Von Josef Maria Mayer
"Lieber Herr, jetzt weiß ich, daß ich liebe!"
Shi-Ging (Buch der Lieder)
"Wen der Himmel retten will,
Den schützt er durch die Liebe."
Lao Tse
ERSTER TEIL
ERSTER GESANG
Am Firmament stand weiß wie eine Perle
Der Mond, so silbern wie ein Fraungewand,
So licht wie Tau im Wipfel einer Erle,
Der Schimmer übergoß das Felsenland
(In Nebel eingehüllter Gipfel Band)
Des elfenhaften Westgebirgs Kunlun.
Da sank der Mond zu höchsten Gipfels Rand,
Wie um auf dem verschneiten Fels zu ruhn,
Und legte seinen Lichtglanz auf die Erde nun.
Da trat vom Silberball des Himmels der
Mondschäfer in dem taubenweißen Vlies
(Ein weißes Hasenpaar zu Seiten) her.
Die Seidenkappe auf dem Haupte ließ
Die weißen Brauen frei, die überdies
Wie Seidenraupen waren, welche schlafen.
Der Schäfer aus des Mondes Paradies
Mit einem sanften Lächeln wie von Schafen
Trat zu den Felsenspitzen, die erschrocken gaffen.
In seine Hand gezeichnet war ein M,
In der er vorsichtig ein Zauber-Ei
Zum Westgebirge trug, schneeschimmerndem
Kunlun, die beiden Hasen weiß dabei.
Und da begrüßte ihn des Gipfels Fei
Mit Namen Schneejungfrau: "O guter Hirte
Des Mondes! Wüßt ich, was das Ding da sei,
Ich hätte die Erkenntnis, die gebührte
Der Schneejungfrau; ich sagt es meiner Schwester Myrte."
Da sprach der Schäfer zu der Schneejungfrau:
"Gesegnet bist du von der Göttin Ma,
Die wandelt über Himmels Kristall-Tau.
Weil ich dich schon vom Schimmermonde sah,
Hab ich dich auserwählt, daß du mir nah
Als Erste hier auf Erden segensreich.
Ich will zur Königin der Elfen, da
Werd ich verkünden meine Botschaft gleich,
Die ich erhielt von Göttin Ma vom Himmelreich!"
Da führte Schneejungfrau den Schäfer fort,
Sie flog voran im schimmernden Gewand
Und wehte von des Gipfels spitzem Ort,
Der schönen Erde himmelsnahem Rand,
Hernieder in das bambusgrüne Land.
Der Schäfer folgte auf der steilen Stiege.
Da wies die Schneejungfrau mit ihrer Hand
Ins ferne Hügelland: "Wohin ich fliege?
Ins Land der Elfen, da schwamm meine Binsenwiege."
Behutsam trug der Mondenhirt das Ei,
Das weiß und grün gesprenkelt war wie Eier
Von Zaubervögeln. Und da sprach die Fei:
"So schöne Eier haben nicht die Reiher
Des Dung-ting-Sees, da wo Li Bai die Leier
Gestrichen bis zu seinem jähen Tod.
Nie sah bisher auf einer Elfenfeier
Ich solch ein schönes Zauber-Ei, nie bot
Man mir dergleichen, sonst nur Phönixeier rot."
Da sprach der alte Mann des Mondes so,
Er murmelte aus seinem weißen Bart:
"Dies Ei vom Himmelreiche ist noch roh,
Sein Inhalt hat sich noch nicht offenbart
In der unübertrefflich schönen Art,
Und darum will ich auch zur Königin
Der Elfen, deren Herze ist nicht hart,
Sie hat vorm Himmel Demut, reinen Sinn;
Sie ist der Grund, warum ich hergekommen bin."
Da kamen sie zu einem Bambushain,
Da stand ein Bambus schön, mit hundert Knoten,
Goldgelb der Stamm und grün der Blätter Schein.
Da rauschte Poesie von den Geboten
Des Himmels und der Erde und der Toten.
Da sang der Wind und blies die Bambusflöte,
Und Kieselsteine klangen, als am roten
Und goldnen Horizont die Morgenröte
Auftauchte, singend zu der Göttin Ma Gebete.
Am Horizonte sah man rosa Schwingen
Den Phönix breiten, der vom Wu-tung-Baum
Hinangestiegen unter lautem Singen,
Da sang er den verflossnen Liebestraum
Von einem Zaubervogel, dessen Saum
Von Seide vom Gefieder nieder schwebte.
Die Erde hörte da sein Singen kaum,
Als sie im Innern ihres Herzens bebte
Und an dem Herzensbeben merkte, daß sie lebte.
Da kamen sie zu einer Nephritquelle,
An der ein bergschneeweißes Einhorn trank.
Und leise flüsterte die weiche Welle,
Die Lebensspenderin, kristallner Trank,
Sie flüsterte der Morgenröte Dank,
Die sie so wunderschön vergoldet hatte.
Da stand ein Bambus des Gesanges schlank,
Da war dem weißen Einhorn süß ein Schatte.
Umher der Lotos glänzte auf der Blumenmatte.
Jenseits der Quelle war ein Jadetor,
Das hoch erhoben bei der Quelle Spiegel
Sich in der rosa Wolken Flor verlor
Auf jenem wundersamen Elfenhügel,
Darüber schimmerte des Phönix Flügel.
Das Jadetor dem Kommenden war offen,
Da war kein Eisenschloß, kein Eisenriegel.
Tautropfen von Bananenblättern troffen,
Den Blumen vor dem Mondenhirt die Kniee schloffen.
Er aber sprach zum Bambus: "Sei nicht bange,
Poetenbaum! Hab keine Angst, o Tor!
Ich komm mit einem friedlichen Gesange
Vom Monde, weil sich diese Welt erkor
Dem Zauber-Ei zur Heimat (Ried und Rohr)
Die Göttin Ma. Ich bin nun angekommen,
Weil sich dereinst in dieses Reich verlor
Die Spur der Elfenkönigin, der glommen
Die Augen so wie Monde. Göttin aller Frommen!"
So sprach der Schäfer von dem Silbermond
Der angekommnen Edel-Elfe zu,
Die gold und purpurn wie der Horizont
In ihrem Reiche ihn begrüßte nu.
Denn jene war die Dame Hsi Wang Mu,
Die wunderschöne Königin der Elfen,
Die also sang mit süßer Stimme: "Du,
Mondschäfer, sage mir, wie kann ich helfen?
Du siehst mich hier mit meinen Lieblingsfeen, den zwölfen."
Sie hatte langes schwarzes Haar bis zu
Den wunderschönen weidenschlanken Hüften,
Das schwarze Augenpaar der Hsi Wang Mu
War Funkellicht in Elfenlandes Lüften,
Um sie die Aura war von Zimtöl-Düften,
Der weite Ärmel fiel ihr auf die Hand,
Die zierlich sich, Geheimnisse zu lüften,
Bewegte, wie das lange Gürtelband,
Sie winkte zu dem Mondhirt in dem Elfenland.
In ihrem Schatten ging ein Königstiger,
Der schmeichelte um ihre Lotosfüße,
Der König aller Tiere, Held und Sieger.
Da sprach zum Schäfer so die Wundersüße:
"Ich sehe Schneejungfrau, die möchte Küsse
Zum Monde senden immer von dem Gipfel.
Du aber knacke mir des Rätsels Nüsse,
Was ist dies Zauber-Ei?" Beim Kiefernwipfel
Schön schwebte ihres goldenen Gewandes Zipfel.
Der Schäfer legte jenes Zauber-Ei
Vorsichtig auf die grüne Erde nieder,
Dann sah er zu der königlichen Fei
Und hob die weiche Silberstimme wieder
Und sang wie süße Nachtigallenlieder:
"Fürwahr, ich sag dir, auferstehen wird
Aus diesem Zauber-Ei im Feengebiet er,
Der Himmelssohn!" Da winkte hold der Hirt
Mit einem Zeichen, das dem Himmelreich gebührt.
Und siehe da, das Zauber-Ei brach auf,
Und in zerbrochner Schale lag ein Kind,
Ein flaumbehaartes Baby. "Elfe, tauf
Die Seele mit dem Wasser lenzlichlind
Aus deiner Nephritquelle jetzt geschwind
Und zieh in deinem Reiche groß den Sohn
Des Himmels. Du, wer weiß, woher der Wind,
Wohin er weht? Ich sag es dir: zum Thron
Des Himmels, wo die Göttin spendet Liebeslohn!"
Da nahm den Himmelssohn die Hsi Wang Mu,
Die schöne Mutterkönigin der Feen,
Und lächelte dem süßen Kindlein zu,
Das lieblich lachte (nicht zu widerstehn).
Lenzlüfte in den Anemonen wehn
So sanft nicht, wie der Blick des Kindes war.
Er hatte von der Göttin Ma ein Gen
Des Himmelreichs geerbt. Kristallenklar
Die Stimme klang, er lallte "Mama, Mama" gar.
Der alte Mondenmann mit weißem Bart
Mit einem Mal im Bambushain verschwand
Wie in das Nichts, der er sich offenbart
Mit seinem Schimmerglanz im Elfenland
Auf grünen Hügeln weit zur rechten Hand
Mit seinen beiden weißen Mondenhasen.
Er trat jetzt (über jeglichen Verstand)
Die Himmelreise an mit Lustekstasen,
Gezogen sein Gefährt zu goldnen Sternengassen.
Der Tiger von dem Westgebirg Kunlun
Rief seine Magd, die Geisterfüchsin, her.
Das Wort kam zwischen spitzen Zähnen nun
Hervor, die Rede brüllte wie ein Meer:
"Sieh, Geisterfüchsin, jenes Kind ist wer?
Es ist der Himmelssohn im Land der Feen,
Und Hsi Wang Mu ist seine Mutter hehr,
Sie zieht ihn groß in ihrem Reiche schön;
Wir wolln ihm dienen, stets in seinen Stapfen gehn."
Da sprach die Geisterfüchsin dieses Wort,
Die schöne Füchsin in dem Purpurkleid,
Die aller Tiere Herrn an manchem Ort
Die Manneskräfte ausgesaugt, die Maid,
Sie sprach: "Was tragen Tiere doch für Leid,
Seitdem vorüber ist die Harmonie
Von Himmel und von Erde, aber heut
Erschienen ist mit süßer Melodie
Der Himmelssohn, der hat des Himmels Sympathie."
Und Hsi Wang Mu ging fort in ihren Garten,
Da wo die Pfirsiche des Lebens stehn
Und wunderschöne Bäume aller Arten,
Und in den Blüten tümmeln sich die Feen,
Die täglich zu den Lebensfrüchten gehn
Und sich erringen so Unsterblichkeit.
Die Pfirsiche sind gold und purpurn schön,
Die Blüten in dem rosaweißen Kleid
Aufblühen duftend mit den Früchten gleicher Zeit.
Da sprach die Königin der Feen: "Das Tao
Ein Geist war vor dem Himmel und der Erde.
Dein Name soll sich reimen: Xiao Pao
Will ich dich nennen, Hirt der Menschenherde,
Regiere du mit lieblicher Gebärde
Die Geister und Gemüter, Seelen, Herzen
Und Kräfte dieser Welt; vom Himmel werde
Die Göttin Ma aus ihrem reinen Herzen
Dir Segen spenden (ihre Füße goldenerzen)."
Und Xiao Pao schlug die Kinderaugen
Zum Himmel auf, und "Mama, Mama" lallt
Er in die Lüfte, wo die Falter saugen
Den Nektar aus der Blüten Wohlgestalt.
Da küsste Hsi Wang Mu den Kleinen bald
Mit einem nektarsüßen Liebeskuß.
So küssen nicht die Elfen in dem Wald
Von Bambus die Poeten mit dem Kuß
Der heiligen Begeisterung, die glühen muß!
Und Xiao Pao hing sich seiner Fee
Und Mutterkönigin an ihre Brust,
Die voll und rund war und so weiß wie Schnee,
Und saugte Milch der Liebe voller Lust.
Da wehte um ihn Maienblütenblust,
Die Sonne machte goldig seinen Flaum
Und bleichte in dem Feenland Staubes Dust
Und wob im Äther einen lichten Traum,
Und schwarz war nur die Beere von dem Maulbeerbaum.
Bald wusch sie ihm die Kopfhaut mit dem Tau
Der bunten Zaubergräser, die da blühten,
Und sorgsam wickelte die Liebe Frau
In Windeln ihn von Linnen. Da bemühten
Die Elfen sich in liebenden Gemüten,
Wie Seidenspinner Seide ihm zu spinnen.
Und Schneejungfrau und Schwester Myrte sprühten
Vor heiliger Begeisterung und Minnen
Für diesen Himmelssohn, der außen süß und innen.
Und Hsi Wang Mu rief ihre Elfen alle,
Die Jüngerschar der Elfenkönigin,
Sie rief sie alle in die Jadehalle
Vor ihren Kiefernthron, zu Füßen hin
Die Elfen sanken ihrer Königin,
Von denen Schneejungfrau die Fürstin war.
Und ihre Schwester Myrte, sanft im Sinn,
War vor der Jungfrau-Mutter offenbar
Im grünlichen Gewand, die Augen licht und klar.
Die Lieblingsjüngerin der Königin
Kam an als Dritte, Elfe Lorbeerkranz.
Ihr Sang war allen Elfen ein Gewinn,
Sie spielte Lieder von der Liebe Glanz
Und tanzte lieblich manchen Reigentanz
In Bambuswäldern in dem Mondenschein.
Sie war die Fee, die einst ein Dichter ganz
Verzückt gesehen, da er trank den Wein,
Da blühte sie um seinen weißen Haarkranz fein.
Als Vierte kam die Jungfrau Wunderperle,
Die Elfen nannten sie auch Perlerina.
Sie hatte ihre Hütte bei der Erle
Am Schattentümpel irgendwo in China.
Sie glänzte wie der Stella Matutina,
Der Auferstehung Stern, der Morgenstern,
Wenn ihm die Perlen fallen über China
Aus seinen goldnen Flechten erdenfern.
Sie hatte jenen Stern in ihrem Herzen gern.
Als Fünfte kam die keusche Blaujuwel
In einem veilchenblauen Seidenkleid,
Sie kam auf ihrer Königin Befehl
Und nahte gern, die anmutvolle Maid.
Die himmelblauen Ärmel flossen weit
Auf ihre Hand (wie Marmorstein gemeißelt).
Sie wischte eine Träne wehes Leid
Aus ihrem Auge, die sie weh gegeißelt;
Zu ihrem süßen Trost die liebe Lenzluft säuselt.
Als Sechste kam das Mädchen Jadeschöne
Mit einem maskenhaften Angesicht.
Von ihren Lippen flossen Himmelstöne,
Und ihre Augen waren tief und licht,
Und nimmerdar der Blick im Tode bricht:
Unsterblich war sie! Ewig war ihr Leben!
Das ist die Wahrheit, nicht nur ein Gedicht.
Seit neunundneunzigtausend Jahren schweben
Die Glieder ihr in ihrer Seide Wollustbeben.
Als Siebente kam Jungfrau Lotosblüte,
Wie niedlich waren ihre kleinen Füße!
Sie hatte eine Sehnsucht im Gemüte,
Dem Himmel zuzusenden Liebesküsse!
Sie speiste herzlich gerne Mandeln, Nüsse,
Maronen, doch am liebsten Einhornmark.
Als Aufenthalt auf Erden mochte Flüsse
Am liebsten sie, da ward sie schön und stark
In ihrem Geiste, wenn sie ging im Lotospark.
Als Achte kam die Pfingstpäonienfee,
Die rosa Blüten trug in ihrem Haar,
In ihrem Haare Blüten weiß wie Schnee.
Mit einer Feuerzunge wunderbar
Sie machte Herrlichkeiten offenbar,
Die süße Herrlichkeit im Elfenreich.
Das Auge war voll Glut und leuchtend klar,
Gern lachte über einen Kinderstreich
Die Pfingstpäonienfee, im Herzen sanft und weich.
Als Neunte kam die kleine Phönixmaid,
Gewandet in ein buntestes Gewand,
Das fiel ihr lässig nieder weich und weit,
So seidenflüssig wie ihr Gürtelband.
Sie war die Feurigste im Elfenland
(Dagegen war die Pfingstpäonie kühl)
Und glühte süß in Seele und Verstand
Der Göttin Ma zu, die auf Himmels Pfühl
Einst gnädig sie empfing in ihrem Vestibül.
Als Zehnte kam die reine Jungfrau an,
Mit Namen nannte man sie Sternentau.
Sie sehnte nimmer sich nach einem Mann,
Sie liebte nämlich eine Elfenfrau
(Des schämt sich meines keuschen Verses Bau).
An ihr floß nieder schwanenweiß ein Kleid,
Wie Leuchtglanz fließt, wie reiner Morgentau.
In himmlischer Gesinnung ging die Maid
Wie Sterne schweben, wo des Wunsches Schnuppe schneit.
Als Elfte kam die Jungfer Weiße Hirschkuh,
Die wohnte nahe in dem Tannenwald.
Ätherisch sah man schweben auf der Pirsch zu
Der Königin die liebliche Gestalt.
Und in der Halle war ihr Aufenthalt
Zur Rechten ihrer Elfenherrin, treu
Und keusch in ihrem Sinn. Daß sie sich bald
(Denn jener Himmelssohn macht alle neu)
Zu Seiten von des Himmels Göttin Ma erfreu!
Als Zwölfte kam die Jungfrau Lilienduft,
Die hatte eine taubenweiße Haut.
Ihr Antlitz glänzte durch die Frühlingsluft,
Da über weißen Wolken Himmel blaut.
Kaum hat man solche Schöne je geschaut.
Jungfräulich war die Lilienduft im Herzen
(Da wo die Seele sich zusammenbraut)
Und war so schlank wie die geweihten Kerzen
Im Nonnenkloster, da die Jungfraun heimlich scherzen.
Die Zwölf sahn liebevoll zu Xiao Pao
Und wollten ihm mit Elfenkräften dienen,
So wie sie Dienerinnen von dem Tao
Der Liebe waren. O wie Honigbienen
Umschwärmten sie den himmelher Erschien'nen.
In dem Momente kam ein Kind herein,
Drei süße Jahre alt ist sie erschienen.
Wer war denn dieses süße Kind, so klein,
So süß, so lieb, so sanft, so gold, so fein, so rein?
Es war die Elfentochter von der Hsi
Wang Mu, die Erstgeborene im Land
Der Feen. Der Name jener Tochter: Ji.
Sie streichelte mit ihrer weißen Hand
Den kleinen Xiao Pao, anerkannt
Als Bruder, von der Mutterkönigin
Ein neuer Sohn. Das überstieg Verstand,
Vernunft und Geist, denn jene Königin
War ohne Mann und rein im jungfräulichen Sinn.
Drob wunderte sich wenig Tochter Ji,
Sie freute sich vielmehr am Brüderlein.
Da sang sie Schöne-Jugend-Melodie
Mit ihrer Silberglockenstimme rein.
Durch das papierne Fenster glänzt herein
In jene Jadehalle Abendlicht
Mit scharlach- oder purpurrotem Schein,
Mit Gold durchwoben, schön wie ein Gedicht:
Ji übertrafs an Schönheit durch ihr Angesicht!
Sie wurden beide treu zusammen groß
Und nahmen zu an Alter und Verstand.
Ji hielt das Nähgarn keusch in ihrem Schoß
Und Xiao Pao Holz in seiner Hand.
Dann gingen sie hinaus ins Elfenland,
Zwölf Jahre zählte er, ins Elfenkloster,
Er nahm sich von Kung Fu Tse einen Band
Und lehrte Ji bei einem Seidenposter
Den Gruß der Göttin Ma, das Himmelspaternoster.
ZWEITER GESANG
Und Xiao Pao kam zum Kaiserhofe,
Er kam in die Millionenstadt Tschang-an,
Zum Musenhof des Kaisers. Eine Zofe
Begrüßte den inzwischen reifen Mann
Und sprach: "Ich bin die Lieblingszofe Nan,
Die Zofe von der Lieblingskonkubine
Des Kaisers. Und ich sage dir jetzt an
Von Unsrer Majestät, der ich ja diene,
Indem ich diene Seiner süßen Honigbiene."
"Der Kaiser hat die Grenzen ausgedehnt
Von unsrer Heimat, von dem Reich der Mitte,
Das sich an Berge und an Meere lehnt.
Wenn er zum Sonnenuntergange schritte,
Er fänd im Westen jetzt nach neuer Sitte
Das einverleibte Land der Dsungarei.
Und wenn Erniedrigung der Pamir litte,
Der Kaiser würde ihn erhöhen, bei
Der Göttin Ma, fürwahr!" Das sagte Nan im Mai.
Die Zofe weiter sprach zu Xiao Pao
Und trippelte und tat als ob sie küsste
Die Lenzluft mit dem Genius: "Beim Tao!
Der Kaiser stürmte an Koreas Küste
Im Osten. Wenn das Volk Koreas wüsste,
Daß jetzt die Goldne Zeit beginnt des Tang!
Sie wären glücklich, und ihr König grüßte
Den schönen Musenkaiser Ming-huang,
Der liebet Seine Lieblingskonkubine Yang!"
Und weiter sprach die kleine Zofe Nan
Die Worte unserm schönen Helden zu:
"Die Missionare Jesu bauten dann,
Die Nestorianer dann in Si-an-fu
Sich ihre Kirchen auf, um in der Ruh
Des Sonntags Hymnen an den Herrn zu singen.
Verstehst denn auch die Nestorianer du?
Ich weiß nicht, welchen Neuen Gott sie bringen,
Es möge ihnen doch ihr Gottesdienst gelingen."
Da hob die Dienerin der Konkubine,
Die Zofe Nan der Edeldame Yang,
Erneut die Stimme: "Die ich gerne diene
Am Musenhof zur Goldnen Zeit des Tang,
Ich sage dir: Am ferne Yangtsekiang
Die Bonzen Buddhas bauen ihre Klöster.
Ans Tao glaubt der Kaiser Ming-huang,
Doch duldet er die Lehre auch, daß Größter
Im Staub der Welt der Buddha ist, der Nonnen Tröster."
Erneut sprach Nan, so schön wie eine Aster:
"Geflohen aus dem Westen vorm Islam
Nach China kam die Schar des Zoroaster,
Die so wie eine Feuerflamme kam
Und ihren Sonnen-Tempeldienst aufnahm.
Im Westen aber glaubten Mohammed
Die wüsten Krieger, durch die Kriege lahm,
Und sehnten sich in Paradieses Bett
Zu Huris, Wollustjungfraun, welche wirklich nett!"
"Und Zoroasters Jünger brachten mit
Ziermohn in unsre kaiserlichen Gärten."
Die kleine Nan, die hübsche Zofe schritt
Mit Xiao Pao in die Edelgärten,
Oh, ihre Hüften schlank wie Weidengerten!
Da sprach sie (ihre Stimme bebte jung):
"Ein Pilgrim zog zum Ganges Wanderfährten,
Ein Wort zu finden, er hieß Hiuan-dsung.
Das Wort bracht er dem Musenkaiser Hsüan-dsung."
Und Xiao Pao sprach: "Wie heißt der Herr?
Ob Hsüan-dsung, ob Ming-huang, sag an!"
Neugierig war er in dem Geiste sehr
Auf eine Antwort von der Dame Nan,
Die hob die Silberglockenstimme dann
Und sagte: "Unser Kaiser hat zwei Namen.
Strahlende Majestät nennt man den Mann,
An seinem Hofe leben Edeldamen,
Von denen manche aus dem hohen Norden kamen."
Da bebte Zofe Nan an ihrem Herzen
Und sprach zu Xiao Pao dieses Wort:
"Ich kann jetzt länger nicht mehr mit dir scherzen,
Denn da kommt meine hohe Herrin, dort!
Doch du gefällst ihr sicher, geh nicht fort,
Denn du bist schön gewachsen und verständig,
Das mag sie beides." Frisch und nicht verdorrt
Die Herrin kam gegangen, ganz lebendig
Und schön und sagte zu der Zofe: "Nan, ich kenn dich."
Die Herrin führte weiter diese Rede:
"Doch kenn ich nicht den Jüngling dir zu Seiten."
So schön wie jene Herrin war nicht jede.
Was sollt das Netz von Gold im Haar bedeuten?
Wer konnte ihren grünen Schleier deuten?
Sie war so schön wie Maienblüten, Strümpfe
Von rosa Seide trug sie vor den Leuten.
(Doch vor dem Kaiser ging sie nackt als Nymphe,
Darüber niemand seine stolze Nase rümpfe!)
Kniebänder trug sie, die von weißem Taft
Gefertigt waren, Fransen ganz von Gold
Daran (der Körper in Gefangenschaft
Des feinsten Kleides); Perlen daran hold,
Wie sie das Meer an weißen Sandstrand rollt.
Von golden-grünem Stoff die weiten Hosen,
Der Umhang grün, mit eingewobnem Gold,
Und offen, und darunter weiß wie Rosen
Das Wams. Und in den Händen blühende Mimosen.
Da wagte Zofe Nan, das Wort zu heben,
Und sagte: "Dieser Mensch heißt Xiao Pao,
Der von der Elfenmutter hat sein Leben,
Er glaubt mit seinem ganzen Geist ans Tao."
Die Herrin drauf: "Der erste Mensch Pan Kao
War nicht so mächtig-schön wie dieser Mann!
Der ist er doch? und nicht Eunuch wie Mao,
Der hinterlistige? Ich sehs ihm an,
Daß er die Konkubinen schön beglücken kann."
Die Herrin lachte, sagte zu dem Hörer,
Der rot geworden war im Angesicht:
"Das war ein Witz. Du bist doch kein Betörer?
Dein Auge schaut so rein aus und so licht,
Bist keusch wie ein chinesisches Gedicht,
Ich glaubs, dein Antlitz weiß wie reiner Schnee.
Komm mit! Ich möchte mit dem Gaste schlicht
Auf der Veranda trinken Java-Tee,
Den kluge Händler brachten uns von Übersee."
Und da hob Xiao Pao seine Stimme
Und sagte: "Herrin, wie darf ich dich nennen?
So niedlich siehst du aus wie eine Imme,
Das muß von ganzem Herzen ich bekennen.
Ich bin den Männern gleich nicht, die berennen
Trutzburgen, Hymensammler bin ich nicht.
Erwachsen bin ich auf den Elfentennen
Und kenne nur die Elfenliebe schlicht
Und rein, da eine Seele küsst die Seele licht."
Da gab zur Antwort jene Edelherrin:
"Vom Vater her geheißen Dame Yang
Bin ich und Konkubine (und nicht Närrin).
Die Lieblingskonkubine bin ich lang
Des Kaisers, unsres großen Ming-huang.
Vorname meiner aber ist Gue-fe,
Darfst mich so nennen, sei nur nimmer bang.
Komm, trinken wir zusamm ein Tässchen Tee
Und rauchen dann ein wenig von des Mohnes Schnee."
Sie saßen in dem Gartenparadeis
Und tranken Tee, gewürzt mit Apfelsinen
Und einer Prise Salz und etwas Reis
Und wenig Ingwer. Goldne Honigbienen
Umschwärmten Blüten um die Mandarinen.
Dann holte Dame Gue-fe still hervor
Ein wenig Tabak von den Philippinen
Und mischte Opium darunter. Vor
Dem Rauchen flehte Segen sie herab aufs Rohr.
Und als der Rausch zu kommen schon begann,
Da sehnte Gue-fe sehr sich nach Musik.
Da sagte sie zu ihrem Nebenmann:
"Willst du Musik in diesem Augenblick?"
Und er: "O ja, Musik gibt großes Glück."
Da klatschte sie in ihre weißen Hände
Und wandte sich zu Zofe Nan zurück:
"Bring mir die Musikanten her behende,
Daß sich die Stille hier zu Liebesliedern wende!"
Die Musikanten mit den Instrumenten
Sogleich zur Stelle waren: eine Chin
Aus China hielt in seinen Spielerhänden
Der Erste, und der Zweite reichte hin
Die Zheng, der Dritte eine Se voll Sinn,
Aus Griechenland die klingende Kitharra,
Die Lyra auch zu Gue-fes Lustgewinn,
Und aus Iberien kam die Guitarra,
Und aus Judäa eine Harfe auch, fürwahr, ah.
Das waren also ihre Saitenspiele.
Dazu gab es auch schöne Perkussion:
Der Gong mit dem erhabenen Gefühle,
Der Klingstein freute mit dem reinen Ton,
Die Glocke freute sehr den Himmelssohn,
Schweinsblasenpauke machte Donner bang,
Die Zimbel einklang in den Rausch von Mohn,
Die Trommel gab den kriegerischen Klang.
Dazu kam von dem Sänger himmlischer Gesang:
"Zehn Sonnen brannten einst vom Himmel nieder,
Daß alle Welt in Feuersglut verging.
Vor Durst verging die Menschheit, und die Lieder
Verschwiegen ihren Frohgesang. I Ging,
Was rätst du? fragte man. Und einer ging,
Das war der starke Held mit Namen Yi,
Der neunmal schoß vom Berg im Staate Ling
Zum Himmel, und der Pfeile Melodie
War Menschen Wohlgefallen süß und Sympathie."
"Neun Sonnen sanken da vom Himmel nieder
Ganz kalt und schwarz und sanken in das Meer.
Die eine Sonne schien am Himmel wieder
Mit angenehmer Wärme himmelher.
Da sprach zu Yi die Ehegattin: Herr,
Wie mächtig bist du! Sie ging in den Wald.
Vor Tigern ward, vor Angst das Leben schwer
Der Hauptfrau Yis in schöner Wohlgestalt,
Da fand sie doch das Kraut des ewgen Lebens bald."
"Sie pflückte gleich das grüne Elfenkraut
Und biß mit Perlenzähnen auf ein Blatt,
Da sie den eignen Augen kaum mehr traut,
Sah unter sich das Meer sie perlmuttmatt,
Die Erde unten mit der Kaiserstadt,
Die heilgen Berge unten winzig ruhn,
Kaum sah den Gelben Strom sie wellensatt,
Und kaum sah sie das Westgebirg Kunlun,
Nicht mehr die Gräberhallen, wo die Ahnen ruhn."
"Dafür sah sie die Morgenwolken rot
Und golden in dem Rosenäther schweben.
Da dachte die Geliebte: Bin ich tot?
Ich wollte in Unsterblichkeit doch leben!
Da fühlte sie in ihrem Herz ein Beben,
Da ward es Nacht um sie. Sie kam zur weißen
Milchstraße, sah die Weberin still weben,
Den Hirten auch am hohen Himmel kreisen.
Da hörte sie Gesang, ganz wundersüßen leisen."
"Da tat der Mondplanet ihr auf das Tor
Von weißem Marmor, und ein alter Mann
Mit weißem Bart, der sich zum Bauch verlor,
Zur kommenden Geliebten sagte dann:
Tschang O (so hieß sie) ich allein weiß, wann
Dir nah die Stunde der Unsterblichkeit:
Jetzt! Da ein Bach von Zimttee lieblich rann,
Und unterm Zimtbaum ruhte aus die Maid
Und ging dann in die Spiegelhalle licht und weit."
"Der alte Mondenmann mit weißem Bart,
Er kürte die Tschang O zur Königin
Des Mondes, die sich später offenbart,
Wenn schwarz der Mond wie altes Blut fließt hin.
Dann sagen wird die Göttin Ma: Ich bin
Das milde Licht, das schimmert in der Nacht!
Was ich euch lieblich singe, das hat Sinn,
Ich habs mit meinem Genius vollbracht,
Der auf der Insel der Glückseligkeiten lacht."
Und die Musik verstummte. Dame Yang
Sprach jetzt zu Xiao Pao: "Komm du mit
Zu meinem Musenkaiser Ming-huang!"
Die schöne Gue-fe nun mit Trippelschritt
Ätherischer als eine Schwalbe glitt
Von der Veranda zu der Akademie
Han-lin, dem Wald der Pinsel. Es ging mit
Der Himmelssohn, im Ohr die Melodie
Der Harfe (im Gedenken noch die Elfe Ji).
Tuschpinselwald, du sahst den Himmelssohn
(Sein Reich der Mitte nicht von dieser Welt)
Dem Musenkaiser auf dem Jadethron
Begegnen, ganz allein auf sich gestellt,
Denn Dame Yang war schon davongeschnellt,
Sie ließ im Pinselwalde Xiao Pao
Allein zurück (was wenig ihm gefällt),
Weil sie mit ihrem Dolch Eunuche Mao
Das Lügnerleben senden will zurück zum großen Tao!
Der Himmelssohn allein im wunderschönen
Tuschpinselwald den kaiserlichen Herrn
Erwartet unter süßen Flötentönen,
Die an das Ohr ihm dringen sanft von fern.
Da speiste Xiao Pao einen Kern
Der Macadamia-Nuß, der Himmelssohn
Lebt nicht allein vom Wort vom Morgenstern.
Da kam gegangen von dem Jadethron
Zum Pinselwald der Herr, gewandet rot wie Mohn.
Gewandet stolz in eine Purpurrobe
Mit einem Phönixmuster gold bestickt
Der Kaiser ist erschienen. Erde, lobe
Die weise Obrigkeit, der es geglückt,
Den Frieden zu erhalten. Ganz verzückt
Sah Xiao Pao an den Ming-huang,
Lammsanften Gnadenblickes jener blickt,
Und darum ist der Andere nicht bang,
Und beide denken an die schöne Dame Yang.
Der Gast des Kaisers machte den Kotau,
Und Ming-huang sprach (Wangen weiß wie Schnee
Und rot wie Rosen voller Morgentau:
Vergossen nämlich hat er Tränen weh),
Er sprach: "Kannst du gebildeten Essay,
Gebildetes Gedicht mir rezitieren?
Denn siehe, drüben an dem Flötensee
Mag ich mich gern in Poesie verlieren
Und lausche schönen Worten gern, die China zieren."
Da sagte zu dem Kaiser Xiao Pao:
"Ich kann des Himmels Weisheit dir verkünden.
Am Anfang aller Dinge war das Tao,
Das Wort des Geistes, das im lenzlichlinden
Te reiner Tugend sich verkörpert. Finden
Kann man das Tao in dem Himmelreich
Bei Göttin Ma! Die beiden zu verbinden
Ist leicht, denn sie sind Eines. Gnadenreich
Das Tao ist der Geist der Göttin herzensweich."
Da lachte aber Ming-huang, kein Spötter,
Vielmehr ein Mensch der Wonne und der Freude,
Er glaubte an den Uranfang der Götter
In Einem Geist der Wahrheit. Aber heute
Auf Erden waren kaum noch fromme Leute,
Den Geist bewahrten aber die Poeten.
Da führte er zum Pavillongebäude
Den jungen taoistischen Propheten,
Daß sie zusammen zu des Himmels Göttin beten.
Und daraufhin hob Ming-huang die Stimme:
"Ich war dereinst im Hause des Wang Wei,
Der ein Poet und Maler (der die Imme
Wie einen Lenzhauch hingemalt im Mai).
Da sah ich einen armen Dichter bei
Wang Wei, den unbekannten Möng Hau-jan.
Der arme Dichter sagte zu mir: Ei,
Hat denn die Majestät für einen Mann
Wie mich Verwendung nicht? steh ich im Kaiserbann?"
"Ich sprach zu dem Poeten Möng Hau-jan:
Wenn du mir nimmer das zu lesen gibst,
Wenn keine Verse schickt der arme Mann,
Wenn du mir nimmer zeigest, was du schriebst,
Auf daß du in des Ruhmes Halle bliebst,
Wie soll ich dich mit einem Bambus ehren?
Woher denn soll ich wissen, was du triebst,
Wie schön du doch die Göttin über Meeren
Des Himmelreichs besungen, die wir alle ehren!"
Und dann ging Ming-huang mit Xiao Pao
Vom Pinselwald zum Park der Birnenbäume.
Da war es Nacht, so dunkel wie das Tao
Den Menschen ist, das Licht der Weltenräume.
Der Kaiser dachte da an seine Träume
Verflossner Nächte, da er aufgestiegen
Zum Mond, gebadet in der Wogenschäume
Milchstraße. Endlich einmal dort zu fliegen!
Das ist doch mehr als übers Hunnenvolk zu siegen.
Und da erriet der Himmelssohn den Traum
Und pflückte einen klitzekleinen Zweig
Von einem krüppligschiefen Birnenbaum
Und warf ihn Richtung Mond, der weiß und weich
Hernieder schimmerte vom Himmelreich;
Da ward der Zweig zur Regenbogenbrücke.
Da ging der Herr hinüber himmlisch gleich
Zur Weißen Königin, zu seinem Glücke,
Tschang O empfing ihn lächelnd, taubensanft die Blicke.
Da gab es keinen Kaiser mehr auf Erden,
Zurück blieb jetzt der junge Himmelssohn.
Und Xiao Pao Hirte ward der Herden
Chinesen, er stieg auf den Jadethron.
Er nahm den Purpurmantel rot wie Mohn
Und zog ihn übers Wams von weißem Samt.
Auf seinem schwarzen Haupthaar keine Kron,
Der bleichen Hände Venenblut entflammt,
Er winkte zu dem Himmelreich, von wo er stammt.
DRITTER GESANG
Am Dung-ting-See, in einem Bambushain,
Rief Fischer sich der schönen Poesie
Der Himmelssohn im süßen Morgenschein.
Er rief sie mit der schönsten Melodie,
Er rief den großen Dichter Bo Djü-I
Und seinen Bruder im Gesang Wang Wei,
Er rief den Li Tai-bo mit Sympathie
Und den Du Fu, den Mann der Phantasei.
Sie schrieben klassischer Gestaltung rein und frei.
Da sang der Bo Djü-I beim Purpursaft,
Bei dem Poetentrunk, gegornem Wein:
"Die Trauerweide ohne Lebenskraft
Läßt ihre Äste zittern zag und fein,
Im Dung-ting-See da kräuselt kristallrein
Der Tau sich, aufgeschmolzen ist das Eis.
An diesem Tag im sanften Morgenschein,
Da keiner, was er vorhat, jetzt schon weiß,
Da kommt der Hauch des Lenzes lieblich süß und heiß."
Und Bo Djü-I hielt nicht im Sange stille
Im süßen Morgenschein am Dungting-See:
"Durch lieblich lenzlichlinden Lufthauch quille
In wirbelnder Zerstreuung weiß der Schnee,
Es öffnet sich das Eis bei Luv und Lee,
Und angehaucht bekommt es warmen Glanz.
Der junge Lenz mit seinem Wonneweh
Hält nimmer inne in dem Blütentanz.
Mir bleibt im weißen Bart von Reif ein weißer Kranz."
Und Bo Djü-I sang weiter weich im Traume
Erfreulichsüßen Sang dem Himmelskinde:
"Im Garten schloß sich auf die Purpurpflaume,
Die Erstberufne jungem Frühlingswinde,
Der Apfel kam als nächstes, Frucht der Sünde,
Die Aprikose dann und dann die Kirsche.
Dann tat sich bei der Ulme auf die Winde,
Das Veilchen duftete zur rosa Pfirsche.
Dann kam zu uns der Frühlingshauch, der nicht unwirsche."
Und darauf hob die Stimme Li Tai-bo,
Der Meister, dieses Lied hat er gebracht:
"Ich hörte eine Flöte einst in Lo-
Yang tönen in der süßen Frühlingsnacht.
Es mischte sich der Klang mit zarter Pracht
Beim Fluß die Stadt erfüllend mit dem weiten
Lenzhauch. Ich hatte auf die Hymne acht:
Als ob man bricht die Gerten schlanker Weiden...
Sag, welcher Mensch fühlt dabei nicht der Sehnsucht Leiden?"
Und Bo Djü-I hob seine Stimme weich:
"Es steht ein ururalter Pavillon
Im Osten bei des goldnen Schlosses Teich.
Nach langer Einsamkeiten Klageton
Und langem Leiden fand ich selig schon
Nach Haus, da bin ich lieblich nicht allein.
Nun bitte ich zuerst den Himmelssohn,
Daß er das Haus bereite. Gelben Wein
Bring ich herbei und will ein Harfenspieler sein."
Und Li Tai-bo sang lieblicher Gestalt:
"Aus Liebe zu dem schönen Schwanenweiher
Wohnst du beim Ostgebirg im Frühlingswald.
Dir, Himmelssohn, dir stimm ich meine Leier!
Der lichte Phönixstern steht auf zur Feier!
Die reinen Lüfte hohe Föhren küssen,
Dir Herz und Ohren wäscht der Felsenweiher,
So willst du nichts vom Weltenlärme wissen
Auf deinem schnee- und schwanenweißen Wolkenkissen."
Und wieder sang der große Bo Djü-I
Aus seinem fromm-poetischen Gemüt:
"Der Nebel schläft, der Kranich noch nicht schrie,
Es schläft die Welt, die Blüte noch nicht blüht,
Zur Mitternacht der Mondenschimmer sprüht
Und geht hinunter, in das Meer verborgen,
Ersteht, und wieder an dem Himmel glüht
Das Himmelslicht im goldnen Dunst am Morgen.
Wo ist ein felsenfester Halt im Staub der Sorgen?"
Und jetzt hob seine Stimme an Du Fu:
"Der Nebel weht den Schleier um die Bäume,
Der Ostwind treibt dem Strand die Wellen zu,
Der bunte Frühling träumt der Liebe Träume,
Doch bitter sind des Abends kalte Säume.
Man hört die Trommel donnern in den Weiten,
Vom Vogelsang sind leer des Waldes Räume.
Da sieht man eine schöne Jungfrau schreiten
Zum hohen Fest, die weiße Hand rührt an die Saiten."
Und wieder hob die Stimme an Du Fu,
Er sang mit einer schönen Melodie:
"Ich ging am Ufer auf die Blüten zu,
Da vor dem Haus der Jungfrau Huang Si
Am Flusse blüht es bunt und lieblich wie
Ein Maienmorgen, tausend Blütendolden
Umflattert von der Falter Sympathie
Und ihrem Tanz, den Strahlen süß vergolden.
Ich höre weise singen den Pirol, den holden."
Und Li Tai-bo hob seine Dichterstimme
Und sang ein Lied aus seiner Göttin Gnade,
Die Stimme war so süß wie eine Imme,
Die golden aufgetaucht vom Nektarbade:
"Ich traf die Dame an dem roten Pfade
Und hob zum Gruße ihr die harte Gerte;
Bei all den Himmelstoren ganz von Jade
Und all den Trauerweiden auf der Erde,
Wo ist dein Haus und wie dahin führt eine Fährte?"
Der Dichter Bo Djü-I sang darauf dies
Loblied auf eine Nacht, die er verbracht
Mit einem jungen Blumenmädchen süß:
"Die Kerze tröpfelnd schmilzt in dieser Nacht,
Der Wachs wie eines Pfirsichblattes Pracht
Auf deinen Ärmel tröpfelt, oh der neue
Des Kleides, das die Mutter dir gemacht.
Am Wein im Nabelkelche ich mich freue,
Genossin des Gelags. Im Alter packt mich Reue."
Und Bo Djü-I, er wollte mehr noch sagen
Von seines Blumenmädchens Paradies:
"Erbarm dich, schönster Tag von allen Tagen,
Da unsanft mir die späte Stunde wies
Den tollen Sturm, der an die Bäume blies
Nur eine Nacht! Das war ein wildes Fest!
Am Tage der Pirol geflogen süß
Mit Liedern kommt ins leere Baumgeäst,
O Nichts! Da ist von hübscher Freude nicht ein Rest!"
Und Bo Djü-I sang mehr von Frauenliebe,
Die Süßigkeiten gibt vorm bittern Tod,
Die Süßigkeiten süßer Frühlingstriebe:
"In deines bunten Kleides sanftem Rot
(Die Braue mir dein Auge zärtlich bot)
Lagst du im Schlaf, da tat sich dein Gesicht
Durchzittert auf. Den Vögeln gabst du Jod,
Sie sangen mit den Stimmen silberlicht,
Die Nymphensittiche, du sagtest ein Gedicht."
Und nun hob auch die Stimme an Wang Wei
Aus dem poetisch-liebenden Gemüte
Und eingeweihten Geistes Phantasei:
"Zur Himmelstreppe rieselte die Blüte
Und tanzte fort mit Frühlingswindes Güte,
Dem sie bis zu dem Bambusschirme folge.
Der Kirschpirol mit klagendem Geblüte
Singt unbehaglich durch die Blütenwolke
Bis in das Schloß, da man Bedränger ist dem Volke."
Und süß von Liebe seufzte Bo Djü-I
Und seufzte ein vollkommenes Sonett
(Ich bringe eine andre Melodie):
"Sanft lehnt sie sich auf das bestickte Bett,
Der rote Seidengürtel niedlich nett
Sinkt hin, es sinkt das Netz aus ihrem Haar.
Der liebe Lenz geht fort, nichts macht ihn wett,
Die Blüte bleibt, die Nacht deckt wunderbar
Den Tag im Westen ein, der Mond kristallenklar."
Wang Wei sang lieblichen Gesang von einer
Pfingstrose, östlich lag das Paradeis,
Und keine andre Blüte war je reiner,
Er sang in seiner Dichterfreunde Kreis:
"Das Grün der Hoffnung schaut so still und leis,
Es dämmert leicht Gewandes Liebesrot,
Die Pietät blüht auf in reinem Weiß.
Woher kennt diese Blume das Gebot
Des Lenzes? Liebe überwindet auch den Tod."
Und Li Tai-bo sang in der Dichterrunde:
"Die Pfirsichblüten hüllt ein weißer Tau,
Zum Wellenrauschen bellen junge Hunde,
Im Schattenwald sieht man den Hirsch genau,
Kein Gong klingt an des Wildbachs Mittags-Au,
Der Wildbach stürzt herab vom nackten Fels,
Der Bambus aufblüht in des Himmels Blau.
O weh, wo ging der Meister hin? Ich wälz
Aus meinen tiefen Augen weher Tränen Schmelz!"
Und Bo Djü-I anstimmte den Gesang:
"Für lange Zeit trat ich nicht in die Pforte,
Ich war an Leib und Seele leider krank.
Heut kam mir Hoffnung her von einem Worte,
Nun kleid ich mich gestärkt mit einer Borte.
Wie lang war ich nicht bei der Strompagode?
Ein Jahr lang nicht an meinem Lieblingsorte!
Ach, das vergleich ich einem bittern Tode!
Heut machte trunken wieder mich der Wein, der rote."
Du Fu sang so: "Vom goldnen Abendrot
Sind Fluß und Berg verklärt mit Purpurschein,
Der Frühlingswind den Duft der Blüten bot.
Die Schwalbe fliegt am Wassersaume fein,
Am Strande schläft ein Entenpaar allein.
Das Wasser jadegrün, die Vögel weiß,
Die Berge blau, die Blumen rot wie Wein.
Verflogen dieses Lenzes Paradeis;
Wann zieh ich heimwärts: aufwärts von der Erde Kreis?"
Und Li Tai-bo (die Augen glühend flämmern)
Sang dieses Lied aus seinem stillen Leid:
"Ich trank und merkte nichts vom Abenddämmern,
Da Purpurseide weht am Himmel weit,
Von hingesunknen Blüten voll das Kleid.
Dann aber ging ich trunken in die Nacht,
Der Mond bemaß mit Silbersand die Zeit,
Die Vögel haben sich ein Nest gemacht.
Doch in der Einsamkeit kein Mensch hat auf mich acht."
Und da hob seiner Stimme Ton Wang Wei
Und sang dem Himmelssohn im Bambuswald
Aus seiner Melancholie und Phantasei:
"Ach, Tag für Tag, die Menschen werden alt.
Gegangen kaum, kehrt neu der Frühling bald.
Doch wer in seinem Becher goldnen Wein
Und eine Chyrsantheme draufgemalt
Und trunken ist im Balsammondenschein:
Vergänglichkeit wird ihm nicht Furcht und Schrecken sein."
Und Li Tai-bo mit seines Sanges Ton
Sang einen wunderbaren Frühlingstraum
Zur Herzensfreude seinem Himmelssohn:
"Glyzinenblüten hängen an dem Baum,
Das stimmt zum Frostgeklirr des Winters kaum,
Das könnte (glaube ich) zum Frühling stimmen.
Das dichte Laubwerk in des Waldes Raum
Ist Heim den Vögeln, die im Äther schwimmen.
Der Lenzduft hält die Schöne an, die Augen glimmen."
Sang Bo Djü-I mit seiner süßen Muse
(Und sah mit einem Auge zu Du Fu):
"Die Blumen künden von der Göttin Muße,
Die Kiefern bei dem Bambus von der Ruh.
Voll klarer Kühle kommt der Lenzhauch zu
Dem Mond im Osten, der im Zwischenlicht
Aufblüht. O Traum vom Westen, golden nu!
Der Fremdling schweift mit Elfen dicht an dicht,
Bis er im Tempelquell erblickt sein Angesicht!"
VIERTER GESANG
Der Himmelssohn auf seiner Wanderschaft
Kam bis in die Provinz von Sezuan.
Er ging an eines Kiefernstabes Schaft
Und wollte Frauen aus dem Volk der Han
Beschauen. "Tauche wieder auf, o Lan,
Im Teiche nackt wie einstmals war Pan Kao,
Der erste Mensch, schwimm du mit mir!" rief Yan,
Die Freundin, rief: "Die Meisterin des Tao
Der Liebe will es!" Dieses hörte Xiao Pao.
Da sah er aus dem Tränenbambusstrauch
Zur Lenzzeit weithin einen reinen See,
Darüber strich der Lenzluft süßer Hauch
Ätherischer als morgens früh ein Reh.
Da tauchte eine auf, so weiß wie Schnee,
Und lang und schwarz floß hin betautes Haar.
Da rief die schöne Taucherin: "Meh-Meh,
Mein Schwesterlein, du siehst so wunderbar
In deiner Reinheit aus, so herrlich offenbar!"
Da tauchte auf die Schöne namens Lan
Und war so schön wie eine Orchidee.
Und aus dem Wasser schaute Freundin Yan
Die Seelenschwester steigen aus dem See
(Der ozeanischen Parthenope
An Schöne gleich) und ihren Haaren wringen
Das Wasser aus, dann wieder um den Schnee
Des Leibes fiel das Haar wie Rabenschwingen.
Da hörte Xiao Pao noch ein Mädchen singen.
Dieweil die schöne Lan sich transparente
Rohseide umwarf so wie einen Schleier
Und Yan aus ihrem Wasserelemente
Auch aufgetaucht, noch weißer als ein Reiher,
Da stimmte nahe eine alte Leier
Bei einer Krüppelkiefer leis die Dritte.
Bei dieser reinen Schönheit Wollustfeier
Die Seele eines Himmelssohnes litte?
Er schloß bewimpert seine Augen, aber bitte!
Da hörte er, wie eins der Mädchen sang,
Und ihre Stimme war wie Schwanenruf:
"Euch ruft nun Mei Maoni liebeskrank,
Kommt her zu mir, wie euch der Schöpfer schuf!
Euch lieben ist mein innigster Beruf!
Ich liebe doch die Seelen meiner Schwestern,
Der wahre Herr des Liebes-Tao schuf
Die Stimmen euch gleich Tauben in den Nestern
Süßgirrend. O dem Liebesbund, dem immer festern!"
"Ich lieb die orchideengleiche Lan
Mit ihres Leibes himmelsreinem Weiß.
Im ganzen ungezählten Volk der Han
Und in der Tochter Xian großen Kreis
Und Chinas wunderbarem Paradeis
Ist nicht zu finden so ein runder Busen
Wie Lan ihn trägt mit Herzensbeben heiß,
Ich gleich ihn Lebenspfirschen und Jampusen.
Und in der Brust die Brust! da schweigen still die Musen."
"Ich liebe meine lotosgleiche Yan
Mit ihrer süßen Hüfte weidenschlank.
Im ganzen ungezählten Volk der Han
Der lieben Himmelsgöttin Ma zu Dank:
So eine Hüfte find ich nimmer. Krank
Vor Sehnsucht bin ich, diese zu umfangen
Mit meinen weißen Armen rankenlang
Und meines Herzens bebendem Verlangen.
Oh halte ein, halt ein mit selig-keuschem Bangen!"
Und Mei Maoni mit dem Himbeermund
Sang süß wie Hellas' Sappho Mädchenliebe
Und sah mit ihren Augen groß und rund
Beim Tränenbambus mit dem Frühlingstriebe
Zwei Mandelaugen (süßer Schönheit Diebe),
Das waren Xiao Paos Mandelaugen.
Da dachte Mei Maoni: "Wenn er bliebe,
Erschrüken meine Mädchen. Kann er taugen
Zum Keuschen? Oder will er Liebeswonne saugen?"
Da trat der Himmelssohn begnadet vor
In Anmut und der Seele Keuschheit rein,
Der Tränenbambus war so wie ein Tor
Zur Schönheit in der Sonne süßem Schein,
Da Chinas Anmutschwestern spielten fein
Die Frühlingswonne: Hasch mich, ich heiß Lenz!
Da ward es Xiao Pao warm wie Wein
Und warm wie weißes Dampfbrot innen (wenns
Erlaubt): "O Schönheit, mich mit einer Myrte kränz!"
Da Mei Maoni ihn, den Himmelssohn,
Erkannte, senkte sie zum Grund die Stirn,
Die schwarze Haarflut spielte in dem Mohn,
Man sah die Demut herrlich triumphiern.
Da kreiste Xiao Pao klar im Hirn
Die Ewigkeit der Liebe, ihrer Lust
Und ihrer Anmutschwestern, die verziern
Das Leben mit der Schönheit, heiß gewußt
Hat Xiao Pao: Unterm Busen bebt mir treu die Brust!
Da sagte Mei Maoni zu dem Menschen:
"Die Meisterin der Liebe lehrte klug
Den Blumenmädchen (nicht den Buddhamönchen
Vergleichbar) rein zu bleiben von dem Trug
Der heuchelnden Askese und dem Lug
Des frommen Hochmuts, sondern in der Kraft
Hingabe an das Leben üben! schlug
Die Göttin uns mit Liebe ja! In Haft
Des Himmels üben wir der Liebe Leidenschaft."
"Wir spenden allen Liebesjüngern Jugend
Als Freudenbotinnen der Göttin Ma,
Den Weg bekennen wir und seine Tugend,
Das Tao, das war schon im Anfang da,
In Liebe da der Schöpfung Werk geschah:
Der Geist im Chaos zeugte neues Leben.
Wir leben wahrlich in der Liebe, ah!
Und fehlen wir: der Himmel wird vergeben,
In dem wir einst mit andern Liebesjüngern schweben!"
"Mit zärtlich-zarten Gliedern kosen wir
Als Meisterinnen sanfter Zärtlichkeit
Die Männer, wir sind ihre Freudenzier
Und ihre Wonne schon in dieser Zeit.
O Kuß vorm Liebeskuß der Ewigkeit!
Wie soll ich dich nun nennen, Kuß - Prophet?
Denn du besiegelst Tröstung auf das Leid,
Und deine Innigkeit ist wie Gebet.
Ich weiß, was bei Kanonikern geschrieben steht."
"Und was bei Klassikern geschrieben steht,
Das ist die Tugend und die reine Sitte.
So zärtlich wie ein junger Lenzhauch weht,
Ist Liebeslust im süßen Reich der Mitte.
O Göttin, sieh auf alle unsre Schritte,
Gib langes Leben und Unsterblichkeit!
O Göttin, gib Erfüllung, wenn ich bitte
Um Liebe und um Lenzes Zärtlichkeit!
Eng ist die Pforte in der Seelen Seligkeit."
Da stockte ihre Rede wie vor Scham,
Ihr schönes Antlitz wurde rot wie Mohn,
Als glühend heiß ihr zu Bewußtsein kam,
Daß ihre Rede klang wie Spott und Hohn:
Eng ist die Pforte zu der Liebe Thron?
Und gütig hob die Stimme Xiao Pao:
"Erkannt hast du mich als den Himmelssohn,
Nachfolger von dem Menschensohn Pan Kao,
Nun sage mir, was wahre Liebe ist, beim Tao!"
Und Mei Maoni hob die sanfte Stimme,
Denn heil geworden war des Herzens Wunde:
"Man hält die Liebe, süß wie eine Imme,
Für göttlich; davon gebe ich dir Kunde.
Es sagen viele, daß sie ruht am Munde
Und in den Küssen, welche kosend scherzen
Bei Kerzenschein in einer Mondenstunde,
Da schmilzt vor Hitze hin das Wachs der Kerzen;
Ich meine aber, Liebe innen ruht im Herzen."
"Es meine viele, Liebe will sich schmücken
Mit Schönheit für das giere Augenpaar
Und eine Wonne sein mit heißen Blicken
Und diesen Blicken gänzlich offenbar
In einer Evasblöße wunderbar,
Daß davon sich das Auge Freude stehle;
Ich sage aber (mein es ganz und gar),
Die Liebe ist nicht so, wenn ich nicht fehle,
Ist Liebe eine Angelegenheit der Seele."
"Ein Herz erkennt das andre als Geschwister
Und möchte seine Seele tief ergründen
Und sagt sich inniglich: Im Geist, da ist er
Verwandt mit meiner Neigung, aufzufinden
In seinem Innern gar nichts ist von Sünden
(Und wenn denn doch, so kann ich ihm vergeben)
Und darum will ich mich zusammenbinden,
Gemüt und Sinne, mit des Freundes Leben,
Daß wir wie Mandarinen-Entenpaare schweben."
"Und wenn es so gewollt ist selig innen
Und findet Widerhall bei seinem Geist,
Dann ist das Fundament gelegt dem Minnen
(Wie es in unsrer alten Sprache heißt)
Und nun sein Zahn in ihre Lippe beißt
Und ihre Arme seinen Hals umschlingen,
Vom Scheitel bis zur Ferse Atem kreist,
Und voller Liebe ineinander dringen
Die Seelen, welche seufzen süß und selig singen!"
Da nahte Lan in des Gewandes Weiß
Und ihrer langen schwarzen Haare Flut
Und sagte: "In der Liebe Paradeis
Ist süße Lust der Seele rein und gut,
Zur Liebe sagt man da nicht Liebeswut.
Ich will von einem Abenteuer sagen
Mit Ping, in seinem Leibe Liebesglut
Und ein Verlangen in den Frühlingstagen,
Was soll ich denn darum wie eine Nonne klagen?"
"Ich lag im balsamgleichen Mondenschein
Auf einer Bank in unsres Hauses Park,
Ein wenig schlummertrunken von dem Wein,
Der war an jenem Abend mir zu stark.
Vergangnes Jahr im Frühling wars. In Mark
Und Bein ein Feuer mir der Wollust glühte,
Das beinah gänzlich mich verzehrte, arg
Stands da mit mir und meinem Weibsgemüte.
Und nahebei ein Pflaumenbäumchen stand in Blüte."
"Und hinterm Pflaumenbaum ein Myrtenhain
An einem Mandarinen-Ententeich
Süß duftete im milden Mondenschein.
O da war meine Mädchenseele weich
Wie Wachs, an Träumen war die Stirn mir reich.
Und plötzlich trat aus jenem Myrtenhain
Der Jüngling Ping, ach wie vom Himmelreich
Kam er zu mir, auch trunken von dem Wein,
Und küsste meine Lippen heiß im Mondenschein."
"Er nestelte am seidigen Gewand
Mir Schlummernden und fasste meine Brust.
Da ich ihn noch im tiefsten Schlaf verstand,
Was Ziel war seiner ach so jungen Lust,
Bin ich erwacht und sah den Blütenblust
In seinem Haare schimmern, toll vom Wein
Hat er sich zu beherrschen nicht gewußt,
Intim zu werden war sein Wunsch; doch nein!
Für ihn ich übte Treue zu der Gattin sein."
"Ich floh vor diesem tollen Abenteuer
Und vor des Jungvermählten heißer Glut
Und seiner Glieder maßlos-wildem Feuer
Und seiner ungezognen Liebeswut
Und dennoch... ach ich fühlte mich nicht gut,
Ich selber kannte doch auch ein Verlangen,
Verlangen nach der Liebesküsse Flut,
Die nimmerdar auf meinen Mund gelangen,
Wenn ich so keusch bin (wovon gern Poeten sangen)."
ZWEITER TEIL
Im Jahre siebenhundertdreiundvierzig
Nach der Geburt des Herrn ritt Lady Yang
Beim Prinzen Su Chi. Und die Luft roch würzig
Vom Frühling, und die Sonne stand schon lang
Am Himmel, und der Lüfte leiser Klang
Umfloß die Wasser von dem Flusse Li.
Yang Guefe, eine wahre Schönheit sie1
Sie hörte, Frauen müssten schön sein, Tugend
Darbringen guten Männern und gefallen.
Und sie war wunderschön in ihrer Jugend.
Und grad gekommen aus den Höchsten Hallen
Der Harmonie ritt mitten zwischen allen
Der Himmelssohn Li Longji, Chinas Kaiser.
Die Frühlingsvögel wurden langsam leiser.
Er trug die kaiserliche gelbe Robe
Und ritt auf einem elfenweißen Schimmel.
Und Guefe dachte: „Meine Seele, lobe
Den Himmelssohn und lobe Vater Himmel!“
Sie dachte leise mitten im Getümmel:
„Ich will nicht reiten wie Uighurenfrauen,
Ich möchte lieber in die Bücher schauen.“
Der Himmelssohn war Schirmherr aller Künste,
Der Poesie und der Gelehrsamkeit.
Er mochte gern poetische Gespinste
Und Tanzmusik und Sport und Heiterkeit
Und Malereien aus der alten Zeit,
Am allermeisten doch die Poesie
(Und Lady Yang dort, o wie schön war sie)!
Und im Palaste der Päonienblüten
Am Kaiserhofe in der Tschang-an-Stadt
War ihr von nun bestimmt zu leben, glühten
Ihr auch Gemüt und Seele lebenssatt
Nach Guilin, ihrer Heimat: perlmuttmatt
Dort leuchteten die Berge weit und breit
Im schönen Morgenglanz der Ewigkeit.
Und Guefes größtes Abenteuer war,
Zu forschen in den Büchern alter Zeit.
Den Kanon und die Klassiker sogar
Zu kommentieren war sie stets bereit.
Und in den Oden fand sie Trost im Leid.
Besonders liebte sie (sie war so frei)
Des Kaisers Hofpoeten, den Li Bai.
Sie sprach zum Prinzen Su Chi: „Ich kann tanzen
Die Hof- und Bauerntänze und kann singen
(Man sagt mit schönem Stimmenklang) die ganzen
Dreihundert Oden, und ich weiß von Dingen,
Die süß und lieblich auf Chinesisch klingen:
Wovon geheimnisvoll der Kanon spricht.“
Und lieblich fiel auf sie des Himmels Licht.
Prinz Su Chi aber gab zur Antwort ihr:
„Und reitest du wie Frauen der Uighuren?
Und weißt du auch, was aller Frauen Zier,
Sie seien Konkubinen oder Huren?
Und kennst du auch Mohammedaner-Suren
Von Huris, die im Paradiese warten
Und Lüste spenden in dem Wollustgarten?“
Da ward sie rot, ward purpurrot vor Scham
Und ritt verärgert zu dem Himmelssohn.
Und als da Guefe diesem näherkam,
Da ward die Wange ihm so rot wie Mohn
Vor Seelenfeuer. Und mit dünnem Stimmenton
Und zitternder Betonung fragte er:
„Wer hat dich so verärgert, Guefe, wer?“
Am Hofe war der Himmelssohn bekannt
Als einer, der die schönen Künste ehrte,
Und nicht am Hofe nur, im ganzen Land
Die Kunde sich vom Musensohn vermehrte,
Dem Kaiser, der die Schönheit mehr begehrte,
Als mit den Mosleminen Krieg zu führen.
Und Reime konnten ihn zu Tränen rühren.
Er lud in seine kaiserliche Halle
Yang Guefe, denn er wollt sie kennenlernen,
Die schöner war als seine Frauen alle.
Und ihre Augen glichen Abendsternen,
Wenn diamanten sie durchglühn die Fernen,
Und glichen einem stillen Waldteich, der
Sanft spiegelte der Abendsterne Heer.
Und sie begannen nun mit Politik;
Arabien, Konstantinopel, Tibet -
Sie kannte alle. Und der sanfte Blick...
„Das ist die Frau, die meine Seele liebet,
Und sie bewegt sich so wie eine Zibet-
Schleichkatze voller Anmut graziös.
Prinz Su Chi ist für sie ja viel zu bös!“
„Die Araber sind an der Seidenstraße
Von Soghdiana, und sie wollen streiten“,
Sprach Longji, „soll ich China denn zum Fraße
Und die Uighuren, welche trefflich reiten,
Den Mosleminen geben? Ach den Zeiten,
Als noch das Reich des Tang im Frieden träumte,
Der Kaiser keine Oper je versäumte.“
Er ward bezaubert von Yang Guefes Wildheit,
Wie eine Zibetkatze war sie wild;
Und doch war ihr Gesicht von solcher Mildheit,
Wie eine Turteltaube war sie mild.
Er sah vor seinem Auge stets ihr Bild:
Ihr Antlitz war so weiß wie Elfenbein
Und ihre Haare schwarz und seidenfein.
„O Guefe, zwar bist du noch ziemlich jung,
Doch außerordentlich bemerkenswert“,
So sprach Li Longji mit Begeisterung,
„Ich hoff, daß Su Chi deine Seele ehrt
Und dich die schönsten Liebesweisen lehrt,
Denn du wirst bald dem Prinzen anvertraut
Und heißest einst des Himmelssohnes Braut.“
Er dachte an die alte Kaiserin,
An die von ihm geliebte Pang Yuen,
Die bei Geburt des Sohnes Su Chi in
Dem Kindsbett unter Schmerz gestorben. Wenn
Sie jetzt in einer andersartigen
Welt ohne Leiden, Krankheit oder Schmerz
Mit Freude ruhte an des Himmels Herz?...
Die Lady Pang Yuen war schön gewesen,
Doch nicht so lieblich, wie Yang Guefe war.
Er wollte in Yang Guefes Augen lesen
Und ihre sanfte Seele offenbar
Mit seinem Blick erfassen - doch obzwar
Yang Guefe nicht den Prinzen Su Chi liebte,
Sie mit Li Longji nicht das Blickspiel übte.
Und Lady Yang trat vor den Kaiserthron
Mit Vater, Mutter und der Schwester; kniete
Und machte den Kotau vorm Himmelssohn
Und grüßte so: „Zehntausend Jahre Friede
Und hunderttausendfaches Glück! Gebiete
Aus deiner Weisheit der Familie Yang,
O Majestät, o Himmelssohn Ming-huang!“
Der Sohn des Himmels sagte dieses Wort:
„Ich möchte kennenlernen Lady Yang,
Die Braut des Prinzen, hier in Tschang-an-Ort.
Ich möchte ihrer Mädchenstimme Klang
Am Abend an der Tafel hören, lang
Bei Liedern sitzend und beim gelben Wein
In der papiernen Lampione Schein.“
Und an der Tafel saßen Mandarine
Und wunderschöne feine Edeldamen,
Sie trugen wunderschöne smaragdgrüne
Gewänder, und die langen Seiden kamen
(In die sich hüllten weiße Edeldamen)
In Pfirsichfarben und in Azurblau.
Und ihre Rede floß wie süßer Tau.
Yang Guefe hatte neben sich die Freundin
Aus Guilin, ihre Zofe Chingchin. Neben
Prinz Su Chi saß Yang Guefes ärgste Feindin,
Die Dame Fu (mit ihrem bösen Leben),
Von grinsendem Eunuchenvolk umgeben,
Sie war die Erste Frau dem guten Kaiser
(Sie blieb es nicht mehr lang, denn er war weiser).
In Tschang-an lebten schriftgelehrte Juden
Und mit Begeisterung die Koreaner
Und hatten Türken ihre Lammfleischbuden
Und lebten sehr besinnlich die Japaner
Und ziemlich religiös die Tibetaner
Und mit sehr wildem Sinne die Tartaren
Und Araber in Chinas Hauptstadt waren.
Im Norden stand des Himmelssohns Palast
Der Ungeheueren Unendlichkeit.
Und nahe lebte als ein frommer Gast
Ein Bürger, nicht zuhause in der Zeit,
Der war zuhause in der Ewigkeit,
Der war dem Herrn und Gott ein Wegebahner:
Herr Alopen, ein Christ, ein Nestorianer.
Und in des Himmelssohns Palast trat ein
Yang Guefe mit dem edlen Buch der Lieder.
Sie trank mit Longji von dem gelben Wein
Mit Chrysanthemenblüten, bis sie wieder
Von Dichtern sprachen; und sie sprach: „Gebieter,
Frug Bo Djü-I die eigne Putzfrau immer,
Ob sie verstünde seiner Verse Schimmer.“
Sie sprachen von den schönsten Liebesversen
Und reimten selber zarte Poesie,
In welcher viel die Rede war vom Herzen
Und von der Liebe zwischen Er und Sie,
Und sangen milde Minnemelodie
Wie „Jadeblätter an dem goldnen Zweig“.
Yang Guefes Augen waren wie ein Teich.
***
Der Himmelssohn singt ein Liebeslied:
O deine Jadeglieder weich und zart
Und deine Seidenaugenbrauen
Und deines Tanzes Phönixweibchenart,
Du Schönste aller Frauen!
O deine Augen wie zwei Edelsteine
Und deine Füße Liliensprossen!
Ich liebe deinen Himbeermund, du Reine,
Und bin vor Lust zerflossen!
Du bist ein Jadeblatt an goldnem Zweig,
Bist rosaweiße Pfirsichblüte
In weißer Vase, ganz von Jade, weich
Durchströmst du mein Gemüte!
Du bist ein Einhorn, bist ein Phönixweibchen
Und deine Anmut fließt wie Seide.
O Jadefrau im Sommergaze-Leibchen,
Du meine Augenweide!
Du bist die schönste Frau im Reich der Mitte,
Die schönste Frau im Reich des Tang!
Wir lieben uns nach der Chinesen Sitte,
O liebe Lady Yang!
***
Sie sprachen über alte Philosophen,
Den Himmel, der ein Vater ist und Ort
Des Ursprungs alles Daseins (und die Zofen
Brachten den Tee) und von dem Tao, Wort,
Und von der Tradition, die fort und fort
Fortpflanzt den Geist der Sitte und der Tugend,
Und von dem schönen Land der ewgen Jugend.
Und Longji sagte: „Ah, mein Li Tai-Bo
Ist sehr ergeben seinem gelben Wein.
Wo fand ich ihn doch neulich, Guefe, wo?
In einer Schenke, wo er nicht allein,
Wo er ertränkte seines Kummers Pein
Und schuf nach seinem ersten Reiswein-Liter
Fünf, sechs unsterbliche Musikamts-Lieder.“
Yang Guefes Spargelspitzenfinger, weiß
Und zart und fein, sie legten sich aufs Blatt,
Das weiß war wie der ungekochte Reis,
Und ihre Nägel waren perlmuttmatt,
Sie schrieb mit Tinte Worte lebenssatt
In kalligraphisch schönem Pinselschwung:
„Durch deine Liebe bleib ich immer jung!“
Ihr Bruder Enger aber kam zu ihr
Und hörte von der Liebe zu Ming-huang:
„Die Liebe ist vielleicht der Dichter Zier,
Jedoch für eine Frau wie Lady Yang,
Die kaum in Würden lebte jahrelang,
Ist sie ein schwärmerischer Unsinn nur.
Kühle Vernunft zeigt dir die rechte Spur.“
Doch ging sie weiter zu dem Himmelssohn
Und trank den grünen Silberblütentee
Aus Porzellan, das rot war wie der Mohn.
Und ihre Glieder waren weiß wie Schnee
Und ihre Augen abgrundtief wie See
Und ihre Lippen wie die Himbeern rot
Und ihre Haare schwarz wie Nacht und Tod.
Sie aßen Grapefruit, darin eingeritzt
Gefärbte Vögel, aßen Pyramiden
Von frischen Litchi. Und ihr Auge blitzt
Verliebt, zugleich in tiefem Seelenfrieden.
Sie wollte ihrem Himmelssohn entbieten
Die Schönheit und die Liebe und die Jugend
Und Weisheit über Poesie und Tugend.
Und Alopen, der Mönch und fromme Christ,
Erklärte ihnen viel vom Wort und Weg
Und was des Himmels Tao wahrhaft ist:
„Es ist Person und ist ein Zufluchtsort
Und für die Seele ein gewisser Hort
Und ist der wahre Sohn des Herrn im Himmel,
Der Herrscher ist, der Vater in dem Himmel!“
Es warnte Alopen vor Dame Fu,
Daß sie nicht etwa Longjis Liebling Yang
In ihrer Bosheit etwas Böses tu.
Zusammen zuckte Himmelssohn Ming-huang
Und ward in seiner Mannesseele bang,
Denn Guefe war bereits sein Edelstein,
Li Longji liebte Guefe schon allein.
Sie sah zu ihrer Schwester Meiling hin,
Die viele für die Zwillingsschwester halten.
Sie sah die Lindigkeit in Meilings Sinn
Und sah die Schönheit über Meiling walten
Mit ihren allerzärtlichsten Gewalten,
Aus Anmut war ihr Leib im weißen Kleid,
Schimmernde schwarze Haare fielen weit.
Doch bald trat Dame Fu zu Lady Yang
Und sagte lästerlich von Li Tai-Bo:
„Er ist vom vielen Saufen schon ganz krank,
Gepackt hat ihn der Wahnsinn sowieso,
Und seine Verse sind gemein und roh.“
Doch Guefe sagte, daß sie Li Bai liebe,
Denn seine Lieder singen von der Liebe!
„O Meiling! (sagte Guefe) Su Chi will
Ich nicht zum Mann, er ist zu blöd. Ich liebe
Li Longji, seine Seele ist so still
Der Schönheit hingegeben und der Liebe!
Nicht nur sein Aussehn ist es, was ich liebe,
Es ist die unaussagbar sanfte Güte
In seinem freundlich-friedlichen Gemüte.“
Und Meiling sagte: „Er hat hundert Frauen,
Du wärest nichts als eine Konkubine
Von vielen. Und ich sag dir im Vertrauen:
Du solltest Su Chi nehmen. Mandarine,
Sagt man, sind sehr gelehrt, du aber diene
Dem Kaiserhof nicht mit Gelehrsamkeit,
Sondern mit ehelicher Zärtlichkeit.“
Li Longji dachte an die Schöne eben,
Als plötzlich Guefe leise zu ihm trat.
Sie war ja nicht nur schön, ihr ganzes Leben
Gab Guefe hin in einem hohen Grad
Der Weisheit und der Poesie, so hat
Sie nicht nur mit dem femininen Leib
Den Himmelssohn bezaubert, der sprach: „Bleib.“
Die Haut war blaß wie eine feine Vase
Von Jade und von einem transparenten Schimmer,
Die Augen Seen, geschwungen ihre Nase.
Die Fingerspitzen brannten Guefe immer,
Den Himmelssohn zu streicheln hier im Zimmer,
In welchem duftend gelbe Kerzen brannten.
Und die Gefühle Guefe übermannten.
Sie schlang die starken jungen Arme um
Li Longjis Hals und presste ihre Wange
An seine, flüsternd: „Du bist Chinas Ruhm,
Du kannst mir so wie einer bösen Schlange
Den Kopf abschlagen, doch ich bin nicht bange,
Von deiner Hand zu sterben, wäre süß
Mein Eintritt in das ewge Paradies!“
„O Guefe! (sagte er) du bist so weise,
Daß du mich gehen lassen wirst, du Liebe.“
Er sah sie an mit einem Lächeln leise.
„Und wenn ich hier in deinem Arm verbliebe,
Geschäh es, daß ich dir den Schädel hiebe
Von deinen Schultern (die von Elfenbein
Und weiß und transparent und zart und fein).“
Er sagte dann mit einem lieben Lächeln:
„Ich werde jetzt verlassen diesen Raum
Und dich verlassen und dein schönes Lächeln,
Und mir dann sagen: Ach es war ein Traum,
Ich sah nur eine Fee aus Meeresschaum,
Ich sah nur einen schönen Edelstein,
Er war so schön, doch ach! er war nicht mein.“
Sie aber sagte: „Lieber Himmelssohn,
Laß mich nur deine Konkubine sein,
Daß ich dir dienen darf mit gutem Ton,
Und säh ich dich nur einmal jährlich, nein,
Nur einmal jeden Monat ganz allein,
Dann wär ich glücklich.“ Er umschlang sie sacht,
Schier überwältigt von der Liebe Macht.
Er dachte, wenn er jetzt ihr sagen würde,
Er liebe sie, dann wär das ein Skandal,
Es hätte der Chinesen erster Hirte
Dem Sohn die Braut genommen, allzumal
Das Reich erschüttert. Und mit einemmal
Schob er sie sacht zur Seite und sprach: „Nicht.“
Versteinert war ihr Porzellangesicht.
„Ich kann nicht lügen, daß ich dich nicht liebte,
Ich liebe dich mit großer Leidenschaft.
Jedoch, wenn ich den eignen Sohn betrübte,
Mißbräuchte ich die kaiserliche Kraft,
Ich folgte dann den Wallungen in Saft
Und Seele, nicht dem nüchternen Verstand.
Das wäre ein Ruin dem ganzen Land.“
O, Lady Yang verdient die beste Liebe,
Die je das weite Reich der Mitte sah.
Wenn sie nicht immer jung und lieblich bliebe,
So wäre doch noch immer Liebe da
Und Güte und Barmherzigkeiten nah
Und Mitgefühl und Treue und Vertrauen
Und stetes Lob der Schönsten aller Frauen.
Er sagte: „Guefe, laß dich nicht verführen
Von Torheit, Leidenschaft und wilder Jugend.
Ich möchte nicht an deine Seele rühren
Und nimmer rauben einer Jungfrau Tugend.
Ich will nicht wie ein Geisterfüchslein lugend
Zu dir schaun mit Begierde und mit Lust.
(Und doch lebst du so tief in meiner Brust.)“
„Ich möcht von dir, o Longji, Kinder haben,
Daß ich die Freude ihrer Angesichter
Mit meinen Augen sehe, wenn sie Gaben
Empfangen oder hören alte Dichter
Und tragen durch die Mondnacht gelbe Lichter,
In ihren Angesichtern will ich schauen,
Daß du mich mehr liebst als die andern Frauen.“
Mit diesen Worten rannte Guefe fort
Und eilte zu dem Bruder Enger gleich.
„O Bruder, hier am zauberhaften Ort,
Es lebt ein böser Prinz in diesem Reich,
Für ihn sind meine Brüste nicht so weich,
Ich hasse ihn, wie ich nur hassen kann!
Und der soll werden mir ein Ehemann?“
Er sprach: „Bist du verrückt geworden, Schwester?
Die Geisterfüchse finden ihre Gruben,
Wildgans und Turteltaube ihre Nester,
Und ihre Betten auch die bösen Buben.
Willst du in höchsten kaiserlichen Stuben
Zorn herbeschwören auf Familie Yang?
Geh ein den Pakt (mag sein, er währt nicht lang).“
Doch Lady Yang, sie stöhnte bang und leise:
„Was lehrtest du mich doch den Kanon lesen
Und singen manche alte Liederweise
Und reden von des Tao Wandelwesen,
Konfuzianisch-taoistische Thesen
Und von dem Weg und von dem Vater oben?
Wie soll ich denn da einen Narren loben?“
Und Enger sprach: „Ich werde Zensor werden
In dieser wunderschönen Kaiserstadt,
Der höchste kaiserliche Zensor werden,
Und habe deine Lamentationen satt,
Sie machen meine Seele sterbensmatt.
Du darfst nicht nach dem Himmelssohn dich sehnen,
Dem Prinzen gib dein Herz und deine Tränen.“
Er sprach: „Und Chingchin, sie wird deine Zofe,
Mit dir in dem Palast des Halbmonds drinnen
Bedenken manche alte Oden-Strophe.
Und hier am Hofe gibt es Tänzerinnen,
Die alle irgendeinen Dichter minnen,
Die Dichter aber werden Guefe lieben,
Die sie von Lady Yang Poeme schrieben.“
***
Und der Poet Shi Tuo-Tang sang dieses Lied:
Die Poesie ist eine Himmelsgabe,
Drum will ich Vater Himmel oben,
Von dem ich meine Gnadengabe habe,
Mit meinem Loblied loben.
Schneebuddhas sang ich, doch sie schmolzen fort,
Und sang die Myriaden Geister;
Jetzt sing ich aber von dem Weg und Wort,
Der meines Lebens Meister.
Ich werde bei der schönen Stadt aus Jade,
Die licht vom schönen Morgenstern,
Mich baden in dem Ozean der Gnade
Und streich die Chin dem Herrn!
***
Mit grünen Ziegeldächern die Gebäude
Und roten Säulen, und im Westen lag
Das herrliche Päoniengebäude
Und in der Mitte (Muse Chinas, sag)
Lag herrlich wie der Morgen oder Tag
Der herrliche Palais des Kaisers weit,
Die Ungeheuere Unendlichkeit.
Dazwischen lagen Taoistentempel
Und die Pagoden stiller Tibetaner,
Die Jünger von dem göttlichen Exempel
Betraten Klöster, stille Nestorianer,
Die gute Tröster waren, weise Mahner,
Ihr Priester war der Jünger Alopen:
„Dank, daß ich Jesus, Gottes Weisheit kenn!“
Ganz andersartig war der Türke An
Lushan, der Guefe heimlich angeblickt:
„Oh, das ist eine Frau für einen Mann,
Die mit den Abendaugen sehr bestrickt,
Ich werd vor Leidenschaft noch ganz verrückt,
Oh, daß sie ihre Glieder um mich schlinge
Und ich ihr meines Leibes Opfer bringe!“
Er sagte seiner Leidenschaften Text
Sich weiter auf in seiner Wollust Sinn:
„Yang Guefe, diese Frau hat mich verhext!
Ganz sicher ist sie eine Zauberin,
Sie kennt die Sprüche, und ich bin ganz hin
Von ihrer esoterischen Erotik,
Die toller ist als Li Tai-Bo’s Poetik!“
Yang Guefe aber war in ihrer Wohnung,
Als eine rauhe Stimme ihr erscholl:
„Steh auf! Vorüber ist die Zeit der Schonung,
Laß mich dich ansehn, denn ein Mädchen soll
Mit ihren Gliedern üppig reich und voll
(Wie es das Schönheitsideal der Tang)
Mir meinen Sohn erfreuen, Lady Yang!“
Das war die Kaiserin, die Dame Fu,
Sie sah so aus wie eine Tigerin.
Vorüber war Yang Guefes süße Ruh,
Nun traten schwere Leidenszeiten in
Der schönen Jungfrau tugendhaften Sinn:
„Du siehst ja ganz beweglich aus, ganz nett,
Bist hoffentlich beweglich auch im Bett.“
In ihrem Haus, in einem Park gelegen,
Würd sie mit ihrer Zofe Chingchin leben
Und dem Eunuchen Chu Ling, der ein Segen
In spätern Stunden sein wird, da ein Beben
Zerschlagen würde ihrer Träume Weben
(Noch ahnte sie das schwere Unglück kaum)
Und bringt zugleich zur Welt den schönsten Traum.
Im Süden war das Tor der lichten Tugend
Mit seinem Marmor weiß wie Tibetschnee
Und Lady Yang in ihrer schönen Jugend,
Zum Tor des Nordens führte die Allee
Des Scharlachroten Spatzen. Manch ein See,
Kanäle, Brücken ganz von weißem Mondstein
Im Abend glänzten wie der gelbe Mondschein.
Mit einem Krächzen sagte Dame Fu:
„Heut wirst du deinen Mann und Prinzen sehen!
Heut wird er lauschen Liedern von Du Fu
Und Li Tai-Bo, wenn Abendwinde wehen,
Auch du mußt in des Prinzen Garten gehen,
Auch wenn da lesen diese ekelhaften
Poeten, sicher wirst du das verkraften.“
Und Dame Fu, sie sagte weiter so:
„Du wirst auf deinen Herrn und Prinzen warten,
Wenn aus der Frühlingsode liest Li Bo
Zum abendlichen Mond im Birnengarten.
Ach diese ewiglich betrunknen Barden,
Die widerlich durchs Leben treiben, schmutzig,
Wollüstig, eitel, arrogant, nichtsnutzig!“
Da aber gab zur Antwort Lady Yang:
„Ich liebe diesen himmlischen Poeten!
Ich weiß von Liebe, was er davon sang!
Die Liebe machte Li Bai zum Propheten,
Ja, seine Lieder lehren mich das Beten,
Denn wie ich glaube (und der Himmelssohn)
Ist Vater Himmel Liebe in Person!“
Li Longji dachte: „Dieser Edelstein
Von einer Frau, er macht mich wieder jung,
In meinen Adern flutet roter Wein,
Ich leb im Rausche der Begeisterung
Und mit der jungen Liebe Flügelschwung,
Ich blühe auf wie Mädchen bei den Tänzen,
Ich fühls in meiner Seele wieder lenzen!“
Li Longji dachte: „Mitten in dem Winter,
Da alles eingehüllt von weißem Schnee,
Blüht eine schlanke Silberweide hinter
Dem stillen kaiserlichen Blumensee,
Und das ist meine Liebe, doch ah weh!
Sie wird zerbrochen von dem Wintersturm!
An jener Rose nagt die Zeit, der Wurm!“
Li Longji dachte: „Liebe Lady Yang,
O Guefe, hör mein leidendes Adieu!
Geliebteste Prinzessin, ich werd lang
Dich lieben, eingefroren in den Schnee
Wird meine Liebe alles Seelenweh
Gezwungner Trennung treulich überdauern.
Doch du mußt fort, so geh, und laß mich trauern.“
Ein Wall aus gelbem Stein umgab den Tempel
Der Überströmenden Glückseligkeit,
Öllampen hell erleuchteten den Tempel,
Wo aus Kristall des Feuers Helligkeit
Die Halle hüllte in ein goldnes Kleid,
Da schienen Elfenbein und weiße Jade.
(Doch lichter ist des Allerhöchsten Gnade!)
Li Longji setzte sich auf seinen Thron
Im Tempel, der aus weißem Marmor war,
Weinranken rankten auf zum Himmelssohn,
Und Fisch und Vögelein kristallenklar
Verzierten jenen Thron. Und wunderbar
Klang eines Gonges goldne Melodie.
Und Leiden fühlte Chinas Kaiser Li.
Und Braut und Bräutigam, sie knieten Seite
An Seite in der runden Halle Mitte.
Und Lady Yang bedeckte sich im Leide
Mit einem Perlenschleier nach der Sitte,
Daß keiner säh, wie sehr die Schöne litte.
Und Trommeln dröhnten durch die Stille laut,
Zusammenzuckte voller Schreck die Braut.
Die Bonzen hoben an mit Litanei
Und weihten ihrem Gotte jenes Paar.
Zu heulen anhob eine Hornschalmei.
Und Su Chi hob den Schleier schön und klar,
Die schönste Braut mit einem offenbar,
Doch in dem Auge heimlich eine Träne.
Li Longji fühlte Brand in seiner Vene.
Und zarte Blicke flogen zwischen ihnen,
Zwischen dem Himmelssohne und der Braut.
„Ich würde ihm mit meinem Leben dienen“,
Hat Lady Yangs Gemüt sich anvertraut,
Der Seele, der vorm Prinzen Su Chi graut.
Und Braut und Bräutigam zum Marmorthron
In Demut traten vor den Himmelssohn.
Und Longji flüsterte ihr in das Ohr:
„Für dich hab ich es alles schön gemacht,
Die Hochzeit sei zu deinem Glück das Tor,
Und Liebe sei dein Licht in jeder Nacht.“
Sie sprach: „Du hast mich um mein Glück gebracht,
Denn ohne dich ist mir mein Leben nichtig
Und weder Poesie noch Liebe wichtig!“
Und in der Nacht kroch Su Chi auf sie zu,
Ein gelbes Licht schien durch den Bettvorhang:
„Hat es dir Spaß gemacht, mein Mädchen du?
Dir ward doch hoffentlich die Zeit nicht lang?
Ein bißchen spröde bist du meinem Drang,
Kopfkissenbücher sollst du lieber lesen
Als deine Poesie und Exegesen.“
Sie dachte sich: „Mich kannst du nicht betören,
Zwar dein ist nun mein Schicksal und mein Leben,
Doch meine Liebe und Gemüt gehören
Dem Himmelssohn! Ich wollt mit ihm verweben
All meiner Glieder weiblich-zartes Beben,
Kopfkissenbücher bräucht ich bei ihm nicht,
Denn er ist zart wie ein Li-Bai-Gedicht.“
Die schönen Brüste waren ihr ganz wund
Von seinen groben Jagd- und Reitershänden.
Sie schwieg mit ihrem Herzen, doch ihr Mund
Sprach so (es bebten ihr die wunden Lenden):
„Das Schicksal scheint mich in dein Bett zu senden,
So muß ich wohl bemüht sein, dir vor allen
Den Konkubinen zärtlich zu gefallen.“
In dem Palaste der Päonienblüten
Viel goldne Gärten lagen in dem Wind
Des Herbstes, wilde Stürme sich bemühten,
Die Rosen zu entblättern wild geschwind.
Und unterirdisch gabs ein Labyrinth,
Das führt in großer Irr- und Wirrnis ohne
Wegweisung zum Palast vom Himmelssohne.
Sie wohnte im Palast des Halben Mondes,
Von Birn- und Pflaumenbäumen rings umgeben,
Da stillte Guefe oft ihr ungeschontes
Gemüte bei der Früchte prallem Leben,
Um die sich zarte Nebelschleier weben,
Sie stand auch oft beim kleinen Springbrunn vor
Dem herrlichen einhorngezierten Tor.
Li Longji sprach zum Prinzen Su Chi so:
„Du möchtest in die Länder der Uighuren?
Da fressen sie das Fleisch ja noch ganz roh.
Und Lady Yang? soll sie mit deinen Huren
Nachtrauern deinen hinterlassnen Spuren?
Ich weiß da etwas Besseres für sie:
Du redest mit ihr über Poesie!“
Doch Su Chi gab zur Antwort seinem Vater:
„Geschätzter Vater Himmelssohn! was sie
Betrifft, bist du mir nur ein schlechter Rater.
Was soll das Reden über Poesie
Und über alter Oden Melodie?
Ach damit plagten mich die Mandarine!
Andres will ich von einer Konkubine!“
Li Longji seufzte: Sie war kultiviert,
So wie der ganze Kaiserhof des Tang,
Bis auf den Prinzen, ach, der war vertiert
Und gar nicht wert der schönen Lady Yang.
Und Li gedachte ihrer Stimme Klang,
Sie sang so süß wie eine Nachtigall
Und wie die Harmonie im Weltenall.
Und Su Chi sprach: „Ich möchte sie verstoßen,
Ich mag sie nimmer, und es sind auch viel
Zu viele Dornen mir an ihren Rosen.
Und auch beherrscht sie nicht das Lagerspiel
Und hat als ich ein andres Lebensziel.“
Li Longji seufzte: Bitter wie die Hefe
War sicher jede Nacht für seine Guefe.
Li Longji liebte Guefe immer noch,
Die zarten Wangen wie von Elfenbein,
Doch ging er unter seines Amtes Joch;
Sie könnte Kaiserin von China sein
Und über ihr wärn ich und Gott allein!
Er sehnte sich nach ihren Waldteichaugen
Und wollt von ihren Lippen Küsse saugen.
Nun trat in Guefes Leben ein das Weh!
Denn Chingchin, ihre liebe Zofe stöhnte:
„Ah weh, mein Bauch, es schmerzt, es tut so weh!“
Es war das böse Schicksal, das verhöhnte
Yang Guefe, die sich halb ohnmächtig lehnte
An einen Stuhl und weinte um die Zofe
(Und ihren Tränen widm’ ich eine Strophe):
„Ach Chingchin, liebste mir von allen Zofen,
Ach liebe Chingchin, kleine Freundin mein!
Zusammen lasen wir die Philosophen
Und die Poeten, die vom gelben Wein
Und von der Liebe sangen süß und rein;
Und nun bist du vergiftet worden? Not
Zerwürgt mein Herz, ah weh, denn du bist - tot!“
Und da trat in das Zimmer Dame Fu:
„Ich höre, deine Zofe ist gestorben?
Die Geister geben ihr die Seelenruh
Bei ihren Ahnen, wenn sie auch verdorben
Und hat um jenen fremden Gott geworben,
Den Alopen verkündigt (jener ließ
Verheißungen zurück vom Paradies).“
Li Longji saß in seiner Herrscherhalle,
Der schönen Halle Höchster Harmonie,
Und um ihn saßen die Minister alle
Und sprachen über Kriegsdiplomatie,
Da trat in jene höchste Halle sie,
Yang Guefe (welche war so schön geborn)
Und ihre Blicke funkelten vor Zorn!
Li Longji trug den Schmuck von grüner Jade,
Ein Phönix eingeschnitzt von blassem Grün.
Yang Guefe bat den Himmelssohn um Gnade,
Bat um Gehör, in ihrer Seele kühn,
Die dunklen Augen Feuerblitze sprühn:
„Die Dame Fu ist eine Mörderin,
Denn durch ihr Gift ist meine Zofe hin!“
Am Abend trat Yang Guefe in den Raum,
Wo Chinas Himmelssohn sein Lager hatte.
„O Guefe, du bist schöner als ein Traum!
Die liebe Chingchin lebt nun als ein Schatte
Auf Paradieses bunter Blumenmatte.
Des Menschen Leben ist ja nicht von Dauer.
Doch teil ich mit dir deines Herzens Trauer.“
Sie trug ein Kleid von rotem Karmesin,
Das Antlitz unter schwarzem Schal verborgen,
Aus ihren Waldteichaugen Tränen fliehn
Aus Seelenkummer und des Herzens Sorgen;
Und doch war sie noch schöner als der Morgen,
Wenn von Auroras Wimpern tropft der Tau.
Li Longji fehlten Worte für die Frau.
Und in das Zimmer Guefes trat herein
Prinz Su Chi zornig, mit sich drei Eunuchen.
Yang Guefe ward das Herz zu einem Stein,
Sie wollt nach einem Stoßgebete suchen
In ihrem Herz (und die Eunuchen fluchen),
Da schrie sie innen: „Himmel! hilf mir eilig
Und schütz mich mächtig, bin ich auch nicht heilig!“
Und die Eunuchen banden sie an einen
Querbalken (worauf blaue Schmetterlinge
Und lilane Päonien). Und mit Steinen
Sie schlugen sie, mit einer Lederschlinge
Sie peitschten sie. „Daß ich dich niederzwinge!“
Rief, die dazugetreten, Dame Fu:
„Und nun, Yang Guefe, küsse mir den Schuh!“
Und Dame Fu sprach so zu Lady Yang:
„Von heut an meinem Sohn in Demut diene,
Ich laß dir die Eunuchen, daß du lang
Mit ihnen reden kannst, du Konkubine,
Als wären sie gelehrte Mandarine.
Sonst wirst du niemand sehen. Bleib im Haus.“
Und damit ging die Dame Fu hinaus.
Und Lady Yang, sie bat die drei Eunuchen,
Ein wenig gelben Wein mit ihr zu trinken.
Sie ging, nach einem Pülverchen zu suchen,
Daß die Eunuchen gleich in Schlaf versinken.
Und so geschah es. „Ihr Münder stinken!
Ich werd vor ihnen fliehn und mich zum Thron
Rasch wenden, zu dem Kaiser Himmelssohn.“
Sie eilte durch das Tunnellabyrinth
Und kam zum kaiserlichen Hofpalast.
Sie eilte stürmisch wie Oktoberwind
Und war ganz außer Atem von der Hast.
Li Longji sah mit einmal einen Gast
Zerrissen vor ihm stehn im Raum. O nein,
Die Frau war Guefe, war sein Edelstein!
„Ich brauche Hilfe, lieber Himmelssohn!
Schau bitte an, was sie mir angetan!“
Die Wunde war so rot wie roter Mohn,
Was nur mit Schmerzen seine Augen sahn.
Li Longji stöhnte leise auf: „Ich ahn,
Was sie dir angetan, sie sollens büßen.“
Und sie sank nieder, schwach zu seinen Füßen.
O Gott, o Gott! wie sehr zerschunden fand
Er seine Liebste, seine Tränen troffen.
Er legte seine zarte Männerhand
Auf ihre Brust (das Seidenkleid war offen).
Sie weinte leis: „Li Longji, ich will hoffen,
Daß ich nun schlafen darf in deinem Bette,
Und morgen lesen wir Li Bais Sonette.“
Li Longji schied sich von der Dame Fu:
„Die Kaiserin wird Lady Guefe Yang!“
Er schickte seinen Sohn, Prinz Su Chi zu
Barbarischen Uighuren, wo er lang
Galopp der Pferde lauschen konnte, Klang
Von Türkensäbeln lauschen, wo er nie
Vernehmen würde Chinas Poesie.
Und Alopen, er traute Lady Yang
In einem süßen schwarzen Seidenkleid
Mit dem geliebten Himmelssohn Ming-huang.
Der Himmel hielt von ihnen fern das Leid,
Das Reich der Liebe stand den beiden weit
Weit offen, und sie feierten die Feier
In dem Bescheidnen Haus vom Weißen Reiher.
Duftender Alter Reis, den Bauerntanz
Des Südens tanzte freudig Lady Yang.
Im Silberbaum ein goldner Vogel ganz
Verzückt schlug seine Flügel zu dem Klang.
Und voller Freude jubelte Ming-huang
Und schlug den „süßen Ritt durchs Jadetor“
Dem goldnen Zweig mit Jadeblättern vor...