Von Josef Maria Mayer
DAS PALLADIUM
O Muse, Tochter Zeus’ und Mnemosyne,
Sing du der Griechen großen Sagenkreis,
Den Raub der Helena und Trojas Sühne
Und singe von der Göttin schön und weiß,
Die gab, daß Paris Helena begehrt,
Die Pergamos in Feuer hat verzehrt.
Ich bin der Sänger Zeus’, der droben wohnt
Und welchen angerufen Troja hatte,
Daß er vor seinem Zorne sie verschont,
Der Charis Vater und der edle Gatte
Der Königin, an welche Troja glaubt,
Gebärer schöner Weisheit aus dem Haupt.
Und Ilion rief flehende Gebete,
Da sie die Burg in Asien gegründet,
Zur Götterstadt im Himmel, Stadt der Städte,
Wo Zeus regiert, der Vater Zeus: Gesündet
Hat Troja, Vater! gib ein Zeichen uns,
Daß du uns liebst, ein Wort gib deines Munds!
Brandopfer ihrer innigen und ganzen
Hingabe flammten auf an den Altären,
Propheten singend den Altar umtanzen
Und rufen an die Göttin aus den Meeren,
Die Mutter schöner Liebe, daß sie gebe
Daß Tros den Göttern wohlgefällig lebe.
Da stieg der Rauch der Opfer und Gebete
Zu Zeus hinan, dem König aller Götter.
Sein langer weißer Bart im Winde wehte
Und seine Stimme sprach wie Donnerwetter
Und donnerte durchs ganze Himmelreich:
Mein Töchterchen Minerva komme gleich!
Die Tochter Zeus’, die Jungfrau mit den holden
Violenblauen Augen kam heran.
Gold war der schönen Charis Gürtel, golden
Der Himmelskönigin Sandalen an
Den bloßen Füßen, golden war der Flaum
Auf der Minerva Arm, ein holder Traum.
Sie kam herangeschwebt so lind und leise
Und setzte sich zu ihres Vaters Füßen.
Sie blickte aus den blauen Augen weise
Und sagte leise mit dem honigsüßen
Gesang der Stimme, mit der Weisheit Hönig:
O was begehrt mein Vater und mein König?
O Ewiger, ich bin dein Töchterlein,
Aus deinem Haupte hoben deine Hände
Jungfräulich mich, bekleidet keusch und rein,
Seit jeher bin ich deine Magd. So sende
Wohin du immer willst die Jungfrau nur.
Wen soll ich segnen dort in der Natur?
Ja du hast recht, sprach Zeus, ich möchte segnen,
Mit Segen segnen alles Volk von Tros,
Zum Zeichen meines Bundes soll es regnen
Im Frühling im Gefild von Pergamos
Und Sonne scheinen soll in Troja auch
Und Iris hauche holder Hoffnung Hauch.
Ja Tochter, meine Botin Iris möge
Am Himmel malen ihren bunten Bogen,
Die sieben schönen Farben sind die Wege,
Auf denen Göttliche zu wandeln pflogen
Hernieder und hinan, denn himmlisch heiter
Ist Iris’ Bogen eine Himmelsleiter.
Auf dieser Himmelsleiter steige du
Jungfräulich gleich nach Asien hernieder
Und bringe meine Segensgrüße zu
Dem Volke der Trojaner, komm dann wieder,
Doch laß auf Erden dein Palladium,
Für meine Nähe ein Mysterium.
Zeus sprachs. Und gleich stand das Palladium
Als Allerheiligstes in Ilion,
Der Weisheit Gegenwart, Mysterium
Der Liebe Zeus’, der Burg gespendet von
Minerva. König Priamos verehrte
Die Friedenskönigin, die Schildbewehrte.
Da traten aus der Nacht die Parzen vor,
Drei Moiren mit den Schicksalslosgeweben.
Sie sangen ihren schauerlichen Chor:
Komm Liebe! Troja mög im Grund zerbeben,
Zerschellen an des Mittelmeeres Saum,
Durch eines Weibes Wollust - süßen Traum!
Der Seher kündete das dunkle Los,
Das er gelesen aus des Schicksals Gründen:
Hekuba wird aus ihrem Mutterschoß
Gebären, der uns wird zu unsern Sünden.
Das Kind, das Priamos geboren wird,
Ist Trojas Brand, den ihm das Weib gebiert.
Hekuba jammerte und Priamos,
Als Asiens Völkermutter schwanger ward:
Der Stern des Unheils über Pergamos
Trifft uns mit seinen heißen Strahlen hart,
Ausweichen müssen wir dem Schicksal - wenn
Es möglich wär uns Unterworfenen!
Das Kind ward in die Wildnis fortgebracht
Von einem Sklaven, der es morden sollte.
Doch über seinem Schwerte Mutter Nacht
Und Zeus mit seinem Zornesblitze grollte.
Da gab der Knecht den königlichen Sohn
An einen Hirten nahe Ilion.
Der Hirte zog den Knaben auf und nannte
Ihn Alexander: Männerüberwinder.
Von Fürstenblute war der Unbekannte
Und Fremdling in der Schar der Hirtenkinder.
Anmut und Stolz die Lippe ihm umblühte,
So wuchs er auf und reifte im Gemüte.
Er hütete die Herden auf den Weiden
Und ruhte in dem Schatten hoher Wipfel,
Als ihm erschien ein Mädchen weiß und seiden
Im Dunkel leuchtend auf des Ida Gipfel.
Da traf ihn Amors Pfeil mit Honigglut,
Entflammte Paris’ königliches Blut.
Önone floß das dunkelblonde Haar
In Locken auf die Schultern weiß verhüllt.
Die Augen waren groß und wunderbar
Und wie der grünen Mondin Ebenbild.
Fließendes Licht die herrliche Erscheinung
Schien himmlisch, alles Irdischen Verneinung.
Sie war die Erste Liebe jenes Paris,
Den alle Bauern Alexander nannten.
Er liebte sie so sehr, daß Göttin Charis
Und Eros heiß in Eifersucht entbrannten!
Da sandte Eros seine Gallespitze
Ins Herz Önone gleich Zeus Wetterblitze.
Önone gleich dem Jüngling Paris grollte
Und wandte sich zu einem blöden Bauern
Mit blauem Stoppelbart. Denn Paris sollte
Das Schicksal Asiens und Trojas Mauern
Erfüllen mit verschmähter Liebesglut.
Da lächelte die Göttin auf der Flut.
Und Eros legte seinen Bogen nieder
Und Charis eilte zu dem Hochzeitsfest,
Da Hymnen tönten, Hymenäus-Lieder,
Weil sich zu einem Sterbling niederläßt
Die Göttin Thetis, blau wie Meer und blank.
Da reichte wer des Apfels Frucht zum Zank:
Wer ist die schönste Göttin von den allen?
Die Himmelskönigin mit Goldsandalen?
Die Jungfrau, deren Bild nach Tros gefallen?
Die Liebliche, die alle Maler malen?
Und Charis lächelte, des Sieges sicher,
Als alle Königinnen königlicher.
Und Amor nahm die Feder einer Taube
Und strich der Charis ihre Taubenbrust.
Da sang die Nachtigall der Myrtenlaube
Und seufzte nach dem Rosenstock voll Lust,
Da sang Elysium der Schwanen-Genius,
Als er den Mund geschaut der schönen Venus...
DER APFEL DER SCHÖNHEIT
Und Paris ging in seinen Weidegründen
Bei dunkler Pinien süßem Wehmutschatten
Um die Erinnerungen aufzufinden,
Die ihm Önones schöne Augen hatten
In seine Hirtenseele eingeprägt,
Wie Licht des Mondes sich ins Moosbett legt.
Der Wind von Süden murmelte im Laub
Und Mondschein silberte die grünen Blätter,
Der Mondentau befeuchtete den Staub
Und Vöglein sangen in dem Sommerwetter
Ein süßes Schluchzen süßer Liebesleiden
Und Lämmer lagen schlummernd auf den Weiden.
Und keine Nymphe zeigte sich im Strauch,
Den Liebeskranken liebenswert zu trösten.
Und einsam war die Mondin, einsam auch
War Paris, welcher nicht einmal zum Größten
Der Götter rufen konnte, so verstummt
Ging Paris in sein Lammfell eingemummt.
Da nahm er sich aus seiner Hirtentasche
Die Hirtenflöte, das geschnitzte Rohr,
Und blies, als ob er nach dem Winde hasche,
Und seine dunkle Klage sich verlor
In die unendlich abgrundtiefe Nacht,
Da sehr verloren der Verlassne wacht.
Zur Linken lag ihm Asien so dunkel,
Zur Rechten der Europa Griechenland,
Sein Herz dazwischen, blutiger Karfunkel,
Zerrissen innerlich, doch unverwandt
Er starrte in des Herzens tiefe Gründe,
Ob er Önones schöne Augen finde.
Da tauchte aus des Herzens Tiefe auf
Und aus dem Himmelreich der dunklen Nacht
Ein Licht wie ein Gewölk in vollem Lauf
Und wie Gesänge voller süßer Pracht
War ums Gewölk der Herrlichkeit ein Singen,
Da leis sich drei Personen näher schwingen.
Und vor den trauervollen Jüngling trat
Die Himmelskönigin im blauen Kleid
Bestickt mit Sternen und dem Pfauenrad.
Der Götter Mutter sah des Paris Leid
Und blickte voller Huld auf seine Trauer,
Daß ihn durchschauerte ein ernster Schauer.
Da neigte er sich, Hera zu begrüßen,
Die ihn umgab mit himmelblauen Strahlen.
Er lag vor ihren schmalen bloßen Füßen,
Den duftenden in goldenen Sandalen.
Und da hob Hera ihre Himmelsstimme
Erhabner Hoheit und mit sanftem Grimme:
Die Königin des Universums fragt
Den trauervollen Hirten: Ist sie ihm
Die Allerschönste? Wenn er solches sagt
In dem Geheimnis des Gesprächs intim,
Macht Hera ihn zum Völkerhirten gleich,
Wie Mazedoniens Alexander reich.
Die Göttin überleuchtet ward von der
Erhabnen Tochter Zeus, der Jungfrau weise,
Die trug den schwarzen Mantel samtenschwer
Und ihre süße Stimme klang sehr leise,
Dieweil sie ihn ansah aus blauen Augen,
Aus denen möchte jeder Weisheit saugen.
Ein schwarzer Schleier ihr das Haupt umwallte,
Umkränzt von silbernem Olivenkranz.
Wie göttliche Erinnerungen hallte
Die Stimme aus dem Antlitz voller Glanz,
Daß Paris wollte gleich die Jungfrau grüßen
Und ihr die schlanken weißen Hände küssen.
Blauäugige Minerva, schön bist du,
Du holde Jungfrau voller Anmut lind.
Dein Reden reicht mir in das Herz die Ruh
Und ist für meine Seele Salböl lind.
Minerva sagte: Meine Schönheit preise,
Dann mach ich dich wie meinen Platon weise.
Da zuckte auf ein Feuer im Gewölke
Und Paris ward ein Scheit in Feuersglut.
Die Glut fraß seine inneren Gebälke,
Die Herzenskammer ward von Meeresflut
Und Spritzern weißen Schaumes überschwemmt.
Da sah er Aphrodite, die sich kämmt!
Aus perlmuttfarbnem Horn geschnitzt der Kamm,
Den sie aus hochgesteckten Haaren zog.
Sie wrang die Haare aus wie einen Schwamm,
Die Haare naß von schaumigem Gewog,
Dann ließ sie ihre Hennalocken wallen,
Die ihr bis zu der schönen Hüfte fallen.
Orangen war ihr Mantel umgeschlungen
Und grün wie Maienmyrten war ihr Rock.
Auf Idas Gipfel junge Zicklein sprangen
Und Widder blökte laut und Ziegenbock
Und Lämmer liefen an dem Hange nieder:
Sie spielte mit den Feuerlocken wieder.
Dann wand sie sich aus ihres Mantels Glühen
Und ließ den Rock wie grüne Wogen fallen:
Entblättern Rosen sich in Morgenfrühen,
Den Tauben ihre Taubenbrüste wallen:
Und Rock und Mantel sanken erdenhin
Und Venus stand im Seidenkleid hauchdünn.
Vollkommene Figur so süß umfloß
Die transparente hingehauchte Seide.
Sie hielt die Lockenflut vor ihren Schoß
Und barg den Urquell allem Lust und Leide
Und barg mit ihren roten Lockenspitzen
Der taubenweißen Brüste rote Spitzen.
Da schüttelte die Göttin ihre Locken,
Da schwankten an den Ohren Silberketten,
Da fielen aus den Locken Blütenglocken:
O sich in diesen Blüten süß zu betten
Und zu entladen lüsterne Beschwer
War Paris’ gänzlich trunkenes Begehr!
Um ihren nackten weißen runden Arm
Trug sie gewunden eine Silberspange.
Die Augen glühten glühendheißen Charme,
Da stand er wie ein Hase vor der Schlange
Und wollte in der Augen Feuermeeren
Von dieser Schlange lassen sich verzehren!
Gleichgültig ob er Weiser oder Sieger -
Als Tor und Unterliegender er wollte
Gefressen werden von dem Weib, dem Tiger
Hirkaniens, dem er als Fleisch sich zollte
Zum Opfer, diese Bestie zu versöhnen:
Der Grausamsten gab er den Preis der Schönen!
O, dieser Apfel, aller Schönheit Preis,
Gebührt den Äpfeln deiner runden Brüste!
Ah, gib mir nichts! denn gäbest du, ich weiß,
In Todes Abgrund stürzten mich die Lüste,
Die ich von Aphrodite kann empfangen,
Der Himmlischen, umschlungen von den Schlangen!
Wie eine braune Bärin kommst du, hart
Ist deine schreckensvolle Grausamkeit,
O liebliche Urania mit Bart -
Lustspenderin und aller Menschen Leid,
Gewaltig deine Schönheit, groß, sehr groß
Ist deine Liebe, ist des Grabes Schoß!
Da lächelte die Göttin süß betörend
Wie Nachtigallen, Turteltauben, Rosen
Und sang so honigsüß, und Paris hörend
Vernahm ihr Girren, Gurren, Schmelzen, Kosen:
Geliebter Jüngling, lieber Hirte Paris,
Ich bin die Gnadenvolle, ich bin Charis!
Für deinen Lobpreis, deiner Seele Schau,
Geboren aus der größten Liebe ja,
Verheiß ich dir die allerschönste Frau
Ganz Griechenlands, die schöne Helena,
Mit ihr erlebe du der Liebe Glück -
Bis ewig du zerschmilzt in meinem Blick!
RAUB DER HELENA
Gesandt von seiner Liebesgöttin Charis
Ging von dem Ida-Weidegrund nach Tros
Der göttlichüberwältigte Hirte Paris
Und dort entdeckte er sich Priamos
Als Königssohn. Und gleich durch dies Entdecken
Durchfuhr die Königsgatten heißer Schrecken.
Und Paris trat in seiner Brüder Rat
Und stand da herrlich an dem Säulenpfosten
Und rief die Jugend aus dem ganzen Staat
Zu einer Reise, die von Tros im Osten
Nach Sparta gehen sollte fern im Westen.
Er rief, als riefe er zu Hochzeitsfesten:
Euch, Brüder, les ich aus der Liebe Charta,
Mir von der Göttin überreicht. Vertrauen
Müßt ihr Urania: Im Lande Sparta
Erwarten, Brüder, euch die schönsten Frauen!
Die Allerschönste aber wartet da
Auf Paris nur, die schöne Helena!
Rief einer, der Vernunft geweiht, ein Bruder,
Der die Gemahlin schon im Hause hatte:
Lenkst du in das Spartanerland dein Ruder,
Tritt dir entgegen an dem Strand der Gatte
Der Helena, der Täuberich der Taube,
Der läßt nicht zu, daß man die Schöne raube.
Was soll ein Gatte mir, der ihrer ja
Nicht wert, der ihr kann nimmerdar genügen,
Der blöde Menelas der Helena?
Ich will der Venus Meeresflut durchpflügen
Und schmeicheln ihr und loben gleich den Lobern
Und werde sie mit schönem Schmuck erobern.
Da machte Trojas Jugend sich auf Fahrt
Und fuhr die Wogenkämme auf und ab.
Von Aphrodite ihre Flotte ward
Geführt durch dunklen Wogentales Grab
Und auf des hellen Schaumesgipfels Spitzen,
Wo Venus’ Schaumesblüten sie umspritzen.
Und Paris nach der langen Reise stand
Benetzt von blauen Meeres weißem Sprühen
An Spartas Felsenküste, an dem Strand
Im roten Mantel, ganz aus heißem Glühen
Nach Helena und schwärmendem Begehr.
Die Feuersonne tauchte aus dem Meer.
Er trat zu Menelaos’ Fürstenhaus,
Doch Menelaos war auf Meeresfahrt.
Da trat aus ihrer Halle hold heraus
Die schöne Helena - und offenbart
Ward in der Schönen, die vor Schönheit glühte,
Die ganze Herrlichkeit der Aphrodite!
Rotbraune Locken wehten lang im Winde,
Die Augen glühten blau wie Abendsterne.
Die herrliche Gestalt, wie süße Sünde,
So süß und weiß, wie bittre Mandelkerne.
Mit bloßen Füßen stand sie an der Küste,
Aus ihrem Kleide quollen ihre Brüste.
Der Hennalocken holdestes Verwirren
Verwirrte Paris seine Mannesseele.
Der süßen Turteltaubenstimme Girren
Und ihrer Augen blitzende Juwele
Durchzuckten ihn, durchzuckten ihn wie Schauer -
Da sah er niederstürzen Trojas Mauer!
Er hatte keine Macht mehr über seine
Von Wonne und von Lust durchzuckten Glieder,
Als er im Angesicht der Frau alleine
Ihr legte seinen Schatz von Asien nieder
Und schenkte Seide ihr und Silberketten
(Sie bloß von aller Seide hinzubetten)!
Der Ohrgehänge Lapislazuli
Tat sie an ihre weißen Muschelohren
Und zwischen ihre Brüste hängte sie
Die Silberkette, die sie sich erkoren,
Und tat den Ring vom Finger ab, den hatte
Als Fessel angelegt der alte Gatte.
Und in der Nacht, als alle Mägde schliefen,
Trat Helena im weißen Seidenkleid
Zum Jüngling Paris. Und die beiden liefen
Zum Schiffe, legten ab und fuhren weit
Im Mondenschein, der silbern niederfloß
Und schlummerte wie Tau in ihrem Schoß.
Und Aphrodite trat zu Äolus,
Der Winde König, daß er helf und bliese.
Er blies die ganze Nacht lang voll Genuß
Und endete in einer leichten Brise,
Als Helena und Paris angekommen
An einer Liebesinsel meerumschwommen.
Aurora stieg herauf mit rotem Glühen
Von roten Rosen, welche glühten gold,
Und Aphrodites Meeresfluten sprühen
Und Welle wälzt sich um und Woge rollt
Und Spritzer süß zerstieben an dem Felsen,
Da Helena und Paris girrn und schmelzen.
Sie bauten sich ein Bett in Moos und Rosen
Und lagerten in Maienmyrtenlauben,
Wo sie wie Nachtigallen schluchzen, kosen
Am Tag der Liebe wie die Turteltauben
Und spielen Krieg in Liebeslustgefechten
Und Hals und Halsin ineinanderflechten.
Ah, da floh Daphne nimmer vor Apoll,
Ah, da floh Syrinx nimmermehr vor Pan.
In allen Muscheln Wonnesang erscholl
Betörend wie ein grenzenloser Wahn.
Da lag (und ferne rief ein Wiedehopf)
In ihrem Schoß des Jünglings schöner Kopf.
Da bettete den Leib die liebe Frau
So schön, als wäre Venus ihre Ahnin,
In des kristallnen Teiches klarem Tau
Und war so weiß und schön wie eine Schwanin.
Und lächelnd aus dem Kelche einer Seeros’
Den Pfeil anlegte mit dem Honig Eros.
Und da sie beide gingen an den Flüssen
Und wähnten in Elysens Paradiesen
Zu sein, da sie sich heiß und lange küssen,
Da hörten beide einmal Eros niesen:
Ein Segen ist es ja, wenn Eros niest,
Wenn lieblich Mund und Mund zusammenfließt.
O welche Lippen, wundervoll geschwungen,
O diese Lippen immerdar zu küssen!
O welche Flut von Honig auf den Zungen
Und in den Gaumen Milch in Überflüssen!
Da müssen Amoretten kommen, Boten
Der Venus, Mund an Mund zusammzuknoten.
O wie durchbohrten ihn der Brüste Spitzen,
Die offen dargereicht dem Kuß der Lüfte,
O welche Glut, wenn ihre Augen blitzen,
Und Lohe flammt beim Schwanken ihrer Hüfte,
O welch ein Schauer zuckend ihn durchfloß
Sah er den Apfel der Callipigos!
Und schließlich ganz in seligem Ermatten
Verlor er schlummernd sich in ihrem Schoß.
Da trat er träumend in das Reich der Schatten,
Da bleich die Lilie blühte bei dem Moos,
Da sang den Hochzeitssang der Liebe Orpheus
Und Mohnmilch spendete das Horn des Morpheus.
Und all die Seligkeit, der Wonneschaum
Des Liebeszaubermittels Helena,
Tat ihm die Pforte auf zu einem Traum,
Da er der himmlischen Urania
Als Seelenschatten voller Furcht begegnet -
Und Charis voller Gnade Paris segnet.
Und war es da der Mund der Helena,
Der schimmerte wie schöner Scharlach rot?
War es der Mund gar der Urania,
Den er geküsst? und war er also tot?
Ein lusterfüllter Augenblick der Zeit
Wie eine Ewigkeit von Seligkeit...
OPFERUNG IPHIGENIAS
Und Menelaos ward zum Zorn, zum Rächer,
Und rief zusamm das ganze Griechenland,
Zu jagen den verfluchten Ehebrecher
Und seine Gattin, und er hob die Hand,
Zurückzuholen, die ihn so geschmäht.
Und Priester beteten ein Kriegsgebet:
Ihr Götter, lasset Hellas heilig jagen,
Zu strafen die an uns begangne Sünde,
Daß wir die wilden Asiaten schlagen,
Gebt unsern Segeln gunstgeschwellte Winde!
Wir wollen Troja um zum Trümmer schaffen
Und darum segnet unsrer Rache Waffen!
Um heimzuholen Spartas Helena,
Geraubt durch Asiens und Paris’ Schuld,
Gerufen von der Insel Ithaka
Ward jener, der berufen zur Geduld,
Der Dulder, auch genannt der Listenreiche,
Odysseus, der dem Gotte Hermes Gleiche.
Gerufen ward vom Volk der Myrmidonen
Achilles, der der Göttin Thetis Sohn,
Verborgen bei den Mädchen, ihn zu schonen,
Ward er von seiner Mutter. Spott und Hohn
Odysseus’ lockt ihn aus der Frauenkammer,
Er nahm zur Hand des Zornes Donnerhammer.
Sein Freund Patroklos ging mit ihm auf Fahrt,
Zwei Herzen beide wie in Einem Busen.
Das Lob der Freundschaft wurde offenbart
Von Jovis’ Töchtern, tiefgeschoßten Musen,
Dem zyprischen Poeten, Heros
Achill pries der erblindete Homeros.
Der Völkerfürst war aber, Völkerhirt
Des Menelaos Bruder Agamemnon.
Auroras Rosenpforte goldverziert
Ging auf, der goldne Säulenschaft des Memnon
Ertönte, als da ausfuhr Hellas’ Flotte,
Zu jagen eine schuldbefleckte Motte.
In Aulis aber blieben alle Winde
Dem Meere ihrer Meeresreise fern.
Man mutmaßt einen Frevel, eine Sünde,
Befragen soll der Seher seinen Stern
Und schauen Gotteszeichen, die nicht trügen,
Und lesen Weisung aus den Vogelflügen.
War es nicht Kalchas, der da Seher war?
Er war vom Amte des Tiresias,
Dem einst ward Thebens Schicksal offenbar.
Nun aber fragte Herzog Menelas
Den Seher, was die Himmlischen derart
Mißmutig machte. Was ward offenbart?
Und Kalchas sandte den Prophetenschüler
Von vierzehn Jahren aus mit einem Pfeil
Und einem Bogen, der aus sommerschwüler
Luft schoß sich das Orakel für das Heil
Und pflückte Federn ab und brach die Flügel
Und legte frei das Eingeweid der Vögel.
Und Kalchas nahm das Innere der Tiere.
Apollon rief er an, der war der Geber
Jedweder Prophetie. Er sah die Niere
Und sah das blutige Herz und sah die Leber,
Da ward er von Apollon aufgeklärt,
Daß Schwester Artemis den Wind verwehrt.
Latona, Mutter du des Gottessohnes,
Als Schwanin den Olivenbaum umschlungen
Gebarest du so weiß wie Milch des Mohnes
Einsam am Eiland Delos meerumschlungen
(Der Jungfrau Sternbild zog die reine Bahn) ah!
Die göttliche jungfräuliche Diana!
Diana - wer mag da die Nase rümpfen? -
War immerwährende Jungfrau keusch und rein,
Zog durch den Wald mit schwesterlichen Nymphen,
Stand bloßen Fußes auf dem Mondenschein,
So rein, daß sie in Wahn Aktäon hetzte,
Als er an ihrer Blöße sich ergötzte!
Der Seher sprach (die Säule klang des Memnon
Am Strand von Aulis): Wollt ihr Helena
Heimholen, muß der Hirte Agamemnon
Die Tochter, Jungfrau Iphigenia
Der Göttin Artemis aufopfern heute,
Sonst werden alle wir des Todes Beute.
Und Agamemnon kalt befiel das Bangen
Göttlichen Schreckens, als er dieses hörte.
Diana, über weißen Mondes Prangen
Herrschst du jungfräulich als die Niebetörte,
Ich wähnte immer dich so sanft und mild -
Und bist ein Götze voller Blutdurst wild?
Sieh meine Tochter Iphigenia,
Der Klytämnestra vielgeliebtes Kind,
Sie ist viel reiner ja als Helena,
Laß leben Iphigenie, laß den Wind
Für immer schweigen, nie die Schiffe treiben,
Für immer Hellas hier in Aulis bleiben.
Von Ithaka Odysseus, listenreich,
Rief von den Zelten Iphigenia:
Wir geben dich dem Held Achilles gleich,
Er liebt dich sehr, seit er dein Auge sah,
So komm nur her, komm hier zum Brandaltar.
Und Iphigenia erschrocken war.
Achill soll ich, dem Hohen mich vermählen,
An seinem Heldenleibe mich entleiben?
Gewiß, er hat die Edelste der Seelen,
Doch ich will immer eine Jungfrau bleiben!
Da sah die Jungfrau ihren Vater weinen
Und Licht sah man die Jungfrau weiß umscheinen.
Und Kalchas trat zu Iphigenia:
Diana will zum Opfer deinen Leib,
Sonst werden nimmerdar wir Helena
Heimholen, dieses ungetreue Weib.
Und Iphigenie sprach: Diana, ja,
Dir, Göttin, weiht sich Iphigenia!
Der Priester salbte sie mit Öl der Myrrhe
Und schichtete auf dem Altar das Holz.
Ach, Agamemnon war die Seele dürre,
Er fluchte Helenas verfluchtem Stolz
Und fluchte aller Asiaten Lüste,
Daß er nun seine Tochter opfern müßte.
Und Iphigenia war bei dem Fluch,
Als trüge sie den Fluch auf den Altar,
Ihn aufzuopfern dort als Wohlgeruch,
Auf daß der Segen werde offenbar,
War doch die Gottheit gut! Sie werde schon
Segnen, die göttliche Parthenion!
Als Iphigenie in die Flammen steigen
Entblößt von ihrem weißen Schleier wollte,
War einen Augenblick lang tiefes Schweigen,
Die Gottheit ihrem Opfer Achtung zollte,
Und eine weiße Hirschkuh keusch verhuscht
Trat leise aus dem Dickicht dornumbuscht.
Das Volk sank in die Knie und sang den Jubel
Und merkte, da es der Diana sang,
In ihrem götterfrommen frohem Trubel
Gar nicht, daß eine weiße Wolke sank,
Die trug die Jungfrau Iphigenie fort
An einen fernen unbekannten Ort.
Und als man endlich es bemerkte, brachte
Der Gottheit man das Fleisch der Hirschkuh dar
(Nur Kalchas an das Trankesopfer dachte)
Und plötzlich bliesen wieder wunderbar
Die gunstgeschwellten Winde Richtung Osten,
Umsonst gegebne, die nur Glauben kosten.
Und Griechenland lobpries mit lauten Stimmen
Die Göttin Artemis Parthenion,
Die ließ in ihrer Gunst die Jungfrau schwimmen
Und auch die Flotte nun nach Ilion,
Um zu befrein die schöne Helena.
Und selig pries man Iphigenia!
TOD DES CYGNUS
Aus einer Schar von Nymphen ragte einsam
Die anmutvollste Nymphe voller Grazie
Hervor, die mit den Schwestern oft gemeinsam
Sich lagerte bei Pinie und Akazie
Und sich erging in bunten Blumenreichen
Und badete allein in stillen Teichen.
Evadme war ihr Name und sie war
Melische Nymphe, aus dem Schaum geboren,
Aus welchem Aphrodite wunderbar
In ersten Tagen stieg. Und traumverloren
Ergab sich ihrer Seele Sinnlichkeit
Oft einer stillen Nymphen-Traurigkeit.
Evadme sang wie Nachtigallentöne,
Betörend einen Gott mit dem Gesange:
Ich bin die Braune und ich bin die Schöne
Und von der Sonne braun ist meine Wange,
Braun bin ich wie Rosinen Indiens
Und in Atlantis einst die Nacht im Lenz.
Und weil sie rein war von des Taues Bade
Und weil sie aller Nymphen Schönste war,
Erwies der Meeresgott ihr seine Gnade
Und nahte ihr im Schatten wunderbar -
Nichts Sicheres wissen die Poeten von
Evadmes Segen durch Poseidaon.
Der Meeresgott zog sich zurück mit Rauschen
Im Schatten seiner silberweißen Möwen,
Den Muscheln der Tritonen lang zu lauschen
Und dem Geheul der bärtigen Seelöwen,
Und Meeresrosse bäumten sich wie Gischt,
Da sich der Gott die Meeresfrucht auftischt.
Evadme aber in dem Blumengarten
Schwoll an wie eine reifende Granate.
Sie mußte neunmal Lunas Nahn erwarten
Bis sie gebar. In jener Stunde nahte
Vom Himmelreich gleich einer Liebesflamme
Lucina ihr, die göttliche Hebamme.
Evadme aber starb bei der Geburt,
Da einem Sohne sie das Leben gab:
Ein neues Leben tauchte aus der Furt,
Des Lebens Mutter sank ins Wassergrab,
Und so gebar Evadme aus dem Leide
Geliebten Kindes strahlenweiße Freude.
Die Götter aber ließen nicht allein
Evadmes Sohn, sie gaben ihm zur Mutter
Ein Wesen, welches strahlend war und rein,
Die Lippe gold wie Honig, und wie Butter
So weiß und fließend floß es auf der Bahn hin:
Aus Charis’ Herde war es eine Schwanin.
Die Schwanin zog im Wasser ihre Kreise
Und barg das Kind im schimmernden Gefieder
Und kam die Nacht, dann sang die Schwanin leise
Evadmes Sohne süße Wiegenlieder.
Sie tauchte oft hinab, wo Fische balgen,
Das Haupt, das Kind zu nähren mit den Algen.
Man sah den Sohn den Schwanenhals umschmiegen
Und an dem Schwanenbusen innig glühen.
Die Schwanin nahm ihn mit auf ihren Flügen
Und sang ihm von Elysium Prophetieen
Und pries der Liebe Gottheit, ehrte Charis
Als Stella Matutina, Stella Maris.
Und als die Schwanin aufgezogen hatte
Evadmes Gottessproß, verließ er sie.
Er ward ein Bräutigam, er ward ein Gatte,
Und er erfüllte eine Prophetie
Und ward in Asien ein kleiner König.
Ihn liebte alles Volk und hieß ihn Cygnus.
Er herrschte weisheitsvoll in Kolonä
Und war ein treuer Freund dem Priamos.
Er kämpfte auch, daß Asien widersteh
Dem Sturme Hellas’ auf die Festung Tros,
Und stand in der Skamanderebene mächtig
In schimmernd-schöner Rüstung prunkend-prächtig.
Die Griechen aber stellten Zelt an Zelt
Am Ufer auf und glaubten an den Sieg.
Mit Cygnus aber kämpfte Asiens Welt
Und zog mit ihrem Schwane in den Krieg:
Für Zeus und Paris! riefen sie zur Schlacht.
Und weiß stand Cygnus in der schwarzen Nacht.
Er stand bewaffnet auf dem Silberwagen,
Der war geziert mit silbernem Gefieder.
Man sah ihn mit dem goldnen Schwerte schlagen
Hellenisches Gelichter tödlich nieder,
Daß in den Staub die Ströme Blutes flossen.
Und da kam an Achill mit seinen Rossen.
Achilleus schlug sich tobend eine Bresche,
Der mit dem Schwerte durch die Krieger fährt,
Er warf auf Cygnus seinen Speer von Esche
Und schlug an seine Schulter mit dem Schwert,
Da stak der Eschenspeer in Cygnus’ Seite
Und auch das Schwert bereitete ein Leide.
Von rotem Blut bespritzt war seine Rüstung,
Vom roten Blute aller seiner Mannen,
Er lehnte sich verwundet an die Brüstung
Des Silberwagens, floh doch nicht vondannen,
Rief vielmehr Worte zu dem Held Achill:
Ich sterbe erst, wenn es mein Vater will!
Du kannst mich noch so mit den Waffen schlagen,
Für Asien will ich das alles dulden,
Weil alle wir seit ururalten Tagen
Der Mutter Asia die Treue schulden,
Will ich hier sterben für die Asiaten
Durch Hellas’ hadesgleiche Hassestaten!
Achilleus brannte zornig seine Seele
Vor dieses Königs heldenhaftem Ende,
Da legte er ihm an die Schwanenkehle
Mordgierig seine blutbefleckten Hände -
Und Cygnus’ Seele hat sich fortgeschwungen -
Achill war von der Tat wie weinestrunken.
Ja, Cygnus’ Seele hat sich fortgeschwungen
Auf seines Schicksals vorgeschriebner Bahn,
Und in der Todesstunde ist erklungen
Der Sang der Seligkeit von einem Schwan,
Denn da erschien die meerschaumweiße Schwanin
Als Genius und seiner Seele Ahnin.
Die Schwanin nahm in ihre Silberschwingen
Die Seele ihres Sohnes und flog hin,
Die Seele ihres Sohnes heimzubringen
In seines göttlichen Vaters Halle in
Der tiefsten Tiefe auf dem Meeresgrunde,
Daß dort geheilt ihm werde seine Wunde.
Die Schwanin ließ sich auf den Wogen nieder,
Da tat sich auf Atlantis’ Perlentor.
Vier weiße Schwäne sangen Lobpreislieder
Und Tänze tanzte rings der Nymphen Chor
Und in das Muschelhorn blies der Triton
Und offenbar ward Neptuns Muschelthron.
Die bunten Farben um den Thron gezogen
Verschönerten der Muschel Perlmuttglanz
Und Neptun sprach wie Rauschen weißer Wogen
Und stille war des Meeres Tiefe ganz,
Als rauschend murmelte Poeidaon:
Sei mir willkommen, mein geliebter Sohn!
Und aus der schwesterlichen Nymphen Kreis
Trat seine Mutter vor, Evadme schön,
Und alle Silberschwäne sangen leis
Und die Tritonen stöhnten ihr Gestöhn
Und alle Nymphen waren ein Getuschel:
Evadme ist Poseidons schönste Muschel!
Die Haare fielen ihr wie schwarzer Tang,
Gewandet war sie bloß in Fischernetze.
In allen Muscheln rauschte Rauschgesang,
Der Gott des Meeres sich an ihr ergötzte
Als Braut für seine göttliche Begehr,
Er krönte sie zur Königin im Meer.
KASSANDRA
Apollon hieß des Göttervaters Sohn,
Der wollt erwerben eine reine Braut,
Er gäbe Gnadengaben ihr als Lohn,
Daß sie das Licht der schönen Zukunft schaut,
Daß sie hinaufsteigt in dem Schwanenwagen
Apollons in das Glück nicht auszusagen!
Apollons Antlitz war die reine Sonne,
Die rot versank im Land der Hyperboräer,
Ertrank in schwarzer Nacht, in Abgrundbronne,
Und aufgefahren ist der Gott der Seher
Aus der Aurora roten Rosenpforte,
Ganz Asien zu weihn mit seinem Worte.
Er fuhr gen Himmel in dem Feuerwagen,
Von dessen Rädern goldne Funken stieben
Wie Flammenzungen, alles auszusagen,
Apollons Feuersglut, Apollons Lieben,
Das keiner gänzlich und genug erkannte,
Sein Herz, das sich zu einer Jungfrau wandte.
Er sah im Gärtlein sie von Pergamos
Im Myrtenschatten und bei purpurroten
Adonisröschen, aller Schönheit Ros‘,
An einer Schnur mit unzähligen Knoten
Der Charis perlmuttfarbne Perlen zählen,
Die Frömmste aller asiatischen Seelen.
Er sah sie in das goldne Haar gewoben
Ausschauen aus den blauen Augensternen,
In meeresblauem Kleid und Rosenroben
Der Sappho lesbische Gesänge lernen
Und singen zur Kitharra den Gesang
Der Kythereia weiß und lilienschlank.
Am Idahange weideten die Lämmer,
Sich an der Quelle des Skamander labend.
Die Jungfrau schwieg so sanft und still im Dämmer,
Den blauen Schleier legte ihr der Abend
Um ihrer Schläfe Granatapfelscheibe.
Der Geist der Seher nahte sich dem Weibe.
Apollon, lieblich wie ein Genius,
Wie ihn der Griechen Grottenbilder malen,
Mit goldner Rose auf dem weißen Fuß,
Im Haar des Vesper-Diademes Strahlen,
Trat in den Myrtenhain und Rosengarten,
Sich in das Herz der Jungfrau umzuarten.
In seiner Rechten hielt er Feuerpfeile,
Doch nicht das Glutgeschoß von Eros’ Bogen,
Vielmehr zu bringen Licht zu Asiens Heile,
Das Licht, geboren aus den Meereswogen,
Geboren aus dem Meer des Orients,
Das Licht, erstanden liebevoll im Lenz.
In seiner Linken hielt er eine Leier
Als Gott der asiatischen Poeten,
Die sangen Gottessohnes Friedensfeier
Als geistgesalbte heidnische Propheten.
Als ein Gesang der Liebe gib dich hin,
Apoll, der reinen Jungfrau-Seherin!
Sieh, Trojas Tochter lebte rein jungfräulich,
Um nur das Wort der Schauung zu gebären.
O wehe! was ich sehe, ist sehr gräulich,
Und Troja niedersinkt in Flammenmeeren!
Apollon sprach: Dein Herz sei immer offen
Dem Sohn des Vaters Zeus, so darfst du hoffen!
Kassandra, denn so hieß die Seherin,
Erblickte mit des reinen Geistes Schau
Den Genius des Lichtes. Herr, ich bin
Zur Liebe nicht bereit, ich bin Jungfrau,
Die aller Mannesliebe sich verwehrt,
Auf daß sie heilige Worte nur gebärt.
Da lachte Eros höhnisch auf dem Schoß
Der Aphrodite im Olympus droben,
Er spannte glüher Leidenschaft Geschoß
Daß Cynthius die Sinne glühend toben.
(O Zeus! den blinden Eros bald entwaffne!)
Und wieder dachte Cynthius an Daphne.
Wie war er einst in Liebe heiß entbrannt,
Da taumelte der Sonne Flammenbahn,
In Flammen setzend Meeresflut und Land
Mit Cynthius’ entbrannter Liebe Wahn,
Des Sehers Wahnsinn, eines Gottes Narrheit -
War Jungfrau Daphne alle seine Wahrheit!
War Daphne seine Liebe und sein Leben,
Die Jungfrau voller Anmut, rein und jung,
Nichts anderes als inniges Verweben
Mit ihr und ewige Vereinigung
Des Gottes mit der Jungfrau hold und hehr
War Cynthius’ unendliches Begehr!
Er stieg von seinem lichten weißen Throne,
Verließ die Herrlichkeiten im Zenit
Und wandelte durch süßer Träume Mohne
Und sang verliebt ein langes Liebeslied
Von Schönheit, welche seine Augen sahen,
Der Jungfrau, der er wollt in Liebe nahen.
O Liebe! Urgewalt! O unerschaffne
Begeisterung zu allem guten Werk!
Hier ist dein Ebenbild, die schöne Daphne,
Die Seele ihr zu der Begegnung stärk,
Begegnet sie dem Gott der heißen Flammen,
Daß sie nicht schmilzt in pures Nichts zusammen!
O Liebe! Urgewalt! O unerschaffne
Und hochgepriesne Macht mit Schöpferstärke!
Hier ist dein Ebenbild, die schöne Daphne,
Gib daß sie eines Gottes Liebe merke!
Empfange, Daphne, meiner Flamme Licht!
O Süße, Süße, o entflieh mir nicht!
Halt ein, o Daphne! wer kann das verwinden,
Jungfräuliches Entschwinden deiner Schöne?
Ich möchte Ruhm und Ehre um dich winden,
Mein Sang mit einem Lorbeerkranz dich kröne,
Ich preise dich der Charis gleich, o Maid,
In aphrodisischer Unsterblichkeit!
O wehe, wehe! seufzte Cynthius,
Wie sich das schwere Schicksal wiederholt!
Des Sonnengottes flammensüßer Kuß
Die Jungfrau nicht entflammt, die keusch und hold,
Ersehnt nicht des Apollon Liebeslabe,
Nein, nur Prophetentum und Sehergabe!
Was wollt ihr sehen, o ihr Seherinnen,
Was soll die Reinheit, o ihr Jungfraun rein,
Mögt ihr nicht Cynthius wie Feuer minnen
Und nicht wie Glut in seiner Flamme sein?
Zeus hat umsonst das Leben euch gegeben,
Daß ihr sollt seines Sohnes Kuß erstreben!
Kassandra, asiatische Prophetin,
Den göttlichen Kuß hast du zurückgewiesen?
Ah weh, ah weh! dein Los geschrieben steht in
Den Schicksalstafeln auf Olympus’ Wiesen,
Dem ich als Zeussohn zu gehorchen habe:
Ich geb dir, was du willst, die Sehergabe!
Ich geb der Seherinnen Charisma
Kassandra, daß sie schau das Werk der Charis
Und ihres Ebenbildes Helena
Und schau wie durch den Ehebruch des Paris
Das asiatische Gefild entleert
Von Krieg und Brand und Troja ganz verheert.
Dann soll Kassandra Prophezeiung schäumen
Und die Trojaner vor der Venus warnen,
Die sagen werden: Törin, laß dein Träumen!
Die höhnisch vor dem Zelt Kassandras harnen,
Und sie, die allerheiligste der Schwestern,
Als Hure oder blöde Närrin lästern!
Sie teil das Schicksal jeglicher Propheten,
Die wertgeschätzt sind weniger als Toren!
Die Schuldigen verachten heiliges Beten
Und gehen so in Feuersbrunst verloren!
Ohnmächtig siehst du es, das muß geschehen!
Sprach Cynthius. Wer darf ihm widerstehen?
DIE HIMMELSKÖNIGIN
Die Göttermutter Hera, Himmelskönigin,
War treue Hüterin dem Volk der Griechen,
Die in dem Kriege mit der Rache Sinn
In dem Gewühl zerfetzter Leichen kriechen,
An dem sich fett die Leichenwürmer blähen,
Darum die Griechen zu der Göttin flehen.
Zeus waltete auf Idas Gipfelhöhe
Und widerstand dem griechischen Begehren,
Er sah die Griechenkrieger an wie Flöhe,
Die sinnlos gegen Schicksalsmacht sich wehren
(Doch Jupiter war auch das Schicksal immer
Wie ewige Nächte ohne einen Schimmer)!
Die Himmelskönigin beschloß zu wirken,
Für ihre Griechenkinder einzutreten.
Zu Zeus in den idäischen Bezirken
Wollt sie als seine Braut fürbittend beten,
Daß er aus reiner Großmut ohnegleichen
Durch Hera ließe sich das Herz erweichen.
Wie aber könnte Göttervaters Zorn
Besänftigt werden anders als mit Liebe?
Drum goß sie Salbe sich aus einem Horn,
Gewürze rieb sie durch die Pudersiebe,
Zyprischen Henna färbte sie in Nächten
In ihre langgelockten goldnen Flechten.
Der Himmelskönigin geliebte Mägde
Im Elfenbeinpalaste strichen Leiern,
Davon sich Rot auf ihrer Wange regte,
Daß man sie mußte transparent verschleiern,
Denn voller Süße war das Lied der Musen,
Melodisch fiel der Schleier auf den Busen.
Aus diesem Busen war der Sternenstrom
Gespritzt, als Herakles so stark gesogen.
Ein Myrrhebund gab liebliches Arom
Im Tale zwischen der Gebirge Wogen.
Dann aber schloß das blaue Kleid am Hals
Die wunderschöne Königin des Alls.
Die Mägde nahten, um der Füße Zehen
Mit Hennafarbe purpurrot zu malen,
Dann aber war der Fuß kaum mehr zu sehen
Und hold verborgen in den Goldsandalen,
In denen sah das Himmelreich sie wandeln
Auf einem Teppich weißerblühter Mandeln.
Die Himmelskönigin trat herrlich ein
In ihrer Freundin duftendes Gemach,
Die sie als ihr geliebtes Töchterlein
Mit süßgestimmtem Stimmenton ansprach,
Adonis’ Liebste, Anadyomene
(Im schönen Auge ihrer Trauer Träne).
Geliebte Freundin Anadyomene,
Du Traum gesprossen aus des Vaters Samen,
Das Lieblichste an dir ist deine Träne,
Die ach so sehr betört Vulkan den Lahmen,
Doch schöner noch als deine Träne findet
Jedweder deinen Schoß, der alles bindet.
Verzeih, du wunderschöne Aphrodite,
Himmlisches Mädchen, aller Träume Maid,
Ich meine nicht des Schoßes heimliche Blüte
In deiner himmlischen Jungfräulichkeit,
Ich mein den Gürtel gold um deine Lenden,
Den nie berührt ein Mensch mit seinen Händen.
Von allen kunstgewirkten Meisterstücken
Vulkanos’ ist dein Gürtelband das Beste,
Er hält des Weltalls tobendes Entzücken
Gleich sanfter Turteltaube in dem Neste,
Das ausgelegt ist mit dem weichsten Moose,
Da blüht jungfräulich rein die rosa Rose.
O Süßeste, o mehr als Nektar Süße,
Den Gürtel gib mir für den König Zeus,
Daß ich mit deiner Anmut Jovis grüße,
Betöre Jupiter mit deinem Reiz.
Und Venus ließ den goldnen Gürtel sinken
Und ihre schlanken Schenkel bebend blinken.
Und mit der Liebe goldnem Zaubergurt
Ging himmlischhold die Himmelskönigin
Und nahte bald der Lethe schwarzen Furt
Und trat mit einem Ruf zu Jovis in
Die schauerliche Halle schwarzer Nacht,
Da Morpheus an umrankter Pforte wacht.
Um Griechenland zu helfen gegen Tros,
Ging heldenhaft die Himmelskönigin
Zum düstern Todesengel Thanatos -
Sie wagte es, weil ihrer Seele Sinn
Von allem Fluch und Makel unberührt,
So daß der bittre Tod sie nicht verführt.
Und Charon lenkte sie mit seinem Ruder
In Morpheus’ mohnumblühte Residenz.
Der Gott der Träume war des Todes Bruder,
Die Wangen blühend wie der Mohn im Lenz,
Hielt er mit Mohnmilch angefüllt sein Horn,
Der Menschen und der Götter Träume Born.
Da sprach die hehre Himmelskönigin
Zu jenem selber traumestrunknen Morpheus:
Gib eines Traumes blumenreichen Sinn
Und einen Reim mir aus dem Buch des Orpheus
Und alles Schöne aus der Träume Meeren
Und Nymphen niedlich, nicht mehr zu verklären,
Gib mir die Sinnlichkeit mit ihrer Feuchte
Und schönsten Weibes Herrlichkeit und Pracht
Und gib mir eine wundertätige Leuchte
Und einen Stern zu leuchten innerer Nacht
Und gib mir weiße Milch von roten Mohnen,
Zumeist gib von Elysium Visionen.
Wen willst du mit der Milch des Mohnes würzen
Und selig senken in die Trunkenheit?
Ich möchte Zeus mit einem Traum bezirzen
Von wundervollen Zaubers Seltenheit,
Will so besänftigen des Höchsten Zorn.
Und da gab Morpheus ihr das rote Horn.
So mit dem Zauberband der Aphrodite
Und mit des träumerischen Gottes Horn
Aus einer einzigen purpurroten Blüte
Ging sie zu sänftigen des Königs Zorn,
Der auf dem Berge Ida grimmig wachte,
Ob Asien Europa siegreich schlachte.
Wer sah die Himmelskönigin sich gürten
Mit goldner Schnalle der Urania,
Der würde trunken von dem Duft der Myrten
Und dächte nimmermehr an Helena,
Denn alles Irdische war nur ein Gleichnis,
Das Unaussagbare ward hier Ereignis.
Wer je die Himmelskönigin im Glosen
Glühender Liebe sah, der Schönheit Traum,
Ein Wunderwerk aus Milch und Schnee und Rosen
(Aus ihren langen Locken troff der Schaum),
Der wollte nie mehr, hätt er sie erblickt,
Ein andres schauen, so wär er verzückt.
Kam doch zu Aphroditens Gürtelschnalle
Und zu dem losen Fall der Gürtelenden
Die Milch des Mohnes aus des Morpheus Halle,
Die floß von ihren Locken zu den Lenden
Und barg in höchster Schönheit die Gebärden.
(Kann eine Göttin noch verherrlicht werden?)
Und mit des Mohnes Blüte purpurrot
Berührte Hera ihren milden Mund
Und sang wie Traum und wie glückseliger Tod
Und wie der Schwan elysischen Teiches und
Wie allen Schicksals Mutter göttlich-greulich
Und wie die Nacht des Urbeginns jungfräulich:
O Zeus, o Zeus, du Herrlicher des Himmels,
Erhöre du mein Flehen für die Griechen,
Sieh wie sie in der Wildheit des Getümmels
Dich Weihrauch ihres Glaubens lassen riechen,
Gib ihnen Freude, Frieden, frommen Sieg!
Jovis erhörte sie, der weise schwieg.
HEKTORS TOD
Vulkan schuf dem Achilleus seinen Schild,
Der fast so schön wie Venus’ Zauberband.
Er bildete ein blühendes Gefild
Mit Bergen und mit Lämmerweideland
Und Hügelhängen, da die Ziegen meckern,
Und blaue Blumen in den goldnen Äckern.
Er schuf des wilden Mittelmeeres Wogen,
Da regenbogenbunte Silberfische,
Delphine und Tritonenvolk gezogen
Mit weißen Schwänen zu Neptunus’ Tische,
Wo sie den Quell des Ozeans gesucht
Und speisten des Neptunus Meeresfrucht.
Er schuf den Himmel mit Orion wild
Und wie Plejaden sich dem Jäger wehren
Und schuf der keuschen Jungfrau reines Bild
Und schuf den Meeresstern im Großen Bären
Und gab des Orpheus Lyra ihre Bahn
Nahe der weißen Vega und dem Schwan.
Dann baute er Arkadiens Gefilde
Mit blauen Blumen, roten Rosen, Myrten,
Myrtengekränzten Nymphen anmutmilde,
Mit ihren Lieblingen, den jungen Hirten,
Die Eichlaub sich in ihre Locken drückten,
Die Nymphen mit dem weichen Flaum entzückten.
Da schuf er auch der Nymphen schönstes Bild,
Die melische Maid des Mittelmeers, Ephyre.
Ihr nahte ein verliebter Sänger mild
Und sang Gesang, auf daß er sie entführe
Auf seiner Liebe Schwinge, auf den Fährten
Eratos in Elysens Wonnegärten!
Und schließlich bildete der Gott Vulkan
Der Venus Hochzeit mit Dionysos,
Der Rose mit der Rebe. Alle sahn
Achilles Waffenschild vor Pergamos
Ihn schirmen, denn ein Gott war seine Wehr.
Den Prinzen Hektor mordete sein Speer!
Achilles jagte Hektor um die Stadt,
Sie kreisten dreimal um den Wall von Tros,
Achilles war verwundet, Hektor matt,
Ein Starker war der Prinz von Pergamos,
Ein Stärkerer Achill, der Myrmidon,
War er ja einer Meeresgöttin Sohn!
Der Falke stürzte nach der Turteltaube
Und schlug den Schnabel in den weißen Busen,
Daß er der Taube Blut und Leben raube
Und mache sie zum Sang der Klagemusen
Und den Zypressen zum Geheul und Zedern,
Darin verlor die Taube ihre Federn.
Der starke Hektor sank zum bleichen Staube
Und war bereit zu seiner Totenfeier.
Der Falke schlug die weiße Turteltaube,
Das reine Lamm ermordete der Geier.
Den Speer umwendete in Hektors Wunden
Achill, den Leib zu geben wilden Hunden.
Den Vögeln auszuliefern und den Hunden
Den königlichen Körper Hektors in
Zerfetztem Zustand und mit blutenden Wunden,
Das stand dem wüsten Tier Achill im Sinn,
Sich für des Freunds Patroklos Tod zu rächen,
Dem Hektor nahte das Genick zu brechen.
Und Hektor stöhnte laut: Gib mir ein Grab,
Daß Troja meinen Leib verehren kann,
Weil ich gekämpft für Asiens Freiheit hab
Und mordete dem Feinde tausend Mann,
Die kamen alle wegen Menelaos’
Gemahlin Helena, der Braut des Chaos!
Achilles höhnte: Nicht für alles Gold
Von Asien und Indien geb ich
Ein Grabmal dem trojanischen Unhold,
Der mir in tiefster Seele widerlich,
Vielmehr empfange meines Schwertes Streich,
Hektor, und fahr hinab ins Totenreich!
Hekuba sah von Trojas Mauer aus
Den Mord an dem geliebten Sohne Hektor
Und ward erfasst von wildem Weh und Graus,
Als sie ihn liegen sah im Purpurnektar
Kostbaren edlen königlichen Blutes -
Mein Kind! mein Kind! in seinem Blute ruht es -
In seinem Blute schwimmt mein lieber Sohn,
In dem Ambrosia des Blutes rot,
Ein Spott Dämonen, allen Feinden Hohn,
Floh mir mein bestes Leben in den Tod,
Floh meine Seele in des Hades Schlund,
Ach! von den Wunden Hektors bin ich wund!
Die Waffe des Peliden soll sich bohren
Mit aller Schärfe eines griechischen Schwerts
Und fluchbeladen und dem Tod verschworen
In einer mitleidvollen Mutter Herz!
Vom Feuerpfeil des Bösen schmilzt wie Butter
In Nichts zusamm dies Herze einer Mutter!
Dämonen haben meinen Sohn verdorben,
Die aus dem Hades stiegen, die Dämonen,
Ja durch Achilleus’ Waffe ist gestorben
Mein Prinz, gemordet durch der Myrmidonen
Anführer, weh! ich nenne ihn: das Tier,
Das raubte heut den Allerliebsten mir!
Kennt einer einen Schmerz so weh wie meinen,
Da Troja heute öd liegt und verlassen
Und Klageweiber auf den Mauern weinen
Und die Schakale streichen durch die Gassen
Und schwarze Wogen brüllen an der Küste
Und alle Mütter schlagen sich die Brüste
Und alle Weiber raufen sich die Haare
Und schreien Jammer, Elend, Not und Weh!
Der Prinz von Pergamos ist tot! der wahre
Sohn Asias! O sing, Melpomene,
O lasse schauern deiner Leier Saiten
Und sing dem Himmel einer Mutter Leiden!
Andromache, des Prinzen Hektor Braut,
Das schöne Weib, das warme Weib, das weiche,
Aus ihrem inneren Gemache schaut
Und stürzte gleich zu des Geliebten Leiche,
Sich mit dem blutigen Staube zu vermählen,
Daß ewig einig wären ihre Seelen!
Und jenes Diadem, der Schmuck der Locken,
Und jener transparente Seidenschleier
Geziert mit purpurroten Blütenglocken -
Geschenk der Venus zu der Hochzeitsfeier -
Entsanken ihr und sanken in den Staub.
Wie schrie sie! allen Trostesworten taub!
Wie warf Andromache, die Nektarsüße,
Mit ihrer aufgelösten Locken Flut
Sich auf des blutbenetzten Hektor Füße
Und küsste jeden Tropfen von dem Blut,
Als woll sie mit dem Blut sein Leben trinken
Und dann mit ihm ins Reich des Todes sinken!
Wie strömten reichen Schwalles ihre Tränen,
Wie war durchbohrt ihr Niere, Herz und Leber!
So schrie und weinte einstmals Anadyomenen,
Als ihr Adonis ward vom bösen Eber
Zerschlagen und zerrissen und zerfetzt!
Wie Charis sich Andromache entsetzt:
O Hektor, Hektor, o mein lieber Hektor!
Wie blutgerötet deines Leibes Marmor!
O deines Bluts Ambrosia und Nektar!
Sagt, Götter, herrscht im Hadesreiche Amor?
Dann soll uns Amor zueinander führen,
Im Jenseitsreich uns ewig bräutlich zieren!
Den Toten küsse ich mit meinem Mund,
Press meinen Busen heiß an seine Brust!
Ich liebe ihn aus tiefstem Herzensgrund
Und stärker ist der Liebe himmlische Lust
Als Hades Macht! Ich geh mit Hektor um
In Liebe ewig in Elysium!
PENTHESILEA
Die Tochter Mavors kam vom Pontus an,
Nach Troja von dem Strome Thermodon.
Die Tochter Mavors kannte keinen Mann
(Wie sollt sie da gebären einen Sohn)
Denn sie war Amazonenkönigin,
Jungfräulich-kriegerisch war all ihr Sinn.
Zwölf Amazonen-Jungfraun waren mit
Penthesilea, ihrer Königin,
Die, eine Herrin, in der Mitte schritt,
Sklavinnen um sich. Also trat sie hin
Zu Pergamos’ Gebieter Priamos
Und sprach: Herr, ich zertret den Feind von Tros!
Sie war so goldenstrahlend wie Auroren
In ihrer Morgenröte Rosenkranz,
Wenn sie umgeben von den goldnen Horen
Im Orient beginnt den Reigentanz
Und dann von des Olympus Höhe schwebt
Und alles rings in Purpurblüten webt.
Bellona war sie ähnlich in dem Erz,
Wallende Locken quillend aus dem Helm.
Da sah sie Eros, da ward jäh das Herz
In böse Glut versetzt dem kleinen Schelm,
Und da er sie nicht haben konnte, drum
Beschloß Cupido ihr Martyrium.
In ihren Zügen war die Schrecklichkeit
Des Männermordens wunderbar gemischt
Mit schönster femininer Lieblichkeit,
An der ein jeder Jüngling sich erfrischt.
Holdselig lächelten die Lippenrosen,
Cupido wollte küssen, küssen, kosen!
Die Wimpern waren Morgenröte-Wimpern
Und schleierten die blauen Augenstrahlen.
Der Keuschen nie kokett die Wimpern klimpern,
Schamröte sah man oft die Wangen malen,
Schneewangen rötete das Scharlachblut,
Erfasste jene Jungfrau Zorn und Wut.
Die Amazonenkönigin erfuhr im Traum,
Im Schlaf Minervas heilige Befehle,
Sie rührte an der Jungfrau-Göttin Saum
Und einte mit der Göttin ihre Seele
Und war entflammt von wunderbarem Feuer
Und zog ins kriegerische Abenteuer.
Von Silber war und Elfenbein die Scheide,
Darein du Königin die Waffe packst.
Der Schild war weiß wie Mondlicht oder Seide.
Zweischneidig war der Jungfrau Doppelaxt.
So strahlte sie in ihrer Rüstung Stahl
Wie Jovis’ Blitz und seines Zornes Strahl.
Und mit der Amazonenkönigin
Zog Jungfrau Klonia zum Waffentanze
Und gab sich ganz dem Männermorden hin,
Bis sie Menippos mit der langen Lanze
Durchbohrte und die Männin niedersank
Und blutgerötet war ihr Busen blank.
Penthesilea schlug Menippos gleich
Die kriegerische Hand von seiner Rechten.
Bremusa kämpfte glut- und eiferreich
Mit Idomeneus; da sie beide fechten,
Bohrt er das Schwert in ihren linken Busen,
Die einzige Brust der Kriegerin Bremusen.
Die Kriegerin Euandra ward getötet
Und auch die Amazone Thermodesse
Vom Griechen Meridones blutgerötet
Und niemand las den Frauen Totenmesse,
Man ließ die Leiber für die Geier greulich
Und ihrer Mutter Gäa Schoß jungfräulich.
Durch Ajax’ Schwert der Hand sank Derione,
Alkibia sank hin, Derimacheia
Verströmte Blut gleich purpurrotem Mohne,
Bellona holte heim sie, Kythereia
Gab ihren Seelen Heimat auf der Insel
Der Liebe an lebendigem Gerinnsel.
Wie eine schlanke schwarze Pantherin,
Als Löwin aus dem Land der Äthiopen,
Als Leopardin zog die Königin
Zu dem gehörnten Bock der Antilopen,
Den sie in Glut und Rasen fressen will,
Der blauen Meeresgöttin Sohn, Achill.
Achill schrie: Königin Penthesilea!
Wir stammen ab vom Donnerer des Himmels,
Leben und weben in dem Sohn der Rhea,
Der in der Nacht des kämpfenden Gewimmels
Uns beisteht mit des Donners steinernem Hammer -
Willst du uns schlagen, suchst du deinen Jammer!
Da warf Achilles seine lange Lanze,
Die unbezwingliche, in wilder Wut,
Die blitzte durch die Luft in ihrem Glanze
Und öffnete der Königin das Blut,
Das ihr entfloß, das leidgewohnte schwarze.
Doch schnitt den Faden noch nicht ab die Parze.
Ihr Auge hüllte sich in Finsternis,
Die Doppelaxt entsank der Jungfrau Hand,
Die sich ermannte, sich zusammenriß,
Dem Tiere bis zum Tode widerstand,
Die Heldin dachte nicht daran zu fliehen,
Sie hob die Hand, erneut das Schwert zu ziehen.
Achilles sah der Amazonin Mut
Und Jungfraunstolz: Sie wird sich nicht ergeben.
Da badete er sein Schwert in ihrem Blut
Und raubte ihr das gottgeliebte Leben,
Da hatte durch die Hand des Griechenheros
Der Heldenjungfrau Los besiegelt Eros.
Der Amazonin Vater Mavor weinte,
Daß Griechenland die Jungfrau so erniedrigt.
Du böser Eros! weil sie sich nicht einte,
Hast du mit Schuld dir deine Lust befriedigt,
Du Feind des Reinen! Träne über Träne
Weinte der Freund der Anadyomene.
Mavors Geliebte Aphrodite trat
Zu ihrem kleinen Sohn, dem Gotte Amor.
Die Schönheit gab der Liebe einen Rat:
Verkläre du des Jungfraunkörpers Marmor,
Daß jeder sie die Allerschönste nennt
Und auch Achill in Liebesglut entbrennt.
Und da ließ Eros einen Flammenschein
Auf ihren bleichen fahlen Wangen fallen,
Die röteten sich glutenrot wie Wein.
Aus seiner Wabe ließ er Honig wallen,
So ließ er lächeln ihre bleichen Lippen,
Als tät sie Nektar von Elysium nippen.
Dann ließ er tropfen sieben reine Tränen
Und ließ sie fließen durch die Wolken nieder
(Getropft vom Auge Anadyomenen)
Und perlen an den Wimpern bleicher Lider
Als Zeichen einer seligsüßen Trauer -
Achill erfasste da ein heißer Schauer!
Wenn ihn die Krieger auch als Toren höhnten,
Er sank zum Staub in lauter Liebestränen,
Die Lippen küssend der vom Tod Verschönten,
An Schönheit ähnlich Anadyomenen.
Zur Feindin er in Liebesglut entbrennt!
Er weihte ihr ein Marmor-Monument.
Sie möge ruhn in einer Königsgruft,
Unsterblich sei ihr Leib, sei balsamiert
Mit Myrrhe, Myrrhe! Weihrauch gebe Duft!
Und Gold und Silberschmuck die Jungfrau ziert
Und ihre Gruft verzieren Götterbilder.
Bei solcher Ehre wird das Sterben milder.
Zwölf Jungfraun legte man an ihre Seite,
Einbrüstige junge Fraun mit Pfeil und Bogen.
Achilles ist in tiefem Seelenleide
Allein zurück zu seinem Zelt gezogen,
Gebet zu Zeus aufsendend für die Freundin,
Die Allerliebenswerteste - die Feindin!
TOD DES PARIS
Im Kriegsgewühl ward Paris auch verwundet,
Er siechte elend auf dem Krankenbett.
Wieviele Stunden sind mir noch gestundet,
Mein Arzt, und wer macht mir die Schulden wett
Und wer reicht mir nun den Olivenkranz
Des Friedens, führt mich zu Elysens Glanz?
Mein schöner Leib, von vielem Volk gepriesen,
Bewundert als das Lieblichste, wird modern
Im Staube. Und wird auf Elysens Wiesen
Mir meiner Seele ewige Flamme lodern,
Die doch verursacht mit den bösen Trieben,
Daß kein Stein auf dem anderen geblieben?
Zurecht fällt meine zu verliebte Seele
Der Schmerz an und das leibliche Verwesen!
Wie weh wird mir, gedenk ich all der Fehle!
Von Disteln hab ich Stacheln nur gelesen
Und hab doch mit des Herzens Kraft gesucht
Der Göttin Willen und der Liebe Frucht!
Vor Traurigkeit der Seele schlief er ein.
Des Schlafes Balsam linderte die Schmerzen.
In seinem Traume sah er Sternenschein,
Der Jungfrau Sterne flammten ihm wie Kerzen,
Den Leib verließ die Seele und stieg leicht,
Bis sie der Parzen dunklen Haus erreicht.
Lachesis war mit Clotho nicht zugegen,
Allein die Urgroßmutter Atropos
Sah er die Schere in der Hand bewegen
Und jenen Faden halten, der das Los
Des Lebens und des Todes Paris’ war
Und Tod war vorbestimmt unwandelbar.
Und Atropos erhob die dünne Stimme
Und sagte zitternd greisenhaften Tones:
Entfliehen kann man nie des Todes Grimme,
Du aber, Paris, suche du Önones
Barmherzigkeit, die deine erste Liebe,
Daß sie auch deine letzte Liebe bliebe.
Am Morgen nach dem Parzentraum erhob
Sich Paris noch an allen Gliedern matt.
Aus Eos’ Schoß ein Schwall von Rosen stob,
Als Paris unerkannt verließ die Stadt,
Verwundet und beschwert am Stabe hinkend,
Sah er den Phöbus überm Ida blinkend.
In seines Schicksals Traum verloren, schwankte
Zu des idäischen Gebirges Weiden
Der Prinz von Troja. Seine Meinung wankte,
Ob ihm die erste Liebe seine Leiden
Und seinen bittern Tod versüßen würde.
Da kam er schon zu einer Hirtenhürde.
Und bei den lieben Lämmern sah er sie,
Die wunderholde Hirtin seiner Jugend,
Ihr Kleid, wie Schnee, floß hin wie Melodie
Und war nicht ganz so weiß wie ihre Tugend.
Er sah sie an und lächelte, verloren
In Träume, wie er sie dereinst erkoren.
Wie einst fiel ihr das Haar so dunkelblond
Und blickte auch ihr Auge noch so grün.
Im Osten Phöbus stand am Horizont,
Umleuchtete die Schöne mit dem Glühn
Der ersten Liebe und der Sonne Glosen.
Im Herzen Paris’ blühten rote Rosen.
Önone, sprach er, herrliche Önone,
Gedenkst du unsrer Liebe auch einmal?
Du tauchst mir oft aus meiner Träume Mohne
Und denk ich dich, sind alle andern Qual,
Denk deiner Reinheit ich, fluch ich der Triebe
Des Fleisches und verehr die erste Liebe.
Önone sah ihn an mit hartem Blick:
Was träumst du eitel die Vergangenheit
Und sehnst in deinen Träumen dich zurück?
Häng lieber dich ans transparente Kleid
Der Helena von Sparta, ihre Vollbrust
War Trojas Untergang und deine Wollust!
Geh fort von mir und sterbe! sprach Önone
Und sprach es wie des Schicksals Urteilsspruch.
Und Paris wankte unter ihrem Hohne
Und Paris wankte unter ihrem Fluch
Und wankte heim nach Pergamos zurück,
Starb unter Helenas umwölktem Blick.
Er hauchte die verliebte Seele aus,
Am Herzen mehr noch als am Fleische wund.
Ein Jammer klang aus seiner Mutter Haus
Und Helenas so dattelsüßem Mund
Entströmten allertraurigste Weheklagen
Und Jammerschreie nimmer auszusagen.
Sie schlug sich ihre Brüste, ihre Pracht,
Mit ihren Fäusten schlug sie sich den Schnee,
Den weißen Marmor; rief die schwarze Nacht,
Daß sie bedecke ihrer Seele Weh:
An dieser Brust hat Paris einst gehangen,
Nun beißen in den Busen giftige Schlangen!
Sie raufte sich die hennabraunen Locken
Und riß die aufgelöste Lockenflut.
Die Atemstöße jagen, fliehen, stocken,
Vergleichbar der Mänade wilden Wut
Ist ihr Gemüt, die sie vor Trauer wütet,
Dann wieder wie die Nacht des Elends brütet.
Aus ihren dämmerblauen Augenschlitzen
Und aus dem Schimmer herrlicher Juwele
Kristallne Blitze der Verzweiflung blitzen,
Kristallne Trauertränen ihrer Seele,
Die strömen schweren Schwalles auf die Wangen,
An denen Paris’ Mund dereinst gehangen.
Weh mir! rief Helena von Sparta laut,
Ich bin berufen zu dem schwärzesten Elend,
Von Zeus berufen zu des Todes Braut,
Ich ward des Todes Gattin, als ich wählend
Die Liebe mich dem Prinzen Paris einte.
Die Schöne wie Kastaliens Quelle weinte.
Im Himmel aber sah die Göttin Charis,
Im dritten Himmel die Urania,
Den toten Leichnam ihres Lieblings Paris
Und todgleich die Geliebte Helena
Und trat voll Mitgefühls zu ihrem Sohne,
Daß Amor gleich erreich das Herz Önone.
Und Eros spannte seinen Flammenbogen,
Die Flammenspitze in den Honig tauchend.
Die Liebespfeile sind sogleich geflogen
Ins Herz Önone - welche Seufzer hauchend
In törichter Verliebtheit leise lachte
Und weinte laut, da sie an Paris dachte.
Wie war es doch, als ich zuerst gesehen
Den Jüngling, jenen Hirten Alexander?
Wer kann dem Gotte Amor widerstehen?
Selbst in des Lebens irrendem Mäander
Ging meine Liebe mir zu Paris nie
Verloren! Wehe mir! Önone schrie.
Da stürzte fort sie aus dem Weidegrund,
Gemischten Fühlens, Liebeslust und Trauern,
In jedem Falle Seufzer um den Mund,
So eilte sie und kam zu Trojas Mauern
(Da Troja nur noch als Ruine ragte)
Da alles laut um Paris! Paris! klagte.
Der Totengräber kam von Pergamos
Und schichtete das Holz zum Leichenbrand,
Den Prinzen trage Feuer fort von Tros
Zum Vater Äther in ein besseres Land
Und Westwind wehe Rauch und Asche milde
Fernhin in das hesperische Gefilde.
Unselige Önone! Seligkeit
Ist mir allein der Liebestod der Glut!
Mit Paris sterbe ich am Liebesleid!
Nie löscht das Feuer meiner Tränen Flut,
Seit Eros’ Feuer meine Seele würzte!
Und so Önone sich ins Feuer stürzte.
KASSANDRENS TOD
Ach weh, du herrlicher Laokoon,
Wie fielen dich die nassen glatten Schlangen
Des Meeres an! die Kraft schwand dir davon,
Als Urgewalten feuchter Tiefe rangen
Mit deinem Leben, daß du dich ergabest,
Als ob du keine Kraft mehr in dir habest.
Was soll man tun auch gegen solche Zungen,
Wie sie an diesem nackten Leibe leckten,
Was gegen solche Schlangen, die sich schlungen
Um dich, die in dem Schillerkleide steckten,
Aus dem sie sieben Male sich gehäutet
Und dich in deinem Fleische ausgebeutet.
Du standest in der nackten Schlangen Bann,
Von ihrer Doppelzüngigkeit umworben
Und ihrer Todeswollust! Wie ein Mann
Im Kampfe gegen Fleischeslust gestorben
Bist du gesunken; noch die Schlangen wallen;
Mit dir ist Trojas Mauerwall gefallen.
Und durch Odysseus’ List mit jenem Pferde
Der wilde Ajax stürmte ein in Tros,
Brandschatzte Asiens geweihte Erde
Und jagte die Prinzessin Pergamos’,
Die Seherin Kassandra, welche fleuchte
Und atemlos vorm Bild Minervas keuchte.
O heiliges Palladium! o Bund
Des Höchsten, von Minerva uns gegeben!
Ich küss dein Gold mit meinem keuschen Mund,
Dabei mir meine Lippen zittern, beben,
Berühre ich mit keuschem Jungfraunkusse
Den Schatz inmitten goldner Geniusse.
Minerva rufe ich, die Jungfrau an,
Die aus dem Haupte Zeus’ entsprungen rein:
Bewahre mich vor jenem wilden Mann
Und laß mich unversehrte Jungfrau sein,
Erhalt mir die Jungfräulichkeit! und muß
Ich darum auch hinab zu Lethes Fluß!
Der Völkerhirte Agamemnon trat
In der Minerva Tempel, seine Leute
Verharrten vor dem Tor nach seinem Rat,
Der Hirte nahm die Jungfrau sich als Beute.
(Entflohen war die Schönheit Helenas
Nach Mizraim vorm Manne Menelas.)
Und Troja war in Schutt und Staub gesunken
Und auf den Trümmern rauchten bleiche Qualme,
Die Griechen hatten Trojas Blut getrunken
Und kränzten nun sich mit der Siegespalme
Und rüsteten zur Heimfahrt ihre Flotte
Und weihten ihre Fahrt dem Meeresgotte.
Der Völkerhirt, ein Mann von bestem Schliff,
Nahm sich Kassandra mit als Kriegesbeute
Und führte sie gefesselt auf das Schiff
(Dies nur zum Schutz der Jungfrau vor der Meute,
Die hätten die Trojanerin geschändet).
Die Parze nun Kassandras Schicksal wendet.
Kassandras Bruder aber, der Äneas,
War vor dem Griechenheer aus Tros geflohen.
Er rief zu Charis und dem Sohne Rheas,
Zu Zeus dem Allgewaltigen und Hohen,
Sah Trojas Qualm verwehen mit den Winden
Und seine Schwester mit dem Schiff entschwinden.
Äneas rief in seiner Frömmigkeit
Zu der Geliebten des Anchises, Charis:
Göttin der Liebe, hüte du die Maid
Und scheine über ihr als Stella Maris
Und segne sie als Stella Matutina,
Daß sie besteh als heilige Virgina.
Die Füchse haben Gruben, Tauben Nester,
Doch wo soll dein Äneas heute ruhn?
Bin ich auch ruhelos, so ruh die Schwester
In deiner Gnade, Charis, sicher nun
Und immerdar, wohin ihr Stern sie leitet,
Daß deine Güte immer sie begleitet.
Und Agamemnons Flotte kam nach Haus,
Da seine Klytämnestra sie empfing.
Die Gattin ging zum Uferquai hinaus,
Als ob sie sehr an ihrem Gatten hing,
Geschmückt wie eine lockere Kokotte
Erwartete im Hafen sie die Flotte.
Und Agamemnon trat von seinem Schiff,
Bestieg den triumphalen Königswagen,
Mit ihm ein Bild von allerreinstem Schliff
Und einer Reinheit nimmer auszusagen,
Der reinen Jungfrau-Göttin Ebenbild:
Die Seherin Kassandra anmutmild.
Da Klytämnestra schwarzverwirrten Haares
Die makellose Seherin erblickte,
In Einem schwarzen Augenblicke war es
Kassandras Martertod, was sie verzückte.
Ja, Klytämnestra grimmig war wie Parther
Und Meder und beschloß der Jungfrau Marter.
Kassandra sah in ihr die Buhlerin,
Die hasste makellose Jungfraunschaft,
Da sah dem Tod ins Aug die Seherin
Und flehte an Minerva um die Kraft,
Im Augenblick und in der Todesstunde,
Wenn tödlicher Haß sie auf den Tod verwunde.
In jenem Augenblick erschien Athene
Mit holdem damenhaften Hauptesneigen:
Ich wandle in ein Wunder deine Träne
Und deinen Tod in einen Freudenreigen
Und führe deine Seele in die Ferne,
In das Platonische Athen der Sterne!
Und in der Nacht trat Klytämnestra ein,
Mit ihrem Buhlen, einem bösen Strolch.
In ihres Gatten Busen bohrte ein
Und in Kassandras Herz den scharfen Dolch
Die Buhlerin und lachte laut abscheulich.
Kassandra starb Martyrium jungfräulich.
Doch Klytämnestras Seele, schwarz wie Pest,
Ward eingeholt von der Erinnyen Rache -
Mit einem Schwert durchbohrte sie Orest -
Der Pythische Apollon und der Drache!
Der Muttermörder konnte nicht entrinnen
Den schwarzen Rächerinnen, den Erinnyen.
Sie jagten ihn den weiten Erdenplan,
In Schlangenhaut gekleidet, ihn zu geißeln
Mit schwarzer Seelenangst und schwarzem Wahn,
Ihm schwere Selbstanklage einzumeißeln,
In seinen Busen trieben sie den Hammer
Und nährten unablässig seinen Jammer.
Treu stand ihm bei der treue Freund Pylades
Und sagte immer: Trage nur dein Leid,
Es reinige dein Herz, ein Gott begnad es.
Die Göttin heiligster Jungfräulichkeit
Und Freundin aller Weisheit, aller schönen,
Sie möge dein zerrissnes Herz versöhnen.
Orest befielen die Verzweifelungen,
Die schwarze Furien ihm zugemessen,
Umzüngelt von der Hadesschlangen Zungen
Vernahm er nur Dämonen selbstvergessen
Und wie besessen von Dämonenstimmen
Schien ihm ein Gott ihm immerdar zu grimmen.
Er bangte sehr vor Jovis’ Grimm und Zorn
Und hatte eine letzte Hoffnung nur,
Zu trinken aus Minervas Gnadenborn,
Drum ging er nach Athen die Pilgerspur,
Wo er an Leib und Seele matt und lahm
Beim Tempel der Blauäugigen ankam.
Mit blauen Augen sah sie in sein Herz,
Der Blick sank in des Herzens Tiefe steil
Und brachte dem Zerrissnen voller Schmerz
Aus schöner Weisheit Quell das Seelenheil.
Vor Dankbarkeit ihm seine Tränen triefen,
Da kränzt er sich mit einer Schnur Oliven.
CYNTHIAS BILD IPHIGENIA
Und ein Orakel hatte den Orest
Bestimmt, der reinen Jungfraun-Göttin Bild
In einer Weihe und in einem Fest
Zu holen heim ins heimische Gefild.
Diana schmachtete bei den Barbaren
Im Norden, welche kalten Herzens waren.
So pilgerte Orest mit seinem Bruder
Pylades (Bruder war er seiner Seele)
Und lenkte seines Wallfahrtschiffes Ruder
In Richtung Tauris. Meeres Kronjuwele
Verzierten ähnlich weißen Lilienblüten
Wellende Lockenhaare Amphitriten.
Phöbus Apollon gönnte sich die Ferien,
Die er durch langes Glühen sich verdient,
Er wanderte ins westliche Hesperien
In goldnen Schuhn, die Beine goldgeschient,
Vorbei an Herakles’ gigantischen Pfosten,
Der Hesperiden goldne Frucht zu kosten.
Die alte Göttin trat in ihre Rechte,
Die große Göttermutter, Mutter Nacht.
Dionysos mit den Mänaden zechte
Und Priap zeigte seines Leibes Pracht
Und folgte leichten Nymphen auf den Fährten
Blaublühender verborgner Freudengärten.
Der goldenglänzende Hyperion
Im Wasserbett lag traurig und allein,
Dieweil der karische Endymion
Selene sah im silberweißen Schein,
Pan schlummerte allein, und Syrinx schlief
Dem Schilfe nah in Wassern still und tief.
Pylades und Orest auf ihrem Boot
Auch schliefen in der blauen Mutter Mantel,
Erwarteten gemach das Morgenrot
Und neu des Sonnengottes goldnen Wandel.
Nur eine ruhte nicht: des Dichters Lyra,
Die Liebe sang zur Grazie Ephyra.
Am Morgen aber war das Boot gespült
Durch göttlicher Gnade Walten an die Küste
Von Tauris. Amphitrite lustig spielt
Und Wogen wallen um der Göttin Brüste,
Die da wie Marmor weiß, wie Schaum und Schmelz,
Die bettete sich in dem Moos am Fels.
Da lag das Schiff der Brüder an dem Felsen
Und schaukelte in aufgeschäumter Flut,
Wie Schwäne schaukelten, die mit den Hälsen
Ergründeten die Tiefe wohlgemut,
Ob sich zum Mahl ein bronznes Schlänglein fand.
Pylades sprang, Orest sprang an das Land.
Zum Tempel taurischer Diana wollten
Pylades und Orest alleine wallen.
Am Horizont Gewitterwolken rollten
Und ferne Blitz und Donnergrollen schallen
Und übers Land brach eine Finsternis.
O Artemis von Tauris, Artemis!
O Artemis von Tauris, Cynthia,
Gib du daß wir dein taurisches Bildnis finden!
Hier sind wir schrecklichen Barbaren nah,
Mit kaltem Glauben, fürchterlichen Sünden,
Die leben hier in Wollust und Gemeinheit
Und lästern oft dir die jungfräuliche Reinheit!
Uns wies hierher einst die jungfräuliche Pallas,
Die Stimme sprach zu uns durch das Orakel,
Daß wir heimholen sollen, heim nach Hellas,
Die reine Jungfraun-Göttin ohne Makel,
Laß sie uns finden hier an diesen Küsten,
O Jungfrau Artemis mit neunzehn Brüsten!
Auf diesem Hügel, wo du einst erschienen
Vor einem armen Bettler, steht dein Tempel,
Wo sie dir nun in ihren Sünden dienen,
Verleihen deinem Kult der Sünde Stempel,
Du aber hilf, daß wir in unsrer Schuld
Dein Bild befreien, hilf durch deine Huld!
Und aus dem Heiligtum der Cynthia
Trat vor mit dunklem Blick die Priesterin,
Das war die Jungfrau Iphigenia.
Zwar war Orest ihr Bruder, aber in
Dem Kleid der Priesterin erkannte er
Und durch die langen Jahre sie nicht mehr.
Im reinen Rock und heiligweißen Hemde
Kam sie vom rituellen Opferfest
Und sah die beiden stehn. Wer seid ihr, Fremde?
So fragte sie Pylades und Orest.
(Die Mythen diese Fabel hier verwirren
Und zeigen Schicksals labyrinthisches Irren.)
Schließlich entdeckte sich Orest der Schwester,
Da er sein Schwesterchen in ihr entdeckte.
Da feierte ein hohes Freundenfest er
Und sie war hoch erfreut, Pylades heckte
Den Plan der Flucht aus dem Barbarenland aus
Und streckte Richtung Hellas seine Hand aus.
Wir wollen fliehen, eilen wir zur Küste,
Doch mit uns muß das Bild der Cynthia,
Es träufle jede ihrer neunzehn Brüste
Des Segens Tau auf Iphigenia,
Mit Iphigenia und Artemis
Entfliehn wir der Barbaren Finsternis.
So eilten sie zum Meere, zu dem Felsen,
Da ihre Taue angebunden waren.
Sie hörten vor sich wilder Wogen Wälzen,
Im Rücken aber schon die Schar Barbaren,
Die ihrer Göttin Bild behalten wollte.
Jedoch die göttliche Diana grollte!
Diana, stehend auf des Mondes Leuchte,
Im leuchtenden Gewande Cynthia,
Ließ sinken ihren Schimmer zu der Feuchte
Der Meeresflut auf Iphigenia
Und gab der Priesterin und reinen Maid
Abglanz von ihrer göttlichen Herrlichkeit.
Orest begehrte lange schon und immer,
Diana einmal selber anzuschauen,
Da sah er ihren mondenweißen Schimmer
Und ihre süße Lieblichkeit betauen
Mit ihrer göttlichen Schönheit Abglanzbade
Die Schwester, Ebenbild der göttlichen Gnade.
Von Iphigenia war so verzückt
Orest, wie nie ein Freier je gewesen.
Und als er in ihr weiches Aug geblickt,
War er an Seele und Gemüt genesen,
Denn in dem Auge jener reinen Maid
Sah er die Göttin in dem Sternenkleid.
In ihres Auges keuschem Jungfraunspiegel
Sah er hinschweben ewige Äone,
Die er durchzog auf der Begeisterung Flügel
Und trat bewundernd zu der Göttin Throne
Mit einer Bitte nur, daß sie verschont
Sein Herz, die Göttin stehend auf dem Mond.
Ja, auf dem Monde stand sie bloßer Füße,
Zu Füßen wandt sich ihr der Pythondrache.
Da sprach die Jungfrau-Göttin diese süße
Ansprache an Orest: Mein Lieber, wache,
Berausch dich nicht an Wollust, flehe, flehe,
Daß immer ich mein Bildnis bei dir sehe.
Schau her, Gott Cynthius leiht mir sein Kleid,
Denn dieses Licht hab ich nicht aus mir selber.
Dir will ich Göttin, Mutter sein und Maid,
Dir gelb wie Wabenhonig sein, doch gelber
Ist mein geliebter Bruder, meine Wonne,
Von ihm hab ich das Licht, vom Gott der Sonne!
Und siehst in meinem Leuchten du sein Licht,
Dann findest du in seinem Licht den Blitz -
Der Blitz, der aus dem höchsten Himmel bricht,
Erleuchtet dir des Vaters Jove Sitz...
Und auf die Knie sank Iphigenia,
Anbetete vor Sapientia!