Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

Aphrodite


Von Josef Maria Mayer


...und der Granatfrucht Feuchte wird uns tränken!“

(San Juan de la Cruz)


...also ich meine, unhellenisch sind wir nicht.“

(Konstantin Kavafis)



ERSTER GESANG


Göttlicher Sommer! Lebenstrunkner Süden!

Mit vielen Dichtern schau ich auf zur Sonne,

Goldapfel in saphirenen Gebieten,

O laß dich pflücken, Frucht der Liebeswonne!


Madonna! siehe mich vom Traum erwachen

Und nach der Paradiesfrucht mich verzehren!

Zwar lag ich traumlos in des Morpheus Nachen

Und schlummerte wie tot auf dunklen Meeren,


Doch morgens sehnt sich alles nach der Leuchte

Des Himmels und der Trunkenheit der Erde!

Da taucht die Schöne aus des Dunkels Feuchte

Und spendet Lust erotischer Gebärde.


O wandle du, Madonna, o mein Stern,

O wandle mir voran ins süße Licht,

Zu grünen Gärten und zu blauen Meern,

Wo sich die Meerflut an dem Felsen bricht.


Die Heilige verehre ich, die Glieder,

Die ruhn in Lüttich in geweihter Erde!

Sankt Evi! Christi Körper bringe wieder,

Daß Fleisch das Fleisch der Auferstehung werde!


Mein Herz lebt auf in Frankreich: Oh la France!

Wie blühe ich in deinem Sonnenschein,

Wie bring ich Frucht im Garten der Provence,

Wie werd ich trunkne Frucht von rotem Wein!


Wie Troubadoure der Provence schmelzen

Will ich allein wie eine Nachtigall,

Will stöhnen wie das Meer vor festem Felsen

Und werben um den Stein mit vollem Schwall!


Das Grab geworden ist zum Lebensborn,

Aus welchem strömt die Trunkenheit von Meeren!

Die rote Rose blüht aus ihrem Dorn,

Lust spendet das verweigerte Begehren!


Weil sich das Meer am festen Felsen bricht,

Drum sprüht der Ozean herauf die Gischt,

Und weil ich darb im brennenden Verzicht,

Mich trunkene Vision von Lust erfrischt!


In jenem Sommer, da ich sterben wollte,

Ersehnte ich der Aphrodite Fülle!

Geweiht von Todessehnsucht wogte, rollte

Das Meer hinauf mit brennendem Gebrülle!


Die Ozeane aller Welten-Enden

Vermochten nicht, die Sehnsuchtsglut zu löschen!

Auch Sie, den Schlangengürtel um die Lenden,

Beruhigte nicht die Schlange in den Büschen!


Ich mußte treten an des Todes Grenze -

Und Gott allein weiß, was ich damals schaute...

Doch still! Ich sehn mich nach dem lieben Lenze

Und singe Sie, die Gott mir anvertraute.


Zuvor erflehe ich von Christi Braut,

Von meiner Jungfraumutter, ihren Segen,

Der ich in enger Zelle anvertraut

Die Sehnsucht meiner Seele allerwegen.


Ich öffnete dem Hirten meinen Geist

Im Heiligtum der Königin allein.

Die Liebe, drin der ganze Kosmos kreist,

Ließ sinken in mein Herz den Gnadenschein.


Ist Aphrodites grünes Licht denn kühl?

Ist himmlisch nicht das goldne Lockenhaar?

Ist sie Dämonin aus dem Feuerpfühl?

Die Schönheit Gottes werde offenbar!


O Gottes außerordentliche Schöne!

So über Maßen schön ist dein Geschöpf

In himmlisch-schönem Leib und Lockenmähne!

Gott! du bist schöner noch als dein Geschöpf!


Kongregation der Wahrheit, laß mich fragen,

Ob ich die Heidengöttin singen kann.

Ich will mich vor den Glaubenswächter wagen,

Daß Weisung gebe mir der Gottesmann.


Wir spotteten gemeinsam über Luther

Und unerträgliche Gesetzesstrenge.

Dann lobten wir zusammen Gottes Mutter

Und ihre Statue der Meeresenge.


Wir lobten Unsere Marie vom Meer,

Die alle Sehnsucht aller Seelen sieht.

Dann sprach er mir vom göttlichen Homer

Und daraufhin vom heiligen Ovid.


Dann ward er ernst und sagte milder Miene:

Das Ewig-Weibliche zieh dich hinan!

Der Großen Frau, dem Großen Zeichen diene,

Erweise so dich als ein Gottesmann,


Wie eine Freundin ist dem Mann sie nah,

Ja gar wie eine himmlische Geliebte!

Wenn du sie Göttin nanntest, sah

Ich innen, wie zu lächeln ihr beliebte.


Was die geboren aus dem Meeresschaum

Betrifft, der Griechen Göttin Aphrodite,

Sie ist ja von der Wahrheit nur ein Traum,

Ein Hinweis auf die Wahrheit ist die Mythe.


Du weihe deinen Esel, deinen Ochsen,

Die Leidenschaften all dem Meeresstern!

Ich sag dir, wie die Griechisch-Orthodoxen

Sich heiligen der Mutter unsres Herrn.


Zu dieser Höhe führe deinen Sang,

Daß er geheiligt Sankt Maria sei.

Kurz ist das Leben und die Kunst ist lang,

Der Glaube wahr, die Poesie ist frei!


So will ich wie begeisterte Poeten

Euch rufen, keusche Jungfraun von dem Quell!

Die Musen süßen Wortes Samen säten

Und machten Sehers Seele innen hell.


Auf Helikons Gebirge, Doppel-Spitze,

In meinem Schlummer ruh ich in dem Grün,

Ich seh der keuschen Jungfraun Felsensitze

Und ihre grünen Lorbeerkränze blühn.


Sanft, leise säuseln sie, die Gnadenvollen,

Der Wind haucht in die Saiten meiner Leier.

Die Musen lesen aus den alten Rollen

Und singen vor der Venus Hochzeitsfeier.


Calliope gibt mir den langen Odem

Und Fülle meinem Sang durch ihre Küsse,

Zu singen von des ersten Chaos Brodem,

Bis zu dem Throngebirg der Aphroditisse.


Maid Polyhymnia gibt hohen Ton

Und Heiligkeit der alten Götterhymnen,

Zu preisen Eros, Aphrodites Sohn,

Zu weihen meiner Göttin keusches Hymen.


Melpomene macht Seufzer mir melodisch

Und wandelt um in Töne mir die Tränen,

Denn meines Blutes Meer ist melancholisch,

Aus welchem taucht die Venus meiner Venen.


Thalia gibt des Himmels Heiterkeit

Und singt das Licht und süßer Sonne Lust.

Im Maien lächelt lieblich jene Maid,

Aus dem Gewande schaut die schöne Brust.


Terpsichore bewirkt der Worte Tanz

Und läßt geflügelt sein den Jambenfuß,

Sie schwenkt die Hüfte in des Schleiers Glanz,

Bewegt das Becken mir zum Hochgenuß.


Auch Clio schweigt mir nicht im Sonnenlichte,

Erinnert sie an Tag und Stunden doch,

Da ich in der lebendigen Geschichte

Geküsst der Aphrodite Wangenjoch.


Euterpe wird mir jeden Vers gestalten

Zur Perle und zum Perlenkranz sie reihen,

Aus dem Poem kein Wort soll je veralten,

Die schwachen Verse soll man mir verzeihen.


Erato, ach Erato, du vor allen,

Erato, ach Erato, du mich küsse!

Erato, ach Erato, mein Gefallen,

Erato, singe mir die Aphroditisse!


Und schließlich du, die ihren Namen trägt,

Urania, du Himmelskennerin,

Sing die, die alle Lebenskraft bewegt!

Ihr Musen, daß ich euer Diener bin!




ZWEITER GESANG


Der Gott, des Namen Griechenland nicht wusste,

Schuf uranfänglich düstres Chaos-Nichts,

Die Urmaterie, die unbewußte,

Urmutter alles strahlendschönen Lichts.


Gott gab, daß aus dem Chaosmeere werde

Ein auserwählter Stern mit breiten Brüsten,

Urmutter der Lebendigen, die Erde,

Umbrandet an gewölbten Meeresküsten.


Da kamen aus der geistigen Substanz

Des Schöpfers alle hohen Götter vor,

In dem Olympos tanzten sie den Tanz

Mit Göttinnen im gottgeschaffnen Chor.


Der Schönste aller Götter aber war

Gott Eros, der in Götterherzen schaltet.

Als Ares’ Schwert und des Kroniden Aar

Ist stärker Eros’ Pfeil, der nie veraltet!


Gott Eros ist der mächtigste Bezwinger

Des Sinnes aller Menschen, aller Götter,

Er ist der Leiden- und der Freudenbringer,

Der Weltvernichter und der Völkerretter!


Urmutter Chaos brachte Mutter Nacht

Hervor mit ihrem blauen Sternenmantel,

Den jungen Gott des Tags in seiner Pracht,

Daß er am azurblauen Äther wandel.


Am Firmamente schien Asträas Bild,

Orion jagte immer die Plejade,

Saturn war im Skorpion so traurig mild,

Aurora tauchte tauend aus dem Bade.


Die Berge wurden alle ausgeboren,

Olymp und Athos sich so stolz erheben

Und stehen droben in den Wolkentoren,

Die an der Wurzel tief erschüttert beben.


Die Nacht gebar aus ihrem Mutterschoß,

Vom hohen Himmel göttergleich befruchtet,

Den erdumarmenden Okeanos,

Das Mittelmeer und Inseln schöngebuchtet.


Es schien am Firmament Hyperion

Im gold- und purpur-schimmernden Gewebe,

Und sanft gelagert in den weichen Thron

Verträumt mit sanftem Sinn die holde Phöbe.


Geschöpf der ersten Zeit war die Titanin

Der heiligen Erinnrung, Mnemosyne,

Versunken meditierend, Trauerschwanin,

Verherrlichend die Opferung der Sühne.


Der Mutter Erde Sohn war ein Rebell,

Titane Kronos war der Gott der Zeit,

Er lästerte den Vater mit Gebell,

Den Gott des Himmels und der Ewigkeit.


Kyklopen aber ihr und böse Riesen,

Ihr seid auf Erden nur ein trüber Gast,

Nicht heimisch in den lichten Paradiesen

Und von des hohen Himmels Gott gehasst!


Ihr seid der Erde tönernes Gebild,

Und eure Herzen, die sind hart wie Stein,

Seid nimmer liebevoll und nimmer mild,

Zerstreuten Staubes wimmelnder Verein!


In Felsen eingezwängt, aus schwarzem Schlamm,

Urchaos brütet in dem Schlamm das Gären,

Ihr seid des Abschaums Samen, Frevels Stamm,

Ganz hingegeben hassendem Begehren.


Kyklopen ihr, das Auge in der Stirn,

Doch vor die Stirn genagelt noch ein Holz,

Verworren wuselt eures Schicksals Zwirn,

Ein Faden ist beständig: euer Stolz!


Ihr seid die Helden männlicher Gedanken,

Mit denen ihr die Staubeskörner zählt.

Ihr bohrt die Speere in der Erde Flanken,

Die Mutter Erde ist euch nicht beseelt.


Ihr haltet euch für strahlend und verständig

Und seid doch eingesperrt in Finsternis.

Euch Stirnen ewig wird ein Los elendig,

Ihr Himmelsstürmer schwindet in den Dis!


Weh dir, o Erde, daß du rebelliertest,

Du alte Mutter alles Lebenden,

Daß deine Schlammessöhne du vertiertest

Und brachst entzwei die bitter Bebenden.


Weh dir, o Erde, daß du Haß geboren,

Den Uranfang der Sphären zu verachten,

Weh dir, o Erde, daß du Haß erkoren,

Den reinen Raum des Lichtes zu umnachten.


Du, Erde, nutztest deine Mutterrechte

Und hast verweigert dich der Gattenpflicht.

Der Tiere Mutter, wähltest du das Schlechte,

Als Gattin hasstest du der Ehe Licht.


Die alte Gäa mit den breiten Brüsten

Gab ihrem Sohn, dem jungen Gott der Zeit,

Die Sichel in die Hand. Titanen müssten

Entmannen hohen Gottes Ewigkeit!


Der Gott des Himmels war der große Zeuger,

Die Wesen aller Welten seine Samen.

O Zeit, dich seiner Schöpferstärke weiger,

Laß du die Ewigkeit beschnitten lahmen!


Kyklopen sollen herrschen, reine Stirn,

Die reine Zeit soll herrschen mit Verstand,

Die Sichel um des Himmels Samen schwirrn,

Die Scham soll stürzen aus des Himmels Land!


O Zeichen der Beschneidung, wundes Mal,

Wer wagts, vor dir die Nase hoch zu rümpfen?

O Zeugungssakrament, o reiner Aal,

Aus deinem Blut entstammen süße Nymphen!


Der du vom Himmel tropftest, heißer Samen,

Da in den Schwanz sich beißen alle Schlangen,

Laß uns in unsrer Lendenkraft nicht lahmen,

Weil dich die Talschlucht mit Geseufz empfangen.


Ihr süßen Nymphen, blond und schwarz und braun,

Die Leiber eingehüllt in eure Haare,

Ihr seid des Samens Töchter, nackte Fraun,

Daß der Poet euch durch die Locken fahre!


Doch seid ihr felsenhart wie Mauerwehre

Und eure Brüste gleichen einer Zinne.

Vielmehr der Same sank in Wogenmeere

Und mischte in die Meerflut seine Minne.


O goldner Samen du des Himmelreiches,

Die heißen Segensströme Gott entstammen,

Die Meerflut tut sich auf, ein dunkles weiches

Urtiefes Grab für eure Götterflammen!


O Feuerflammen goldgegossner Samen,

Ihr sanket in die kühle keusche Flut!

Und Glut und Wasser in Vereinung kamen,

Und Mutter Meer nahm auf des Gottes Glut!


Da tauchtest du herauf, o Aphrodite,

Du goldne Trunkenheit im weißen Sommer!

In Grün die Meerflut unterm Himmel glühte!

Der trunkne Tag der Liebe, zu mir komm er!


Die Wogen stürzten wie ein Wasserfall

Und deine Locken wie ein Katarakt,

Du wandeltest auf weißer Wogen Schwall,

Wie Eva von Arkadien so nackt!


Ich schaue dich in meinem Morgentraum,

Dein Mund wie Frucht, ein Adler deine Nase,

Du schlummerst in der Muschel überm Schaum,

Der Schaum gleicht einer traumgebornen Blase.


Von Aphros stammtest du. Der Schaumgebornen

Schön schlanker Fuß tritt an den weißen Strand,

Die Rosen blühen duftend in den Dornen,

Zypressen schatten in dem Sonnenland.


Der Sperling singt voll Inbrunst Lobgesang,

Die Tauben heben ihre Brüste, rucken.

Die Göttin in den Garten Zyperns drang,

Zum schneebedeckten Götterberg zu gucken.


Wie glühen deine schöngewölbten Wangen!

Wie sanft vor deinem Blicke werden Zicken!

Wie recken sich die aufgerollten Schlangen!

Komm, Schamerfreute! ................................




DRITTER GESANG


Gleich wie ein brauner Hirsch in seiner Brunft,

So röhr ich, schmachte nach dem Wasserquall!

Der Geiz des Lebens zeugt den Reiz der Kunst,

Aus dem Geseufz entfließt der Redeschwall!


Im Winter dieses Jahres all mein Dürsten

Geht mir nach Griechenland in Sommersglut!

Ich denke an das Liebeslied des Fürsten

Der Liebe, das er sang dem Höchsten Gut!


Das Volk sang in dem Kulte der Astarte,

Die Frauen wandelten in Tammus-Gärten,

Der Weise sang die Lieder, da er harrte

Der Schönsten: Hüften schlank wie Weidengerten.


Dich will ich singend feiern, dich, o Stunde,

Die unsern Frühling von dem Sommer trennt!

O Preis der rosenroten Herzenswunde,

Weil so nur der Poet die Liebe kennt!


Ich schmachte wie im Hades Tantalus,

Die purpurne Granate vor den Augen,

Entzieht sich mir der göttliche Genuß,

Aus dem ich Lebenswonnen wollte saugen!


Ich brenne in den sieben Läuterungen,

Ich brenne in dem Siebenten der Kreise,

Vom Feuer rede ich mit Feuerzungen,

Begehr des Lebens goldne Frucht zur Speise!


Vor meinen Augen seh ich einen Greis,

Der Unsre Liebe Frau in Gold gemalt,

In einem strahlendlichten Glorienkreis,

Der ihr um ihres Hauptes Schleier strahlt.


Ich seh ihn stehn vorm lieblichsten Modell,

Die lagert auf dem Sofa hingebettet,

Sie kühlt das Feuer in des Schoßes Quell,

Daß Lösung sie aus Venusfeuer rettet!


Ich sehe einen jungen Pinsel malen

In Glut das mandelförmige Oval,

Die Lüfte ihr den Purpurmantel stahlen,

Da stand sie bloß (von schlanker Schwindsucht fahl).


Ich seh den Maler nach der Reue malen

In Glut das mandelförmige Oval,

Im rosa Schleier goldne Glorienstrahlen,

Im Schoß des Granatapfels rotes Mal.


Ich hör die Muse von Italien singen

Von einer Insel süßer Sinnlichkeit,

Ich seh die Tajo-Muse Nymphen bringen

Zur grünen Insel der Glückseligkeit.


Dann hör ich Protestanten sich bemühen

Vom goldnen Zepter in kristallner Sphäre

Zu singen; aber ohne Minneglühen

Sind kalt und steinern die kristallnen Meere.


Drum sing ich Vulkan nun, den Venusgatten,

Zuerst Verachtung bitter auszugießen.

Rauhbeinig er, mit Bartes blauem Schatten,

Von Staub verstaubt, unfähig zu genießen.


Langweilig Küßchen hier und Küßchen da,

Wie Eheleute geben, auf die Wange.

Ein blinder Schmied, der die Begier nicht sah,

In Venus’ Leib die Kundalini-Schlange!


Zurück in deine Schmiedewerkstatt, Hinker,

Dein Qualm verträgt sich nicht mit Venus’ Duft!

In Asche hock dich hin, du grauer Stinker,

Verpeste deine Kammer, deine Gruft!


Doch Venus wahrlich war wie ein Vulkan,

Sie war wie eine heiße Wasserquelle,

Die goldnen Äpfel, ihres Busens Schwan,

War wie Gestein, wie heiße Flammenbälle!


Sie war so glutenreich wie Edens Chawa,

Wenn sie ergossen sich in ihrer Glut,

Aus ihrem Schoße strömte goldne Lava,

Die dampfend stürzte in die Wasserflut!


Mit Dampfen stürzte sie hinein und Zischen,

Rauchsäulen stiegen in den Himmel auf,

Sie badete, im Bad sich zu erfrischen,

Daß sie die Sinnlichkeit der Seele tauf!


In einer Schauung sah ich Aphrodite,

Wie sie sich hinließ in ein Felsenbecken,

Da ihre aufgewühlte Seele glühte,

Als ob die Pfeile Eros’ in ihr stecken.


Ihr Heiligen, ihr warft euch in den Schnee,

Daß Reinheit eure Leidenschaften kühl,

Doch Venus warf sich in den grünen See,

Die Glut zu löschen in dem Wasserpfühl.


Ein leichter Schaum umspülte ihre Glieder,

Die beiden Brüste und die feuchten Lenden,

Sie tauchte ihre langen Locken nieder

Und spielte in dem Schoß mit ihren Händen.


Sie dachte an des schönsten Gottes Minne,

Dieweil sie flatternde Eroten necken.

Da schwamm im Wasser eine tote Spinne,

Die göttliche Cythere zu erschrecken!


Da sprang mit einem spitzen schrillen Schrei

Die schöne Göttin aus dem Wasserbad!

Sie wandelte erfrischt und froh und frei

Und um sie sproß die bunte Blumensaat.


Zurecht die alten Weisheitslehrer sagen,

Daß tote Fliegen gutes Öl verderben:

Laßt, Spinnen, ihr die schönste Göttin klagen,

Soll eure ekelhafte Gattung sterben!


Sie hüllte sich in ihre weiße Seide,

Den goldnen Gürtel um die Brust gezogen,

Sie band die Süße ihrem Sommerleide

Und bändigte die beiden Busenwogen.


Cythere, wie enttäuscht bin ich von dir,

Geh nicht mit einer Schnürbrust mir einher,

Laß prunken deine Pracht und zeig die Zier!

Wer bindet in den Schlauch das Mittelmeer?


Sie band sich die kastanienbraunen Locken

Und flocht sich einen ringsumwundnen Zopf,

Doch Eine Strähne lässig fällt; mir stocken

Die Atemstöße, heiß wirds mir im Kopf!


Sie lagerte sich so ins grüne Gras,

Die Iris blühte mit verschämter Scham,

Sah ich, wie Venus auf der Wiese saß,

Sah ich, wie hochgerüstet Ares kam.


Mars, lege deine Waffen in das Gras,

Tu von den Mannesgliedern deine Rüstung,

Der Frieden goldner Zeiten vor dir saß

Und Eros schaute von der Brüste Brüstung.


Und Ares legte ab den harten Stahl

Bis auf das weiße Tuch um seine Lenden.

O Muse von Florenz, den Helden mal,

Dein Maler führt den Pinsel in den Händen.


Der Keuschheit Schleier über jene Szene,

Da Kriegsgewalt der Liebe sich ergab!

Ich neid es ihm! Mir pocht die heiße Vene!

Vergeh mein Zwist auch mir im Liebesgrab!


Und da die Göttlichen sich hold begattet

Und Venus trocknete die Scham mit Gras,

Lag Ares hingelagert ganz ermattet,

Ein Völkchen von Eroten um ihn saß.


Du, Eros’ Schar, mit Ares’ Waffen spieltest,

O tragt für alle Zeiten sie hinweg!

Die ihr die Lanze an dem Schafte hieltet,

Die Freude süßer Liebe sei ihr Zweck.


Doch zu der Göttlichen gemeinen Scham,

Gelagert in dem Duft des grünen Betts,

Gott Phöbus von dem hohen Äther kam,

Schlang um die Liebenden ein goldnes Netz.


O immer so gefangen sein bei ihr,

Die selbst mich schon in ihrem Netz gefangen,

Zu turteln in dem Neste zarter Zier,

Erkenntnis zu erkennen wie die Schlangen!


Die Ehebrecher lagen lustvergottet

Gefangen in dem Netze des Apoll.

Vulkan kam und die Schar der Götter spottet,

Olympisches Gelächter laut erscholl.




VIERTER GESANG


O meine Seele, schüttel ab das Bangen

Vor eines harten Gottes Strafgericht,

Sei taubensanft und weise wie die Schlangen

Und tauche in der Weisheit mildes Licht!


Anbeten möchtest du in Geist und Wahrheit,

Wahrhaftig sei und singe deinen Traum,

Nur Traum erst, aber einst die lichte Klarheit,

Wenn Seele auftaucht aus dem Schattenraum.


Das ganze Träumen, meiner Seele Wähnen,

Die ganzen Tränen in der Schattenschlucht,

Ist meiner Seele unstillbares Sehnen

Nach Lebensbaum und Paradiesesfrucht!


Der ganze Kosmos diene mir zur Kirche

Und auch am Sims das nackte Weib aus Speckstein,

Ich streb hinauf zu ihrer Lippenkirsche

Und höher, zu des Kosmos Kranz und Eckstein!


Wer sah Visionen von dem blütenreichen

Und blumenreichen Leben voller Fülle?

Es soll mir nicht Kristall und Marmor gleichen,

Mir Wein und Honigseim die Seele stille.


Ich will den süßen Duft der Myrrhe riechen,

Die duftet an der lieben Weisheit Brust.

Gewähre Gott mir den Gesang der Griechen,

Denn Ewigkeit will alle tiefe Lust!


Ermuntert so und frische Kraft im Busen,

Gedenke ich des Traums von einem Kusse:

Aus langer Reihe wandeln hin die Musen,

Mir löste die Geliebte sich, die Muse.


Ja, wandelt alle weiter, liebe Frauen

Und Freunde ihr mit euren Saitenspielen.

Laßt mich erneut das Bild des Traumes schauen

Und wieder diese tiefe Wonne fühlen.


Die Türme standen kristallin gezackt

Und Pfade sich in tiefen Süden schwungen,

Im schwarzen Kleid die Frau, die Arme nackt,

Die Arme um den Körper mir geschlungen.


Still ruhte sanft die Muse am Poeten

Und pochend wurden Herz und Herz vereinigt.

Ich wand mich in die Haare, welche wehten,

Von seligen Gefühlen lustgepeinigt!


Da reichte sie mir ihren roten Mund

Wie purpurne Granatenapfelfrucht,

Verschlangen sich die Zungen liebeswund,

Die Sinne flohen mir in süßer Flucht.


Da sagte mir die Frau des Paradieses,

Gesandt vom Göttervater Jovis Xenius:

Sing du die Seligkeiten des Anchises

Und granatroten Mund der weißen Venus!


Anchises hütete die Rinderherden

Des Vaters, des dardanschen Stammeshirten.

Die rosigen Gewölke morgens werden

Von Vögeln trunken, welche singend schwirrten.


Wie schön der Wald von Ida dunkel ruhte,

Als leichten Wandelschrittes nahte Eos

Im goldenleuchtenden Gewölk. Es muhte

Die Kuh, die brünstig fühlte nahen Eros.


Zeus sah man sich auf einer Wolke dehnen

Und strecken voller Inbrunst überm Lande.

Er wirkte in Anchises’ Seele Sehnen

Nach Aphrodite, voller Brunst er brannte.


Anchises brannte in der Wollust Feuer

Und loderte in der Begierde Brand:

Gewaltge Göttin, groß und ungeheuer,

Ich lieb dich über jeglichen Verstand!


Zeus sah man sich auf einer Wolke dehnen

Und strecken voller Inbrunst überm Lande:

Er wirkte in Cytheres Seele Sehnen

Nach jenem Manne, voller Brunst sie brannte.


O Sterblicher, o daß ich sterblich wäre,

So wollte ich in deinen Armen sterben!

Ich bin die Flamme aus dem Mittelmeere

Und du mein irdisches Verderben!


Die lachenliebende Cythere kam,

Begeisternd für die Liebe alle Welt,

Auf ihren schöngewölbten Wangen Scham.

Sie löste ihren goldnen Zauber-Belt.


Er seufzte: O sweet queen of sweetest smile!

Und biß ihr ihre Lächellippen wund.

In sie ergab er all sein Seelenheil

Und gab die Kraft dem rosa Muschelmund.


Ja, in dem dunkelblühenden Gesträuch

Hing eine Muschel rot mit rosa Perle,

Ein Perlentor ins Liebeshimmelreich!

Er weihte seines Seufzers Samenperle.


Und ihres Leibes Frucht so segensreich,

Der goldne Apfel an dem Myrrhestrauch,

Äneas war, homerschen Helden gleich,

Vom göttlichen Homer besungen auch.


Und Aphrodite, die das Lächeln liebte,

Cythere, die da liebte freies Lachen,

Sie sprach, daß sich Anchises nicht betrübte,

Er solle ihn zum Nymphensohne machen.


Zeus würde zürnen, der Allmächtige,

Wärst du der Liebesgöttin beigelegen

Und hättest defloriert die Prächtige

Mit deines sterblichen Geschlechtes Regen.


Und Aphrodite spülte ihre Wangen

Mit frischem Wasser, daß vom Ida kam,

Im weißen Schnee da rote Rosen prangen

Und auf dem Angesichte duftet Scham.


Verschämt wie eine Nymphe keusch und spröde,

Die ihrer Sinnlichkeit sich ziemlich schämt,

Stieg zum Olympus sie, verließ die Öde,

Der sie aus großer Liebe sich bequemt.


Anchises seine göttergleiche Lust,

Vor der Erinnerung ihn immer schaudert,

Verschlossen hielt er sie in seiner Brust,

Bis er beim Wein sie einmal ausgeplaudert.


Von allem Leiden, allem bitterbösen

Geseufz und allem hoffnungslosem Streben,

Kann uns das Blut Dionysos’ erlösen

Im Sakramente der geweihten Reben!


Von allen düstergrübelnden Gedanken

Erlöst uns Wein mit zyprischen Gewürzen,

Bis wir zuviel getrunken, schwankend wanken

Und töricht torkeln, wie Verstörte stürzen.


Als Speikind und als Breikind im Gelall

Vertraute er Geheimstes einem Narren,

Das war Anchises’ bittrer Sündenfall,

Frau Torheit legte ihn auf ihren Karren.


Ich selber, ich Anchises, wahrlich ich,

Ich hab der großen Göttin beigelegen,

Als sie war fast ein wenig liederlich,

Damit sich meine Manneskräfte regen.


Zeus hörte es in seiner Wettersphäre,

Zeus aber hasste alle Blasphemie,

Verteidiger war er der Göttin Ehre,

Die er gegeben an die süße Sie.


Daß kein verworfner Sterblicher verläster

Die Mutter aller wahren Liebeswonne,

Olympscher Götter gnadenreiche Schwester,

Die strahlender als selbst die goldne Sonne!


Ich werde ihn von meinem Donnersitz

Erschlagen mit dem harten Donnerhammer,

Verbrennen ihn mit meinem blauen Blitz,

Verbannen in des Acheron Gejammer!


Die schöne Mutter aller Minneschmerzen,

Die schönste Mutter aller Liebespein,

Sie trat mit ihrem rosenroten Herzen

Vor Vater Jovis für Anchises ein.


Die Sterblichen sind allesamt nur Toren,

Verschone eines trunknen Prahlers Leben,

Hab ich ihn doch zur Liebe auserkoren

Und mich als Braut dem Menschen hingegeben.




FÜNFTER GESANG


Weh mir, ich muß mein eigner Mundschenk sein,

In einzigem Verein allein ein Zecher,

Jedoch mir mundet auch der süße Wein

Mit roten Perlen aus dem Römer-Becher.


Wo seid ihr hin, ihr guten Ganymede,

Hat alle Jovis’ Adler euch entführt?

Wo ist ein Echo mir auf meine Rede,

Ein Weiser wo, der meinen Geist erspürt?


Ihr Narren und ihr Fundamentalisten,

Ihr machtet meinen Süßwein immer sauer,

Weil eure Lästerungen lässig pissten

In meinen Becher tiefgeschmeckter Trauer!


So sitze ich allein im Licht der Phöbe

Und stoße an mit meinem Bruder Schatten

Und sehn mich nach der jugendlichen Hebe

Und möchte mich mit ewger Jugend gatten.


Die Seligen bewirtet Hebe droben,

In ihrem Becher schwimmt the little Imp:

Cupido! Seine Macht muß jeder loben,

Auch Kypris Aphrodite vom Olymp!


Alkäos singt in einer schönen Ode,

Die uns nur überliefert als Fragment,

Daß es bei den Olympiern auch Mode,

Daß man Merkurius als Mundschenk kennt.


Wir heiligen Poeten unsres Christos

Ergeben uns der Weisheit wahren Kraft

Und wissen auch den Hermes Trismegistos

Zu preisen und geheime Wissenschaft.


Ja, Hermes kam mit seinem Redestab

Und lehrte uns geheime Weisheit schon,

Daß es ein heiliges Arkadien gab,

Aus dem vertrieben uns der Skorpion.


Platonisches Zeitalter des Skorpions,

Den Stachel schlug er in der Nymphe Flanke,

Doch wird er durch die Macht des Göttersohns

Gewiesen in vorherbestimmte Schranke.


Und unterm Tierkreisbild der Dioskuren

Die heilige Sophia suchten Weise;

(Einfluß des Sterns auf niedere Naturen,

Des Geistes Freiheit in der Götter Kreise.)


Auch Hermes redet dunkel als Orakel,

Wir alle müssen durch Anubis’ Schlund,

Doch führt uns Isis ohne allen Makel

Wie goldne Sonnen aufwärts ganz und rund.


Auch unterweist Merkurius die Mysten

Von Samothrake mitten in dem Meere,

Wo Mystagogen ihre Sünden büßten

Und feierten die Rebe und die Ähre.


Und Hermes kam zur schönen Aphrodite,

Die an dem Meer auf einem Felsen saß.

In seiner Hand der Granatapfel glühte,

Cythere saugte ihn und schmatzend aß.


So jungverliebt die beiden Götter tuscheln,

Verschämte Aphrodite glühte keusch.

Da reichte Hermes aus den Meeresmuscheln

Das meeressalz-gesalzne Muschelfleisch.


Weinblätter reichte er ihr aufgerollt,

Mit lauter Köstlichkeiten angefüllt.

Sie schob die Rolle in den Mund so hold,

Was fast schon Hermes das Verlangen stillt.


Dann mischte Nashornpulver Afrikas

Er in den Römer-Becher roten Weins.

Die Wangen glühten ihr, wie sie so saß,

Und er bei ihr, als wären beide eins.


Dann legte Hermes auf den Felsentisch,

Vom weißen Salz des Mittelmeers gesalzen,

Zur Liebesspeise einen frischen Fisch,

Genoß der Aphrodite Zungenschnalzen.


Er reichte ein Aphrodisiakum

Ums andere der frohen Aphrodite,

Als wärs Ambrosia aus Elysium;

Die weiße Venus schamhaft purpurn glühte.


Merkurius, sein Element die Luft,

Gebot dem süßen Südwind, sanft zu säuseln,

Er trug der blauen Blumen Blütenduft

In Aphrodites braunes Lockenkräuseln.


Er trug herbei den Duft der roten Rosen,

Von goldnem Sonnenlichte angereichert,

In der Betörung herzen sie und kosen,

Als ob ein Sterblicher der Göttin räuchert.


In Rosmarin und in Lavendel legte

Der Dialektiker der Venus Leib,

Wie buhlerische Luft er sich bewegte

Ein wenig lüstern um das keusche Weib.


Auch eine Stute hat vom Wind empfangen,

Empfangen hat vom Winde eine Kuh.

Merkurius blies in die Lockenschlangen

Und raubte Aphrodite ihre Ruh.


Sie bäumte sich wie wilde Meereswogen

Und wallte fließend auf wie Meeresfluten,

Sie hat das triumphale Tor gebogen,

Durch das gewandelt Hermes ist in Gluten.


Da gab er sich mit allen Widersprüchen

Und ganz mit seinen doppelten Naturen.

Sie war wie Marmor aus Carraras Brüchen

Und schön wie Helena der Dioskuren.


Und Sie, in der das All gebunden war,

Weil alles in der Liebe hat sein Wesen,

Entband, und ihre Frucht war wunderbar,

Wie wir bei unsern alten Dichtern lesen.


Hermaphroditus hieß das Zwitterwesen,

Nach Vater und nach Mutter so benannt,

Als Mädchen glich er einem jungen Besen,

Als Jüngling hatte sie fast auch Verstand.


Von seiner Mutter hatte er die Schöne,

Von ihrem Vater sie die Heiterkeit,

Als Jüngling fügte er die tollsten Töne,

Ohrmuschel tat sie auf als milde Maid.


Jungfräulich-lind war seiner Seele Leisheit,

Als ginge er auf samtnen Katzentatzen.

Als Mädchen war sie Tochter schöner Weisheit,

Wie weise nicht die grüblerischen Glatzen.


Hermaphroditus’ Seele war wie Wasser,

Hermaphroditus’ Schicksal war wie Wind.

Ihr Geist ein Wüstensturm, ihr Schoß ein nasser,

Sein Herz wie vieler Rosen Angebind.


Die klaren Augen! langen Wimpernlaschen!

Die weichen Lippen! langen Lockenschlangen!

Der Haare Fischernetze großer Maschen

Verschleierten die flaumbedeckten Wangen!


Nicht Mädchen und nicht Jüngling: ein Poet!

Hermaphroditisch ist des Dichters Art!

Dem Traum ergeben aller Schönheit, weht

Ihm bräutlich Geisteswind durch seinen Bart!


Ihr wahren Dichter, laßt euch nicht verlästern!

Wie weiblich doch ergebt ihr euch dem Traum,

Ihr Sanften, Schwesterlicher als die Schwestern,

Steigt eure Schönheit aus der Träume Schaum!


Kernmenschen seiet, ihr Poeten: männlich

Im Geiste ihr gestaltet die Gestalt,

An Formungskraft dem Vatergotte ähnlich,

Ihr findet an dem Stab der Rede Halt.


Die Mutter Erde bietet sich euch an

Und auf zum Himmel ruft der Sonnenschein.

Im milden Mondenherzen wohnt ein Mann

Allein mit seinem Schatten und dem Wein.


Wahrhaftig, der Poet ist wie der Mond,

Die Sonne spiegelt sich in seinem Spiegel,

Der er die Erde mit dem Schein belohnt

Und seines milden Taues Balsamsiegel.


Die Muse, deine Liebste, ist die Sonne,

Die bräutlich vortritt aus dem Himmelszelt,

Sie ist des Himmels ganze goldne Wonne,

Und liebst du sie, ist sie das Licht der Welt!




SECHSTER GESANG


Ich seh euch, rebentrunkne Weingelände,

Die krummen grünen Pinien machtvoll kronig,

Eichhörnchen schlingen sich um Stammeswände,

Aus Pinienzapfen tropft der braune Honig.


Ich sehe das Gewog von Weizenmeeren,

Die Flut bis an den Saum des Himmels rollt,

Mit goldnen Haaren lange schlanke Ähren

Errichten sich in ihres Leibes Gold.


Mit vollen Eutern braune Rinder muhen,

Die warme Milch tropft aus den prallen Eutern.

Die rosa Schweine in den Koben ruhen,

An denen Juden und Muslime scheitern.


Die Heiden aber ziehn in Prozessionen

Durch bergumrandete erblühte Tale,

Wo nackte Nymphen in den Flüssen wohnen,

Gekleidet nur mit einem Sonnenstrahle.


Aus Milch die Glieder, honiggold der Leib,

Man möchte sie wie warme Brote teilen,

Wer wühlte sich nicht gern ins weiche Weib,

Verletzte Androgynität zu heilen?


Wir wollen an dem Busen der Natur

Und in dem Schoße der Natur gebettet

Den heißen Lebensatem saugen nur,

Der uns aus unserm Seelentode rettet!


In Trunkenheit des Lebens Fülle feiern,

Als gäbs kein Seufzen aller Kreatur,

Und schauen in des Sonnenscheines Schleiern

Ins Ewige geheiligte Natur!


Als ob ein Gott sie uns zur Wonne böte,

Mit Früchten von Arkadien bereichert,

Kein Ächzen mehr, kein Krächzen, keine Öde,

Die Weizenfülle immerdar gespeichert!


Da wollen liegen wir bei süßen Büschen

Wie geistgeborne Genien geflügelt

Und unsern Atem mit den Düften mischen,

Wo rotbeblüht sich sanfte Welle hügelt.


An jedem Baum die Frucht der Freude baumelt,

Wie saugen ihre Säfte wonnetrunken,

Die Schar belebter Sterne droben taumelt

Und in uns glühn wie Sterne Seelenfunken.


Als ob ich schon den Mund der Wonne küsste,

In lauter Seligkeit zu übernachten,

Zu saugen brünstig Seligkeit der Brüste

Und sterben Liebestod in lauter Schmachten!


O laß mich dein Geheimes tief erkennen,

Versiegelter verschlossner Wonnegarten!

Laß mich für deinen Granatapfel brennen,

Um höhere Beglückung zu erwarten!


Da kam Dionysos, der Herr der Landschaft,

Der allem Grün erst seinen Goldglanz gab,

Allein kam Bacchus, ohne seine Mannschaft

Und ohne die Mänaden, mit dem Stab.


O Thyrsosstab, mit deinem Pinienzapfen,

Von Efeu wild umschlungen ist dein Schaft!

Lyäus, wandeln wir in deinen Stapfen,

Geh allen du voran in deiner Kraft!


Des Mannes Stärke bist du in Gestalt,

Den Pinienschaft umfassen deine Hände,

Du bist die Macht der trunkenen Gewalt,

Geboren aus des Allerhöchsten Lende!


Ein mädchenhafter Jüngling auch zugleich,

Die schönen Locken langhin niederwallen,

Die hellen Augen sanft, die Lippen weich,

Du fandest bei Bacchantinnen Gefallen.


Rühr du uns an mit deinem Zauberstab,

Daß unser Holz zu sprießen uns beginnt!

Wenn deine Trunkenheit uns Leben gab,

Ambrosia uns um volle Lippen rinnt!


In deinen Adern strömt der Purpurwein,

Verzehren wollen wir dein Götterfleisch!

Ein Tropfen Blut in deinen Adern sein

Und Fleisch von deinem Fleisch, ist was ich heisch!


Nun sehet sie, wie sie im Garten stand,

Sie stand nicht, sondern tanzte einen Tanz,

Die Hasen hoppelten im grünen Land,

Die Schillerschlange biß sich in den Schwanz.


Sie fuhr sich durch die rötlichbraunen Locken,

Verwirrte mit der Hand das Lockenhaar,

Die Locken fielen zu den Blumenglocken,

Weil sie die Herrin aller Blumen war.


Sie wand den weißen Leib wie eine Schlange,

Wenn sie ein Magier Persiens schön beschwört.

Die Purpurscham, die schöne Glut der Wange,

Den trunkenen Dionysos betört.


Da fürchtete Dionysos sich sehr,

Sah er doch Eros seine Pfeile spitzen

Und tauchen in die Wangenglut. Und wer

Je widerstünde dieser Brüste Spitzen?


Als wenn der keusche reine Morgentau

Verschleiert keuscheste Magnolienblüte,

So floß ein Schleier um die schöne Frau,

Der offenbarte mehr noch Aphrodite.


Doch Eros schob den Schleier von der Schulter,

Da zeigte sich der Venus Elfenbein.

Der Evier, der Evier, in Huld er

Ging zu der schönen Aphrodite ein!


Nun hilf du mir, o heilige Erato,

Von Weisheit unterrichtet, Preis zu singen

Dem goldnen Schlüssel zum Verließ des Plato,

Bereit, ins goldne Schlüsselloch zu dringen.


Die Juden in dem Alten Testamente,

Sie sprachen von dem Zeichen der Beschneidung,

In Davids Leben brachte es die Wende

Zu Sünde und zu Hochzeitsvorbereitung.


Sankt Paulus sprach vom schwächsten aller Glieder

Am Leibe Christi, daß man es bedecke.

Doch jedes Glied des Leibes singe Lieder

Zum Preis, daß Gott das Fleisch uns auferwecke!


Die Gnostiker und auch die Manichäer

Verachteten des Menschen Leibesglieder

Und auch die alten Heiligen und Seher

Sahn auf das Instrument der Ehe nieder.


Noch heute lehren in Gewölben Priester,

Das Glied sei nur zum Zweck der Kinderzeugung,

Was aber alles in der Mauern Düster

Geschieht, das unterwirft man der Verschweigung.


Ein Dichter meiner Kirche aber schrieb:

Daß Phallus sind und Vulva Sakramente!

In aller Liebe hat uns Liebe lieb,

Daß Braut und Bräutigam sich Freude spende!


In dieser Zeit der Saturnalien

Von Rom und in dem Kölner Karneval,

Versorgt mit Ceres’ Cerealien

Und Bacchus’ Blut im Marmortempelsaal,


Will ich den Menschen preisen, seinen Leib

Und jedes Leibesglied in seinem Bau

Und was am Manne gerne hat das Weib

Und was am Manne gerne hat die Frau.


In einem Weibe finde du dein Ende,

Erneut in ihrem Schoße zu erwachen,

Ja kühn bekenn ich, laß dich in die Hände

Und laß des Weibes weiche Lippen lachen!


Drum stell ich dich in einem Garten auf,

Dionysos’ und Venus’ Sohn, Priap,

Wo ich dich mit dem Blumennektar tauf

Und nenne dich geweihten Wunderstab.


Dir tönen Symphonien die Nachtigallen,

Erotica die Turteltaube girre.

Erheb dein Haupt, siehst du die Brüste wallen

Der Reizenden, an der ich werde irre!


Du trete ein durch ihre Rosenpforte,

Für mich zu werben um ein Rendezvous!

Sie ist doch eine Frucht von süßer Sorte

Und ich ein Flatterer, Priap, wie du!




SIEBENTER GESANG


O Myrrha, Myrrha, selig sei gepriesen,

Duftreiche Salbe du, so reich am Öle,

Die du dem syrischen Gefild gewiesen

Den salbungsvollen Weg zur Gottesseele!


O Myrrha, Myrrha, selig sei gerühmt,

Nicht graue Theorie, ein grüner Strauch,

Ein düftereiches Lächeln dich umblümt

Und deine Glieder werden Opferrauch.


O Myrrha, Myrrha, benedeites Leben,

Ein düftereicher Busch dein Mutterschoß,

Aus deiner Fasern lebenden Geweben

Wand unser junger Gott Adon sich los!


Die kleinen weißen Glöckchen blumig läuten,

Der Jüngling Krokus übt das Priesteramt,

Adonis soll den ganzen Lenz bedeuten,

Gehüllt in roter Rosen roten Samt.


Die Augen glühen ihm wie Feuerflammen,

Sein Angesicht erleuchtet wie die Sonne,

Die Locken ihm wie goldne Wellen schwammen

Um seinen Leib, der frommen Frauen Wonne!


Die frommen Frauen pflegen ihre Gärten

Und weihen rosa Tulpen ihrem Heros,

Die Mädchenhüften, schlank wie Weidengerten,

Sie rufen auf den Plan den blinden Eros.


Der Frauen Liebling nennt die Bibel dich,

Dumuzzi oder Tammuz dich die Heiden.

Jedoch ein klassischer Poet bin ich,

Drum will ich mich am Gotte Zyperns weiden.


Die Göttin, die geboren aus dem „Aphros“,

Die wandelte des bunten Blumenwegs hier.

Ich rufe euch, ihr Pieriden Sapphos!

Ich rufe dich, o Genius des Shakespeare!


Denn Shakespeare sang das Schmachten nach dem Kuß,

Er sang der Göttin Aphrodite Schmachten

Nach ihres Lieblings mündlichem Genuß

Und den Verzicht und göttliches Verschmachten!


Und Sappho sang den priesterlichen Kult

Von Kypris, die um Gott Adonis weint,

Auch rief sie Kypris an um holde Huld,

Wenn ein geliebtes Herz ihr süß erscheint.


O goldne Venus auf dem bunten Thron,

Komm im Gefährt, gezogen von den Finken!

In meinen Venen wütet sehr dein Sohn,

Du mögest Huld der Gegenliebe winken!


O Seele, die du Lobpreis mir gesungen,

Wen soll die süße Peitho dir verführen? –

Cythere! bin von Morpho ganz durchdrungen,

Du mögest ihr die süße Seele rühren!


O singe mir, Erato, sing das Lied

Von Anadyomenes Seelenleide!

Die Tränen tropften ihr vom leichten Lid

Und ihre Seufzer flohen in die Weite.


Geliebtes Wesen göttlicher Gestalt,

Nur dir allein gehört die Sehnsucht ganz!

In deinen göttlichschönen Armen halt

Du mich und tanze liebevoll den Tanz!


O du, o du, mir lichter als der Lenz,

In deinem Aug ich alles Lichte fand,

O laß du dir in scheuer Reverenz

Mit keuschem Kusse küssen deine Hand!


Dir, dir allein gehört mein ganzer Dank,

Daß ich dir küssen durfte deine Hand,

O deine weiße Hand, so schmal und schlank,

Die mich mit Fesseln deiner Schönheit band.


Ich möcht auch einmal wohl dein Handgelenk

Dir küssen, Puls dir küssen, Oberarm!

Wie ich nach solchen Küssen glühe, denk,

Vielleicht wird dir von dem Gedanken warm?


Ich möchte deiner Schulter Elfenbein,

O göttliche Gestalt, dir zärtlich küssen!

Ich möcht die Seide deiner Toga sein!

Verwunden möcht ich dich so sehr mit Bissen!


Wohl sehen darf ich deine Schulter, doch

Anbetend deine Schulter dir nicht küssen.

Auf meiner Schulter lastet schwer das Joch,

Daß ich muß immer deine Küsse missen!


O schönstes Wesen! wäscht du dir die Wangen

Mit reinem Wasser, daß sie rosig blühn,

Dann schnellen meine sieben Seelenschlangen

Und auch des Herzen Phönix fühl ich glühn!


Sei meines innigsten Bedankens sicher,

Daß ich dir küssen durfte deine Wange,

Ich fühlte keinen Tag mich königlicher

Als damals, als ich fühlt die Lockenschlange.


Was soll ich sagen? Siehe heiß mich schmachten,

Die Leidenschaften brennen ungesund,

Denk ich des purpurroten Prunks und Prachten

Von deinem ewig götterschönen Mund!


O einmal bei den Büschen an dem See

Drückt meine Lippe ich auf deinen Mund!

Du scheu wie eine Jungfrau, keusch wie Schnee,

Ich Flamme, rote Rose, herzenswund!


Wohl bin ich göttlich, ja, und bin unsterblich,

Doch willst du mir erhören nicht mein Werben

Um einen heißen Kuß - weh mir! verderblich

Ist meine Liebesglut! - dann muß ich sterben!


O schöner stolzer Mann, was bliebst du hart,

War schwarz die Galle denn und grün die Leber?

Für wen hast du die Lippen aufgespart?

Zeus sandte selber dir den wilden Eber!


Da brach der Eber aus dem dunklen Wald,

Mit Donnerschritten er zum Jüngling stampfte,

Er trug die mächtig-massige Gestalt,

Aus seinen Nüstern heißer Atem dampfte.


Aus seinen schwarzen Augen sprühten Blitze,

Von seinen Hufen donnerte der Donner.

Die Angst aus deinen schönen Poren schwitze,

Adonis, denn der Tod kommt dir im Sommer!


Am Tage Sankt Johannis wirst du stürzen,

Du wirst in feuerroten Strömen lodern,

Dein heißes Blut wird süß die Erde würzen,

Dein schöner Leib wird in der Erde modern!


Halbgott der Zyklen und der Jahreszeiten,

Mit braunem Laub wirst du im Herbst verwesen,

Wenn Winzer durch die Rebenreihen schreiten

Und ihre blutigroten Trauben lesen.


Schnee sinkt aus Wolken dir in deine Locken

Und deine Glieder werden eiskristallen,

Dann läuten wieder Krokus und Schneeglocken

Und Lieder frommer Frauen fröhlich schallen.


Jetzt aber hart getroffen von dem Hauer,

Sinkst du verwundet nieder, und die Schöne

Empfängt in ihrem Schoß dich, voller Trauer

Hält dich umfangen Anadyomene.


O Aphrodite, löse deinen Schleier

Und laß ihn auf den nackten Jüngling fallen.

Laß Tränen tropfen, heiß von Seelenfeuer,

Und schmerzbewegt laß deinen Busen wallen.


Wir alle hören seufzendes Gestöhne

Entfleuchen aus dem Mund der Weinenden,

Wir sehen melancholisch da die Schöne

Vor dem sich mit dem Tode Einenden.


Wir sehen ihre Locken aufgelöst,

Die rosa Perlenschnüre niederhängen,

Ein Meer von Tränen Paphia erlöst,

Die Tränen sich aus ihren Sternen drängen.


Nun endlich darf sie küssen seinen Mund,

Den nicht mehr rosenroten, den nun blassen,

Nun darf sie herzen, selber herzenswund,

Und weinend seiner Füße Paar umfassen.


O Schmerz, o minniges Mysterium,

Zu einer Perle ward verklärt die Träne,

Zur Perlenpforte nach Elysium,

Dahin hinaufschaut Anadyomene.




ACHTER GESANG


Nun reiche, Muse, mir des Orpheus Psalter,

Verkünden laß mich alte Weisheitssprüche,

Laß preisen mich den wunderschönen Falter,

Die Maid, die aller Schönheit inne: Psyche!


O Psyche, mit der Augen Mandelschmelz,

O Psyche, mit der Augen Mandelkernen,

O Psyche, in den Fluten steht ein Fels

Und drüber leuchtet Licht von Abendsternen.


Du Zehnte in dem Reigentanz der Musen,

Du Vierte in dem Kreis der Charitinnen,

Noch lieber als der Aphrodite Busen

Wollt ich dein Herz in deinem Busen minnen!


Der Dichter preist mit seinem trunknen Genius

Maid Psyche als die zweite Aphrodite.

Das hörte in Olympos’ Hallen Venus,

Die da vor Eifersucht und Ingrimm glühte.


Da rief sie ihren Sohn, den blinden Eros,

Da sagte sie zu ihm mit bitterm Mund:

Mach sie verliebt, doch nicht in einen Heros,

Laß sie verfallen sein an einen Hund!


Erwirke du Ausführung meiner Flüche,

Die will ich aus der schwarzen Galle würgen:

Gib du das hochgerühmte Mädchen Psyche

An einen Schweinehirten namens Jürgen!


Und Eros hörte auf der Mutter Schoß

Gehorsam seiner großen Mutter Flüche,

Dann riß er sich von seiner Mutter los,

Um zu verderben die bedrohte Psyche.


Und flügelschlagend durch die Atmosphäre

Ist er geeilt und teilte manche Wolke,

Er kam zu eines Landes blauem Meere

Und schaute Psyche mitten unterm Volke.


Da Eros durfte Einmal Psyche schauen

In ihrem leichten süßen Sommerkleid,

Mit Reiz gesegnet unter allen Frauen,

Verliebte er sich heiß in jene Maid.


Er hüllte sie in seine warmen Schwingen,

Wie Zeus als Schwan mit Leda einst gemacht,

Die Reize Psyches Eros heiß durchdringen,

Er trug sie flügelschlagend durch die Nacht.


Er trug sie hin in seinen Freudengarten,

In den Palast der Freude unter Blumen,

Ihr dort in heißer Liebe aufzuwarten

Mit seines Feuerherzens Heiligtumen.


Nur seinen Namen durfte sie nicht wissen

Und seine göttliche Gestalt nicht schauen.

Und in der Nacht bedeckte er mit Küssen

Den lieben Leib der Reizendsten der Frauen.


So lebten sie in lauter Wonne fort,

Verliebte Tauben in gebauten Nestern,

Zwei trunken Liebende am Liebesort,

Bis sie besuchen wollten ihre Schwestern.


Stiefschwestern, Eros, muß ich auch besuchen

Und ihnen meine hohe Wonne melden,

Sie sollen meine Seligkeit verbuchen,

Die ich gewann durch einen Liebeshelden.


Der blinde Eros trug die Maid dahin,

Wo ihres Vaters böse Töchter lebten,

Gott Eros sah nicht ein den hohen Sinn,

Den eben Göttinnen des Schicksals webten.


Stiefschwestern mein, o meines Vaters Töchter,

Ihr sollet meine hohe Wonne teilen,

Ergäbet ihr euch meinem Herrn, vermöcht er

Auch euch das zwiegespaltne Herz zu heilen.


Denn solche Liebe wurde mir zuteil,

Daß mir schon ganz und heil das Herz erscheint,

Da wünsch ich meinen Schwestern auch das Heil,

Daß solche Liebe alle Welt vereint!


Die Schwestern aber üblen Sinnes sinnen:

Ein Ungeheuer will dich nachts begatten,

Ein Dämon aus dem Hades will dich minnen

Und werben für den Fürst im Reich der Schatten!


Stiefschwestern sind wir nur, doch raten wir:

Du mußt das Untier heute nacht ermorden!

Des Himmels Hüterinnen sind wir dir,

Stiefschwesterlich durch Weisheit dir geworden.


Und Psyche eilte wieder in das Tal

Im Schatten rotbelaubter Blutesbuchen,

Sie legte nieder sich im dunklen Saal,

Bis der Gemahl sie käme zu besuchen.


Ein kleines Lämpchen mit dem Lampenöle

Hielt sie verborgen und ein scharfes Messer,

Als wartete die wunderschöne Seele

Auf einen ungeheuern Menschenfresser.


Und in der Mitternacht kam unsichtbar

Zu seiner wunderschönen Braut Gott Eros,

Der unterrichtet in den Wonnen war,

Die Helena gespendet einst Homeros.


Da Eros seine schöne Braut begattet

Und sie gestillt die loderlohe Lust,

Sank er ins Daunenkissen süß ermattet,

Das Haupt gesenkt auf ihre schöne Brust.


Doch plötzlich wachte Eros auf und sah,

Daß Psyche ihren Gatten morden wollte!

In Einem Augenblick war nicht mehr da

Gott Eros, der gekränkt der Psyche grollte.


Als Eros aber aus dem Tal geflohn,

Auf Psyche senkte sich Melancholie.

Viel weinend suchte sie der Venus Sohn,

Sie träumte Unheil, wachte auf und schrie.


Verlassen ließ sie nun den Hochzeitssaal,

Entleert von hoher Minne Heiligtumen,

Verlassen ließ sie nun das tiefe Tal

Mit seinem Tau und seinen bunten Blumen.


Sie pilgerte allein durch alle Lande,

Durch Städte, Dörfer, bis an fernste Meere,

Verlassen sie, entledigt aller Bande,

Nur Sehnsucht nach der Liebe Atmosphäre.


So kam sie schließlich zu der Rosenpforte,

Die sie empfing mit einem stillen Zauber.

Ein Apfelbaum aufblühte an dem Orte,

Im Wipfel Taube koste mit dem Tauber.


Dahinter lag der Paphia Palast,

Von Jaspisstein gebaut so rot wie Mohn.

Und Psyche trat in scheu verwirrter Hast

Zu der Urania uraltem Thron.


Da machte Venus sie zu ihrer Magd

Und trug ihr Lasten auf und schwere Strafen.

Und oft hat Psyche über Streß geklagt

Und konnte kaum acht Stunden ruhig schlafen.


Gott Eros aber hielt sich still verborgen,

Doch seine sieben Götter-Seelen litten,

Da trat er einmal früh im Rosen-Morgen

Zu Vater Zeus, für Psyche ihn zu bitten.


Und Vater Zeus aus seiner Wolke sah,

Dieweil es über dem Palaste tagt,

Und sprach: Ich seh, wie der Urania

Das schöne Mädchen Psyche dient als Magd.


Ich seh auch dich, o blinder Flügelknabe,

Seh dich noch Glut zu ihr im Herzen tragen.

Drum werde Psyche meiner Gnade Gabe

Und gutes Ende allen ihren Klagen.


Und Eros offenbarte sich im Feuer

Der Liebe vor der wunderschönen Psyche.

Und was sie sah, das war kein Ungeheuer

Und nicht ein Schweinehirte in der Küche.


Glutrote Schwingen haben sie umfasst

Und sie im Liebessturme hochgerissen

Und in der Seligkeit der Liebeshast

Verklärt sie unter lauter Liebesküssen!


Und Psyche ward zuteil Unsterblichkeit

Der Seele und die Seligkeit der Sinne.

Und Amor gab der gottbegabten Maid,

Gab Psyche Heimatrecht im Reich der Minne.




NEUNTER GESANG


O schöne lachenliebende Cythere,

Des Weltalls tobendes Entzücken binde

Mit deinem Gürtel überm Mittelmeere

Und lösche aus die Flammen unsrer Sünde!


O Göttin aller Göttinnen und Götter,

Du Herrscherin durch deiner Liebe Macht!

Aus deinen Feuern gibt es keinen Retter!

Gott geb, daß Charis uns in Gnaden lacht!


Drei Göttinnen jedoch sind uns bekannt,

Jungfrauen alle drei im Himmelreich,

Von Göttern und von Männern unerkannt,

Sah keiner baden jemals sie im Teich.


Diana, Jungfrau sie und Jägerin,

Im wallenden Gewand mit langen Locken,

Sie wandelt durch die dunklen Wälder hin,

Fromm läuten ihr die blauen Blumenglocken.


Ihr Silberthron ist auf dem Mond gebaut,

Da waltet sie als Königin der Nacht,

Von ihrem Throne Segen niedertaut,

Wenn nur die Nachtigall im Walde wacht.


Sie schaut so schämig durch der Wimpern Fächer,

Und ihre Augenbrauen zart gezogen.

An ihrer Hüfte hängt der bunte Köcher

Mit spitzen Pfeilen für den straffen Bogen.


Und viele Nymphen huschen auf der Pirsch,

Ob sie für Artemis ein Wäldchen finden,

Vor ihr verneigt sich demutvoll der Hirsch,

Der er vergißt für eine Zeit die Hindin.


So keusch wie in der Morgenfrüh die Rehe

Die Nymphen der Diana leise huschen,

Sie alle scheuen jede Erden-Ehe,

Jungfräulich soll sie Einsamkeit umbuschen.


Und eine aus der Schar der keuschen Nymphen

War Metamelia vom Parthenion.

Wer sah sie ihre schlanke Nase rümpfen,

Wenn unkeusch sie besang ein Musensohn?


Ein Seher konnte ihr in Tugend taugen,

Der wollte von dem Wein der Weisheit nippen,

Dem offenbarte sie die grünen Augen

Und keuschen schmalen Rosenblütenlippen.


Dem wies sie ihre dunkelblonden Locken,

Die fielen auf das seidene Gewand,

Das reine weiße Kleid. Dem Seher stocken

Die Atemstöße, rührt ihn ihre Hand.


Sie rührte ihn mit ihren Nymphenhänden,

Daß er geschlagen gleich erblindet ist,

Diana sah, im Elend zu verenden,

Weil er gesagt, daß Cynthia er geküsst.


Athene war die andre Göttin, die

Der Göttin Paphia nicht untertan,

Die nicht in süßer Lust der Liebe schrie,

Die keine Mannesaugen nackend sahn.


Sie ist der Stirn des Vaters Zeus entstiegen

In voller Waffenrüstung, stolz bewehrt,

Sie lehrte Griechen über Perser siegen,

Hat Rom im Waffenwerk des Mars belehrt.


Athen errichtete die schönsten Säulen

Athena, der Patronin ihrer Stadt.

Ihr heilig waren alle Schleiereulen,

Die schauten nachts so blind und silbermatt.


Athene pflanzte man Olivengärten,

Die Frucht des Ölbaums war ihr ja geweiht.

Die Toren, die sich gegen Weisheit wehrten,

Erwirkten der Athene manches Leid.


Erschienen ist sie in dem Leib des N e s t o r

Und unterrichtete den Telemach

Und lehrte auch den deutschen Dichter T o r s t e n

Der Weisheit Trost auf all das Weh und Ach.


Jungfräuliche, die nie vor Wollust schrie,

Sie war so rein wie Eis und kühl wie Schnee,

Sie lehrte Platon in der Akademie

Vom höchsten Ideale die Idee.


Athenes Dienerin und Jüngerin

War Retia, die wohnte in Athen.

Jungfräulich war und männlich all ihr Sinn,

Sie wollte sich als Schüler Platons sehn.


Darum verkleidete sie sich als Knabe,

Nicht um der Philosophen Lust zu reizen,

Sie wollte schlürfen hoher Weisheit Gabe,

Die Weisen sollten nicht mit Weisheit geizen.


Sie wollte aus dem idealen Staat

Vertrieben sehn die eitlen Musensöhne,

Die nichts zu singen wissen als nur grad

Allein verworfenste Hetärenschöne.


Sie litt an dem Gekeife der Xanthippen,

Zurückgezogen wollte sie nur leben,

Nur Lehren lauschen von geweihten Lippen

Und Moiren zusehn, wenn sie Schicksal weben.


Sie wurde zornig, lobte Paphos-Ktima

Der babylonschen Hure Wegbereiter.

Sie pries nur Eine selig: Diotima,

Die träumte von der Liebe Himmelsleiter.


Doch Liebe nicht in Loderglut der Lust,

In abgeklärter Weisheit Geistesminne

Hat Retia gepriesen, in der Brust

Idee des Wahren, Guten, Schönen inne.


Die dritte Göttin, die nicht untertan

Dem Zaubergürtelband der Paphia,

Die Augen selten und nur reine sahn,

Das war die Jungfraungöttin Hestia.


Apollon einst in lenzlichsüßer Glut

Hat unter einem süßen Lindenbaum

Geworben um das unbefleckte Gut

Der Jungfrau, welche schön war wie ein Traum.


Sie wollte wahren die Jungfräulichkeit

Und ihrer hohen Unberührtheit Ehre

Und wenn es auch, der um die Ehe freit,

Der goldne Gott der Dichter selber wäre!


Sie legte ihre schlanke Mädchenhand

Dem Göttervater Jove an das Haar,

Das sie viel goldner als Apollons fand,

Und schwur ihm ein Gelübde wunderbar:


Die ich Apollon abgewiesen habe

Und wehrte seine Werbung ab, ich schwöre:

Wird mir zuteil des Göttervaters Gabe,

Bewahr ich ewig meine Jungfraunehre!


Und Zeus war dies Gelübde wert und teuer,

Es war der Inbegriff von höchster Sitte,

Da gab er ihr Jungfräulichkeit und Feuer

Als ewgen Opferbrand in Hauses Mitte.


Vestalinnen, die sich der Vesta weihen,

Gab es im Griechenlande ziemlich wenig.

Man muß den schönen Mädchen es verzeihen,

War Eros doch allüberall der König.


Doch eine weihte sich der Hestia

Mit einem Schwur vor stillen Opferflammen,

Dem Dichter dieser Verse, der sie sah,

Im Auge stille Wehmuttränen schwammen.


Ach dieser runden Arme blonder Flaum!

Ach dieses goldne Haar wie Weizenähren!

Nun ausgeträumt der bunte Jünglingstraum,

Verschloß sie sich für ewig dem Begehren!


Sie lebt in ewiger Jungfräulichkeit,

Was sie Mysterium der Weihe nennt,

Weil sie, die sich der Hestia geweiht,

Allein zum Ruhm des Vaters Jove brennt.


Doch seh ich auch den Flügelknaben lächeln,

Sein Stachel ist so spitz wie der der Wespe:

Ich seh Melissa sanft die Haare fächeln,

Die fallen wie ein Schleier einer Lesbe.


Da sind wir wieder bei der Liebe Macht,

In der noch jeder Minnesänger glühte:

Die schöne Göttin, die so reizend lacht,

Erleuchtet die Poeten, Aphrodite!




ZEHNTER GESANG


Im herrlichen arkadischen Gefilde

Am Berghang lebte einst ein Ziegenhirte,

Er war in seinen Sinnen sanft und milde

Und ruhte oft in Träumen an der Myrthe.


Er weidete die Zicklein und die Böcke

Und reich im Felde standen grüne Gräser.

Die Frühlingsblumen trugen bunte Röcke

Und Falter waren Blumennektarleser.


Der Hirte freute sich am Sonnenschein,

Der tief sein Herz mit Götterdank erfüllte,

Da dachte oft er an die Liebe sein,

Die schmerzerregende, die ungestillte.


Er liebte sehr die schöne Ephyra,

Die Blumen pflückend oft den Hain durchschritt.

Die Götter hörten es, wenn er sie sah,

Wie er das brennendste Verlangen litt.


Erwachte er am Morgen aus dem Traum,

Dann schwebte ihm vorm Geiste schön ihr Bild,

Sie glich der Göttin aus dem Meeresschaum

Und war wie Charitinnen anmutmild.


Er sah die makellose glatte Haut

Licht schimmern durch das dünne Sommerkleid,

Mit Perlen war die Haut von Schweiß betaut,

Mit Perlen, die geborn sein Sommerleid.


Und wenn er Böcke Ziegen sah bespringen

Und Zicklein an der Mütter Euter saugen,

Ihm alle seine heißen Träume dringen

In heißen Tränen aus den blauen Augen.


Sie lächelte beständig gnadenmild,

Doch ohne je sein Werben zu erhören,

Die hart war wie der Venus Marmorbild

Und doch ein ganz lebendiges Betören.


Der Hirte wandte sich zur dunklen Nacht

Und weinte vor dem Monde seine Tränen,

Ihn überwältigte der Schwermut Macht

Und schwarz ihm schwamm das Blut in seinen Venen.


Er ging dem Taggeschäfte nicht mehr nach

Und trauerte die Nacht in stetem Fasten,

Im Wachen schlief er, war im Schlafe wach,

In Hektik seines Herzens Schläge hasten.


Er magerte so ziemlich zum Skelett

Und wandte sich dem Efeukauen zu,

Er legte sich aufs harte Felsenbett

Und schrie die Götter an um Seelenruh.


Er starb vor grenzenlosem Liebeskummer!

Da kam der schwarzbeschwingte Thanatos

Und führte ihn aus seinem letzten Schlummer

In der Urania geweihten Schoß.


Da ward ihm Leib und Seele transformiert

In einer mystischen Metamorphose,

Der Menschenleib ward ihm im Tod vertiert,

Die Seele läuterte die Makellose.


Da hob sie auch des toten Leibes Glieder

Und fügte sie zu einem weißen Schwan,

Die Seele kehrte ins Gefieder wieder

Und flog erneut auf freier Schicksalsbahn.


Der dunkle Bruder, seine Sinnlichkeit,

Verschönt ward er zu schönen neuen Sinnen,

Die Seele lebt froh im Federkleid

Und freute sich im ewigen Beginnen.


Da flog der weiße Schwan mit breiten Schwingen

Und ließ zurück die dunkelgrüne Lethe,

In reinen klaren Äther vorzudringen,

Da morgens Venus’ goldne Locke wehte.


Sie glänzte rein und diamanten funkelnd

Aus ihren Augen, ihren himmelhellen.

Im goldnen Lichte wogte Cygnus schunkelnd

Auf rosenrot erglühten Meereswellen.


Er schwamm auf dem unendlich blauen Meere,

Das gischtend niedertroff aus Venus’ Haaren,

Er segelt durch des Südens Hemisphäre

Ins Reich der Seligen, zu den Kanaren.


Und Venus, die man Charis auch genannt,

Weil sie die Gnade über wilden Wogen,

Sie fuhr hinüber in der Griechen Land

Im Wagen, von dem Taubenpaar gezogen.


Sie eilte ins arkadische Gefilde,

Die schöne Ephyra dort zu beglücken,

Die schöne Ephyra, die anmutmilde,

Zu den Kanareninseln zu entrücken.


Die Tauben hielten mit dem Wagen an,

Sie rucken ruhevoll und girren, gurren,

Und Ephyra geriet in ihren Bann,

Bis sie und Venus zu den Inseln fuhren.


Und Ephyra trat an den schwarzen Strand,

Gebildet von Vulkangestein und Lava.

Sie fand so blumenreich das ganze Land,

Wie Eden fanden Adam einst und Chawa.


Da sah sie die Atlantikwellen fluten

In einer Felsenbucht an schwarzen Strand,

Als ritten Nymphen auf den Meeresstuten,

Poseidon hielt das Zepter in der Hand.


Da ward die Statue der Aphrodite

Vom Meere angespült an die Kanaren.

O Ephyra! o weiße Schaumesblüte!

O Himmlische mit rötlichbraunen Haaren!


Da Ephyra das Bildnis aufgestellt,

Ging sie ins Inselinnere sehr weit.

Da war es eine wahre Freudenwelt,

Fürwahr die Insel der Glückseligkeit!


Es war ein blumenreicher Freudengarten,

Da Fliederbüsche lilafarben lächeln,

Da Sangesvögel singen, viele Arten,

Da längliche Bananenblätter fächeln.


Da sangen in den Büschen Grajadohlen,

Da plapperten Kanarienvögel heiter.

Der Inselgarten lockte sie verstohlen

Ins Innere, ins Feuchte, immer weiter.


Da kam sie in die Werkstatt der Eroten,

Cupidos Kinder waren Zuckerbäcker,

Sie übten sich an süßen Zuckerbroten,

Die schmeckten süßen Zuckermäulchen lecker.


O Zuckerschnäuzchen du, o Honigmäulchen!

Cupido tat die Arbeit mit Kakao,

Der wird zu Schokolade, wart ein Weilchen,

Verliebt macht der Kakao die süße Frau.


Was Dichter singen von Ambrosia,

Das träufelt Göttern aus Olympus’ Felsen,

Hier wars der wunderschönen Ephyra

Kakao, die Süßigkeit ließ sie zerschmelzen.


Und so von brauner Süßigkeit versüßt,

Begann die Honigbiene süß zu summen.

Da seufzte sie: Daß mich ein Heros küsst,

Ich wollt vor süßer Seligkeit verstummen!


Da nahte Cygnus aus dem grünen Hain,

Im heißen Herzen vor Begierde trunken.

Da sah er selig die Geliebte sein

Und über sprang Cupidos Feuerfunken.


Und in dem Schatten der Bananenblätter

Und unter der Kanarienvögel Sang

Die beiden küssten sich wie Liebes-Götter

Und küssten heiß und feucht und lang, sehr lang!


Sie drangen ins umbuschte Innre ein

Und tauchten ein in einen reinen Teich.

Sie badeten im seligsten Verein

Und Welle schmeichelte so warm und weich.


Und Ephyra auftauchte aus dem Naß

Und stand am Ufersaume herrlich nackt!

Und Cygnus alles Liebesleid vergaß

Und schloß mit seiner Wonne einen Pakt.


O Ephyra, o Leben mein und Wonne,

Du schönes Lachen liebende Cythere!

Dein Angesicht ist meines Lebens Sonne,

O Königin in der kristallnen Sphäre!




ELFTER GESANG


Die Hälfte seines Weges war erreicht,

Tannhäuser kam in einen dunklen Wald,

Der keinem Walde dieser Erde gleicht

Und ihn bedrohte massiger Gestalt.


Es war der Wald der Feindschaft und des Hasses

In Reinnatur. In seinem schwarzen Kleid

Ging dunkler Wind hindurch, der Wind des Spaßes,

Der sich dem bitterbösen Spotte weiht.


Was heilig war im Himmel und auf Erden,

Im Walde galt es weniger als nichts.

Hochmütig-dünkelhaftester Gebärden

War hier die Leugnung alles süßen Lichts.


Die Eulen aber hatten Religion,

Die dunklen Seherinnen tiefster Blindheit,

Sie sahen Gottes Haß im Herzen schon

Und weigerten der Demut sich der Kindheit.


Der Gott des Waldes war ein schwarzer Götze,

Sein Wesen war die schwarze Schrecklichkeit,

Die Wiederkehr des Gleichen sein Gesetze,

Da es nichts andres gab als Zeit um Zeit.


Wer wollte diesem Gott sich anvertrauen?

Doch wars der Einzige, den Eulen kannten,

So predigten sie Mitternacht und Grauen

Und waren jenes Götzen Anverwandte.


Waldmäuse huschten auch als Geistesriesen

Und nagten an der Wurzeln Fundamenten,

Die schwarzen Schatten ihre Weisheit bliesen

Von jenem Tag, da alle Welt wird enden.


Die Mäuse werden da zuerst entrückt,

Jedoch alleine die bekehrten Mäuse,

Für tausend Jahre werden sie beglückt

Im irdischen Jerusalem allweise.


Wie waren sie gelehrt in Gottesfragen,

Die sich den Gott des Waldes selbst erfanden,

Sie waren ja bewandert in den Sagen,

Die in der Buche Jahresringen standen.


Da nagten sie mit ihren Mäusehirnen

Und wußten von der Wölfin viel zu sagen.

Des Waldes Gott, entsprungen ihren Stirnen,

War immer ferne, wie die Dinge lagen.


Doch ist die Wölfin Herrin jenes Waldes,

Der Eulen und der Mäuse Lehrerin,

Ihr Geifer tropft ins Moos als totes kaltes

Gespei mit sieben Lästerungen drin.


Wohl an denn, Wölfin, mich wirst du nicht locken,

Tannhäuser riefs, und sprichst du auch von Luther,

Klanglos aus Lehm gebaut sind deine Glocken,

Ich aber folge meines Gottes Mutter!


Aus einem grünen Busch trat Vater Goethe,

Der wie ein Seliger des Himmels lacht,

Da ging herauf die schöne Morgenröte

Und überwand des Waldes finstre Nacht.


Und Goethe sprach mit süßem Silbenfall:

Der Mütter Urbild, Königin der Frauen,

Ruft in der Liebe hochverklärtes All

Den Dichter, der nichts will, als Sie zu schauen!


Und daß dem Dichter mög sein Werk gelingen,

Gab Sie, die Göttin, ihm ihr Ebenbild,

In Liebe will den Dichter sie verjüngen,

Doch mußt du erst durch Venus’ Berggefild.


Und Goethe ging voran am Wanderstabe,

Tannhäuser hat sich gerne nachgeschwungen,

Denn winkte ihm der Gnadenvollen Gabe,

Dann geht er gerne durch die Läuterungen.


Sie kamen nun zu einem hohen Tor,

Von roten Rosendornen rings umzogen,

Da flügelte der Amoretti Chor

Und sang der Aphrodite aus den Wogen.


Doch war nicht Wasser hier ihr Element,

Nicht Nymphen in gehauchter Seide schwammen.

Das Meer, in dem fortan der Dichter brennt,

Hat Amor angezündet mit den Flammen!


Und Minnesänger aller Zeiten sangen

Im siebten Ring am Ort der Reinigung,

Umlodert von den roten Flammenschlangen

Ergaben sie sich gern der Läuterung.


Hier war auch der Poet, den jeder kannte,

Er ging in Amors glutenheißem Park, ah,

Und neben dem hochedlen Dichter Dante

Im reinen Feuer wandelte Petrarca.


Und wie geschrieben steht in Dantes Schrift,

Die Beatrice ihm vom Himmel sandte:

Man weinte heiß hier über Venus’ Gift

Und pries allzeit, die keinen Mann erkannte!


Tannhäuser tauchte in das Flammenmeer,

Wie feuerroter Locken lose Länge,

Der Gang durch jenes Feuer fiel ihm schwer,

Er fürchtete, daß es ihn gar versenge.


Der Panther Sinnlichkeit ward ausgetrieben,

Dem Fuchse band man Fackeln an den Schwanz,

Die Seelenreinheit ward ihm eingeschrieben,

Die Leidenschaften wurden heil und ganz.


Gereinigt und geordnet das Verlangen

Aufloderte zur Reinsten aller Reinen.

Tannhäuser mitten unter Flammenschlangen

Die Eine lobte, die gebar den Einen!


Die Gnadenvolle winkte ihn heraus,

Als allerreinste Jungfrau sie erschien,

Sie führte fort ihn aus der Venus Haus

Und sandte zu dem Heilgen Stuhle ihn.


Tannhäuser pilgerte sogleich nach Rom

Und schließlich kam er zu dem Dom Sankt Peter.

Und überm wellenhellen Tiberstrom

Die Sonne lachte hell im blauen Äther.


Orangenbäume blühten in dem Lenz,

Vorüber war der heilige Karfreitag,

Tannhäuser hatte eine Audienz

Beim heilgen Papst an einem schönen Maitag.


Tannhäuser! sprach sehr sanft der heilge Vater,

Nach dem er leis gesungen das Tedeum,

Was einst gepriesen ward auf dem Theater

Der Heiden, lebt bei uns nun im Museum.


Kunstsinnige betrachten Steine gerne:

Der Vatikanschen Venus alle Ehre,

Zu uns gekommen aus der Zeiten Ferne

In Stein ist auch Apoll von Belvedere.


Die größten Künstler nahmen sie zum Muster

Und formten heilige Gestalten so:

Sieh dir den David an, ein Bild der Lust er,

In Stein gehaun von Michelangelo.


Schau dir Berninis Marmor an in Güte,

Du findest ihn im frommen Dom von Siena,

Zwar scheint es manchen eine Aphrodite,

In Wahrheit ists Maria Magdalena!


Derselben widme dich mit Ehrerbieten,

Wie sie anbete Jesus Nazarenus,

Befreie sie dich von den Aphroditen

Und er dich von der alten Göttin Venus.


Durch ihr Gebet verwandle sich dein Glühen

Im Brand der Sinnlichkeit in Gottes Liebe,

Ergib dich ihr, so wird sie sich bemühen,

Zu läutern das Verlangen deiner Triebe.


Zur Buße aber für den Götzendienst

Will ich dir eine Wallfahrt auferlegen,

Die Mühe deiner Reise wird Verdienst

Und über dein Verdienst wirkt Gottes Segen.


Ich send dich zu den Brüdern, zu den Griechen,

Ich send dich nicht zum heilgen Berge Athos,

Du sollst auf den zerschundnen Knieen kriechen

Olymp hinan, dort beten voller Pathos.


Dort sollst du in dem Kloster auf dem Gipfel

Dem Gürtel der Theotokos dich weihen.

Horch auf, ob sie dir spricht im Pinienwipfel,

Denn manchmal kommt sie, Heilige zu freien.


Und alle deine dichterische Kunst

Der Jungfrau weih - Ich bin der deine ganz!

Das sei dein Motto. Wird dir ihre Gunst,

Dann wird dir auch des Ruhmes Lorbeerkranz.




ZWÖLFTER GESANG


O Zypern, sei Maria du geweiht,

Die aufgeschimmert als der Juden Eos,

Die trug den Stern des Morgens unterm Kleid,

Geweiht sei ihr Olymp und Pedhieos.


Geweiht sei ihr der Tag von Salamis,

Da auf Homer Ahaschveros getroffen,

Dem Meeresstern geweiht die Finsternis

Des Heidentums und aller Heiden Hoffen.


Der Weisheit Thron, Idee der Philosophen,

Die da geboren hat die Weltvernunft,

Dich singen sollen alle Odenstrophen

Von lesbischen Poetinnen in Brunft.


Ganz Griechenland hat hier den Mittelpunkt

Und Anfang nimmt das Reich der Asia.

Versammlung der Olympier dir punkt

Und feiert dich, Marie-Urania!


Olympische Poeten tragisch rühmen

Dich Jungfrau, Mutter, Göttin, Königin

Des Himmels mit dem makellosen Hymen,

Durch das der Logos offenbart den Sinn.


Ich preise dich die Königin der Erde,

Ich preise dich die Königin von Zypern,

Die da mit ewig gnädiger Gebärde

Befreit die Insel von der Sünde Vipern.


Dir gründen Griechen in den Traditionen

Der frommen Väter Syriens stille Klöster,

Wo Eremiten in Betrachtung wohnen,

Erlöst in dir und Tag für Tag erlöster.


Dir sprechen Griechen ihre Rosenkränze

Und beten immerwährendes Gebet,

Dir weiht man aller Zyprioten Tänze

Und jedes Buch, in dem dein Name steht.


Dir weiht man alle Mythen des Homeros,

Dir, Charis, weiht man des Olympos Schnee,

Dir will man weihen alle Glut des Eros,

Daß du ihn wandelst um in Agape!


Dich ehren auch die Türken, die da satteln

Die Esel, wenn sie reiten zu den Fürsten,

Sie reichen gerne dir vom Baume Datteln

Und wollen stillen deiner Seele Dürsten.


Sie weihen Manna gern und Wachtelnester

Derjenigen, die lehrte Zacharias,

Die war des Aaron seherische Schwester,

Geheiligt sei die Heiligkeit Marias.


Die Türken und die Araber verehren

Die unbefleckt-jungfräuliche Geburt.

Und Mirjam sang und tanzte an den Meeren,

Da Gott geebnet hatte eine Furt.


Du bist es, Königin der Meeresfluten,

Du Ozean der Allvollkommenheit,

In dir sich spiegeln all des Himmels Gluten,

Unsterblich, Seele, in dem reinsten Kleid!


O Tropfen aus dem Meere Gottes du,

O lauterer Kristall, o stilla maris,

O Meer im Mondenschein, o reine Ruh,

Kristallnes Himmelsmeer, o stella maris!


Du leuchtest überm Meere fort und fort,

Gib daß wir in dem Flutgewog nicht scheitern,

Du führe unser Schifflein in den Port,

Du mögst den Eingang in die Ruh erweitern!


O lächle nieder von der Himmelstreppe,

Auf die uns hingewiesen Diotima,

O streiche du mit deiner seidnen Schleppe

Uns übers gischtne Meer bei Paphos-Ktima!


Celestiale Bärin mit dem Bären,

Strahl du auf uns, wenn wir in Seenot sind!

Und wenn wir falsche Göttinnen verehren,

Dann führe uns zu deinem lieben Kind!


O Mutter schöner Liebe, Jungfrau du,

Gottwohlgefällig Liebe du uns lehre,

Ja lehr uns Liebe, Liebe immerzu,

Als ob nichts anderes auf Erden wäre!


Wir wollen niemals mehr wie Thomas zweifeln,

Daß Christus ist in Fleisch und Blut gekommen,

Und wollen jene Lehre nie verteufeln,

Daß du mit Leib und Seele aufgenommen!


Ja, aufgenommen in das Himmelreich

Unsterblich, Seele, und verklärten Leibes,

Bist du uns Königin so gnadenreich

Und mir Idee der Ewigkeit des Weibes!


Wer dir vertraut, dem wirst du dich beweisen

In deiner unaussagbar schönen Güte,

Mehr schön als Huris aus den Paradiesen

Und schöner als die schöne Aphrodite.


Zum Zeichen deines Aufstiegs in das All

Hast deinen Gürtel du zurückgelassen,

O laß den Gürtel in der Mauer Wall

Mich als Reliquie des Heiles fassen!


Den Zaubergürtel aller schönen Liebe

Will ich in des Olympos Kloster ehren,

Will ihn berühren, daß sich meine Triebe

Nicht länger gegen wahre Liebe wehren.


Virgo intacta, immerwährende

Gebenedeite Jungfrau in der Sphäre

Des höchsten Himmels, hoch zu Ehrende,

Ich weih dir meines Lebens Mittelmeere!


Gegrüßt seist du, Maria Aphroditisse,

Denn Jesus Christus ist des Lebens Fülle,

Daß ich ihn als des Lebens Fülle wisse,

Das sei durch dich des Allerhöchsten Wille!


Gegrüßt seist du, Maria Aphroditisse,

Denn Jesus Christus lebt in Gottes Reich,

Er spendet in der Kommunion die Küsse,

Nach denen mich verlangt an Hunger reich!


Gegrüßt seist du, Maria Aphroditisse,

Denn zu mir kam der Geist im reinsten Öle,

Gib daß ich ihn als Liebesfahne hisse

Mit eingewobner reiner Taubenseele!


Gegrüßt seist du, Maria Aphroditisse,

Du reine Seele im verklärten Fleische,

Gib du mir jede Tugend, die ich misse,

Mach du mich rein und heil, Vollkommenkeusche!


Gegrüßt seist du, Maria Aphroditisse,

Du aller Himmel Himmelsköniginne,

Du spend mir deiner Liebe Gnadenküsse

Und nimm die Weihe meiner Dichterminne!


Gegrüßt seist du, Maria Aphroditisse,

Die bräutlich du geleitest fromme Seelen,

Ich will mich auf geheime und gewisse

Art alle Tag und Stunden dir vermählen!


Dein Mund spricht, du Maria, willst mich freien

Als deinen Mann, der dichterischen Strebens

Und frommen Herzen will dir Alles weihen

Und diese schöne Liebe meines Lebens!