehr haben, uns scheiden lassen, Geschiedene heiraten und andre solche Verstöße gegen die Gebote Christi.

MARKUS

Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet.

PETRUS

Ich sage nur, wo die Verstöße gegen die Gebote Christi sind. Wer die Person Christi glaubt in seinem Geist, muß den Willen Christi in seinem Leib auch tun. Aber schauen wir einmal in die wahnwitzigen Labyrinthe der Gnosis. Weißt du, woran sich Wahrheit von Häresie scheidet?

MARKUS

An der Heiligen Schrift.

PETRUS

Ich aber sage dir, an der Jungfrau Maria.

MARKUS

Wieso?

PETRUS

Erkenne die Wahrheit über die Jungfraumutter Maria und du erkennst die Wahrheit über Christus. Nennen wir Maria nicht die Mutter Gottes?

MARKUS

Mutter Jesu nennt sie das Evangelium.

PETRUS

Bekennen wir nicht Jesus Christus als unsern Herrn und Gott? Das Bekenntnis zur Gottesmutterschaft Mariens ist ein Bekenntnis zur Gottheit Christi. Wer Maria den Titel der Gottesmutter aberkennt, der anerkennt nicht die Gottheit Christi.

MARKUS

Aber was den Leib betrifft und die Gnosis?

PETRUS

Die Gnosis lehrt, der himmlische Christus, den sie nicht als göttlichen Sohn des göttlichen Vaters anerkennen, sondern den sie eine himmlische Wesenheit nennen, dieser himmlische Christus sei wie durch einen Kanal durch Maria hindurchgeflossen, ohne von ihr berührt worden zu sein oder gar von ihr etwas angenommen zu haben. Wir aber bekennen im Bekenntnis, dass Christus die menschliche Natur angenommen hat von Maria der Jungfrau. Die Juden übrigens schaudern vor dem Gedanken, dass der heilige Gott sich hinabgelassen habe in etwas so Schmutziges wie den Schoß einer Frau. Wir dagegen bekennen, dass die jungfräuliche Mutter in ihrem keuschen Schoß den Gott umfasst hat, den die Himmel und der Himmel aller Himmel nicht umfassen kann. Andre Gnostiker leugnen nun gar, dass Christus ein Jude war, wir allerdings bekennen, dass Jesus wahrhaft Sohn der Jungfrau Maria von Nazareth war, die aus dem Stamm Davids und die vollkommene Tochter Zion war. Die Gnostiker, die das Judentum Jesu leugnen, leugnen die Heiligen Schrift des Alten Bundes und verwerfen den Namen des Herrn. Wir aber lauschen Maria, die in ihrem Lobgesang eine Reihe von Zitaten aus der Heiligen Schrift des Alten Bundes bringt und die Größe des Herrn preist, wie eine Hanna des Neuen und Ewigen Bundes. Andre Gnostiker leugnen, dass Christus gekreuzigt worden ist, wir aber bekennen, dass Maria unter dem Kreuz gestanden hat und mitgelitten mit den Leiden ihres gekreuzigten Sohnes. Andre häretische Sekten behaupten, Jesus sei nicht von einer Jungfrau geboren, sondern im Ehebruch gezeugt von einem römischen Soldaten. Mich ekelt es, diese Ketzerei überhaupt zu erwähnen. Wir aber bekennen, dass Maria Jungfrau vor und in und nach der Geburt war. Andre häretische Sekten behaupten, Maria habe nach der Geburt Jesu noch weitere Söhne und Töchter geboren. Wir aber bekennen mit dem Propheten Hesekiel, dass Maria das verschlossene Osttor des Tempels ist, dass verschlossen bleiben soll, weil der Herr hindurchgezogen ist. Wir lesen also die Wahrheit über Jesus Christus ab an der Wahrheit über die Jungfraumutter Maria. Was nun den Leib und das Blut Christi betrifft: Er hat es angenommen von Maria. Damit er ein sündloses Fleisch annehmen konnte, hat er sie zuvor vor aller Sünde bewahrt. Wenn ich aber Häretiker höre, die meinen ihrem eingebildeten Christus gefallen zu können, indem sie die makellose Jungfraumutter mit Schmutz und Kot bewerfen, packt mich der heilige Zorn, denn ich weiß, es ist eine Beleidigung Christi, Seine Mutter zu beleidigen!

MARKUS

Ich meine, wir sind abgeschweift. Wir wollten über Platon sprechen, der den Leib als Kerker der Seele bezeichnete.

PETRUS

Wir sind für siebzig oder wenn es hoch kommt achtzig Jahre auf Erden, um uns in Freiheit für Gott zu entscheiden und die Prüfung unsres Lebens in Treue zu Gott zu bestehen. Dazu haben wir diesen vergänglichen Leib, der oft genug gegen den Geist streitet. Geschaffen allerdings sind wir für die Ewigkeit.

MARKUS

Also ist die Unsterblichkeit der Seele das allein Wichtige?

PETRUS

Aber wir bekennen weiterhin, der Mensch ist eine Einheit von Leib und Seele. Allerdings die erlöste Seele in ihrer Unsterblichkeit wird von Christus einen Geistleib bekommen, einen pneumatischen Körper, der nicht mehr gegen den Geist streitet, sondern ganz vom Geist durchdrungen und erfüllt ist, ganz vom Geist regiert wird und die freie Beweglichkeit des Geistes in nichts behindert. Diesen pneumatischen Körper hat die auferstandene Jungfrau Maria, die uns vorangegangen ist in die Herrlichkeit des Himmels. Ich sah, und siehe, über mir war der Himmel von strahlendem Licht einer weißen Sonne, strahlender als reiner Schnee, der Himmel war von leuchtendem hellem Blau, voll der mildesten Heiterkeit und des freundlichsten Lichts. Und in dem strahlendsten Sonnenlicht sah ich die makellose Jungfrau in einem Kleid wie aus reinstem Sonnenlicht und ihr pneumatischer Körper war wie reinster Äther und Lichtglanz, und ihr Antlitz war Licht, Licht, Licht, und ich sah sie liebevoll lächeln wie eine junge schöne Mutter, und ihre überfließende Mutterliebe aus dem makellosen Mutterherzen war von solcher warmherziger Mutterliebe, dass die Herzen aller Mütter der Welt verglichen damit kalt wie Eis sind. Und ich hörte die makellose Jungfrau, bekleidet mit dem Lichtglanz der Sonne, voller Liebe zu mir reden: Mein Geliebter, ich liebe dich, ich habe dich auserwählt, denn ich will deine junge Geliebte sein!

MARKUS

Ach, mein Petrus, die Flasche ist leer.

PETRUS

Chaire Kecharitomene &C.



ZWEITER TEIL

PLATONISCHE KNABENLIEBE



Soll man lieber Menschen haben,

Die nicht lieben, nicht verliebt sind,

Weil sie nüchtern sind und sachlich,

Nicht wie Liebende wahnsinnig?


Ist der Wahnsinn denn ein Übel?

Großes doch entsteht aus Wahnsinn!

Die Prophetinnen zu Delphi

Prophezeiten doch im Wahnsinn,


Die Sibylle prophezeite

Das Zukünftige im Wahnsinn.

Früher reimte man den Wahnsinn

Auf den weisheitsvollen Wahrsinn.


Göttlich ist der Wahnsinn, größer

Als das menschliche Verstehen.

Der Poet auch lebt im Wahnsinn,

Wenn ihn küsst die Göttin Muse.


Eine zarte Seele, eine

Heilige, geschonte Seele

Bricht hervor in Festgesänge,

Singt den Lobpreis weiser Väter,


Singt die Heiligen, die Helden.

Wer betritt der Dichtkunst Tempel

Ohne Wahnsinn von den Musen,

Ist ein ungeweihter Schwätzer.


Eines Mannes des Verstandes

Kluge Dichtung wird verdunkelt

Von prophetischen Gesängen

Des wahnsinnigen Poeten.


Darum möchte ich behaupten:
Von den Göttern kommt der Wahnsinn

Zur Glückseligkeit und Wonne

Der Begeisterten im Wahnsinn.


Die Verständigen und Klugen

Werden dieses nie begreifen,

Doch die eingeweihten Weisen

Danken für der Götter Wahnsinn.


Psyche wahrlich ist unsterblich!

Unentstanden ist der Anfang,

Alles ist aus ihm entstanden,

Er allein ist nicht entstanden.


Da der Anfang unentstanden,

Ist der Anfang unvergänglich.

Anfang aller der Bewegung,

Dieser selbst ist nicht beweglich.


Dieser kann nicht untergehen

Oder Himmel und die Erde

Müssten augenblicks vergehen,

Würden nicht erneut entstehen.


Körper, die bewegt von außen

Werden, sind die unbeseelten.

Der Bewegung in sich selbst hat,

Ist beseelt, bewegt von Seele.


Ist die Seele nun das Leben,

Des beseelten Körpers Leben,

Bleibt sie Leben, also ist die

Seele immerdar unsterblich.


Schau dir an die schöne Psyche,

Wie zwei Rossen gleicht die Psyche,

Über diese Rosse siehe,

Wie die Führerin Vernunft ist.


Nun, das eine Ross der Götter

Waltet in dem ganzen Himmel

Gut und edel, doch das andre

Ross des Fleisches ist verderblich.


Nun, das Göttliche der Psyche

Waltet in dem ganzen Himmel

Und erscheint verschiedner Weise,

Hier und dort sehr schön gestaltet.


Diese Göttlichkeit der Psyche

Schwebt umher mit lichten Flügeln.

Doch die flügellose Psyche

Sich verbindet mit dem Fleische.


Diese flügellose Psyche

Nun belebt den Erdenkörper.

Leib und Seele nun zusammen

Bilden Menschen, Tieren ähnlich.


Die wir Gott noch nicht gesehen,

Denken, der beseelte Tiermensch

Sei geeint aus Leib und Seele

Und unsterblich sei die Seele.


Warum aber hat die Psyche

Ihre Flügel denn verloren?

Warum steht denn Psyche nackend

Ohne Federkleid der Flügel?


Doch die Kraft der Flügel Psyches

Hebt das Schwere in die Höhe,

In der Himmelsgötter Höhe,

Weil sie ähnlich ist der Gottheit.


Denn das Göttliche ist Schönheit,

Gott ist Weisheit, Gott ist Liebe,

Seelennahrung für die Seele,

Die verbraucht wird durch das Böse.


Doch den Ort des Überhimmels

Hat kein Dichter je besungen,

Wie er ist, das ist nicht möglich,

Keinem menschlichen Poeten.


Zeuge bin ich für die Wahrheit,

Ich bekenne mich zur Wahrheit.

Ewigseiend ist das Wesen,

Das im Himmel die Vernunft schaut.


Farblos und gestaltlos ist es,

Wahrhaft seiend ist das Wesen.

Die Vernunft, die führt die Seele,

Schaut es in dem Bund der Weisheit.


O so freuen sich die Seelen,

Gottheit wieder mal zu schauen!

So beschauen sie die Weisheit,

Freuen sich an ihrem Wohlsein!


In des Himmels Höhe schauen

Die Gerechtigkeit die Seelen,

Die Besonnenheit, die Klugheit,

Reinheit schauen reine Seelen.


Wenn die Seele in dem Himmel

Schaute Gottheit ewigseiend,

So erquickt sie die Beschauung,

Kehrt erquickt zur Erde wieder.


Darum auch der Psyche Eifer,

Das Gefilde schöner Weisheit

Immer wieder anzuschauen,

Denn sie stammt von jener Weide.


Und der schönen Psyche Flügel

Speisen von der Seelennahrung

Göttlicher Beschauung, Psyche

Nährt sich von der Himmelsspeise.


Das Gesetz der Weisheit aber

Ist es, dass die schöne Psyche

Als geliebte Freundin Gottes

Ruhe still in der Beschauung.


Muß sie dann zurück zur Erde,

Wird die Psyche, die am tiefsten

Sah in das Geheimnis Gottes,

Eingehn in den Philosophen,


Eingehn in den wahren Dichter

Oder einen Minnediener.

Andre Seelen aber kehren

Ein in die Familienväter.


Blinde Seelen aber kehren

Ein in dumme Schreiberlinge.

Alle andern Seelen werden

Zu Proleten oder Bauern.


Zu dem himmlischen Gefilde

Will die schöne Psyche wieder,

So befiedert sich die Psyche

In dem wahren Philosophen.


Denn ein Mann, der Philosoph war

Und die schönen Knaben liebte

(Aber nicht nach Art der Sünder

In der Unnatur der Unzucht)


Dem befiedert sich die Psyche

Und sie kehrt zum Überhimmel.

Alle andren Seelen aber

Treten vors Gericht der Götter.


Und die Bösen kehren drunten

In den Zuchtort ihrer Sünden

Und die Guten kehren droben

In den Himmel ihrer Liebe.


Psyche will sich ja erinnern

An die Schau des Götterhimmels,

Sie betrachtet nicht, was Narren

Auf der Erde seiend nennen,


Sondern was die Weisen nennen

In dem Himmel wahrhaft seiend.

So des Philosophen Psyche

Wird am meisten dort befiedert,


Denn der Philosoph erkannte

Schon die Eitelkeit der Erde

Und das Seiende der Gottheit

Ewig in dem Überhimmel.


Darum auch die Philosophen

Auf der Erde sich enthalten

Fleisch und Welt und allem Bösen,

Schauen nur die Schönheit Gottes.


Darum nennen alle Leute

Diese Weisen arme Narren,

Denn sie leben wie im Wahnsinn,

Aber in dem Wahnsinn Gottes.


Schaut ein Mann nun eine Schönheit,

Eine Schönheit auf der Erde,

So erinnert sich die Psyche

An die Schönheit in dem Himmel


Und der schönen Psyche wachsen

Neu befiedert wieder Flügel,

Sie versucht zu fliegen, flattert,

Schwebt ein wenig in den Äther,


Taumelt trunken in den Lüften.

Von der flatterhaften Psyche

Sagen dann die klugen Leute,

Psyche sei verrückt geworden.


Doch des Liebenden Verrücktheit

Ist der Wahnsinn großer Liebe.

Dessen Seele liebt im Wahnsinn,

Wird zu Recht genannt ein Minner.


Aber bei der Erdenschönheit

Sich im Geiste zu erinnern

An die Himmelsschönheit Gottes,

Ist nicht jedermann gegeben.


Wenige auf Erden lieben

So gewaltig, sich erinnernd

An die Schau der Schönheit Gottes.

Deren Psyche wird befiedert.


Diese, schauen sie auf Erden

Nun das Ebenbild der Gottheit,

Schönheit von der Schönheit Gottes,

In Verzückung trunken jubeln!


Denn die Schönheit in den Himmeln

War glückselig anzuschauen,

Wo sie als die Braut des Höchsten

Strahlte auf im Götterhimmel.


Selig, wer im Himmelreiche

Eingeweiht in das Geheimnis

Idealer Schönheit Gottes,

Eingeweiht in das Geheimnis


Unbefleckter, makelloser,

Ganz perfekter Himmelsschönheit,

Schauend in den Spiegel Gottes

Minner ward der Makellosen!


Was die Schönheit also angeht,

Nun, sie glänzte schon im Himmel.

Wir sind aber auf der Erde,

Schauten sie mit unsern Augen.


Geistig rein sind unsre Augen,

Schönes hören unsre Ohren.

Doch gefühlt nicht noch gerochen

Noch geschmeckt ward diese Schönheit.


Wenn wir gar Sophia schauten,

Göttin Hagia Sophia,

O, sie würde Liebe wecken,

Wenn sie unsre Augen schauten!


O der auch die Schöne Liebe!

O die Göttin Schöne Liebe!

Wenn wir sie entschleiert schauten,

O wie würden wir sie lieben!


Und nun schauen wir die Schönheit,

Uns zuteil ward Schau der Schönheit,

Voller Gloria und Lichtglanz,

Voller Anmut, Charme und Liebreiz!


Aber wer sich nicht erinnert

An der Schönheit Himmelsursprung

Oder schon vom Fleisch verdorben

Durch die Sünde ist der Unzucht,


Der will voll Begier vermischen

Fleisch mit Fleisch, das Weib dem Manne,

Oder gegen die Natur gar

Einen Mann mit einem Knaben,


Ekelhaft ist diese Sünde!

Doch so sind nicht die Geweihten!

Wer die Weihe lebt, die Weihe

An die unbefleckte Schönheit


Und die Himmlischen gestaltet

Schaut verkörpert auf der Erde,

Wenn er schaut ein junges Mädchen,

Welche schön wie eine Göttin,


Einen Körper schön gestaltet,

Höchste Schönheit präsentierend,

Schaudert er vor ihrer Schönheit

In geheimnisvoller Ehrfurcht.


Doch dann betet er das schöne

Mädchen an wie eine Göttin,

Stellt sie auf den Marmorsockel

Als ein Bild der Aphrodite!


Ja, er fürchtet nicht die Reden

Kluger Leute, die ihn lästern,

Der Verliebte sei wahnsinnig,

Sei verrückt vor lauter Liebe,


Sondern Opfer bringt der Minner

Auf dem Hochaltar der Minne

Seiner schönen Aphrodite,

Opfert ihr das Blut des Herzens.


Fieber überfällt ihn, schwitzend

Überströmt ihn Liebeshitze

Und er glüht vor Lustverlangen

In der Liebeswonne Feuer!


Seine Augen trinken Schönheit,

Reiner Schönheit lichten Ausfluss

Trinken gierig seine Augen,

Ihn erwärmt die schwüle Wollust!


Seiner Psyche Flügel heben

Sich als strahlendes Gefieder,

Alles drängt zum freien Aufbruch.

Seelen gleichen Schmetterlingen.


Nun bei der verliebten Psyche

Alles ist ein großer Aufbruch,

Wie der ersten Zähne Zahnen

Bei dem vielgeliebten Kindlein.


Und es fühlt die schöne Psyche,

Wie die Flügel sich entfalten

Und dies Keimen und dies Sprießen

Ihr verursacht süßes Jucken.


Dieses Jucken, dieses Kitzeln

Ist Entfaltung ihrer Flügel.

Sieht sie nun den schönen Knaben

Und den Ausfluss seiner Schönheit,


All den Liebreiz reiner Schönheit,

Die man Reize nennt der Schönheit,

Wird sie von dem Reiz befruchtet

Und erwärmt vom süßen Liebreiz.


Diese Schönheit dieses Knaben

Lindert nun der Psyche Schmerzen.

Schaut sie ihn, so ist sie fröhlich!

Ist sie fern, so ist sie traurig!


Ist sie fern vom lieben Knaben,

Quält sie sich mit Angst und Bangen.

Doch in den Erinnerungen

Freut sie sich in ihrem Geiste.


Denkt sie an den lieben Knaben,

Sich erinnernd an den Schönen,

So frohlockt die Psyche, jubelt

Über seine Knabenschönheit.


Diese Mischung der Gefühle

Aus verängstigter Verzagtheit

Und aus jubelndem Frohlocken

Macht den Wahnsinn aus der Psyche.


Und im Wahnsinn voller Sehnsucht

Denkt sie an den Ort, die Stunde,

Da sie wieder sieht den Knaben,

Wieder sättigt sich am Liebreiz.


Denn Verehrerin ist Psyche

Dieses wunderschönen Knaben

Und der liebevolle Knabe

Ist ihr auch ein Seelenheiler.


Diesen Zustand nun, o Milon,

Knabe, dem ich dieses singe,

Diesen Zustand nennen Menschen

Platonismus, Knabenliebe.


Jeder Mann nach seiner Weise

Wählt die Liebe zu dem Schönen,

So als wäre jener Schöne

Nun ein kleiner Gott auf Erden!


Und er schmückt den lieben Knaben

Wie die heilige Ikone

Und verehrt den lieben Knaben

Im Mysterium der Liebe.


Und er feiert Freudenfeste

Zu des lieben Knaben Ehre.

Der Geburtstag seines Knaben

Ist ihm eine zweite Weihnacht.


Wenn die Minner aber forschen,

Was sie in den Knaben lieben,

So erkennen weise Minner

Gottes Gegenwart im Knaben!


Weil sie auf den Knaben schauen

Wie auf die Ikone Gottes,

So erkennen sie die Gottheit,

Mensch geworden als ein Knabe.


Schauend also auf die Gottheit

In Gestalt des schönen Knaben,

Sie empfangen von dem Gottkind

Alle Tugenden der Liebe.


Wenn sie nun vom Gotte schöpfen

Tugend, Schönheit, Weisheit, Liebe,

Gießen sie die Gnadengaben

Über den geliebten Knaben


Und bemühen sich als Weise

Und als fromme Ehrenmänner,

Den Geliebten anzugleichen

Der Idee des jungen Gottes.


Also müht der weise Minner

Sich als frommer Pädagoge

Und als Philosoph und Priester,

Seinen Knaben zu belehren


Und zu heiligen den Knaben,

Daß der Knabe imitiere

Den verehrten Gott der Liebe,

Daß der Knabe sich verwandle


Und zum zweiten Amor werde.

So der Knabe wird gesegnet

Und vergöttlicht durch die Liebe

Des verliebten Philosophen.


Da der Knabe nun geehrt wird

Als ein zweiter Amor Gottes

Und auch von Natur der Knabe

Zugeneigt dem frommen Minner,


Lädt der Knabe den Verehrer

Oftmals zu vertrautem Umgang,

Scherz und Ernst, Liebkosung zärtlich,

Unterredungen und Küssen.


Das Wohlwollen seines Minners

Hoch entzückt den Vielgeliebten

Und es merkt der Vielgeliebte:
Keiner liebt ihn wie der Minner.


Denke doch an Zeus: Gottvater

Raubte Ganymed, den Knaben,

Nannt ihn seinen kleinen Liebling,

Seinen Schatz und seinen Engel.


So die Liebe strömt vom Minner

Zu dem vielgeliebten Knaben

Und vom vielgeliebten Knaben

Wiederum zum frommen Minner.


So des vielgeliebten Knaben

Seele wird erfüllt mit Liebe,

Daß er lieb hat seinen Minner,

Lallt er unbeholfner Sprache.


Daß der liebe schöne Knabe

In des Minners weiser Seele

Selber sich beschaut im Bilde

Ideal, kann er nicht wissen.


Ist der Minner gegenwärtig,

Lacht der Knabe fröhlich jauchzend!

Ist entfernt der Minner aber,

Sehnt ihn sich herbei der Knabe!


So behaftet ist der Knabe

Mit der Liebe Schattenbilde,

Mit der süßen Gegenliebe,

Nennt die Gegenliebe Freundschaft.


Wenn die Seele so geordnet

In der weisheitsvollen Liebe,

Leben Liebender und Liebling

Schon auf Erden wie im Himmel!


Selig wie im Paradiese

Sie im Garten ihrer Freundschaft!

Welche so auf Erden selig

Im Mysterium der Liebe,


Wandeln nicht die Todesstraße

In die Finsternis des Hades,

Sondern Liebe führt sie selig

Ins Elysium des Himmels!


Dieses sei dein Lobpreis, Amor,

O du wahrer Amor Gottes,

Den ich dir gebracht als Dichter

Zu der Ehre deines Namens!