Von Josef Maria Mayer
1
Die Götter der Veden
Sind Kräfte der Natur.
Der Himmel, die Sonne, das Feuer,
Die Erde, das Wasser, die Sexualität.
Dyaus war der Himmel,
Deva das Licht.
Der Himmel wurde zum Vater,
Die Erde eine Mutter, Prithevi,
Die Vegetation war Frucht
Ihrer Vereinigung.
Die Morgenröte war Usha,
Die Sonne war Mithra.
Auch das heilige Soma,
Dessen Saft berauschend und heilsam war,
Berauschend für Götter und Menschen,
Das heilige Soma war ein Gott,
Dessen Genuß zu Freude und Kraft inspirierte
Und ewiges Leben verlieh.
In dem lebenserzeugenden
Licht der Sonne
Sahen sie den großen Gott
Prajapati, den Herrn der lebendigen Wesen.
Er war allein der einzige Gott,
Man nannte ihn später Brahma.
Aber die Bauern liebten
Den Donnerer Indra.
Er war ein kraftvoller Heros,
Der Hunderte Stiere verzehrte
Und Meere voll Wein trank!
Diese Götter waren menschlich,
Allzumenschlich,
Töricht wie Menschen.
Es hörte ein Gott den Beter
Und dachte bei sich, der Gott:
Was geb ich meinem Beter?
Soll ich ihm dieses oder jenes geben?
Soll ich ihm ein Pony geben?
Ja, ich werde ihm ein Pony geben.
Oder nein, ich gebe ihm kein Pony,
Ich gebe ihm lieber eine Mutterkuh!
Hat er mir eigentlich gestern das Soma geopfert?
Varuna war der Himmel,
Sein Atem war der Wind,
Sein Kleid das Firmament.
Er war die geistige, ethische Gottheit der Veden,
Der mit seinem Sonnenauge die Welt betrachtet,
Das Böse bestraft,
Die Güte belohnt,
Den Reuigen ihre Sünden verzeiht.
Wie schuf die Gottheit die Schöpfung?
Der einsame Gott der Inder
Hatte keine Freude,
Er hatte keine Freude, da er allein war.
Da begehrte er nach einer zweiten Gottheit.
Da war die Gottheit
Wie ein Mann und eine Frau,
Wenn sie sich vereinigen.
Aus dem göttlichen Selbst
Sind geworden der Gatte und die Gattin.
So vereinigten sich der Mann und die Frau
Und daraus entstand der Mensch.
Sie aber dachte:
Wie will er sich mit mir vereinigen,
Da er mich doch aus sich selbst erzeugte?
Ich will mich vor ihm verbergen!
Da wurde sie zur Kuh mit vollen Eutern.
Er aber ward zum Stier mit starkem Horn
Und begattete sie,
So wurden die heiligen Kühe.
Da wurde sie zu einer Stute mit bebenden Flanken,
Da wurde er zu einem Hengst mit dampfenden Nüstern,
Er begattete sie,
So wurden die Pferde, von den Mädchen geliebt.
So wurde alles, was lebt auf Erden.
Da erkannte sie: Ich bin die Schöpfung.
So entstand der Name Schöpfung.
Das glaubten die Inder,
Der Schöpfer sei eins mit seiner Schöpfung.
Aber die Inder der Veden
Glaubten nicht an die Metempsychose,
Sie glaubten an persönliche Unsterblichkeit,
Da sie im Jenseits ein Gericht erwartet
Mit ewigen Höllenstrafen
Oder paradiesischen Wonnen im Himmel,
Wo alle irdischen Freuden ewig und vollkommen sind!
Wichtig war das Opfer des Soma,
Da man das göttliche Soma trank.
Das Opfer bestand aus einer magischen Handlung.
Ungeachtet der sittlichen Würde des Priesters,
War das Opfer gültig,
Wenn es nach der kultischen Vorschrift
Richtig der Gottheit geopfert wurde.
Das Sein war nicht, das Nichtsein war nicht.
Nicht war der Himmel, nicht war der Äther.
Was lebte? In wem geborgen?
War das Chaos wie ein Meer?
Damals war kein Tod
Und war noch nicht Unsterblichkeit.
Damals waren Tag und Nacht noch nicht geschieden.
Der Atem wehte ohne Wind,
Es war nur das Eine,
Nichts als das Eine.
Die Dunkelheit war in Dunkelheit gehüllt,
Alles war Meer.
Die Kraft war verhüllt von der Dunkelheit,
Die Kraft zeugte durch die Buße.
Da regte sich das erste Verlangen.
Das war der erste Same des Geistes.
Die Weisen fanden des Seienden
Verwandten im Nichtseienden,
Als sie im Herzen meditierten.
Gab es ein Oben und gab es ein Unten?
Es gab die zeugende Kraft
Und die empfangende Macht.
Der freie Wille war unten,
Die gnädige Gewährung war oben.
Wer weiß mehr?
Wer verkündet, wie die Schöpfung geschaffen?
Alle Geister sind Teil der Schöpfung,
Aber der Schöpfer hat keine Ursache.
Wie die Schöpfung geschaffen wurde,
Das weiß der Schöpfer,
Er, der Vater im Himmel, der uns sieht!
Ich singe der Menschheit Urelternpaar,
Die Zwillingsgeschwister,
Bruder Yama und Schwester Yami.
Schwester Yami will den Brüder Yama verlocken,
Ihr bräutlich beizuwohnen:
Mein Bruder und Bräutigam, ich will
Der Zukunft der Menschheit mit Liebe dienen!
Yama sprach: O Schwester, aber die Tugend!
Die Schwester-Braut lockt
Mit allen Reizen der Verführungskünste:
Mein Bruder und mein Bräutigam,
Sei kein Schwächling,
Sei ein Mann!
2
Gibt es ein Buch so wohltätig
Und des Studierens wert
Wie die Upanishaden?
Upa heißt nahe
Und shad heißt sitzen,
Denn es sitzen die Lieblingsschüler
Nah bei ihrem Meister,
Er weiht sie ein
In die geheime Lehre.
Viele Lehrer sind,
Viele Philosophen und Theologen.
Manche bringen Absurdes,
Manches Weisheit voll tiefen Sinns.
Ich aber preise Yajnavalkya, den Mann,
Und Gargi, die Frau,
Die weise Frau von Indien.
Der weise Mann Yajnavalkya aber
Wollte seine beiden Frauen verlassen,
Um in der Einsamkeit
Gott zu suchen.
Er wollte ein neues Leben beginnen.
Maitreyi, meine Lieblingsfrau, sprach der Weise,
Ich will nun für dich sorgen
Und für Katyayani, meine Nebenfrau,
Denn ich gehe in die Einsamkeit.
Maitreyi aber sprach: O weiser Mann,
Wenn die ganze Erde mein wäre,
Wäre ich dann unsterblich?
Nein, sprach der Weise,
Es gibt keine Unsterblichkeit auf Erden.
Da sprach Maitreyi: Wie werde ich unsterblich?
Ich suche die ewige Jugend!
Lehre mich den Weg, o Meister!
Woher kommen wir
Und wohin gehen wir?
Ihr, die ihr die Gottheit kennt,
Sagt uns, warum müssen wir leben auf Erden?
Hat uns die Natur geschaffen?
Oder der Zufall?
Sind wir nur Atome?
Oder sind wir ewige Engel?
Ist alles nur Stoff?
Oder gibt es einen höchsten Geist?
Ach, meine Freunde!
In diesem Todesleibe
Aus Mark und Gebein,
Aus Muskeln und Haut,
Aus Samen und Schleim,
Aus Blut und Tränen,
Wie kann man da Freude genießen?
In diesem Todesleibe
Voll Leidenschaft und Begierde,
Voll Zorn und Verzagtheit,
Voll Wahnsinn und Angst,
Voll Trennung von der Geliebten,
Voll Gebundensein an die Ungeliebte,
Voll Hunger und Durst,
Voll Kummer und Krankheit,
Wie kann man da Freude genießen?
Das Weltall ist vergänglich wie eine Mücke!
Die Frühlingsblüte ist gleich verblüht!
Meere verdampfen, Berge beben,
Sterne explodieren, die Sonne verglüht,
Wie kann man da Freude genießen?
Ach, und wenn man des Lebens satt ist,
Daß man dann doch noch nicht sterben darf!
Aber mein Sohn,
Wenn du zehn und zehn nicht zusammenrechnen kannst,
Wie willst du Gott begreifen?
Nicht durch vieles Bücherlesen
Erkennst du die göttliche Weisheit,
Sondern du musst werden wie ein Kindlein!
Gott bohrte die Sinnesöffnungen in die Sinne,
So schaut und hört der Mensch das Äußere.
Der Weise aber schließt die Augen
Und verstopft sich die Ohren
Und wäscht sich die Augen des Herzens rein
Durch Tränen der Buße
Und schaut den göttliche Funken
Im wahren Selbst.
Was der Gottsucher suchen soll,
Ist das Wahre Selbst,
Den göttlichen Funken im Selbst,
Das Seelenfünklein in der Seelenburg,
Den göttlichen Geist in der siebenten Kammer des Herzens.
Wenn du den göttlichen Geist gefunden hast,
Dann bade im Meer der göttlichen Liebe!
Was unsterblich ist,
Ist nicht dein Körper,
Ist nicht dein Ich,
Ist nicht deine Seele,
Sondern der göttliche Funken,
Der in deinem inneren Keim lebt.
In dir ist Gott,
Gott ist kein Heiliger Vater mit schneeweißem Haar,
Gott ist keine Große Mutter mit breiten Brüsten,
Gott ist Eins!
Gott ist Alles!
Gott ist die Wirklichkeit der Wirklichkeit
Und das Wesen aller Wesen.
Gott ist das Sein, das Leben, die Ewigkeit,
Die Seele aller Seelen.
Der göttliche Funke in dir
Ist Gott von Gott.
Der Gott von Gott ist eins mit Gott.
Versenke dich in den Gott in dir
Und werde eins mit Gott,
Dann wirst du selbst ein Gott in Gott.
Zeige mir eine Feige, meine Freundin!
Hier ist die Feige, mein Freund!
Spalte die Feige, meine Freundin!
Sie ist gespalten, mein Freund!
Was schaust du im Innern der Feige, meine Freundin?
Im Innern der Feige schau ich Samen, mein Freund!
Spalte einen von diesen Samen, meine Freundin!
Der Same ist gespalten, mein Freund!
Was schaust du im Innern des Samens, meine Freundin?
Nichts, mein Freund!
Aus diesem Nichts, meine Freundin,
Aus dieser unsichtbaren Liebe
Ist die Schöpfung gebildet,
Es ist Gottes Geist!
Du wirst deinen Namen vergessen,
Deine Gestalt vergessen,
Du strömst wie ein Strom ins Meer strömt,
So strömst du in die göttliche Weisheit ein
Und wirst vergöttlicht in ihr,
Wie ein Tropfen im Ozean der Liebe,
Wie ein glühendes Eisen in der Glut der Liebe,
Du wirst Licht im Lichtglanz Gottes sein!
3
Aber dann kam der große Glaubensabfall!
Eine fromme Seele kenn ich,
Die dreiunddreißig Jahre lang
Beim großen Gotte in die Schule ging
Und reiche Belehrung empfing
Über die unsterbliche Seele,
Wie sie erlöst wird vom Tod,
Wie sie zur wahren Wirklichkeit kommt.
Da kehrte die fromme Seele plötzlich
Zur Erde zurück
Und lehrte die Weisheit der Sinne:
Mache dich selber glücklich auf Erden,
Liebkose dich selber,
Denn wer das Leben auf Erden genießt
Und seine eigene Seele liebt,
Der ist glücklich auf Erden
Und wird im Jenseits selig in die Leere eingehn.
So sprechen die Narren:
Warum, o Freund, lässt du dich ermahnen
Von den Geboten Gottes?
Die Gebote sind nur für die Dummen!
Wir bedauern die armen Dummköpfe nur,
Die den Pflichten des Glaubens folgen.
Sie opfern den süßen Genuß der Lust
Und leben unfruchtbar.
Vergeblich bringen sie Opfer dem Gotte dar.
Vergeblich das heilige Mahl!
Kein Gott und Vater nimmt ihr Opfer an.
Wer den Priestern folgt, was hilft das seinen Ahnen?
Verlogene Priester erfanden die Gebote,
Sie sind nur hinter dem Geld der Gläubigen her.
Sie sagen: Gib den Armen,
Tu Buße,
Lebe in der geistlichen Armut!
Nein, es gibt kein Leben nach dem Tod,
Vergeblich ist eure Hoffnung,
Töricht ist der Glaube, ein Gotteswahn!
Genieße das irdische Leben,
Genieße die Lust mit allen Sinnen
Und verachte die Illusion eines Gottes!
Ja, so sprechen die Narren
Im großen Glaubensabfall!
Die Materialisten
Trauen dem Glauben nicht
Und auch nicht der göttlichen Vernunft,
Sie trauen nur den Sinnen.
Was die Sinne nicht erfassen,
Das gibt es nicht, so lehren sie.
Die Seele sei nur eine Illusion.
Die Materie sei die einzige Wirklichkeit.
Der Geist sei denkende Materie.
Es gäbe keine Unsterblichkeit.
Religion sei ein Wahnsinn,
Nur Opium für das Volk.
Die Moral entstamme nicht dem Gesetzen Gottes,
Sondern sei nur von der Gesellschaft definiert.
Die Ethik der Natur
Sei jenseits von Gut und Böse,
Der Zweck des Lebens ist, eine Zeit zu leben,
Der Sinn des Lebens sei die Lust!
Diese Materialisten
Setzten der alten Religion ein Ende.
Indien wartete aber
In seiner religiösen Seele
Auf einen neuen Glauben,
Auf den Stifter der wahren Religion.
Buddha, bist du es, auf den wir warten sollen?
Königin Maya feierte eben das Vollmondfest
Mit Blumen und Parfümen.
Am siebenten Tage
Badete sie in reinem Wasser
Und gab Almosen von dreitausend Münzen.
In schönstem Schmuck saß sie da
Und aß die besten Speisen
Und legte ab das Gelübde der Keuschheit,
Sie ging in ihr königliches Schlafgemach
Und legte sich auf ihr Bett.
Vier große Gestalten von königlicher Würde
Hoben sie mit dem Bett empor.
Da kamen heilige Frauen von königlicher Würde
Und brachten sie zum See der Reinigung.
Makellos und unbefleckt
Tauchte die Königin Maya
Aus dem See der Reinigung auf.
Sie trat zum silbernen Berg des Himmels
Und zum goldenen Palast des Himmels.
Dort war ein himmlisches Bett,
Für sie bereit,
Die Königin Maya legte sich auf ihr Himmelsbett
Und schaute gen Osten.
Da kam der Gott
In Gestalt eines weißen Elefanten,
Sein Rüssel geschmückt mit einer Perlenschnur.
Mit dem Rüssel hielt er eine weiße Lotosblüte.
Er trompetete und posaunte
Und trat ins Schlafgemach
Und zog drei Kreise um das Bett seiner Mutter
Und ging in ihren Schoß ein,
So wurde der Gott geboren.
Hab keine Angst, o Königin,
Du wirst einen Knaben gebären.
Er wird ein König und ein Herr sein.
Er wird erleuchtet werden von der ewigen Weisheit
Und wird von den Menschenkindern, seinen Brüdern,
Den Schleier der Unwissenheit fortziehen.
Die Königin Maya trug den Gott
Neun Monde in ihrem Schoß
Wie Öl in einer Schale.
Dann ging sie zu einer Verwandten.
Die Straße war mit Blumen geschmückt
Und mit blauen Fahnen der Liebe.
Da kam sie in einen Lusthain,
Die Bäume waren mit Blüten übersät.
Die Königin Maya wünschte,
Sich im Lustgartenparadies zu ergehen.
Sie trat zu einer großen Dattelfeigenpalme
Und griff nach den Rispen,
Die Palme neigte sich
Und schenkte ihr die süße Feige.
Da gebar sie,
Die Feige in den Händen gebar sie
Ohne Schütteln und Beben der Wehen.
Andere Kinder sind bei der Geburt
Mit dem materiellen Schleim behaftet,
Nicht so der menschgewordne Gott,
Er trat aus seiner Mutter
Wie ein Heiliger Vater vom Lehrstuhl herabsteigt,
Unbefleckt von jeder Sünde,
Leuchtend wie eine weiße Jade auf einem weißen Seidenkleid!
Da der Gott geboren war,
Erschien ein Stern am Himmel,
Die Tauben konnten hören,
Die Stummen konnten sprechen,
Die Lahmen konnten springen wie die Hirsche
Und Könige kamen aus der Ferne
Und alle Götter verneigten sich
Und baten, seine Jünger werden zu dürfen!
Er zog in die Welt,
Den Weg der Erlösung zu lehren.
Aber der Fürst der Welt trat ihm entgegen,
Der Fürst der Toten sprach:
Wenn du niederfällst und betest mich an,
So schenk ich dir einen Harem
Von lüsternen Huren!
Aber der heilige Mensch überwand.
Da kam er in einen heiligen Hain
Und fastete vierzig Jahre.
Schließlich trat er an den Paradiesbaum,
Den Ficus religiosa!
Hier erkannte er
Die Erlösung von Schuld und Bosheit und Tod
Und ewiger Verdammnis!
Das Licht der ewigen Weisheit strahlte auf,
Als er beim Ficus religiosa litt am Leiden der Welt!
4
Inder, ihr glaubtet nicht mehr
An die Religion der Alten,
Doch ward ihr auch überdrüssig
Der Weltlust der Materialisten
Und der zynischen Weisheit der Atheisten.
Da sehntet ihr euch nach einem neuen Glauben
Und hieltet Buddha für den Heiland.
Wisst ihr, was Buddha lehrt?
Ich zeige euch Buddhas Weisheit.
Buddha lehrte durch Gespräche,
Er erzählte Gleichnisse.
Wie Jesus, mein Gott,
Und wie Sokrates, der wahre Weise,
Hat Buddha nichts geschrieben.
Wie Jesus, mein Herr,
Und Lao Tse, der Sohn der Mutter,
Wollte Buddha Haß mit Liebe vergelten
Und Fluch mit Segen
Und Bosheit mit Güte.
Wenn ein Mensch in seiner Torheit
Mir Unrecht tut,
Will ich ihm den Schutz
Meiner barmherzigen Liebe
Angedeihen lassen.
Je mehr Böses von der feindlichen Seele kommt,
Um so mehr Liebe will ich ihr erweisen!
Als ein Narr mich beschimpfte,
Da sprach ich: Mein Bruder,
Wenn einer ein Geschenk nicht annehmen will,
Darf es doch der behalten,
Der es verschenken wollte?
Nun du mir deine Feindschaft schenken willst,
Nehm ich dein Geschenk nicht an,
Ich bitte dich, behalte deine Feindschaft!
Es gibt ja Weise, die lächeln,
Und Heilige, welche gern Witze erzählen.
Die Metaphysik führt zuletzt
Zum Lachen der Engel!
Er ging von einem Ort zum andern,
Begleitet von seinen Lieblingsschülern,
Sein Johannes war sein Lieblingsjünger!
Er kümmerte sich nicht um die Zukunft
Und aß, was man ihm gab.
Er kehrte bei einer Kurtisane ein,
Ob auch die fromme Jünger sich entsetzten.
Er schlug gern sein Lager in einem Garten auf,
Der Nachmittag galt der Betrachtung,
Die Nacht der Unterweisung.
Er sprach, indem er sokratische Fragen stellte
Und jesuanische Gleichnisse erzählte.
Sprüche sagte er auf wie Salomo.
Das Leben ist Leiden,
Das Leid kommt von der Begierde.
Bring die Begierde zum Schweigen,
Dann findest du Seelenfrieden.
Weh mir, Mutter, dass du mich geboren hast!
Bald kommt das Alter, das keiner gerne trägt!
Mit unlieben Leuten sitzt du zusammen,
Bist getrennt von der Geliebten,
Wehe, das ist ein Leiden!
Der unstillbare Durst nach Lust,
Das ewige Werden und Vergehen,
Das ist Leid!
Vernichte dein Begehren!
Wahrlich, die Last des Leidens überwiegt auf Erden
Die Leichtigkeit der Heiterkeit!
Wer früh stirbt, hat es besser,
Als wer lange leben muß!
Der Tag des Todes ist besser
Als der Tag der Geburt!
Besser wär es, nie geboren zu sein!
Mehr Tränen fließen aus den Menschenaugen
Als Wasser in den sieben Weltmeeren sind!
Ist da eine Lust? Sie ist flüchtig!
Kurz nur währt die Lust,
Unendlich verlängert sich der Kummer!
Ist die flüchtige Lust denn Lust
Und nicht in Wahrheit Leiden?
Die egoistische Gier nach Lust
Ist die Wurzel allen Übels!
Die Eigenliebe verursacht das Leiden!
Die Selbstverkrümmung in sich selbst
Beschert den großen Jammer!
Die Selbstverliebtheit
Ist der wahre Herzschmerz!
Und ihr, die ihr euch gatten wollt,
Die ihr zeugen wollt mit euren Geschlechtern,
Ihr zeugt für den Tod!
Wie soll ich mich aber verhalten,
O Weiser, in der Gegenwart der Weiber?
Mein Liebling, als ob du sie nicht sehen würdest!
Wenn ich sie aber doch sehe,
Mein Weiser, wie soll ich mich dann verhalten?
Mein Liebling, dann sprich nicht!
Aber wenn die Weiber mich ansprechen,
O Weiser, was soll ich dann tun?
Mein Liebling, bleib wachsam!
Buddha gründete eine Religion
Ohne Gott.
Er wusste nicht, ob die Welt einen Anfang
Und ob die Welt ein Ende habe.
Er wusste nicht, ob die Seele
Das gleiche sei wie der Körper
Oder was die Seele sei.
Er wusste nicht, ob der Kosmos endlich ist
Oder ob der Kosmos unendlich ist
Oder ob der Kosmos
Endlich und unendlich zugleich?
Diese Spekulationen
Waren ihm ein Marionettentheater,
Ein Possenspiel, das sich als Sakraltheater gibt!
Weisheit und Frieden
Kommen nicht aus dem Wissen
Über das Universum,
Sondern aus der tätigen Liebe.
Es ist Torheit, zu denken,
Ein andres Wesen könne
Uns glücklich machen.
Dieses Leben, das ein Leiden ist,
Wie kann das gewollt sein von einem Gott?
Die Mißgestalt des kosmischen Körpers ist größer
Als die Schönheit eines weisen Planes!
Wir kennen nur die Sinnesempfindung,
Stoff ist Kraft,
Substanz ist Wandel,
Alles ist Werden und Vergehen.
Die Seele, was ist sie mehr als ein Mythos?
Was ist die Seele mehr als ein Gespenst?
Was ist denn dein kostbares Ich?
Ein Sammelsurium von Zufällen nur!
Was ist die Freiheit deines Willens?
Vererbung, Gewohnheit, Umwelt!
Dein Individuum wird nicht dauern!
Dein Individuum stirbt im Tod!
Das ist die Weisheit Buddhas,
Nach der die Toren so lüstern sind!
Und was beschert uns die Erlösung?
Das Nirwana ist das Verlöschen
Des Individuums
Im namenlosen Großen-Ganzen,
Das Nirwana ist
Ein Nichts in grenzenloser Leere!
O Buddha, du bist mein Welterlöser nicht!
5
Akbar den Großen will ich singen.
Natürlich war der Herrscher
Ein Ausbund aller Tugenden!
Er war der beste Sportler,
Der beste Reiter
Und gewiß der schönste Mann im Reich!
(Seine Arme waren zu lang,
Seine Beine zu krumm,
Seine Augen mongoloide Schlitzaugen,
Sein Kopf zu schief,
Auf der Nase saß eine Warze.)
Ansehnlich durch Sauberkeit,
Durch Würde und Gelassenheit,
Seine Augen strahlten
Wie ein Meer im Sonnenschein,
Seine Augen flammten auf,
Daß sich die Frevler duckten!
Er trug einfache Kleidung,
Bluse und Hose,
Eine Kappe auf dem Kopf,
Barfuß ging er.
Allmählich lernte ich,
Auf meinem eigenen Vulkan zu sitzen!
Seine Milde kannte keine Grenzen,
In dieser Tugend
Übte er keine Vorsicht.
Er war freigiebig
Und gab riesige Summen aus
Als Almosen für die Armen.
Er war krankhaft melancholisch,
Dem Alkohol verfallen,
In seiner Jugend rauchte er Opium.
Er hatte einen Harem,
Der Größe seines Reiches angemessen.
Er hatte tausend Elefanten,
Dreißig Pferde,
Vierzehnhundert Hirsche
Und achthundert Konkubinen.
Er war nicht so nüchtern wie Cäsar
Und nicht so kalt wie Napoleon,
Er liebte die Metaphysik
Und wäre wahrscheinlich ein mystischer Eremit geworden,
Wenn er den Kaiserthron verloren hätte.
Wie Harun ar-Raschid zog er nachts
Verkleidet durch die Straßen.
Er sammelte eine große Bibliothek,
Von kunstreichen Schönschreibern ausgestattet.
Er verachtete den mechanischen Druck
Als eine seelenlose Sache.
Die Jesuiten ließen ihm zukommen
Auserwählte Produkte
Europäischen Geisteslebens.
Er unterstützte die Poeten,
Ohne geizig zu sein.
Einen liebte er besonders
Und machte ihn zu seinem Günstling.
Akbar ließ die Meisterwerke
Indischer Literatur,
Geschichte und Philosophie
In die persische Hofsprache übersetzen
Und überwachte in eigner Person
Die Übertragung des Mahabarata.
Musik und Poesie
Hatten ihre glanzvollste Periode.
Tief war seine Neigung zur Grübelei.
Der fast allmächtige Kaiser
Hatte einen Hang zur Philosophie.
Ich bin der Herrscher eines so gewaltigen Reiches,
Doch ist meine Seele nicht froh
Bei der Uneinigkeit der Sekten
Und Konfessionen und Religionen.
Die wahre Größe besteht
Im Tun des Willens Gottes.
Ich erwarte die Ankunft eines Menschensohnes,
Der mir die Probleme meines Gewissens lösen wird!
Die Gespräche über Philosophie
Haben für mich solch einen Reiz,
Daß sie mich von allen andern Sorgen ablenken.
Ich muß aber mein Begehren gewaltsam unterdrücken,
Das Begehren, den Philosophen zu lauschen,
Um nicht das Gebot der Stunde zu vernachlässigen.
Gelehrte Männer aus allen Nationen,
Prediger der Sekten,
Priester der Konfessionen
Und Oberhäupter der Religionen
Kamen an den Hof des Kaisers.
Er erwartete weise Worte
Über die Vernunft
Und die Offenbarung,
Über das Ziel der Geschichte
Und die Herrlichkeit der Natur.
Die Würde des Menschen, sprach der Kaiser,
Beruht auf dem Juwel der Vernunft!
Als Philosoph studierte er
Die indische Religion
Und die Hindu-Poeten.
Als er von der Neuen Religion
Des Christentums hörte,
Die von Portugal
Nach Goa gekommen war,
Bat er die Katholische Kirche,
Missionare zu schicken.
Die Jesuiten kamen.
Der Kaiser schenkte ihnen volle Freiheit,
Menschen zu bekehren,
Und gestattete einem Jesuitenpater,
Einen seiner Söhne zu erziehen.
Als das verzehrende Feuer der Jugend erkaltete,
War sein schönstes Vergnügen
Die philosophische Diskussion.
Er versammelte wie Freunde
Die Geistlichen der verschiedenen Konfessionen
An seinem Hof, mit ihnen zu diskutieren
Von Donnerstag Abend
Bis Freitag Mittag
Über die wahre Religion.
Als der Kaiser aber
Eine Welteinheitsreligion selbst erfinden wollte,
Stand als einziger protestierend auf
Der Priester der Katholischen Kirche und sprach:
Es gibt nur Einen Gott
Und nur Einen wahren Glauben!
Aber der Kaiser berief ein Konzil ein,
Die Welteinheitsreligion ward beschlossen,
Der Kaiser war selbst
Das unfehlbare Oberhaupt
Der Welteinheitskirche.
6
Nun machte sich das indische Volk
Ein Neues Goldenes Kalb!
Der Hinduismus, der den Buddhismus ablöste,
War ein Gemisch verschiedener Götterkulte.
Sie alle hielten fest am Kastensystem,
An der Führung durch die Brahmanen,
Bekannten sich zur Metempsychose,
Hielten die dumme Kuh für die Verkörperung Gottes
Und erfanden neue Götter.
Sie glaubten an den Gott der Liebe,
Vischnu, der Gestalt annahm in Krishna.
Der war zur Welt gekommen
In einem irdischen Gefängnis,
Hatte Wunder vollbracht
Und war als Bräutigam aufgetreten
Seiner geliebten Hirtin,
Hatte die Tauben hörend gemacht
Und die Blinden sehend,
Hatte die Armen verteidigt
Und Tote auferweckt.
Er hatte einen Lieblingsjünger,
Arjuna, vor dessen Augen
Er verklärt ward.
Er starb, wie manche sagen,
Von einem Pfeil durchbohrt,
Andere glauben, er sei an einem Holz
Gekreuzigt worden!
Er stieg hinab in die Hölle,
Fuhr gen Himmel
Und wird am letzten Tage wiederkommen,
Zu richten die Lebenden und die Toten.
Wir sehen, die Inder
Haben den Herrn Jesus Christus
Umgedeutet zum hinduistischen Krishna.
Die andern glauben an Shiva.
Die Shivaiten tragen als Symbol des Gottes
Den Phallus um den Arm gebunden.
Schon in der Urzeit Indiens
Verehrten die Inder den Phallus als Gottessymbol.
Der Name Shiva bedeutet:
Der Gnädige, aber das ist
Ein Euphemismus,
Denn Shiva ist ein schrecklicher Götze,
Der Gott der Zerstörung!
Shiva ist Personifizierung
Jener kosmischen Kraft,
Die die Wirklichkeit annimmt,
Alle Organismen und Ideen,
Planeten und Arbeiten,
Und eins nach dem andern zerstört!
Dies ist die Natur,
Die gebiert und verschlingt!
Dies ist die gefallene Schöpfung,
Da das Gute neben dem Bösen lebt und webt!
Dies ist die blinde Lebenskraft,
Die Geburt und Tod als Eines sieht.
Shiva im Phallus
Ist schöpferische Zeugungsmacht,
Und doch tanzt Shiva auf den Toten,
Denn Shiva vernichtet alles!
Die schöpferische Zeugungsmacht
Im phallischen Gottessymbol
Rief nach der weiblichen Partnerin,
Der Sexualpartnerin Gottes,
Das war die Schwarze Mutter Kali,
Welche auch Parvati hieß
Und Uma
Und die schwerzugängliche Durga.
Im Shakti-Kulte wird
Die große Muttergöttin angebetet.
Zu ihrer Verehrung
Werden Menschen geopfert!
Neuerdings begnügt sich die Göttin
Mit dem Blut des Bockes!
Schau, die schwarze Göttin!
Sie streckt dir die Zunge heraus!
Mit Schlangen geschmückt
Tanzt sie auf einer Leiche!
Als Ohrringe trägt sie tote Menschen,
An der Halskette trägt sie Totenschädel!
Ihr Antlitz und ihre Brüste
Sind mit Menschenblut beschmiert!
Denn Kali ist die Mutter
Und zugleich die Braut des Todes,
Sie kann zärtlich sein und lächeln
Und grausam sein und morden!
O Frau, bist du ein Engel
Oder ein Dämon der Hölle?
Wen wollt ihr anbeten?
Wir beten den Affen an!
Wir beten die Schlange an!
Wir beten das Krokodil an!
Wir beten den Panther an!
Wir beten die Ratte an!
Welche Gottheit liebt ihr am meisten?
Wir lieben am meisten die Heilige Kuh!
Wahrlich, wahrlich, ich sage euch,
Die Brahmanen lehren, man darf die Kuh nicht schlachten,
Doch die Witwen darf man verbrennen!
Das ist der Schlangenteufel aus dem Garten Eden!
Das ist das Goldene Kalb am Fuß des Gottesberges!
7
In vierhunderttausend Doppelversen
Verfasst der Inder Glaubensbekenntnis.
Wir wissen nicht,
Wie das Weltall entstand.
Vielleicht legte Gott ein Ei
Und brütete selber aus das Ei,
Indem er darauf hockte.
Vielleicht ist die Welt
Nur ein vorübergehender Irrtum
Oder ein Scherz Gottes!
Das Liebespaar Urvaschi und Pururavas
Verbrachte sechzigtausend Jahre
In Wollust und Wonne!
Wer von uns ist denn du
Und wer ist ich?
Alle Wesen sah sie an
Als unverschieden von sich selbst
Und so schaute sie Gott
Als die Seele aller Seelen,
Als das Wesen aller Wesen.
Durch alle Geschöpfe gleich
Erstreckt sich Gott.
Er ist in mir,
Er ist in dir,
Er ist in allem.
Gott ist Geist.
Schau, mein Sohn,
Reiß nicht die Rose vom Strauch,
Sie war im vorigen Leben
Eine schöne Frau!
Meine Geliebte, du beschwerst dich,
Daß ich so gerne gebratne Hühner esse!
Das ist, ich war im vorigen Leben ein Fuchs!
Mein Freund, du riechst es nicht,
Doch hab ich oft einen strengen Geruch,
Ich war im vorigen Leben ein Fisch.
Mit deinen Leiden
Sühne deine Schuld!
Unausweichlich ist das Leiden auf Erden!
Doch tröste dich,
Indem du deinem Leiden den Sinn der Sühne gibst!
Ach, ich empfinde das Leben
Doch mehr als eine bittere Strafe.
Gut ist der Schlaf,
Besser ist der Tod,
Noch besser wärs,
Nie geboren zu sein!
Was ist das wunderbarste Ding der Welt?
Einen Menschen sterben zu sehen!
Doch tun die Menschen alle so,
Als ob sie unsterblich auf Erden wären.
Die Welt ist vom Tode heimgesucht.
Das Alter setzt uns eine Grenze.
Unfehlbar kommt die Nacht.
Was kann ich mit meinem Lebenswandel
Im Schutze der Weisheit
Angesichts des Todes erreichen?
Nun sitz ich als Philosoph
In meiner Höhle
Und lächle über mein altes Leben,
Da ich getrieben vom Begehren war.
Nur Narren wollen wiedergeboren werden!
Wenn die Erlösung dir nicht aus dem Glauben kommt,
Dann bleibt dir nur der Weg der Inder:
Vernichte dein Ich,
Bis du als Nichts in der Leere vergehst!
Ach, ich fühle das auch,
Wie das einsame Ich wünscht,
Aufgelöst zu werden
Und zu verschmelzen
Mit der ewigen Anima Mundi.
8
Und dies ist das bedeutendste
Philosophem der Inder?
Dies ist das älteste
System der Philosophie überhaupt?
Kapila schriebs, der Scholastiker.
Das vollkommene Ende allen Leidens
Sei das höchste Ziel des Menschen.
Schöpfer nennt er Prakriti, die Substanz,
Den universellen Stoff,
Prima Materia.
Ein Schöpfergott sei aber
Von der Vernunft des Menschen
Nicht beweisbar.
Die Schöpfung selbst sei der Schöpfer.
Zur Stofflichkeit
Gesellen sich der Verstand
Und die Sinne
Und der menschliche Körper
Und die Elemente,
Der Vater Äther,
Das Feuer und die Luft
Und das Wasser und die Erde.
Zuletzt erscheint
Die Seele!
Ihr Name ist
Puruscha,
Sie ist Person!
Sie allein vermag nichts,
Doch beseelt und belebt sie
Den Stoff
Und regt die Evolution an.
Ist das Materialismus?
Im Materialismus erscheint der Geist und die Seele
Wie der Körper und die Natur
Von einer Evolution der Materie
Einzig getragen
Zur Höherentwicklung
Und zum Tod.
In dieser Philosophie des Stoffes
Ist alles eins,
Stein und Blume und Tier und Mensch,
Ist alles blinder Stoff,
Getrieben von Reinheit, Tätigkeit und Torheit,
Ewiges Werden und ewiges Vergehen
Bringen einen endlosen Zyklus hervor.
In dieser Philosophie
Schafft kein Gott die Welt.
Gott ist nicht beweisbar
Von der Vernunft des Menschen.
Ist Gott vollkommen,
Warum sollte er diese Welt erschaffen?
Ist Gott nicht vollkommen,
So ist er nicht Gott.
Ist Gott gut und allmächtig,
Warum schafft er eine Welt,
Die so reich an Leiden ist
Und wo einzig gewiß ist der Tod?
Ist der Philosoph also Materialist?
Mein Philosoph ist ein Spiritist!
Alles ist des Menschen Wahrnehmung nur!
Wie die Welt an sich in Wirklichkeit ist,
Weiß keiner, der Mensch weiß nur,
Wie seiner Wahrnehmung alles erscheint.
Den ganzen Materialismus
Der schöpferischen Prima Materia
Und ihrer blinden Evolution
Stößt der Philosoph nun um
Und führt die Seele ein,
Puruscha, die Person!
Puruscha ist unabhängig vom Stoff,
Sie ist geistig,
Sie allein vermag nichts,
Doch sie allein entwickelt den Stoff.
Die Prima Materia kann sich nicht entwickeln
Und die Evolution treibt nichts an
Ohne sie, Puruscha, die Seele!
Puruscha treibt den Stoff,
Sich zu entwickeln, sich zu entfalten.
Des Menschen individuelle Seele
Und des Menschen geistiges Denken
Sind dem Philosophen nichtig,
Ein Nichts, dem Tod verfallen.
Einzig unsterblich ist sie,
Puruscha, die Person,
Die ewige Anima Mundi!
Wenige Tage der Freude haben wir erfahren,
Kurz ist das leidvolle Leben,
Reichtum ist wie ein Strom, der fortströmt,
Das Leben ist eine stürzende Trauerweide
An einem überschwemmten Ufer.
Was ist die Wurzel des Übels?
Daß das Ich gebunden ist
An den vergänglichen Stoff.
Welche Erlösung bietet der Philosoph?
Die Erlösung kommt von der Erkenntnis,
Daß alle Wirklichkeit Illusion ist,
Das Ich ist Illusion,
Die Welt ist Illusion.
Willst du Erlösung finden,
Erhebe dich über dein vergängliches Ich,
Erhebe dich über die vergängliche Welt
Und versenke dich in die ewige Weltseele!
Sie allein ist unsterblich!
Mache deine Seele frei
Von der Bindung an Vergängliches,
Erkenne die unsterbliche Weltseele
In deiner eigenen Seele
Und in allen menschlichen Seelen
Und in allen lebendigen Wesen
Und in allem Stoff
Und vereine dich
Der Anima Mundi!
Ich bin nichts,
Nichts ist mein,
Meine Existenz ist nichtig.
Alles was ist,
Ist die Anima Mundi.
Sie allein ist
Die göttliche Ewigkeit!
9
Bist du der heilige Thomas Indiens
Oder nur Indiens Kant?
O Genius Schankara!
Glaube wie der heilige Thomas
An die Autorität der Heiligen Schrift,
Das Zeugnis der göttlichen Offenbarung,
Und versuche, mit der Erfahrung
Und der Vernunft des Menschen
Die Wahrheit der Offenbarung zu erkennen.
Aber du kannst nicht wie der heilige Thomas
So tief glauben an die Vernunft des Menschen.
Nicht Logik sei nötig, sagst du,
Sondern intuitive Einsicht,
Der Inspiration des Dichters ähnlich.
Du willst in Einem Augenblick
Das Wesentliche im Unwestlichen erfassen,
Die Ewigkeit in der Zeit,
Das Ganze im Teil.
Forschen und nachdenken müssen wir
Allein um zu erkennen,
Nicht um zu schaffen
Oder zu herrschen.
Liebe die Weisheit
Allein um ihrer selbst willen
Und schau nicht auf die Früchte deines Handelns.
Selbstbeherrschung brauchst du,
Geduldig musst du sein wie ein Esel
Und bleibe frei von der Versuchung
Durch körperliche Begierden
Und frage nicht nach Geld und Besitz.
Ein Wunsch soll deine Seele treiben,
Der Wunsch nach Erlösung,
Die Sehnsucht nach Befreiung,
Die Bereitschaft, erleuchtet zu werden.
Das Ziel deiner Weisheit
Sei die selige Versunkenheit
In dem Ozean Gottes,
Dem Meer der Erkenntnis,
Der unendlichen Vereinigung!
Aber wie kommen wir zum Wissen,
Da wir die Wirklichkeit
Nur mit den Sinnen wahrnehmen
Und alles getrübt ist
Durch unser begrenztes Ich?
Wir sehen die Welt
Mit ihren Ursachen und Wirkungen
Und erkennen die Wirklichkeit nie,
Wie sie wirklich ist,
Sondern sehen sie durch den Schleier
Unserer Befangenheiten.
Die Welt existiert in Wirklichkeit,
Doch ist sie Maya!
Maya ist ein Phänomen!
Wir sehen die Wirklichkeit nur
Durch den Schleier der Maya
Und verblendet von unserer Torheit.
Maya und unsere Torheit
Verblenden uns, dass wir glauben,
Wir erkennen die Welt.
Doch nehmen wir in dem Phänomen nicht wahr
Die göttliche Wirklichkeit in allem.
Die Sinne nicht und nicht der Verstand
Erfassen die göttliche Wirklichkeit,
Nur intuitive Einsicht,
Die nur der wohlerzogenen Seele möglich ist.
Daß wir verblendet sind durch unsere Sinne
Und den begrenzten Verstand des kleinen Ich,
Läßt uns nicht schauen, wie in allen Seelen
Eine ewige Seele lebt,
Ein Hauch durch allen Atem zieht.
Unser individuelles Ich ist begrenzt
Und verschleiert uns die Wahrheit ebenso
Wie die Phänomene der Welt.
Wenn wir aber das Ich töten
Und uns erheben über Raum und Zeit
Und jenseits von Ursache und Wirkung
Mit den Augen der intuitiven Einsicht schauen,
Können wir die wahre Wirklichkeit schauen,
Jenen Atem Gottes,
Jenen Hauch des Geistes, der in aller Schöpfung lebt,
Der eins ist mit dem Schöpfergott.
Wer ist Gott
Oder was ist Gott?
Es gibt die individuelle Seele
Und die Weltseele.
Es gibt die Welt der Phänomene
Und den Ideenhimmel.
Es gibt den persönlichen Schöpfergott
Und jene Gottheit der Philosophen.
Was ist die Gottheit der Philosophen?
Es ist die ewige Gottheit,
Von den Philosophen in Ehrfurcht verehrt,
Die Wirklichkeit über allen Wirklichkeiten,
Das ewige Wesen aller Wesen,
Das Eine, das Alles umfasst
Und in Allem lebt,
Es ist das Sein an sich,
Das ewige Sein als Quelle aller Wirklichkeit!
Dieses ewige Sein dürfen wir als Gott verehren
Und dürfen Gott glückselig preisen,
Bewusst und intelligent
Und gut wie die ewige Güte selbst.
Ziel des Philosophen ist es,
Das Geheimnis Gottes zu ergründen
Und im gefundenen Geheimnis
Selig sich selbst zu verlieren
Und eins zu sein mit der Gottheit,
Es bedeutet, dass die Seele glückselig
Badet in dem Ozean der Gottheit,
Und es sind nicht mehr Zwei,
Sondern in Vereinigung ist Einheit geworden!
Um diesen Seelenfrieden zu finden
Und diese ewige Glückseligkeit,
Muß der Mensch nicht nur die Welt verlassen,
Sondern vor allem sein Selbst ganz hingeben!
10
Die Muse des Mahabarata
Ließ mich diese Vision erschauen:
Inmitten von hundert Millionen Toten
Wehklagt Gandhari,
Die Mutter des Prinzen Duryodhana,
Über den Leichnam ihres Sohnes.
Makellose Frau und Fürstin,
Stets der Güte zugewandt,
Tapfer in ihren Schmerzen stand
Gandhari auf dem Totenacker,
Schwarz vom Strom des Blutes
Lagen die Totenschädel zu ihren Füßen.
Schakale heulten ihr langgezognes Geheule
Und die Geier schwebten überm Aas,
Krähen krächzten überm Acker des Todes
Und ein ohrenbetäubendes Wehgeheule
Halte über dem Totenacker,
Schmerzensschreie,
Jammerklagen
Hallten auf dem Feld des Grauens.
Die andern Frauen zitterten,
Wankten und sanken wie tot zu Boden,
Das Leben wich aus ihnen,
Der Gram überwältigte sie,
Nur eine todesähnliche Ohnmacht
Linderte einen Augenblick ihre Schmerzen.
Voller Gewalt brach die Klage
Aus dem Busen Gandharis:
Siehe meine armen Töchter!
Siehe die Fürstinnen nun als Witwen!
Wie Adlerweibchen klagen sie
Um den gemordeten Bräutigam,
Die kalten Züge ihrer Liebe
Entflammen sie neu in ihren Schmerzen!
Die Mutter wiegt ihren Sohn,
Der so still im Todesschlaf
In ihren Armen ruht,
Die verwitweten Frauen weinen
Um ihren gemordeten Bräutigam.
Also klagte Königin Gandhari
Vor Gott,
Mit den Augen suchte sie ihren Sohn.
Schmerzen pressten ihr den Busen,
Wieder wachte sie auf in Schmerzen,
Wieder eilte ihr Blick
Zum Sohn, der unterm Himmel schlief,
Von schwarzem Blut überströmt.
Um seinen Leib schlang sie die Arme,
Sie presste ihn dicht an ihre Mutterbrust.
Schmerz durchzuckte ihre Glieder,
Da sie den toten Sohn in den Armen hielt,
Wie ein heftiger Sommerregen
Fallen ihre Tränen auf sein Antlitz,
Sein Haupt ist noch gekränzt mit dem Kranz
Der scharfen Dornen der roten Rosen!
Schau auch die Braut des Prinzen,
Königlich in ihrer Jugendschönheit,
Heilig wie ein goldner Altar.
Ihr Bräutigam ist ihr entrissen,
Ihren liebenden Armen entrissen,
Verdammt ist sie zu jammervollen Leiden
In all der Schönheit ihrer Jugend,
Sie ist doch so schön wie eine Frühlingsblüte!
Zerreiße, o Busen,
Zerreiße unter diesem Gewicht der Schmerzen!
Wie soll Gandhari weiterleben,
Wenn der Sohn gestorben ist?
Betrachte nur des Prinzen verlassene Braut,
Wie sie sein blutüberströmtes Haupt liebkost
Und ihn mit zärtlichen Händen pflegt
Auf seinem Totenlager!
Wie jene sich zum vielgeliebten Bräutigam wendet!
Wie jene sich zum vielgeliebten Sohne wendet!
Wie eine goldne Lotosblume
Erscheint die Braut des Prinzen.
Die Mutter spricht: O meine Tochter,
O du wunderschöne Lotosblüte!
Warum sollen wir weinen?
Ist der Sohn und Geliebte nicht im Himmel?
Es ist vollbracht!
Er wartet nun im Himmel auf uns!
Eben küsste mich
Die Muse des Ramayana.
Als der Pflug den Acker gepflügt,
Sprang aus der Ackerfurche
Sita!
Bald war Sita reif für die Ehe,
Aber wer vermag den ehernen Bogen zu spannen?
Da kam Rama mit der Brust des Löwen,
Mit mächtigen Waffen,
Seine Augen Lotosblumen,
Seine Zähne Zähne des Säbelzahntigers,
Seine Locken als Krone gebunden,
Rama allein vermochte den ehernen Bogen zu spannen.
Siehe, diese ist Sita,
Geliebt von Rama wie seine eigene Seele,
Nunmehr teile Sita Ramas Leben,
Sei sie deine treue Frau,
In Freuden und Leiden sei sie deine Gefährtin,
Dein sei sie in jedem Land der Erde,
In Lust und Schmerzen pflege sie dich liebevoll,
Reiche du ihr die Hand zum Bund der Liebe.
Wie der Schatten dem Körper folgt,
Folge dir deine Frau.
O Sita, Perle der Frauen,
Folge mir in den Tod und das ewige Leben!
Sitas Antlitz war wie Elfenbein,
Ihre Lippen wie Korallen,
Ihre Zähne wie schimmernde Perlen.
Aber eine Intrige eines bösen Weibes bewirkte,
Daß Rama in die Verbannung musste.
Er verzieh seinen Feinden
Und zog in die Wäldereinsamkeit,
Sita aber folgte ihm.
Pferde und schöne Häuser,
Das ist nur Eitelkeit für das Herz einer Frau.
Liebend zu sein und geliebt zu sein,
Das ist dem Weibe lieber,
Lieber hat sie den Schatten des Geliebten!
Glücklicher als in Lustschlössern
Lebt Sita mit Rama im Wald.
Nur dem Geliebten gelten ihre Gedanken,
Nur dem Geliebten gelten ihre Gefühle.
Wilde Früchte wird sie pflücken
Von den duftenden Zweigen.
Ramas Speise wird Sitas Speise sein,
Glückselig wird Sita mit Rama!
Rama und Sita machen sich Kleider
Aus Grasgeflecht, aus Feigenblättern,
Sie bahnen sich einen Weg durch den Dschungel
Mit scharfem Schwert
Und leben von Früchten und Nüssen.
Oftmals fragt Sita wissensdurstig Rama
Nach den Namen der Früchte.
Pfauen schreiten neben ihnen einher,
Affen spielen ihre berühmten Spiele.
Rama badet im Wasser
Im Schimmer der Morgenröte,
Sanft sucht Sita Erfrischung des Wassers
Wie eine Lotosblume im See.
Aber eine vornehme Dame
Kommt vorübergewandert
Und verguckt sich in Rama,
Er aber bleibt der geliebten Sita treu.
Da schickt die Dame ihren Bruder,
Sita zu verführen!
Der Bruder der Dame raubte Sita
Und brachte sie auf sein Lustschloß
Und versuchte mit großer Kunst,
Sita zu verführen.
Rama aber siegte in der Schlacht
Und befreite Sita
Und kehrte in die Stadt zurück
Und bestieg den Fürstenthron.
Rama spricht: Ich muß den Skeptikern Recht geben,
Sita war mir gewiß nicht treu!
Kein Frauenherz kennt Treue!
Sobald ein schöner Verführer kommt,
Lassen sie ihn willig ein!
Sita aber spricht: So denkst du von mir?
Ach, das lässt mich vor Scham
In der Erde versinken!
Und Sita versank im Schoß der Mutter Erde.
11
Ramakrischna glaubte bis ans Ende seines Lebens
An die Göttlichkeit Jesu Christi!
Der Brahmane aus Bengalen fühlte
Die Lockung der Liebe Christi!
Eines Tages kam Jesus Christus
Und ging in den Heiligen ein.
Da lehrte der Heilige eines nur noch,
Die Liebe als Weg zu Gott.
Das Wissen über Gott ist wie ein Mann,
Die Liebe zu Gott gleicht einer Frau.
Das Wissen des Mannes über Gott
Sieht Gottes Palast nur von außen,
Die Liebe der Frau zu Gott
Hat Zutritt zum Brautgemach Gottes!
Ein gelehrter Logiker aber fragte:
Was weißt du vom Denker,
Vom Gedachten
Und vom Denken?
Aber der Heilige sprach:
Du guter Mann, ich weiß nichts
Von der Spitzfindigkeit der Scholastik,
Ich weiß nur eines,
Daß Gott meine Mutter ist
Und ich bin Gottes Sohn!
Gottes Liebe ist wie eine Mutter.
O Mutter! O Mutter! O Mutter!
12
Geliebter, sage mir, ob das alles wahr ist,
Wenn meine Augen wie Abendsterne Blitze strahlen,
Daß dann in deiner Brust die schwarzen Wolken
Wie Donnerschläge des Donnerhammers Antwort geben?
Ist es wirklich wahr, dass dir meine Lippen süß sind
Wie die Blüte im Lenz der jungen Liebe?
Die Erinnerungen vergangener Maienmonde
Duften in allen meinen Gliedern?
Erschauert die grüne Mutter Erde
In Hymnen von Harfen,
Wenn meine nackten Füße die Gräser berühren?
Ist es wahr, dass Tautropfen tropfen aus der Nacht,
Wenn ich erscheine,
Und dass die Morgenröte lächelt,
Wenn ich meinen Körper im Lichtglanz bade?
Ist es wahr, dass deine große Liebe
Einsam wandert durch Welten und Äonen
Auf der Suche nach meiner Liebe?
Und da du mich schließlich gefunden,
Ist es wahr, dass du den Frieden findest
Allein in meinen sanften Worten,
In meinen leuchtenden Augen,
In meinen flutenden Haaren
Und in meinen keuschen zärtlichen Küssen?
Ist es wahr, dass du das Geheimnis Gottes
Auf meiner Stirn geschrieben liest?
Sage mir, mein Geliebter, ist das wahr?
Geliebte, ich sang einen großen Gesang für dich!
Aber meine Verse zerbrachen an deinen Fußkettchen,
Meine Poesie kam zu Schaden
Und liegt zerbrochen zu deinen Füßen!
Ein ganzes Heldenepos
Ward in Tränen ertränkt!
O der Verlust, Geliebte, der Verlust!
Vergelte mir ewig meinen großen Verlust!
Schenk mir unsterblichen Ruhm auf Erden
Und mache mich in Ewigkeit durch deine Liebe glückselig!
Dann werde ich meinen großen Verlust nicht mehr beklagen,
Dann brauche ich nicht mehr zu klagen über dich,
Geliebte, wenn du mir ewige, ewige Liebe schenkst!