Von Josef Maria Mayer
„Der Dichter diktierte einen gelehrten Brief, den Seine Majestät ohne Zögern unterzeichnete, denn Seine Majestät glaubte das, was der Minister ihm zugeflüstert, der Dichter sei ein vom Himmel verbannter Engel. Seine Majestät gab dem Dichter große Geschenke, der Dichter aber gab alles seiner Schenkin weiter, denn er liebte den heißen Reiswein.“
Herbstwind weht, des Herbstes Atem,
Bleich und trocken, gelbe Blätter
Fallen zitternd in das Nichtsein.
Trübe ist das Wetter, frostig.
Schau ich auf den Teich, so schau ich
Nach dem fernen Freund und Bruder.
Weit die Leere unterm Himmel!
Hoch der Himmel, kühl der Äther,
Tief die Stille auf der Erde.
Hat der Fluß sich satt getrunken?
Klar kristallen Schwester Wasser!
Müde bin ich, krank vor Liebe!
Ach, mein Fleisch wird aufgefressen
Von dem Frost der kalten Erde!
Bittere Enttäuschung alles!
Hinter mir das alte Leben,
Such ich sehnlich nach der Neuheit!
Bitternis in meinem Herzen!
Ich verlor mein Amt, den Acker,
Zorn zerfetzt mir meine Seele!
Einsam bin ich auf der Erde!
Weit die Pilgerfahrt zur Heimat,
Nirgendwo ein Freund und Bruder,
Melancholisch meine Seele.
Schwalben fliegen in die Heimat,
Still im Grase die Zikaden.
Schau, die Wildgans fliegt gen Süden,
Schnepfen schnattern Klagetöne.
Schlaflos wart ich auf den Morgen,
Nur das Heimchen zirpt im Dunkel.
Schon vorbei des Lebens Hälfte,
Aber noch ist nichts vollendet.
*
In der Not bin ich verlassen,
Denk an ihn, der einst mir gnädig.
Hinter mir liegt Haus und Heimat,
Ungewiss das Ziel der Reise.
Meine Treue galt dem König,
Doch er stieß mich fort ins Leere.
Sehnsucht quält mich, Gram und Missmut!
Schlaf und Speise unerquicklich!
Könnte ich mein Herz ergießen!
Doch er kennt nicht meine Seele.
In die Ferne rollt der Wagen,
Ach ich find nicht mehr den König,
Seufzend sitz ich in dem Wagen,
Tränenflut die Deichsel nässend.
Höchste Hoffnung ward zuschanden,
Ich bin in der Zeit verloren,
Weinen muß ich übers Schicksal,
Mein Geschick muß ich beklagen!
Dennoch bleibt mein Herz voll Treue.
*
Jahreszeiten sind vom Himmel,
Kühl und bleich der Mond der Ernte,
Rauhreifschleier auf dem Felde,
Unbekleidet stehn die Bäume.
Ach die Sonne ist verschwunden,
Lang und einsam sind die Nächte.
Meines Lebens Lenz vorüber!
Wie ein Stumpf bin ich gestorben!
Rauhreif kündet an die Ernte,
Nicht mehr fern der Frost des Winters.
Sommerfeuer liegt gefangen
In des Kerkers Frostigkeiten.
Müde ward das Laub und farblos,
Schattenhaft die nackten Äste
Wie verzehrt von Todeskrankheit.
Schnee vom Himmel! Fern die Tage,
Da ich beistand meinem König.
Müde meines Pferdes Traben
Und erschlafft die Zügel hängen.
Ungewiß das Ziel der Reise,
Eilig eilen Lebensjahre,
Nicht geschenkt ward mir Erfüllung!
Warum bin ich doch geboren
In die Welt voll Angst und Wahnsinn?
Stumm durchschleiche ich das Dunkel,
Voller Wehmut zirpt das Heimchen,
Seufzend schau ich auf zum Herbstmond,
Sterne ziehn zur Morgenröte.
*
Wehe um die schwere Orchis,
Lustig blühend in dem Garten!
Blüten tragen keine Früchte,
Nasser Sommerwind zerdrückt sie.
Sprechen wollten sie von Liebe,
Doch du hörst nicht ihre Sprache,
Meiner Sehnsucht unerreichbar!
Ach so wollt ich in die Fremde,
Schwarze Glut im schweren Busen,
Doch du fühlst nicht meine Flammen!
Schuldlos bin ich an dem Unheil.
Bitter ist mein Herz, voll Schwermut.
Dich nur, dich nur wollt ich suchen,
Doch ein Zaun bewacht dein Hüttchen
Und im Vorhof bellt der Wachhund,
Deine Pforte ist verriegelt.
Alle Himmel überquellen
Von dem schauerlichen Herbste,
Feucht und naß die Mutter Erde,
Sie will gar nicht trocken werden!
Aber mir kein Tropfen Gnade!
Wolken treiben in die Ferne.
*
Ach die Welt ist schlau und listig,
Ach gekrümmt sind alle Linien
Und gefälscht sind alle Maße.
Keiner reitet edle Rosse,
Nein, man hetzt nur lahme Mähren!
Zwar es gibt noch edle Rosse,
Aber keine guten Reiter!
Edle Rosse kennen Narren,
Werfen Narren aus dem Sattel!
Enten schnattern auf dem Teiche.
Phönix glüht hinan gen Himmel!
Grades fügt sich nicht zum Krummen.
Mir kein Platz ist hier auf Erden!
Amseln nisten in den Büschen,
Doch kein Nest der Phönix findet!
Schweigen muß ich, einsam schweigen.
Früher hörte mich der König.
Wohin traben soll mein Renner?
Wo wär denn ein Nest dem Phönix?
Alte Zeiten sind vergangen,
Ja, die Zeit selbst geht zuende!
Spielzeug will die Welt regieren.
Edle Renner sind verborgen.
Phönix kommt nicht mehr vom Himmel.
Tugendsam sind nur die Tiere.
Mir kein Platz ist hier auf Erden!
Sucht umsonst das Roß den Reiter,
Phönix klagt, verwehrt die Speise.
Warum kam ich in Verbannung?
Meine Treue sieht mein Herr nicht.
Schweigen muß ich, einsam schweigen.
Früher hörte mich der König.
Tief im Herzen brennt der Kummer,
Wasser löschen nicht den Missmut,
Winterfrost macht Tau zu Perlen.
Ach, ich kenne keine Zuflucht.
Schnee fällt nieder, feuchte Flocken.
Ach, die Zeit selbst geht zuende!
Nicht mehr warte ich auf Gnade
Oder Dankbarkeit von Menschen.
Ich verwelke wie die Gräser.
Gerne kehrte ich zum König,
Doch versperrt der Weg zum König.
Andre folgen breiten Straßen,
Doch ich folge nicht den Narren.
Wie verwirrt ich stehen bleibe,
Ist kein Weg zurück, bin einsam.
Diese Welt ist schlau und listig,
Jedermann verwirft den Zirkel,
Jeder Dummkopf fälscht die Maße.
Ich bin ganz allein auf Erden,
Doch mich führt der Alten Weisheit!
Ruhm in böser Welt zu ernten,
Ist gewiß nicht meine Absicht.
Ich bin arm, doch groß mein Reichtum.
Wenig ess ich, bin gesättigt.
Früher sang ein Liebesdichter:
Muße ruiniert die Staaten!
Ziellos schweben die Gedanken,
Einsam wall ich durch die Öde,
Unbestimmt das Ziel liegt vor mir.
*
Länger werden nun die Nächte,
Schwermut waltet mir im Herzen.
Lenz und Herbst, nun nah das Ende,
Gott im Himmel schenkt mir Trauer!
Auch der Sommer geht zur Neige,
Auch das Licht will mich verlassen.
Abends rötet sich die Sonne,
Schmal und blaß die helle Mondin,
Auch das Jahr kommt an ein Ende,
Alter schleicht um meine Wohnung.
Mir zerriß das Herz vor Schmerzen!
Hoffnung brachte nur Enttäuschung!
Bitter brennt mir Groll im Busen,
Tränen löschen nicht dies Brennen!
Eilig fliehen meine Jahre,
Einsam findet mich das Alter.
Welt hat vieles noch zu schaffen,
Ich verharre in der Muße.
*
Wolken dunkeln nun den Himmel,
Klarer Mond wird plötzlich finster.
Mondgleich meine Treue strahlte,
Wolken nun mein Herz verbergen.
Mittagssonne wollt ich zeigen,
Wolken fingen ein die Strahlen.
Selbstlos war ich wie der Heiland,
Makel liegt auf meinem Namen.
Weiser Herrscher Ruhm erstrahlte
Hell bis in den höchsten Himmel,
Doch der Neid der kleinen Leute
Ihnen ihren Ruhm versagte.
Lichte Sonne, volle Mondin
Sind verdunkelt, nicht zu sehen.
Schlimm ist es im Reich der Mitte,
Herrschen Lügner und Verleumder.
*
Du, dein Lotosblütenmantel
Schützt dich nicht vor Winterstürmen.
Hochmut stiftet deine Schönheit,
Hörst du nicht auf deinen Diener.
Weisheit ist nicht dein Ergötzen,
Sondern du suchst Schmeicheleien.
Mengen drängen sich zum Lichte,
Schönheit floh zum fernen Strande.
Träge ist im Feld der Landmann,
Unkraut wuchert auf dem Felde.
Staaten dienen dem Profite,
Unheil naht mit Riesenschritten.
Zwar dein Glanz die Welt verblendet,
Doch die Welt weiß nichts von Schönheit.
Heute stehst du vor dem Spiegel,
Morgen wirst du dich verstecken.
Sterne tragen dir mein Wort zu,
Doch wie rasch die Sterne sinken
Und du hast sie nicht gesehen.
Hoher Himmel ruht verschleiert,
Dunkel ruht die Mutter Erde.
*
Ich bin da, was will ich mehr noch?
Meine Seele schwebt mit Wolken
Und mein Geist tanzt mit Äonen,
Ja, ich tanze mit den Engeln!
Schau, mir folgen Regenbögen,
Brechen durch der Lüfte Schwüle.
Scharlachvogel mir zur Linken,
Grüne Schlange mir zur Rechten.
Donnerbrüllen ist mein Wagen
Und ich reite auf dem Sturmwind.
Ja, ich reise in die Leere
Und zerflattere im Winde,
Reiter reiten durch den Himmel,
Weiter ziehe ich zum Ziele,
Nichts bringt ab mich von dem Wege,
Ja, ich eil zum Thron des Himmels!
*
Will den Doppelberg besteigen,
Gottmensch, ferne mit dir schweifen!
Will den Doppelberg besteigen,
Gottmensch, ferne mit dir schweifen!
Ziehen durch die Feenberge,
Schweifen zu der Geisterinsel,
Wirbeln bis zum Rand der Erde,
Gottmensch, nur mit dir zusammen!
Finden möchte ich das Kraut
Und das Elixier des Lebens,
Will zehntausend Jahre leben!
Singend sang ich meinen Wunsch:
Will den Doppelberg besteigen!
Himmel dauert, Erde dauert,
Menschen aber dauern kaum.
Einer, sagt man, ward nicht alt,
Andre fanden Gottes Weg,
Jedenfalls erlangten sie
Die Unsterblichkeit des Lebens.
Singend sag ich meinen Wunsch:
Will den Doppelberg besteigen!
Mond und Sonne, wie sie leuchten,
Nichts, das nicht ihr Licht erleuchtet,
Mond und Sonne, wie sie leuchten,
Nichts, das nicht ihr Licht erleuchtet,
Wunderbare Wandlung wirkend!
Wertvoll ist allein der Mensch!
Auf dem ganzen Erdenrunde
Jeder dient dem Himmelskaiser.
Liebe und Gerechtigkeit!
Tugend! Schönheit und Musik!
Singend sag ich meinen Wunsch:
Mond und Sonne, wie sie leuchten!
Immer neu die Jahreszeiten,
Tag und Nacht im Wechsel allzeit,
Immer neu die Jahreszeiten,
Tag und Nacht im Wechsel allzeit.
Große Männer folgen Gott,
Gott beherrscht die großen Männer!
Traure nicht, die Zeit vergeht!
Denk, die Welt ist nicht in Ordnung!
Ewig Werden und Vergehen,
Darum kümmern sich nur Narren!
Singend sag ich meinen Wunsch:
Immer neu die Jahreszeiten.
Traurig! Was soll der Gedanke?
Lustig! Alles geht dahin!
Traurig! Was soll der Gedanke?
Lustig! Alles geht dahin!
Kraft und Weisheit auch vergehen?
Aber diese Zeit zu lieben,
Welchem Wesen soll das dienen?
Nur wie Flugsand hinzutreiben,
Das hat wahrlich keinen Sinn.
Singend sag ich meinen Wunsch:
Traurig, traurig! Ach was soll das?
*
Stumpf geschrieben ist mein Pinsel
Aus den Haaren wilder Hasen,
Meine Lieder sind so schwer
Wie nur Büffel tragen können.
O wie rasend tanzt mein Pinsel!
Panther, Schlangen so entstehen.
Schau, mein Ärmel tanzt im Wind,
Rührt die Wolke an im Himmel!
Die Barbarenmädchen singen,
Diese beiden Mädchen singen,
Wechseln ihre Melodien,
Singen bis zur Morgenröte.
Meinen Becher will ich heben,
Fordere den Schnee heraus,
Dich, den reinen Schnee von Norden!
Ich kann trinken auch wie du,
Trink genauso viel wie du!
*
Schau, mein Fuchs mit weißer Nase
Rücklings trägt den Silbersattel,
Die brokatne Decke drauf,
Schützend vor dem Schmutz der Erde.
Wenn der Regen und der Lenzwind
Bringen Blütenschaum zu Fall,
Schwingt der Reiter seine Peitsche
Und begibt sich in die Schenke
Zur Barbaren-Kellnerin.
*
Mit zwei weißen Edelsteinen
Will ich deine Schwäne kaufen,
Deine beiden weißen Schwäne
Glänzen weiß wie weiße Seide.
Weißer Neuschnee muß sich schämen
Vor der Weißheit deiner Schwäne!
Deiner weißen Schwäne Schatten
Sinken in den Jadeteich
Und sie putzen ihre Flügel
Zwischen grünen Jadebäumen,
Schleiergleichen Trauerweiden.
Ruhig liegen sie des Nachts
In dem klaren Mondenschimmer,
Morgens wallen sie gemütlich
Durch die Blüten auf der Erde.
Diese Schwäne will ich haben,
Ich begehre dies Gevögel,
Möchte auf dem sanften Hügel
Mit den beiden Schwänen spielen!
Kannst du dich von ihnen lösen,
Willst du sie mir anvertrauen,
Möge mir der Überbringer
Dieser Verse das Gevögel
Bringen doch im Bambuskäfig.
*
Große Wagen wirbeln Staub auf,
Mittags sind die Wege dunkel.
Reich an Schätzen die Eunuchen,
In den Wolken ihre Häuser!
Sah heut einen Kampfhahn-Züchter,
Imposant sein Sonnenschirm,
Ward sein Haupt zum Regenbogen.
Alle sind von Furcht erfüllt,
Die des Wegs vorüber wandeln.
Wer kennt heute einen Greis,
Der sich rein wäscht seine Ohren?
Wer kann zwischen einem Kaiser
Und den Räubern unterscheiden?
*
Gelber Strom eilt in das Ostmeer,
Sonnenglanz versinkt im Westmeer.
Wasser wandern, Strahlen fliehen,
Warten nicht mehr aufeinander.
Ach, die frühlingsgleiche Schönheit
Hat mich leider auch verlassen!
Lebensherbst macht grau mein Haar.
Ja, die menschliche Natur
Ist nicht Zedern zu vergleichen.
Wie denn könnt des Menschen Aussehn
Mit den Jahren sich nicht ändern?
Steigen will ich in die Wolken
Und das Licht des Himmels trinken
Und die Zeit zum Stillstand bringen!
*
Ging zum Pavillon im Osten,
Ach, ich hab dich nicht gefunden!
Ging am Strande mit den Reihern,
Doch die Reiher flogen fort.
Weiße Winterflocken fielen
Nieder auf die grünen Hügel.
Will ich an den fernen Fluß,
Scheu ich nicht die weite Reise,
Ob beim schönen Berge Wellen
Auch wie Pantheraugen drohen.
Ach, die Rhododendron-Blüte
Hat sich eben erst geöffnet,
Doch der Frühling ist vorbei.
Doch um nun zurückzukehren
Und im Strom den Fisch zu angeln,
Ist es leider jetzt zu spät.
*
Wächter kommen. Unterbrochen
Der Verkehr. Die Straßen leer.
Schreie hör ich von der Grenze,
Schreie einer wilden Gans,
Unterm Himmel hörts mein Ohr.
Herbst ist. Weißer wird der Tau
In der Nacht, die heute herrscht.
Mond in meiner Heimatstadt,
Du bist voll des schönen Lichts!
Meine Brüder sind zerstreut,
Ach, ich habe keine Heimat,
Ob sie tot sind oder leben,
Laßt es mich erfahren, Brüder,
Briefe kommen nicht zu mir
Und die Waffen schweigen nicht.
*
Im September wüten Winde
Leidenschaftlich noch im Herbst!
Schilf flocht ich vor meinem Haus,
Halme flogen übers Wasser
Und bestreuten seine Ufer.
Hochgeschossen manche Halme,
Andre haben sich verfangen
An den Zweigen dunklen Waldes,
Andre sind herabgefallen
Und sie wirbeln hin und her,
Drehen sich, bis sie verschwinden
In den Teichen und den Schluchten.
Aus dem Dorf im Süden kommt
Eine Schar von kleinen Knaben,
Nutzen meine Schwäche aus,
Stehlen alles, was ich habe.
Doch ich musste es ertragen,
Wie sie alle meine Halme
Trugen in den Bambushain.
Bis der Mund mir brannte, rief ich,
Bis die Lippen aufgeplatzt,
Aber alles in den Wind!
Also kehre ich zurück,
Stütze mich auf meinen Stab,
Seufze leise vor mich hin.
Bald ließ nach der wilde Sturm.
Tintenfarbne Wolken zogen
Durch den Himmel in der Nacht.
Meine weiche Baumwolldecke,
Die ich schon seit Jahren habe,
Plötzlich ward sie kalt wie Eisen.
Die verwöhnten Kinder haben
Strampelnd in dem Schlaf zerrissen
Meine weiche Baumwolldecke.
Undicht überm Bett das Dach,
Nirgends bleibt ein trockner Fleck,
Regen rann wie eine Hanfschnur,
Seit der Rebellion gefunden
Hab ich nur noch wenig Schlaf.
Ach die lange nasse Nacht!
Wie soll ich der Nacht entgehen?
Könnt ich eine Hütte bauen,
Tausend mal zehntausend Zimmer,
Groß genug, um Schutz zu bieten
Allen Weisen unterm Himmel!
Wären dann die Weisen glücklich?
Sturm und Regen könnten nicht
Diese Hütte je erschüttern.
Dieses Haus wär fest wie Felsen.
Könnt ich dieses Haus nur sehen!
Würde mir mein Zelt zerrissen,
Würde ich erfrieren, könnte
Ich getrost und friedlich sterben.
*
Heftig ist der Wind. Vom Berg
Schau ich in den hohen Himmel.
Affen schreien ihre Klagen.
Fluß, du bist wie hartes Glas.
Weiß erstrahlt im Fluß die Sandbank.
Drüber schwingt sich das Gevögel.
Von den Bäumen fallen Blätter,
Wirbeln nieder auf die Erde.
Ewig strömt der Strom dahin!
Kommt der Herbst, so fühl ich Schwermut,
Geht der Herbst, so fühl ich Schwermut.
Ich bin tausend Meilen fern
Immer auf der Pilgerreise.
Oft schon war ich krank im Leben.
Steh allein auf der Terrasse,
Weiß wie Reif mein Haar vor Kummer.
Immer wieder neu vor mir
Steht der Becher mit dem Wein!
*
Tau sinkt nieder von dem Himmel,
Klar das Wetter ist im Herbst.
Nachts allein auf öden Bergen,
Schlägt ein Schrecken meine Seele.
Lampen leuchten aus der Ferne,
Liegt ein Segelboot vor Anker.
In der Höhe steht der Neumond.
An dem Waschplatz lärmt das Waschbrett.
Astern blühen in dem Süden,
Aber ich lieg krank darnieder.
Kommt kein Brief zu mir aus Norden,
Kein Erbarmen kennt die Wildgans!
Einen Schritt an meinem Stock,
Blicke ich zum Hirtenstern
Und zum Scheffelstern im Norden.
Ach der weiße Sternenstrom
Mündet doch in weiter Ferne
In die Phönixstadt von Jade!
*
Wie Smaragd ist grün der Fluß,
Unerbittlich weiß der Vogel!
Blau die Berge, unerbittlich
Blüten sind wie heiße Flammen!
Ach der Frühling ist vergangen,
Abermals betrachte ich
Die Vergänglichkeit des Lenzes
Und ich frage nach der Stunde,
Nach der Stunde meiner Heimkehr.
Abends schenkt ein Streifen Sonne
Die Gemeinsamkeit der Schönheit
Dem Gebirge und dem Fluß.
Frühlingslüfte tragen Düfte,
Gräser duften, Blüten duften.
Schwalben tragen weichen Lehm.
An dem weichen Strande ruhen
Enten in dem Schlaf vereint!
*
Die geflochtne Hütte liegt
An dem Fuß der alten Mauer.
Manchmal steige ich hinauf,
Steige auf die alte Mauer.
Die gehört nicht dem Vergangnen,
Menschen auch der Gegenwart
Kommen, gehen nach Belieben.
*
Nieder sinkt die Sonne, zwischen
Dunklen Kiefern weht der Wind.
Also kehre ich nach Hause,
Feucht das Gras von Abendtau.
Wolken streifen meine Schritte.
Die Eisvögel im Gebirge
Rühren an der Menschen Kleider.
*
Hoch die Aprikosenhütte,
Oft steig ich dahin hinauf
An dem Abend eines Tages.
Zu dem Gipfelgrat im Süden
Und zum Teiche in dem Norden
Schaue ich nach vorne aus,
Wende mich dann wieder um.
*
Hell erstrahlt das Wasserbett,
Bald gewunden, bald gerade.
Dicht der kleine grüne Bambus.
Gradeaus des Weges Strecke,
Die verbindet hohe Berge.
Singend schaue ich im Gehen
Nach den alten Bergesgipfeln.
*
Wenn der Tag sich neigt am Abend,
Dann erscheinen kühl die Berge.
Einsam wandre ich als Fremdling.
Was geht vor im Kiefernwald?
Spuren kann ich sehen von
Scheuen Hindinnen und Hirschen.
*
Dunkel wird es, sinkt die Sonne,
Der Gesang der Vögel mischt sich
Mit dem Plaudern reinen Baches.
In die Tiefe geht der Weg.
Wann nur endet diese Stimmung
Der verborgnen Einsamkeit?
*
Pfefferduft und Zimtduft mischt sich,
In die Höhe wächst der Bambus.
Streiten Sonne und Gewölke,
Muß man in dem Dickicht frieren.
*
Vor dem Tor der Weg des Tempels
Führt hinab zum Schönen See.
Ach wie liebe ich das Kommen
Goldnen Herbstes und des Regens
Und des Fallens bunter Blätter,
Blätter, welche keiner fortfegt.
*
Vor der Halle wogt das Wasser,
Schwindet in die weite Ferne.
Einsam geht der Mond den Weg.
Affen schreien in dem Tal.
Aber wenn der Wind sich dreht,
Weht der Wind hinein zum Fenster.
*
Einsam ist das Boot dem Wind
Und den Wellen anvertraut.
Aus dem Wasser ragt hervor
Stillen Sees des Südens Hügel.
Abends geht die Sonne unter,
Sagt man, an dem Westgebirge.
Klare Wellen bilden eine
Grenzenlose Wasserfläche.
*
Weit das Wasser ist des Teiches,
Blauer Glanz wie Himmelsglanz.
Legt das Boot an, muß ich seufzen,
Doch es kommt ein reiner Wind.
*
Blau der Spiegel ist des Teiches,
Wind erregt ihn, Seide schimmert.
Der geflochtnen Trauerhütte
Fand ich einen stillen Ort.
Soll auf Stunden ich verzichten,
Wie der Dichter einst sie hatte?
*
Baches Rauschen füllt das Ufer,
Zu der Furt des Südens geh ich.
Enten schwimmen, Möwen fliegen,
Nähern manchmal sich den Menschen.
*
Still ist dieses kleine Wasser,
Ist wie Gold und grüne Jade,
Fast dass man sie fassen könnte!
In der ersten Morgenfrühe,
Da die Blüten blass noch sind,
Geh ich einsam Wasser schöpfen.
*
Steig den Stein hinab zum Wasser,
Wo ich spiele mit den Wellen,
Wo unendlich die Empfindung.
Abends ruhig sinkt die Sonne,
Kühle aufsteigt aus dem Fluß.
Wolken schwimmen, offenbaren
Transparenten Herbstes Klarheit.
*
In dem Süden aufgestiegen,
Steige ich herab im Norden.
Die geflochtne Trauerhütte
Einsam schaut zum Schönen See.
Will da einer Brennholz sammeln,
Kommt vom Schilf hervor ein Boot.
*
Hütte in dem Bambushain,
Licht und Weg sind mir vertraut.
Vögel über dem Gebirge.
Einsam und verborgen ist
Doch kein Mensch auf dieser Welt.
*
An der Mauer Frühlingsgrün,
Die Zikaden zirpen dort,
Dort sind auch Magnolienblüten,
Mischen sich mit dem Hibiskus.
*
Ja, ich lieb die schöne Muße,
So vollend ich meine Werke.
In der Harmonie der Muße
Kann man trotz Versprechen schlafen.
Heute in dem Lackbaumgarten
Bin ich frei wie Philosophen.
*
Scharfe rote Dornen ritzen
An des Menschen Seidenkleid.
Duft bleibt hängen an dem Fremden,
Der vorbei gegangen ist.
Das ist schön, dass diese Blüte
Gut ist für den Opferbecher!
Ach ich wünschte, lieber Herr,
Daß du dir die Blüte pflücktest!
*
Gehst zur Tür hinaus, gegürtet,
Wann kommst du zum Tor zurück?
Als du Brautgeschenke schicktest,
Sagtest nichts du von der Grenze.
Ach dass wir uns trennen müssen!
Warum nahmst du mich zur Frau?
Kriegsdienst leisten muß der Mann,
Doch verdirb mir nicht die Jugend!
An die Front will ich dir folgen.
Wer vermag es, in der leeren
Wohnung einsam alt zu werden?
*
Alte Leier in der Truhe,
Wer erinnert sich an dich?
Jadestege abgefallen,
Rote Saiten wurden schwarz.
Tausend Jahre alte Noten
Geben heute keinen Sinn.
Niemand überliefert mehr
Melodien von alten Liedern.
Ungeziefer in der Leier
Und verfärbt ist sie von Staub.
Auch der Name des Erbauers
Ist schon lange nicht mehr lesbar.
Doch wenn einst im Reich der Mitte
Die Musik der Alten klingt,
Singt man von dem Tor des Himmels
Lieder schön zu dieser Leier.
*
Ach die Nacht ist kurz im Frühling,
Klein die traute Lampenflamme.
Staub verdorben hat die Schriften,
Augen schmerzen übermüdet.
Steif die Glieder vom Studieren,
Kummer überfällt mich quälend.
Folg ich den Gedanken nach,
Ist ihr Anfang schon verloren.
Find ich die Idee, die eine,
Zehn Ideen sind verloren.
Lerne du in deiner Jugend,
In dem Alter fällt es schwer.
Schieb beiseite ich die Bücher,
Ach mit wem sollt ich dann reden?
Ich bin selber mir zur Qual!
*
Öffnen unterm Schnee sich Blüten,
Fühlte keiner noch die Ahnung.
Ziehen wir herab den Zweig,
Schaun uns an und staunen sehr!
Rasch herbei, du treuer Wein,
Trunken feiern wir im Garten!
Wir erblickten ja als erste
Dieses Jahres neue Blume!
*
Über Bäumen am Gewässer
Neigt sich schon herab die Sonne.
In der Ebene die Wiesen
Uferlose Meere grün.
Menschen gehn, doch sehen nicht,
Wie der Frühling älter wird.
Pavillon der Üppigkeit
Und der Wonne! Menschen kommen,
Menschen gehen rasch vorbei,
Treten auf gefallne Blüten.
*
Auf der Birnenblüten Schnee
Und der Pfirsichblüten Röte
Schwebt wie Perlen keuscher Tau.
Trauerweide lässt den grünen
Seidenschleier traurig hängen,
Ihre Robe zeigt die Wiese.
Wind streicht übers Wasserbecken,
Leichte Wellen heben sich
Fast wie an dem Meeressaum.
Kostet er auch hundert Münzen,
Kauf du dir genügend Wein,
Trinke selig aus und schwanke!
*
Wenn du langsam älter wirst,
Spürst du, wie die Zeit enteilt.
Wer im Nichtstun müßig geht,
Spürt des Tages Langeweile.
Tage wissen nichts von Mitleid,
Monde kennen kein Erbarmen!
Doch mein Herz, das menschlich ist,
Kennt die Muße und die Arbeit.
Angestrengter Kraft gewinnt
Noch der Dichter seinen Ruhm.
Einst wird stehen noch ein Denkmal
An der Stätte seines Grabes.
Ruhig schlendert unter Bäumen
Voll Gelehrsamkeit der Weise.
Ferne sieht er Gräberstätten.
Für Unsterblichkeit auf Erden
Ist kein Heilkraut euch gewachsen!
Dichter, nimm den jungen Wein!
Jungen Wein in schlanken Kelch!
*
Buntes Boot, voll Wein die Fässer,
O wie lieblich ist der See!
Saitenspiel und Flöte tönen,
Volle Jadekelche kreisen!
Ruhig treib ich auf den Wellen,
Sinke sacht in trunknen Schlummer.
Wolken segeln unterm Boot,
Luft und Wasser klar und rein.
Auf und ab! Das Auge staunt:
Wohnt im Grund des Sees der Himmel?
*
Von den grünen Weiden draußen
An dem sandigen Gestade,
Aus der Stadt und ihren Mauern
Ist des Winters Frost gewichen.
Blumenschatten überall.
Amseln blasen schön die Flöte.
Ich allein bin ruhlos, einsam.
Von den Schmerzen unsrer Trennung
Ist der Gürtel weit geworden.
Nicht zu sehen mehr die Liebste,
Sinnlos sitze ich allein
Unter saphirblauen Wolken.
Ach, als ich die Fee getroffen!
Wir verweilten miteinander
Wie ein Entenliebespaar.
Wo ich einst an ihrer Seite
Still vertraut mit ihr spazierte,
Wer wird heut mit ihr spazieren?
Alternd schau ich in den Spiegel,
Sehe meine rote Nase!
Ach dahin der Frühling, ach!
Von dem Wind verweht die Röte
Der zehntausend Blütenblätter.
Wie ein Meer ist meine Trauer!
*
Die Zikaden zirpen klagend
Über weißen Tau des Herbstes.
Goldgestickt im Seidenvorhang
Liebesentenpaar verweint.
Auf dem Bett alleine, fröstelt
Ihre jadeweiße Haut.
Ach der Kummer ist unendlich,
Grenzenlos die dunkle Nacht!
Kalten Nordwinds scharfes Blasen
Hebt den bunten Fenstervorhang,
Regen fast das Licht verdunkelt,
Schlaflos lange währt die Nacht.
Krähen schreien überm goldnen
Kalten Brunnen kalten Wassers.
*
In dem Jaderaum verschlossen
Ohne Liebe die Geliebte!
Niemand teilt die kalte lange
Winternacht mit der Geliebten.
Tief beschämt betrachtet sie
Jenes Entenliebespaar,
Zaubervogelin und Phönix
Auf der Decke und dem Kissen.
Einsam legt sie sich ins Bett,
Geht in ihren Kleidern schlafen.
Plötzlich ruft der Klang des Hornes
Draußen von dem hohen Stadttor
Und zerreißt mir meinen Traum!
Ach vor meinem Fenster nachts
Nichts als kalter Mond und Reif.
Viel zu tief hat sich ihr Lied
Von dem Pflaumenblütenspiel
Eingeprägt in meine Seele!
*
Blüten fallen ab wie Träume,
Alles ist so kalt und trostlos!
Moschusduft veratmet auch.
Wieder sinkt die Sonne abends
Hinterm schlanken Turm im Westen.
Schmerzen, Schmerzen ohne Ende
Zehren sehr an meinem Herzen!
Niemand weiß von meinen Leiden!
Meine einzige Erquickung
Ist es, Poesie zu lehren
Einem Papagein im Käfig,
Den sich hält die Nachbarin,
Jenes engelgleiche Mädchen!
*
Feuchte Wolke lastet schwer
Auf dem Gipfel des Gebirges!
Schattenbilder schauern kalt!
Alle Blicke so voll Argwohn!
Nebel schwindet, Rauch verfliegt.
Ach, erscheint mir jetzt die Göttin?
Fragen werde ich die Göttin:
Ist das Leben nur ein Traum?