Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

Japan


Von Josef Maria Mayer



HAIKU I


Wenn ich mich einsam bette und erwache,

Ist immer noch das eheliche Lager so gewaltig

Im weißen Schleier des Moskitonetzes.


HAIKU II


Du bist so oft schon weit davongelaufen,

Mein liebster kleiner Knabe, hinter den Libellen her,

Doch nie in solche Ferne fort wie jetzt.



DIE SCHÖPFUNG


Der Gott der Götter

War der göttliche Ahn

Und seine Tochter war

Die Sonnengöttin.

Die ersten Menschen waren

Bruder und Schwester,

Izanagi und Izanami,

Sie sollten Japan erschaffen.

Sie standen auf der Himmelsbrücke,

Tauchten einen juwelengeschmückten Speer

In den Ozean

Und hoben den Speer in den Himmel,

Von seiner Spitze fielen Tropfen

Und aus diesen Tropfen entstanden

Die Heiligen Inseln.

Izanagi und Izanami sahen

Die Kaulquappen an im Wasser

Und der Bruder sprach zu seiner Schwester:
Wie die Kaulquappen sind

Meine Mannessamen.

Die beiden paarten sich

Und so entstanden die Japaner.

Vom Enkel der Sonnengöttin aber

Stammt der Kaiser ab.



DER KAISER


Der Kaiser war der Sohn des Himmels,

Der göttliche Herrscher,

Das erhabene Tor!

Nach dem Tode erhielt er einen neuen Namen.

Der Kaiser durfte so viele Frauen

Und Mätressen haben, wie es ihm gefiel.

Der Thron ging nicht unbedingt

An den Erstgebornen über,

Sondern an den besten Sohn.

Die Kaiser neigten

Im goldenen Zeitalter

Zur Frömmigkeit,

Einige dankten ab, um Mönche zu werden.


Der Fürst Sugawara Michiziane

Förderte die Poesie in Japan,

Er wurde später der Gott der Dichtkunst.


Der junge General Minamoto Sanetomo

Dichtete am Tag vor seinem Tode

Dieses Gedicht:
Wenn der Ostwind weht,

Blühe in neuem Duft,

Du schöne Pflaumenblüte!

Du darfst doch, da du nun herrenlos bist,

Den Frühling nicht vergessen!


Der Kaiser der Aufklärung

Lehrte Japan die chinesische Kultur.

Kyoto ward dem chinesischen Tschang-an nachgebaut.


Dann trat Japan in die Periode

Des Goldenen Zeitalters ein.


Man lebte ein elegantes Leben im Luxus,

In verfeinerter Kultur

Wie an den Mediceerhöfen

Oder am Hof von Versailles.

Kyoto wurde das Paris des Ostens,

Elegant in der Kleidung,

Geübt in feinen Manieren,

Für die ganze Nation das Vorbild

An gutem Geschmack.

Jede Neigung durfte sich frei ausleben.

Die Küche erfand Gaumenfreuden

Für Vielfresser und Feinschmecker.

Unzucht und Ehebruch waren lässliche Sünden.

Jeder Edelmann und jede Edeldame

War in feine Seide gekleidet

Von feinsten Farbenharmonien flimmernd.

Musik und Tanz verschönten den Hof,

Gesungen und getanzt ward im Tempel.

Die Literatur blühte,

Die Moral verfiel.



DIE HEILIGE MUTTER KRICHE


Königin Elisabeth Gloriana

War Zeitgenossin des Großen Affengesichts,

Des neuen Herrschers.

Er war ein Bauernsohn,

Nicht einmal Konfuzius kam ihm an Hässlichkeit gleich.

Unfähig, ihn zur Disziplin zu bringen,

Schickten ihn seine Eltern

In eine Klosterschule.

Er machte sich über die Priester lustig

Und wurde fortgeschickt.

Er versucht es als Lehrling

Und wurde mehrmals entlassen.

Er ging unter die Räuber,

Trat in den Dienst eines Samurais,

Rettete seinem Herrn das Leben

Und erhielt die Erlaubnis,

Selbst ein Schwert zu tragen.

Er setzte sich an die Spitze der Rebellen,

Wurde bald Herrscher über das halbe Reich

Und gewann sich die Bewunderung

Des ohnmächtigen Kaisers.

Ich werde China erobern

Und dann sollen Korea, China und Japan

Ein einziges Reich bilden.

Mir wird das so leicht wie einem Mann

Das Forttragen seiner Schlafmatratze.

Der König von Korea aber sagte:
Das Große Affengesicht versuchte,

Den Ozean auszuschöpfen

Mit einer Muschelschale.


Die heilige Mutter Kirche

War nach Japan gekommen.

Sankt Franz Xaver, Apostel Japans,

Gründete eine kleine japanische Kirche.

Die Kirche Japans wuchs so rasch,

Daß sie bald hundertfünfzigtausend

Japanische Katholiken aufwies.

Nagasaki machten sie zu einer christlichen Stadt.

Im Gebiet von Nagasaki

Ward der Buddhismus vertrieben.


Das Große Affengesicht

Stellte die Jesuiten vors Gericht.

Sie sollten Japan in zwanzig Tagen verlassen,

Sonst wird man sie bestrafen

Als die schlimmsten Verbrecher.


Iyayasu übernahm die Macht.

Ihm war die Religion nur ein Mittel,

Die Macht im Staat zu sichern.

Eine Mischung aus japanischem Animismus

Und indischem Buddhismus

Schien ihm geeignet, das Volk zu einen

Und sich untertänig zu machen.

Ihn kränkte der Absolutheitsanspruch

Der heiligen Mutter Kirche,

Die alle Götter des Animismus

Zu Götzen erklärte

Und Buddha für einen Irrlehrer.


Da kam ein Seemann aus Holland

Und erklärte dem Herrscher,

Es gäbe nicht nur eine christliche Kirche,

Sondern es gebe neben den Papisten

Auch noch Lutheraner,

Calvinisten und Wiedertäufer.

Die Papisten aber zögen alles an sich

Und wollten alle Länder erobern

Und dem Papst unterwerfen.


Da verbot der Herrscher

Die Verkündigung des katholischen Glaubens

Und das Praktizieren des göttlichen Kultes in Japan.

Alle Katholiken sollten

Entweder Christus verraten

Oder außer Landes gehen.


Nach dem Tode des Herrschers

Wüteten seine Bürokraten so heftig,

Die Kirche wurde so blutig verfolgt,

Daß das Christentum in Japan

Fast vollständig zum Erlöschen kam.


Siebenunddreißigtausend Katholiken

Sammelten sich auf der Halbinsel Shimabara,

Errichteten ein letztes Bollwerk

Des wahren Glaubens.


Der Enkel Iyeyasus sandte seine Soldaten

Und massakrierte die letzten Katholiken Japans.



HARAKIRI


Der Samurai besaß das Recht,

Jeden Mann, der ihn beleidigte,

Niederzumachen.

Wenn das Schwert noch neu war,

Erprobte der Samurai sein Schwert

An einem Bettler oder Hund.


Ein berühmter Samurai,

Der ein neues Schwert bekommen hatte,

Stellte sich an der Brücke auf

Und wartete auf die Gelegenheit,

Sein neues Schwert zu erproben.

Da kam ein fetter Bauer daher getrottet,

Ziemlich betrunken,

Der Schwertträger spaltete ihn

Mit dem Birnenspalter

Vom Schädel mittendurch

Bis zur Gabelung der Beine!

Der Bauer wankte weiter,

Ohne etwas zu merken,

Bis er an einen Kuli stieß

Und in zwei Hälften sauber auseinander fiel.


Schmerz erträgt ein Samurai lautlos.

Ein Samurai beherrscht seine Gefühle.

Die Frauen werden dazu erzogen,

Sich zu freuen, wenn sie die Freudenbotschaft erhielten,

Ihr Samurai sei gefallen

Für den Kaiser und die Heiligen Inseln!

Treue gegenüber dem heiligen Kaiser

Stand ihnen über Elternliebe

Und sogar über der Kinderliebe.

Es war für den Samurai

Etwas ganz Normales,

Harakiri zu begehen,

Wenn sein Herr gestorben,

Er tat das, seinen Herrn

Auch im Jenseits zu beschützen.


Das Gesetz des Bushido,

Nämlich Harakiri,

War Selbstmord durch Aufschlitzen des Bauches.

Die Gelegenheiten, die sich ergaben,

Wo der Samurai verpflichtet war,

Seine Ehre durch Harakiri zu retten,

Waren unzählbar.


Harakiri, Bauchaufschlitzen,

Ist aber ein vulgäres Wort.

Der Samurai benutzt es nicht,

Er spricht von Seppuku.


Die Kunst des Seppuku

War die wichtigste Frage

In der Erziehung der Jungen.

Und der letzte Liebesdienst,

Den man einem wahren Freund erwies,

Bestand in dem Beistand, den man leistete,

Indem man dem Selbstmörder

Den Gnadenstoß gab.

Darum kennen japanische Kriegshelden

Keine Todesangst.


Harakiri war den Frauen nicht gestattet

Und nicht den Plebejern.

Die Frauen durften Jigaki begehen,

Sie durften aus Protest gegen eine Beleidigung

Sich mit einem Dolch

Den Hals durchstoßen

Und die Adern

Mit einem einzigen Schnitt durchtrennen.

Jede Frau, die etwas galt,

Wurde unterwiesen in der Kunst,

Sich mit einem einzigen Schnitt

Die Adern zu durchschneiden.

Zu raten ist der Frau,

Vorm Selbstmord die Beine zusammenzubinden,

Damit man ihre Leiche nicht findet

Mit unsittlich gespreizten Beinen.


Es waren einst drei Brüder,

Die Harakiri begehen wollten.

Da wandte sich der Erstgeborene an den Jüngsten:
Geh voran, ich will, dass du es richtig machst!

Aber der kleine Knabe sprach:
Ich habe noch nie gesehen,

Wie man Harakiri richtig macht.

Ich möchte gerne zusehen,

Wie meine beiden Brüder es richtig machen.

Da lächelten seine Brüder unter Tränen.

Gut gesagt, du Liebling deines Vaters!

Du kannst dich wirklich rühmen,

Deines Vaters Sohn zu sein!

Der Erstgeborne stieß sich nun den Dolch

In die Mitte des Unterleibes

Und sagte: Siehe, kleiner Bruder,

Verstehst du jetzt?

Stoß den Dolch nicht zu tief in den Unterleib,

Sonst fällst du nach hinten,

Neige dich nach vorne

Und halte die Knie eng beisammen.

Der zweite Bruder tat das gleiche

Und sagte zu dem Jüngsten:
Halte deine Augen offen,

Sonst könntest du aussehen

Wie ein sterbendes Weib!

Wenn dein Dolch innen auf etwas trifft

Und deine Kraft dich verlässt,

So fasse Mut

Und verdopple deine Anstrengung,

Um durchzukommen zur anderen Seite!

Der kleine Knabe sah seine Brüder sterben

Und aushauchen ihre Seele,

Da entblößte er sich seelenruhig

Und folgte dem Beispiel

Der Söhne seines geliebten Vaters.



DIE SCHÖNHEIT


Jeder Edelmann schminkte sich die Wangen,

Puderte sein Gesicht,

Parfümierte die Kleidung,

Trug immer einen Spiegel mit sich.


Puder beherrscht das Gesicht der japanischen Frau.


Die eleganten Damen schminkten sich

Die Wangen rot,

Färbten ihre Fingernägel

Und vergoldeten ihre Unterlippe.

Sie rasierten sich die Augenbrauen

Und malten zunehmende Monde an die Stelle

Und malten schwarze Punkte auf die Stirn,

Passend zu den schwarzgefärbten Zähnen.


Ein Bart war dringend notwendig

Und wenn er noch so schütter war.

In vornehmen Häusern

Wurde dem Gast

Eine Pinzette zur Pflege des Bartes gereicht.


Die japanische Kleidung war

Der chinesischen Kleidung nachgebildet.

Man trug Tunika und Hose,

Drüber ein enganliegendes Gewand.

Später wurden die Gewänder loser.

Die Ärmel eines Damenkleides

Reichten bis eben über die Knie

Und waren mit Glöckchen versehen,

Die bimmelten, wenn die Dame sich bewegte.

Die Generäle versuchten,

Die allzu lose Kleidung gesetzlich abzuschaffen,

Aber ohne Erfolg,

Denn groß ist die Eitelkeit der Welt!


Der Dichter Tabito aber hatte die Lösung

Für alle Probleme der Welt:
Jener, der den reinen Wein

Einst einen Heiligen nannte

Im Altertum,

Das war ein weiser Mann

Und sagte ein wahres Wort.

Ernst und still

Den Weisen zu spielen,

Das ist noch lange nicht dasselbe

Wie trunken vom Wein

Sich auszuweinen!


Aber den Edelleuten war

Lieber als der Wein

Der Tee.

Das Volk sah das Teeblatt als Gift an,

Aber als man bemerkte,

Daß nach einem heftigen Weinrausch

Der Tee dem Kopf zurückbringt klare Gedanken,

Da glaubte man an den Nutzen des Tees.


Beim Teetrinken in geselliger Runde

Duldete man kein Geschwätz

Über gewöhnliche Alltagsdinge,

Das Thema sollte erhaben sein und ernst.

Auch Unwahrheit ward nicht geduldet

Und auch keine Schmeichelei.


Die Blumen zu pflegen

War den Japanern ein Kult.


Zu den Ideologen des Teeismus

Gesellten sich die weisen Blumenmeister.


Tee, Blumen, Tanz und Gedichte,

Das war der Inbegriff der Männlichkeit!


Anfang April. Die Kirschbäume blühen.

Der Japaner macht eine Pilgerfahrt

An den Ort, wo die Kirschbäume blühen.


Das Menschenherz ist undurchschaubar,

Aber die Blumen duften wie zuvor.



DIE LIEBE


Die Grundlage der Gesellschaft

Ist die Familie.


Die Macht des Vaters war tyrannisch.


In Kyoto spielte die Frau

Eine führende Rolle.

Wenn wir auf esoterischem Gebiete

Hypothesen wagen dürfen,

Übertrafen die Ehefrauen ihre Ehemänner

An Unzucht

Und verkauften ihre Keuschheit

Für den Witz eines Komödianten.


Ein junger Mann wollte eilig nach Hause kommen,

Um möglichst schnell einen Liebesbrief zu schreiben

An die Geliebte,

Die er eben verlassen hat.

Da bemerkt er im Fenster des Nachbarhauses

Ein junges schönes Mädchen

Und macht ihr höflich den Hof.

Vor dem Hause der Frau stand schon der Postbote

Mit dem Liebesbrief des jungen Mannes,

Der an einen von Morgentau tropfenden Zweig gebunden war.

Der junge Mann hatte der Geliebten geschrieben.

Der Postbote aber stand verlegen da

Und konnte den Liebesbrief nicht überreichen,

Weil die Geliebte mit einem Komödianten im Bett lag.


Die Kinder wurden in der Pietät unterwiesen,

Im Gehorsam des Kindes gegenüber dem Vater.

Die Kaiserin ordnete an,

Daß jedes Haus das Weisheitsbuch besitzen soll,

Das von der kindlichen Liebe handelt.

Die kindliche Liebe

War dem Japaner das Höchste

Und auch zum göttlichen Herrscher

Hatte der Japaner Gefühle

Kindlicher Ehrfurcht und kindlicher Liebe.


Die Frauen waren Geishas.

Sie waren der Künste fähig,

Bewandert in der Poesie und Gelehrsamkeit

Und in der Bettkunst.


Eine Geisha ist eine Sängerin und Tänzerin,

Die vorgibt, durch Kunst zu unterhalten,

In Wahrheit aber dient sie dem Mann

Mit sexueller Erregung.


Unzählig sind die Dirnen

Auf den Straßen

Und in der Teestube.


Schulen wurden eingerichtet,

Wo die alte Geisha

Der jungen Geisha

Unterricht erteilt

Und ihr in den Künsten

Der Poesie und der Erotik

Den letzten Schliff gab.

Manchmal luden die Lehrerinnen

Und die Schülerinnen ein,

Um öffentlich zu präsentieren

Ihre Liebeskünste.

Eine Mutter, der es schwer fiel,

Ihre Tochter unterzubringen

In einer Ehe,

Gab die junge schöne Tochter

In die Schule

Einer alten Geisha.


Die Liebe ist nicht das Thema

Der japanischen Dichter.

Einer aber sang von Liebe:
Wie das Meer

Mit seinen schäumenden Fluten

Wieder und wieder und immer wieder

Am Felsen zerschellt,

So ist meine Liebe!

Ja, der Dichter klagt über das Gefühl

Seiner verschmähten Liebe:

Du sagst, die Blüte fällt so bald vom Baum?

Flüchtiger noch als die Blüte ist

Das Herz der Frau,

Es verändert sich und stirbt

Schneller als das Blasen des Sturmes!



DIE PHILOSOPHIE


Die Philosophie kam aus China.

Die Philosophie erschien in Gestalt

Des Konfuzianismus der Sung-Dynastie.


Da entschloß sich Fujiwara Seigwa,

Nach China zu pilgern

Und dort die Philosophie zu studieren,

Da er von den großen Weisen Chinas gehört hatte.

Aber der Verkehr mit China war verboten.

Da begab sich der junge Mönch

Mit einem Schmugglerschiff nach China.

Während er noch im Hafen wartete

Und in einem Gasthof Tee trank,

Hörte er einen Gelehrten japanisch reden

Und aus einem Buch über Konfuzius rezitieren.

Seigwa war außer sich vor Freude.

Das ist es, rief er, was ich schon so lange suchte.

Er vertiefte sich nun in die Philosophie

Des Sung-Konfuzianismus

Und vergaß darüber ganz, nach China zu reisen.

Nach wenigen Jahren hatte er schon Schüler,

Die die chinesische Philosophie

Als eine schöne Blüte der Weltweisheit ansahen.


Seigwas Schüler war Hayashi Razan.

Der junge Konfuzianer erfüllte seine Zuhörer

Mit solcher Begeisterung,

Daß es ihm nicht schwer fiel,

Die Menschen von der Religion Buddhas abzubringen

Und auf den Weg der chinesischen Philosophie zu führen.

Der Buddhismus war für ihn eine Schwächung des Menschen,

Eine zur Entartung führende Lehre,

Die Mark und Moral des Menschen schwäche.


Der Konfuzianer Muro Kyuso

Wählte sich den Gott der Weisheit zum Patron.

Er verbrachte als Jüngling

Eine ganze Nacht lang im Gebet

Vor dem Altar des Gottes der Weisheit.


Er schwor dem Gott der Weisheit:
Ich werde jeden Tag um sieben Uhr morgens aufstehen

Und um Mitternacht schlafen gehen.

Ich werde nicht müßig sein,

Außer wenn ich zu Gaste geladen werde

Oder Krankheit des Leibes oder der Seele mich aufhält.

Ich werde nicht lügen und nicht betrügen.

Ich werde nicht sinnlose Worte schwatzen,

Auch nicht den Geringeren gegenüber.

Ich werde im Essen mäßig sein.

Wenn Begierde aufkommt,

Werde ich sie zu verscheuchen suchen.

Ich werde versuchen, mich beim Lesen zu konzentrieren,

Ich will auch nicht zu eilig die Bücher durchblättern.

Ich werde meine Seele kultivieren

Und mich nicht von Ruhm verführen lassen.

Ich will die Gebote der Weisheit

Auf die Tafel meines Herzens schreiben

Und sie als Halskette um meinen Hals tragen.

Der Gott der Weisheit sei mein Zeuge!


Kyuso suchte nicht Abgeschiedenheit von der Welt,

Sondern wollte wie der weltweise Goethe

Am Leben tätig teilnehmen.

Absonderung, sprach er, ist eine Methode,

Sie ist gut.

Der Überlegene aber freut sich,

Wenn er mit frommen Freunden sprechen kann.

Ein Mann schärft seine Gedanken am andern Mann.

Jeder, dessen Streben auf göttliche Weisheit ausgerichtet ist,

Sollte sich an andern Männern bilden.

Der Pfad des Weisen ist nicht abgesondert

Vom alltäglichen Leben.

Gott ist nicht etwas Fernes,

Sondern suche Gott in deinem Herzen!

Das Herz ist die Wohnung Gottes!


Dieser japanische Konfuzianer

Wird zumeist nicht zu den Philosophen gerechnet,

Weil er wie Goethe die Gabe besaß,

Seine Weisheit poetisch vorzutragen.

Darum reiht man ihn in die Reihe der großen Dichter ein.


Kaibara Ekiken war von vollkommener Demut.

Auf einem Schiff unternahm es einst ein Reisender,

Einem andern Mann einen Vortrag zu halten

Über die Ethik des Konfuzius.

Anfangs hörten alle Reisenden zu,

Aber bald merkte jeder,

Daß der Mann ein Narr war.

Nur einer blieb geduldig sitzen

Und lauschte des Narren Predigt.

Da sprach der Narr: Wie ist dein Name?

Ich bin Kaibara Ekiken, sprach der Weise.

Der Narr war erschüttert.

Er hatte versucht, dem weisesten Manne Japans

Die Lehren des Konfuzius beizubringen.


Narren richten ihre Gebete an die Götter,

Um glückselig zu werden,

Und begehen gleichzeitig schwere Sünden!


Das Ziel des Lernens ist nicht allein,

Das Wissen zu erweitern,

Sondern den Charakter zu bilden.

Das Ziel des Lernens ist weniger,

Uns zu wissenden Menschen zu machen,

Als uns zu heiligen Menschen zu bilden.


Heute aber hält man es nicht mehr der Mühe wert,

Den Lehren der Weisen des Altertums zu lauschen.

Darum opfert man die Freundschaft

Und opfert die Liebe auf dem Altar

Des Gottes Ego!


Liebe Kinder, vielleicht denkt ihr,

Die Lehren des alten Mannes sind langweilig?

Wenn aber euer Herzensvater

Oder weitgereister Großvater euch etwas lehrt,

Dann hört zu und lauft nicht weg.

Mag euch die Familientradition eurer Väter

Auch langweilig vorkommen,

Zerstört die Tradition doch nicht,

Es ist die Weisheit eurer Väter!


Du aber laß keinen Tag ohne Freude vergehen!

Laß dich nicht von der Torheit der Gottlosen quälen!

Denke daran, dass vom ersten Tag der Schöpfung an

Die Welt nicht ohne Narren und Böse war!

Laß dir nicht die heitere Laune verderben,

Verliere nicht die Freude,

Selbst wenn deine Verwandten egoistisch

Und deine Kinder gierig sein sollten

Und deine größten Bemühungen,

Eltern, Brüder und Kinder zu bekehren,

Fehlschlagen sollten, sei dennoch guten Mutes!


Trinke Wein,

In Maßen getrunken, hebt der Wein die bedrückte Seele

Und belebt den Geist.

Der Wein schwemmt Sorgen und Kummer hinweg.

Der Wein belebt das Freundesgespräch.

Genieße den Wein, indem du gerade so viel trinkst,

Daß dich eine freundliche Heiterkeit überkommt

Und gib dich dann dem Genusse

Einer eben aufblühenden Rosenknospe hin!


Da ich die Rosen liebe, erhebe ich mich früh am Morgen.

Da ich den Mond sehr liebe, geh ich spät zu Bett.

Die Menschen kommen und gehen wie Wellen des Meeres,

Aber der Mond übersteht die Wechselfälle der Geschichte.


Nakaye entfaltete nun

Die heilige Metaphysik.

Er lehrte einen idealen Monismus,

Da die höchste Monas

Die göttliche Weltvernunft war.

Er lehrte die Übereinstimmung

Der seienden Dinge

Mit der göttlichen Vernunft.

Die seienden Dinge

Sind Offenbarungen Gottes

Und die Weltvernunft

Ist die Seele des Universums.

Nakaye liebte diese Weltseele,

Nakaye liebte diese göttliche Vernunft

Mit der Liebe des intellektuellen Amor.

Er suchte die Unsterblichkeit der Seele

In der kontemplativen mystischen Union

Der Einzelseele mit der göttlichen Weltseele.


Des Menschen Geist

Ist ein Geist in einer sinnlichen Welt.

Es gibt eine Seele im Menschen,

Die wir Gewissen nennen.

Im Gewissen spricht die göttliche Vernunft.

Die göttliche Vernunft

Hat keine sichtbare Gestalt,

Sie ist unendlich, ewig.

Die Stimme unsres Gewissens

Ist eins mit der göttlichen Vernunft in uns.

Die göttliche Vernunft

Hat keinen Anfang und kein Ende.

Handeln wir nach der Stimme des Gewissens,

Nach der Stimme der göttlichen Vernunft in uns,

Dann werden wir gewissermaßen

Inkarnationen der göttlichen Vernunft

Und haben das ewige Leben.