Von Josef Maria Mayer
ERSTER GESANG
Ofimja sprach, die Mutter zu dem Kind
Nikita: Reite nicht ins weite Feld,
Die dreimal hundert Seen, den scharfen Wind
Durchquere nicht und laß das hohe Zelt
Nicht bei dem Sarazenenberg, du Held.
Vertilge nicht die Schlange; nimmer bade
Im Pucai-Strom, der wild und feurig wellt.
Nikita aber ritt die weiten Pfade
Und flehte zu der Himmelshöh um Kraft und Gnade!
Wie dürstete Nikitas Heldenherz!
Er kam zum Pucai-Strom durch weites Land
Und trug ein Messer mit von Silbererz;
Da zog er aus sein buntestes Gewand
Und stieg von dem gewölbten Uferrand
Ins Wasser, zu durchqueren wohl gewillt
Den Strom. Er sprach in seinem Unverstand:
Die Mutter sprach, der Strom ist heiß und wild;
Doch finde ich das Wasser friedlich, sanft und mild.
Kein Wind ist über dreimal hundert Kolken,
Da eilte Etwas an den Uferstegen,
Nicht waren an dem Himmel Wetterwolken,
Doch plötzlich strömte es herab wie Regen,
Wie Donnerwagen rollt es auf den Wegen,
Und blitzgleich kam herangezischt die Schlange.
Da bat der Schöpfung Kind um Gottes Segen
Und war nicht länger mehr im Herzen bange.
Die Wasser aber wanden sich geduldig lange.
Sprach zu Nikita so die Schlange bald:
Jetzt ist Nikita, der Ofimja Kind,
In meiner allumschlingenden Gewalt;
Jetzt hab ich Lust, ich fresse dich geschwind,
Jetzt hab ich Lust, und in den Wassern lind
Ertränk ich dich und trag dich in die Höhle.
Die sie zu zweit ins Naß gefallen sind,
Sie rangen dort, die Schlange wie Juwele,
Nikita unbekleidet bis auf seine Seele.
Da lag am Ufer nur Nikitas Hut
Aus Griechenland, den nahm er unbewußt
Und warf ihn, und er war wohl schwer drei Pud,
Der Schlange über, die in Todeslust
Am Ufersaum sich wand in Staub und Dust.
Nikita aber nahm ein scharfes Messer
Und schnitt der Schlange auf die weiße Brust,
Wie Tauben weiß und als der Schnee noch blässer.
Im Sterben sagte sie zu ihm: Ich weiß es besser.
Du reite nicht zum Berg der Sarazenen,
Und ich will nicht durchs Land der Slawen fliegen.
Nikita ließ, um dieses zu erwähnen,
Sie zwischen seinen Knien hervor. Da biegen
Sah er die Schlange sich, die ist gestiegen
Zum Äther auf im morgenroten Lichte.
Sie flog nach Kiew. Dort hat lang geschwiegen
Zabava, die des Fürsten hübsche Nichte.
Die Schlange raubte sie, die hatte oft Gesichte.
Da sprach der Fürst mit Namen Wladimir:
Wo ist die Zauberin? Aus ihrer Kehle
Will ich vernehmen: Wohin wurde mir
Zabava hingebracht? Weh meiner Seele!
Der Diamant, mir lieber als Juwele!
Wo ist ein Held und Tröster meinem Leid?
Wer steigt freiwillig nieder in die Höhle,
Wer ists, der die Zabava mir befreit?
Nikita ists, der Held und Retter jener Maid!
Nikita war zuhause bei der Mutter,
Und sein Gemüt war ganz aus tiefer Trauer.
Sie hatten Brot und Salz und wenig Butter.
Ofimja war da lauter Tränenschauer
Und sprach: Im Pferdestall steht dir ein Grauer,
Und nimm die lange Seidenpeitsche mit,
Und sei du als ein Geisterfüchslein schlauer,
Und komm als Sieger wieder von dem Ritt,
Dieweil ich wohl zehntausend Ängste um dich litt.
Nikita sattelte das gute Pferd,
Die Gurte waren ganz aus fester Seide,
Die Sattelschnallen rot, von hohem Wert,
Aus Gold. Er schwang sich auf in seinem Leide,
Und Roß und Reiter jagten weithin beide
Und kamen zu dem Berg der Sarazenen.
Durchs Feuer und durchs Schwert starb manch ein Heide.
Zabava, weißer als der Flaum von Schwänen
Und rosiger denn Blut, sie spannte als sein Sehnen.
Da kam Nikita schließlich zu der Höhle
Und rief in seiner ungestillten Wut
Aus der Empörung seiner edlen Seele:
Ach du verfluchtes Tier, du Schlangenbrut,
Gib mir Zabava wieder hold und gut
Und laß uns nicht vergießen Ströme Blut!
Da sprach vor jener Höhle jene Schlange:
Hast du mit mir zu kämpfen nicht den Mut,
So siehst du nimmer der Zabava Wange.
So kämpften sie drei Nächte und drei Tage lange.
Da will Nikita endlich nicht mehr kämpfen,
Da klang vom Himmel eine sanfte Stimme:
Ofimjas Kind, du sollst den Zorn nicht dämpfen,
Drei Nächte kämpfst du schon in deinem Grimme,
Drei Stunden bleib im Kampf noch, und die schlimme
Brut wird von deiner Macht sein überwunden!
Daß sie in ihrem eignen Blute schwimme,
Zufügte er ihr wohl ein dutzend Wunden
Und wurde als ein Überwinder so befunden.
Nikita konnte nicht mehr überdauern,
Da klang vom Himmel eine Stimme gut
Und lieblich und ein Trost in seinem Trauern:
Drei Nächte standest du schon voller Mut,
Drei Stunden stehe du noch in dem Blut.
Dann schlage mit der Lanze wohlgemut
Laut an den Fels! Da tat sich auf die Höhle,
Und bis zum Eingang ging die rote Flut;
Da stand Zabava weiß wie eine Stele.
Zu Seiten des Geliebten ging die liebe Seele...
ZWEITER GESANG
Vom grünen Meere von Korsun
Fiel Nebel nieder und ein langer Regen.
Drei purpurfarbne Schiffe zogen nun,
Die Segel wehten über Wasserwegen.
Doch in Korsun sang eine Melodie
Marina, jene Maid der Häresie.
Die purpurfarbnen Schiffe nahm sie fort
Und nahm von ihnen Brückengeld und Zoll.
Die Schiffer aber schrieben an dem Ort
Mit Tinte und Papier (so wie Apoll
Vom Kaukasus) mit ihrer Seele Dürsten
Briefe an Gleb Volodjevich, den Fürsten.
Da kam sehr rasch zum Fürsten dieses Schreiben,
Sein Herz entbrannte, und er griff das Horn.
Er rief, um seine Mannen anzutreiben,
In seinem Heldenmut ihm angeborn:
Auf Mannen, tapfere Druzina!
Wir reiten nach Korsun zu der Marina!
Eja, wir reiten zu der Stadt Korsun,
Zu jener Maid der Häresie, Marina.
In weißen Leinenzelten sollt ihr ruhn
Zur Morgenröte, tapfere Druzina!
Und morgens kam der Tau herab als Schauer.
Die Mannen übersprangen eine Mauer.
Da ritt der Fürst, da klirrte laut der Säbel,
Bis zu dem weißen Türmchen auf der Mauer.
Da stand umschleiert von dem Morgennebel
Marina, weinte wohl ein Meer der Trauer:
Fürst! Jetzt ist Leiden, später kommt die Freude!
Pirolgleich sang sie dies von dem Gebäude.
Der Fürst rief lauter Stimme: Gib mir wieder
Die Schiffe mit den purpurroten Segeln!
Da sprach Marina (und es waren Lieder):
Wir haben von der Vorzeit her die Regeln:
Du mußt erst lösen mir der Rätsel drei,
Dann laß ich dir die Purpurflotte frei.
Was ist im Sommer weißer als der Schnee,
Was ist im Winter grüner als das Meer? -
Im Sommer das Getreide wie ein See,
Im Winter hangen Tannenzweige schwer. -
So wußte sie geheimnisvoll zu fragen,
Und wahrlich weise konnt er Antwort sagen.
Was wächst, doch ohne Wurzeln fest und süße?
Und was läuft ohne Schlittschuh übers Eis? -
Das letzte sind die ersten Frühlingsflüsse,
Das erste ist der letzte Schnee so weiß. -
So fragte sie gelehrt geheimnisvoll,
Er sprach so wie der thymbrische Apoll.
Bei euch im goldnen Moskau ganz von Stein,
Da ist ein Knochenberg, und darauf steht
Eine Zypresse sanft im Sonnenschein,
Von einem Phönix ist sie überweht.
Die Schiffe werde ich vom Ufer binden,
Weißt du des Rätsels Lösung nur zu finden.
Der Knochenberg wohl unterm Himmelszelt,
Das ist mein Roß; und der Zypressenbaum,
Das bin ich selbst, der unschlagbare Held;
Der Phönix mit den Schwingen Morgenflaum,
Ist wohl mein Helm auf dem erhobnen Haupt.
Jetzt gib die Schiffe mir, die du geraubt!
Da ritt Marina von der weißen Mauer
Und goß in einen Becher roten Wein,
Gabs ihm, er hat ihn ausgegossen. Schauer
War da der Hof und ganz im Feuerschein.
Zur weißen Mauer züngelten die Flammen,
Die Menschen aber kamen da zusammen.
O weiße Mauerwand, o Flammenrot!
Da schoß er einen Pfeil von seinem Bogen.
Marina kam dabei der Tod, der Tod
Ereilte sie, die ist hinangeflogen.
Fürwahr, die Maid der Häresie wird ruhn
Am Himmelsmeer, Marina von Korsun.
DRITTER GESANG
Im reichen Indien wars, wo der Bojar
Mit Namen Peresmeta schoß die Pfeile,
Dreihundertdrei, auf einen großen Aar.
Dann sprach er zu sich selbst: Daß ich nun eile,
Der Mutter Botschaft bringe von dem Heile
Des Kindes. Bei dem Fürsten Wladimir
Gibt es beim Gastmahl keine Langeweile,
Doch grünen Wein und süßen Met und Bier
Und auch die weiße Fürstin, die ist Rußlands Zier!
Da sprach die Mutter: Mit dir nimm den Segen,
Mein Peresmeta, grüße mir den milden
Fürst Wladimir, und Gott auf deinen Wegen!
In den verschneiten dämmernden Gefilden
Sah man die tiefe Spur sich trefflich bilden,
Und Peresmeta kam nach Kiew stolz.
In Indien sind die Tempelkuppeln gülden,
Hier ist der Kirchenturm von Espenholz.
Was solls, mein Fürst, daß ich in Rußland bleib, was solls?
Steinkirchen gibt es da, mit Kalk geweißt,
In Indien ist es alles Edelstein.
Holzpfade reitet man, mein Fürst, du weißt,
Bei uns; in Indien sind die Pfade fein,
Und rotgelb ist der Sand wie Morgenschein,
Und statt dem festen Tuch der Sarazenen
Gibts dort die transparente Seide rein.
Begierde lodert mir in meinen Venen,
Mein Fürst! so laß mich scheiden, so erfüll mein Sehnen!
Da lächelte der milde Wladimir:
Mein Peresmeta, reite nur gen Osten.
Der Jüngling sprach: Mein Fürst, ich danke dir!
Er schwang sich auf das Roß, und nie wird rosten
Der blanke Stahl. Dann an der Grenze Pfosten
Ritt er vorbei, von weißgeschälter Mandel;
Im Morgenrot sah er der Gipfel Posten,
Duftende Wälder waren da von Sandel.
Eja, eja, ein süßes Ziel nach all dem Wandel!...
Da sandte Wladimir drei weitre Boten:
Aljoscha und Nikita und Jekim.
Er war ihr Fürst und auch der Fürst der Toten.
Sie wurden bald mit Indien wohl intim
Und sahen all die Herrlichkeit sublim.
Sie hatten Tintenfaß und Vogelfeder
Und Pergament und schrieben Briefe ihm
(Doch einen Gelben Kranich hat nicht jeder):
Wir stehen auf dem Gipfel hier bei einer Zeder;
Wir wollen nüchtern sein und wachen, dürsten
Wir noch so sehr, daß nicht ein Ozean
Das Feuer löscht, doch in dem Dienst des Fürsten
Erkunden wir das schöne Hindostan.
Wir ritten durch die Länder von dem Khan
Und kamen zu dem mächtigen Gebirge
(Wir kennen nicht den Namen), weit der Plan
Bestanden ist am Hang mit Schleierbirke.
Grüße dem Fürsten Wladimir aus dem Bezirke!
Steht Indien ganz in lauter Liebesflammen?
Sie sahen in dem Lande: ganz aus Stein
Sind da die Tempel und sind allzusammen
Geweißt, die Kuppeln sind aus Edelstein,
Die Häuserdächer sind wie Morgenschein,
Rotgelber Sand fließt hin der weite Pfad,
Darüber liegen Seidentücher fein.
Man hörte hier von mancher Heldentat
In Indien, diesem lichten süßen Bienenstaat.
Von weißem Stein gebaut war der Palast.
Sie kamen an zu dritt, wo eine Frau
Saß wie von Jade, ringsum Sandelbast,
Umher in Schalen stand der Wein aus Tau.
Sie neigten sich vor ihr, die Haare grau
Von Staub: Sag an, ob du die Mutter bist
Von Peresmeta, dem Bojaren schlau?
Sie sprach, daß sie nicht seine Mutter ist,
Die wahre Mutter seit drei Tagen schon vermisst.
Doch jetzt kam Peresmetas wahre Mutter,
Zwei ihr zu Seiten stützten ihre Arme,
Ihr Angesicht wie Honigseim und Butter,
Sie sprach mit einer Stimme hold und warme:
Warum seid ihr gekommen? Gott erbarme
Sich über euch! Dann gingen sie zur Speise.
Wenn man von diesem Brot, das nicht für Arme,
Eins ißt, dann will man gleich ein zweites, leise
Verlangt ein drittes brennender ein Seelenwaise.
O brennende Begierde! Höre, hüpfe,
Denn dein Verlangen wird gestillt einmal!
Amelfa Timofejewna sprachs, die Witwe,
Die Mutter Peresmetas in dem Saal.
Die Ritter führte sie, erbleicht und fahl,
In tiefe Keller zu dem Roßgeschirr
Und sprach: Ihr habt jetzt nimmermehr die Wahl.
Sie schrieben wohl drei Jahre und nicht vier
Mit Feder und mit schwarzer Tinte aufs Papier:
O Wladimir! du Fürst und milder Stern!
Verkauf die Stätte Kiew für Papier
Und Cernigov für Tinte liebend gern;
Dann komm, o Fürst, den wirklich schön ists hier.
Die Schönen sind wie Alabasterzier,
Und überschauert wie vom Flammenmeer
Scheint Indien. Zwar gibts hier kein herbes Bier,
Doch weißen Trank von roten Blumen sehr
Verzückend Träume spendend. Fürst, so komm du her!
Doch wo war Peresmeta, der Bojar?
Er schwang sich auf den Rotfuchs, ritt zurück
Zur Witwe, die ihm seine Mutter war,
Amelfa Timofejewna, sanft der Blick,
So sprach sie lächelnd: Find, mein Sohn, das Glück!
Sie setzte auf die abgewischte Brille:
Jetzt bist du wieder da! Daß dich beglück
Ein schönes Menschenkind, sei Gottes Wille!
(Dies Lied ist für die Schöne und dem Meer zur Stille.)
VIERTER GESANG
Fürst Wladimir sprach: Ladet mir den Pan
Stepan zu einem feuchtfröhlichen Mahl.
Da kam geritten der Bojar Stepan
Und kam hinein zum weißsteinernen Saal,
Bekreuzte sich. Sie saßen an den Tischen,
An Mehlgebäck und Met sich zu erfrischen.
Stepan sprach: Mir ist doch mein Hof viel lieber,
Gemächer licht aus Eichenholz, und nobel
Den Grund bedeckt das Vlies von grauem Biber,
Die sieben Pfosten sind umhüllt mit Zobel,
Türangeln sind vergoldet an den Erlen
Und in den Truhen Silber, Bims und Perlen.
He, Vasilisa heißt mein junges Weib!
Gleich weißem Schnee ihr Angesicht,
Wie eine schöne Vase ist ihr Leib,
Wie eine Mondnacht ist ihr Augenlicht.
So manche Teppicharbeit ihr gelinge,
Vom Bogen schießt sie durch durch goldne Ringe.
Sprach Wladimir: Er schneidet auf, gewaltig!
Ergreift Stepan und werft ihn ins Gefängnis,
Das Tor schließt mit dem Schlüssel, kraftgestaltig
Stellt eine Wacht hin; er sei in Bedrängnis
Im rot und gelben Sand auf immer hier.
Die Vasilisa bringt zu Wladimir!
Zu Vasilisa kam die Trauerkunde,
Daß der Bojar Stepan gefangen war.
Die Tränen fielen ihr hinab zum Munde,
Ein goldner Helm hielt ihr das schwarze Haar,
Sie gürtete sich mit dem Saffian
Und ritt als grimmer Bote fort die Bahn.
Die Fürstin Eupraksija sprach zum Fürsten:
Sie nennt sich so, doch ist kein grimmer Bote,
Das ist ein Weib, nach dem Bojaren dürsten,
Sieh nur die Brust und sieh die Lippen, rote,
Im Wandeln schwimmt wie eine Ente sie,
Im Sitzen drückt zusammen sie die Knie.
Jekim, Nikita, Peresmeta waren,
Aljoscha, Ilja bei Fürst Wladimir.
Beim Fürsten tranken freudig zwölf Bojaren
Und sahen an des Boten süße Zier:
Das Antlitz Schnee, die Wangen Purpurblüten,
Die Finger fein wie Morgenröte glühten.
Sprach Wladimir zum grimmen Boten: Ach,
Setz dich zu mir am breiten Tische hin,
Zusammen laß uns einmal spielen Schach,
Von Elfenbein ist König, Königin.
Die schöne Botin hat gewonnen dies, ah,
Den König schlug schachmatt die Vasilisa.
Die Botin sprach: Fürst, wer wird dich ergötzen?
Ist niemand hier im Gusli-Spiel geschickt?
Rief Wladimir: Stepan mög sich doch setzen,
Ich hab ihn wieder gnädig angeblickt,
Er möge jetzt der Gusli Saiten streichen.
Der grimme Bote tat mein Herz erweichen.
Stepan begann zu spielen und sang leise
Das Lied von Cargrad und der schönen Jugend,
Und von Jerusalem nach der Lilienweise
Und rühmte Fürst und Fürstin voller Tugend
Und sang die Trauerstanze der Hebräer:
Vom Rotwild, morgens früh verfolgt am Meer...
Die Vasilisa in dem Botenkleid
Nahm sich Stepan zur Seite: Held und Zeder,
Erkennst du nimmer deine süße Maid?
Das Tintenfaß für deine Schwanenfeder?
Da riß sie sich vom Leib die Kleider nieder:
Sieh meinen weißen Busen, ich bins wieder!
Eja, da wußte wohl, daß diese Maid
Die Liebste war, der traurige Stepan.
Nicht daß es an dem Maienmorgen schneit,
Nicht daß dahinschwimmt weiß ein junger Schwan:
Stepan und Vasilisa eilen fort
Durchs weite weiße Land zu ihrem Hort.
FÜNFTER GESANG
Ich möchte ziehen nach Jerusalem,
Mit meiner tapferen Druzina beten
Zu Gott! und küssen heiß das Diadem
Und Heiligtümer, wo die Winde wehten,
Die auch vorzeiten da die Stürme säten,
Die Christus stillte! sprach Petroi. Verlegen
An Worten war die Mutter nimmer: Beten
Will ich für dich und geb dir meinen Segen.
Stein brennt von Feuer, Mutterherz will sich bewegen.
Petroi und seine tapfere Druzina
Mit Purpurschiffen auf dem Wasserpfade
Im Morgen segelten, doch nicht die Dvina,
Die Smorodina nicht wie grüne Jade,
Pecora nicht mit ihrer Schiffe Lade,
Sie segelten den Ilmensee daher.
O Walter du des Windes, habe Gnade!
Im Sturme kamen sie zum Kaspischen Meer,
Da standen Wogen so wie eine Mauerwehr.
Sie kamen zu dem Berg der Sarazenen,
Und Petroi stieg den hohen Berg hinan,
Wo um den Gipfel weiß sich Wolken dehnen.
Da lag ein Menschenschädel auf dem Plan
Und hob die Stimme: Daß ich dich ermahn,
Ich war wie du wohl mindestens so edel,
Auf diesem Berg wird ruhen nicht der Khan
Und nicht ein Jüngling mit dem süßen Mädel,
Auf diesem Berge liegen einst wird Petrois Schädel!
Doch Petroi stand dort auf dem Gipfel,
Und weiße Wolken woben sich sehr fein
Um eine Zeder mit erhobnem Wipfel.
Da sah er vor sich einen weißen Stein
Und sah die Inschrift, wie sie stand am Rain:
Wer sich ergötzen will am Stein im Licht
Und sich belustigen, vernehme ein
Orakel: dieser sich den Schädel bricht.
Er übersprang den Stein die Breite, die Länge nicht.
Die Helden kamen zu dem Jordanstrom
Und gingen nach Jerusalem hinein,
Sie knieten zum Gebete in dem Dom,
Und Petroi ist in dem Gebet allein
Mit seiner Gottheit: wie ein weißer Stein
Und so wie eine Burg im Morgenrot.
Da nahm er von dem Brot und von dem Wein.
Für alle seine Lieben, die schon tot,
Las er die Totenmesse. (O ein Gift dem Tod!)
Sie gingen alle zu dem Jordanwasser,
Wo Jesus Christus ward getauft fürwahr
Und stand dort als wie eine Taube blasser
Und Geist kam über ihn und das ist wahr.
Die Jordanwasser sind kristallenklar,
Und Petroi mit den gottgeschenkten Gnaden
Und die Druzina wollten offenbar
Auch einmal in den Jordanwassern baden,
Und Petroi stand im Jordan, Wasser zu den Waden.
Mütterchen feuchte Erde will ich wieder
Erblicken, seufzte Petroi. Wortes Samen
Sang in Jerusalem dereinst die Lieder,
Auf diesen Spuren gingen sie und kamen
Zum hohen Sarazenenberg. Im Namen
Des Christus segnete Petroi den Stein,
Und hingerissen (wie von schönen Damen)
Er übersprang den weißen Stein am Rain
Die Länge und die Breite - und war tot! O Stein!
Da zog zu Petrois Mutter die Druzina.
Ich weiß nicht, sahen sie den Ilmensee,
Die Smorodina, Newa oder Dvina?
Sie brachten mit der Botschaft ihr das Weh.
Amelfa Timofejewna rief: O je,
O je, was hast du mich verlassen, Kind!?
Und sie ward bleich wie erster Neujahrsschnee,
Und Schatten überflogen sie wie Wind:
Ich hoffe, daß wir bald zusamm im Himmel sind!
SECHSTER GESANG
Gelandet in der grünen Meeresbucht
Mit Purpurschiffen ist Bojar Roman.
Der hat den Fürsten Wladimir besucht
Und brachte von Damast so manche Bahn,
Aus Cargrad ein verziertes Diadem
Und rote Füchse aus Jerusalem.
Der schöne Jüngling kam in den Palast
Und neigte sich vor dem Erlöserbild.
Er reichte Füchse, Diadem, Damast
In Kiew wohl dem guten Fürsten mild
Und küsste Fürstin Eupraksija weiß
Die weißen Hände. (Gott alleine weiß.)
Sprach Wladimir, der Fürst: Für die Geschenke
Nimm Fürstentümer! Doch im Morgenlichte
Sprach der Bojar Roman: Mein Fürst, ich denke
Da eher an Zabava, eure Nichte.
In ihrem grünen Garten, morgentauen,
Will ich ihr einen weißen Terem bauen.
Zur Morgenmesse läuteten die Glocken,
Da sah Zabava aus dem Fenster gern.
Sie schüttelte die schwarzen Rabenlocken:
Was ist denn dies, mein süßer Morgenstern?
Der Schönheit von dem dritten Himmel gleich
Steht dort ein Terem! Wird das Herz mir weich!
Da ging sie in den Terem, in die Hallen.
Nicht daß es in den grünen Gräsern wispert,
Nicht von den goldnen Pfosten hört sie's schallen,
Nicht daß es in den Purpurtüchern flüstert:
Zum Saitenspiel Gesang von Aventüren
Dringt ihr ans Ohr durch angelehnte Türen.
Zabava ging im Terem Morgenröte
Und Schönheit von der dritten Himmelssphäre.
Da saß Roman, zu Seiten eine Flöte,
Von seinem Saitenspiele rauschten Meere.
Er trug sie auf das Bett von Elfenbein
Und bettete sie weich in Seide fein.
Da ging Bojar Roman und schloß das Tor
Und sprach: O Quintessenz der Elemente,
Mein liebes Mädchen, tu mir auf dein Ohr,
Ich sing das Lied dir von der goldnen Ente.
Nach jedem Zwischenspiele aber müssen
Wir lieblich uns mit Mund und Lippen küssen!
Es war dereinst ein Diener von dem Fürsten,
Der machte eine Ente sich von Gold.
Da wünschte er, sie möge nimmer dürsten,
Und baute ihr ein Wasserbecken. (Hold
Sei mir gesinnt, o Mutter meiner Musen,
Und nimm du mich an deinen weißen Busen.)
Die Ente aber konnte gar nicht schwimmen,
Da formte er die Ente noch einmal,
Da schwamm sie hin, und alles schien zu stimmen.
(Wir wollen Küsse tauschen ohne Zahl!)
Da lag ein Ei, und sie begann zu picken,
Und auch die Kleinen fingen an zu picken.
Da brachte er die Ente zu dem Fürsten,
Der legte sie fürwahr ins Wasserbad,
Die Ente brauchte niemals mehr zu dürsten,
Und auch die Kleinen waren glücklich. (Pfad
Und Ausweg du aus meiner Seele Schmerzen,
Wir wollen einmal uns recht herzlich herzen!)
Die Ente schwamm im Wasserbade frei
Und auch die kleinen goldnen Kinderlein.
Sie pickten zärtlich das gekochte Ei,
Und das gefiel dem Fürsten wohl. (Mein Sein,
Wir wollen trunken sein von Liebe mehr
Als von dem Wein, und wäre es ein Meer!)
So sang zum Saitenspiel Bojar Roman,
Und offnen Sinnes lauschte die Zabava.
Nicht flog vorüber da ein Pelikan,
Nicht hing ein rotes Tuch an der Zastava,
Das ist die Grenze mit dem weißen Pfosten:
Die Morgenröte stieg hinan im Osten.
SIEBENTER GESANG
David war Sänger, und er liebte Gott,
Da ging er mit dem Saitenspiel allein
Umher in dem berühmten Novgorod
Und setzte sich auf einen weißen Stein
Und schaute in den Ilmensee hinein.
Da tauchte auf die Wasserkönigin, jene
Sprach so: Du sollst im Meer beim Gastmahl sein,
Denn mich erfreuen deiner Stimme Töne;
Da gibts auch eine weiße Schwanin, kleine Schwäne.
Da baute David Purpurschiffe sich
Und fuhr die Newa hin aufs grüne Meer,
Da lenkte er die Schiffe meisterlich
Ins Land der Goldnen Horde hin, und her
Kam wieder er, da wehten Winde schwer
Und rüttelten die Schiffe wilder Wut.
Er sprach: Die Meereszarin zürnt uns sehr,
Sie fordert aus der Tiefe den Tribut.
Wir wollen losen, Einer wohl verströmt sein Blut.
Sprach David zu der mutigen Druzina:
Wir wollen uns der Losentscheidung stellen.
Seines Gewandes Seide kam aus China,
Floß über seine Hände hin, die hellen.
Aus Weide machten Lose die Gesellen
Und schrieben Namen drauf in jener Stunde.
Das Los mit Namen David nahmen Wellen
Hinunter zu des Meeres grünem Grunde.
Ich muß hinab ins Meer! entfuhr es seinem Munde.
Sprach David: Sichtlich kann ich nichts mehr tun,
Die Zarin fordert mich als den Tribut,
Und ich soll auf dem Grund des Meeres ruhn.
Nun denn, ich bins zufrieden. Bringt mir blut-
Blau Tinte in dem Tintenfaß und gut-
Geschnitzte weiße Schwanenfeder mir.
Ich schreib mein Testament jetzt, hingeruht
In meinen Riemenstuhl, auf das Papier,
Bis ich mich in der Meereszarin Reich verlier.
Da ist er aufgewacht am Meeresgrund,
Sah Morgenröte in des Wassers Weiten
Und tat vor Staunen auf den süßen Mund
Und wollte durch die weiten Wellen gleiten
Und in die weißsteinerne Halle schreiten
Zur Meereszarin auf dem Muschelthron,
Da sprach sie: Streiche mir der Gusli Saiten
Und sing mir von des Himmels liebstem Sohn,
Da spende ich dir lieblich meiner Liebe Lohn.
Als David auf dem Saitenspiel begann
Zu spielen, Meer und Himmel wohl gewogen,
Da fing die Meereszarin zärtlich an
Zu tanzen, und sie ist umhergeflogen,
Wie eine Primadonna hingebogen
Das Haupt in lauter Anmut, daß das Meer
Empfindlich aufgewühlt war und die Wogen
Aufsprangen leicht und niederstürzten schwer.
Da rief die Meereszarin: David, nimmermehr!
(Und David sang:)
O Meereszarin! Deine Wasserfluten
Sind lauter Rauschen, weiße Wellen
Sind übermächtigt von den Morgengluten,
Stromschnellen rufen zu den Felsenquellen.
Wie, meine Seele, warum dein Betrüben?
Die Meereszarin wird dich einmal lieben!
Die Morgensternfrau sendet ihre Güte,
Die mondne Nacht ist wie ein Tränenschauer.
Die Muschel und das Meer mir im Gemüte,
Bin ich in Todeswassern lauter Trauer.
Wie, meine Seele, warum dein Betrüben?
Die Meereszarin wird dich einmal lieben!
Die Gnade leite mich zu dem Altar in
Die wundersame weißsteinerne Halle,
Wo auf dem Muschelthron die Meereszarin
Mit einer Kette rötlicher Koralle.
Wie, meine Seele, warum dein Betrüben?
Die Meereszarin wird dich einmal lieben!
Da trat zu David hin der Meereszar
Mit gischtnem Bart und Perlenbrille
Und mit Fontänenzepter kristallklar
Und sprach zu David in des Wassers Stille:
Gibt dir die Meereszarin eine Braut,
Dann sage: Liebe du, gescheh dein Wille!
Denn wenn die Meereszarin übertaut
So tut, dann hat sie dich mit Gnade angeschaut.
Da sprach der Meereszar, und perlmuttmatt
War sein Gewand, die Krone gold wie Äther
Des Morgens: Bau mir einmal eine Stadt,
Doch meinen Namen sage ich dir später.
Und David sah die dreimaltausend Meter
Die Meereszarin schwimmen durch das Meer.
Sie sang mit süßer Stimme. Was versteht er?
Ich bringe dir hier die Geliebte her:
Russalka von Kitesh, mein Sohn, so lieb sie sehr!
Russalka von Kitesh, die Wunderschöne,
In dem Gewand aus Flügeln der Libellen,
Sie liebte David: Spiel mir süße Töne,
Daß ich nicht von den anderen Gesellen
(Und sind die Zungen auch wie Dvina-Schnellen)
Gesängen lausche. Und sie hat gewunken,
Und weiße Wasser wurden rote Wellen,
Da ist mit David lieblich liebestrunken
Russalka von Kitesh in ewigen Schlaf gesunken...
ACHTER GESANG
Mütterchen feuchte Erde mußte zittern
Und alle dunkelgrünen Wälder wanken,
Die Flüsse all, die süßen und die bittern,
Entspringen Felsen, den graniten-blanken,
Donner und Blitz kommt aus dem Himmelstor:
Geritten kommt der Recke Svjatogor.
Und Ilja Muromez sprang auf den Baum,
Er sah den Helden auf dem Apfelschimmel,
Die Schultern breiter als der Weltenraum,
Sein Haupt erhob sich über alle Himmel,
Mit seinen Händen aber weiß wie Jade
Trug er vorsichtig eine Kristall-Lade.
Da ritt der Held zum Baum heran und nahm
Die Lade, schloß sie auf mit Schlüsseln gold
Und silbern, aus der Kristall-Lade kam
Ein Mädchen wunderschön und süß und hold,
Gehüllt ins rote Vlies von einem Reh
Und halb entblößt der Körper weiß wie Schnee.
Sie nahmen aus der Kristall-Lade Tische
Und Tücher, tranken honigsüßen Met
Und speisten Muscheln und gesalzne Fische.
Dalila ward von einem Wind umweht,
Sie führte ihn hinein ins weiße Zelt,
Und Svjatogor schlief ein, der junge Held.
Dalila aber ging zum Apfelbaum,
Da sah sie Ilja Muromez im Wipfel.
Sprach sie: Ich bin der weiße Meeresschaum,
Und du sei mir der unbesiegte Gipfel.
So komm herab vom Baum, wir wollen lieben.
Er hats getan, und so steht es geschrieben.
Da wachte auf vom Schlafe Svjatogor
Und setzte die Dalila, weiß wie Jade
Und sanft umfächelt von dem Morgenflor,
In jene aufgeschlossne Kristall-Lade,
Da flogen sie den Heiligen Bergen zu.
Da sang sie in der Lade voller Ruh:
Dobrynja ritt von Schlüsselburg ins weiße
Steinerne Moskau mit den goldnen Glocken,
Die klangen in der Morgenröte leise,
Noch Nachttau war in seinen gelben Locken.
Da ritt er hin (doch wo war die Druzina?)
Die Chleb-und-Boris-Gasse zu Marina.
Da sah er auf dem Türmchen auf der Mauer
Den Tauber zärtlich schnäbeln mit der Taube.
Aus seiner Seele weitem Meer der Trauer
Sein Geist aufflammte wie der pfingstliche Glaube.
Da rief er auf (doch wo war die Druzina?)
Zum Fenster in dem Hause der Marina.
Vorm Fenster spannte er den Perlenbogen
Und ließ den Pfeil der Sehnsucht von der Sehne,
Der ist durchs Fenster zu dem Herz geflogen
Von Tugarin, denn den umarmte jene.
Wer ist der Held? (und wo ist die Druzina?)
Rief aus dem Himmelsfenster die Marina.
Sie lehnte sich bis zu dem Gürtel weit
Aus ihrem Fenster weiß, der Rahmen rot:
Warum mir dies? Warum mir dieses Leid?
Du gabest meinem Liebsten seinen Tod!
So komme nun (doch wo ist die Druzina?)
Hinauf in meinen Terem! sprach Marina.
Da ging er in den hohen Terem weiß
Und sah der Schönen Antlitz übernächtigt.
Sie rief herauf die Morgenröte leis,
Und er ward von der Stimme übermächtigt:
Komm zu dem Vorhang! (Wo ist die Druzina?)
Da öffnete das Vorhangtuch Marina.
Da zitterten die Seelen, als sich trafen
Schwertträger und Geliebte an der Stätte.
Sie mögen ewig in der Liebe schlafen,
Glückselig sein in ihrem Todesbette.
(Mein Herz sang dieses, ferne meinem China,
Verzeihe mir der Lieder Lied Marina.)
NEUNTER GESANG
Beim milden Fürsten Wladimir im Saal
Und bei der Fürstin Eupraksija waren
Versammelt die Bojaren zu dem Mahl:
Aljoscha, Ilja, Svjatogor, die Scharen,
Nikita, Peresmeta mit Gebaren
Sehr fein, Jekim, nur David war nicht da.
Doch kam der junge Cimbal, trotz Gefahren
Und ohne Furcht, was immer auch geschah,
Schließlich kam Torokanko auch der Fürstin nah.
Sprach Cimbal: Wer von euch weiß eine Braut
Mir ebenbürtig, jenseits von dem Meer,
Das Antlitz weiß und rot und übertaut,
Mohnblüten ihre Wangen, Brüste schwer
Von Trostmilch, hüpfen hasengleich daher,
Sie geht der Hindin gleich im weißen Vlies,
Mit lieben Augen, Wimpern lang und hehr,
Schafgarbefeine Brauen überdies?
Wie eine Welle ihre süße Anmut fließ.
Sprach Torokanko: Väterchen, ich weiß,
Jenseits des grünen Meeres irgendwo
Ist eine wunderschöne Zarin weiß
Und rot und Braut vom König Salomo
In der geliebten Stadt Jerusalem. O,
Ich wollte dahin segeln wohl im Maien,
Und bin ich töricht auch und rauh und roh,
Doch wollte ich um Salomonida freien,
Auf daß die Liebenden in Liebe glücklich seien!
Da ließ sich Torokanko bauen drei
Verzierte Purpurschiffe und mit Fellen
Von Füchsinnen sich schmücken und dabei
Sind auch von Übersee über die Wellen
Gekommne Steine, Hufe von Gazellen
Und auch aus Indien ein Diadem.
Und Schiffe fliegen, und die Wogen wellen.
Und Torokanko sprach: Ich Hauch im Lehm
Will einziehn durch das Goldne Tor in Jerusalem.
Zar Salomo ist aber nicht daheim,
Die Zarin Salomonida ist allein.
Die sonst zusammen sind wie Lack und Leim,
Sind jetzt getrennt wie Meer und Gipfelstein.
Benahm sich Torokanko würdig fein
Und stellte sich der Salomonida vor
Und gab ihr viel Geschenke groß und klein,
Jerusalem ganz in dem Maienflor
Sie zeigte ihm und führte ihn zum Goldnen Tor.
Die Schiffer brachten weitere Geschenke,
Und jeder dachte: Daß ich schön ihr tu.
Sie gaben ihr vom slawischen Getränke,
Und darin ist beschlossen tiefe Ruh.
Sprach Torokanko voller Demut: Du
Sollst trinken von dem überseeischen
Trank, trinken wir uns Kelch um Becher zu
Und werden trunken vom berauschenden
Geheimnis, werden wir zu Immer-Liebenden!
Sprach Torokanko: O wie schön du bist,
Salomonida, meine Freundin süß
Und sanft und weiß (vergib mir, Jesu Christ)
Wie Morgentau auf einem weißen Vlies,
Ein Pfirsichbaum im neuen Paradies
Erblüht so lieblich nicht mit rosa Blüte
Und reinem Duft wie du, und überdies
Bist schön du wie ein Pawlownia-Baum, der blühte
Im Schnee, wo morgens früh ein junger Phönix glühte.
Pfingstrosenweich ist, Liebste, deine Haut
Und deine Arme weiß wie Orchideen,
O deine Pfirsichwangen süß betaut
Verzücken mich, wer kann dir widerstehn?
Ich wollte schwimmen mit dir in den Seen
Von Galiläa und im Toten Meer!
Über den Ozeanen mit dir wehn
Und mit dir wallen in dem Himmelsheer
Zum Morgenstern, geliebte Salomonida hehr!
Sprach Salomonida: Freitest du um mich
Für einen Zaren oder einen Fürsten,
Bojaren oder König oder dich?
Soll ich der Hunnenpferde Mähnen bürsten?
In meiner Seele unstillbares Dürsten
Ist einmal nach dem Stillen Ozean!
An himmlischen Gesimsen, Pfeilern, Firsten
Die Sterne hangen, auf der Wogenbahn
Im Bogen seh ich die Plejade und den Schwan.
Da sehe ich den Stern der Weberin
Und einmal nahe auch den Hirtenstern,
Da sind sich Weberin und Hirte in
Lieblicher Liebe nah, die sonst sich fern.
Ich seh den Großen und den Kleinen Bärn,
Den Drachen an dem christlichen Firmament.
Das Himmelsmeer über den Weltenmeern
Verlangend meiner Seele Sehnsucht nennt
Als unsre Heimstatt, wo der Stein der Liebe brennt!
Jetzt will ich stille sein zu meinem Lieben.
Jetzt will ich stille sein zu meiner Liebe.
(So sprachen sie, ich hab es aufgeschrieben,
Daß dies zu ihrem Angedenken bliebe.
Daß niemals eine Seele sich betrübe,
Verkünde ich: Es gibt nach dieser Nacht
Des Daseins auch ein Wehn im Blütentriebe
Und Auferstehn in morgenroter Pracht!
Zu arm mein Vers vor jener schönen Liebesmacht!)
ZEHNTER GESANG
Michail war jung und schön von Angesicht
Und kam vom Hof des Fürsten Wladimir,
Ritt an dem grünen Meer im Morgenlicht
Und hielt am Saum des Meeres: Was ist hier?
Zypressenhaine an des Meeres Saum,
Doch auf dem grünen Meer ein weißer Schaum.
Da war es aber eine weiße Schwanin,
Die redete zu ihm mit Menschenstimme:
Beim Himmel als der Heimat meiner Ahnin!
Wenn ich hier durch die Wasserfluten schwimme,
Wunder dich nicht, du wirst mich anders sehn:
Als schönes Mädchen werd ich vor dir stehn.
Da saß vor Michail auf dem weißen Stein
Am Ufer eine wunderschöne Maid,
Auf ihrem Angesicht war Morgenschein,
Wie aufgetaucht sie aus der Ewigkeit,
Beinahe bloß der Leib so weiß wie Schnee;
Da seufzte Michail leis: O je, o je...
Auf ihrem Schoße lag ein weißes Linnen,
Um ihren linken Arm ein Umhang rot
Geworfen, hing hinab. Mit offnen Sinnen
Erfasst es Michail kaum. Im Morgenrot
Die weiße Schöne mit den weichen Brüsten
Bot ihm die Lippen, die ihn lieblich küssten.
Das weiße Linnen hüllte ihre Lenden
Und war wie auf den Wogen weißer Schaum.
Und Michail wußte sich nicht abzuwenden
Von der Gestalt der Schönheit, wie ein Traum
Erschien sie ihm, der ahnte ihre Scham,
So süß, daß ihn Begeisterung überkam!
O unser Fürst und Meister, Wladimir,
Die weiße Schönheit wünsch ich mir zur Braut!
Rief Michail trunken, aber nicht von Bier,
Sondern von Liebe! Sei mir anvertraut
Avdotja Lichovidovna, Weiße Schwanin!
Und segne uns vom Himmel meine Ahnin!
Und er bekam, um die er so geworben.
Dann aber ging im Flug vorbei die Zeit,
Avdotja Weiße Schwanin ist gestorben!
Ist eingegangen in die Ewigkeit!
O weh, rief Michail, wer kommt mir entgegen
Und nimmt mich an das Herz und spricht mir Segen?
Und Michail ging im fürstlichen Palast,
Ins abgelegene Gemach, wo seine
Geliebte tot gebettet auf Damast.
Verständlich wohl, daß ich jetzt Tränen weine,
Sprach Michail, sie ist schon an jenem Ort
Des Glücks... Ich denke aber an das Wort...
Sie hatten so gesprochen: Wer zuerst
Ins Jenseits über die Gewässer schwindet,
Hab Glauben; von dem Grab nur Einen Werst
Entfernt der Nächste, der die Liebe findet
Im Jenseits, und dort nimmer Tränen weint,
Weil lieblich dort die Liebenden vereint!
Und Michail wurde gleich ein weißer Stein
Und ward gesenkt ins aufgetane Grab.
Ein Pilgrim kam vorüber ganz allein
Mit gelbem Hut und blankem Hirtenstab,
Der sprach der Liebe Wort: Beim Lieben Gott, ja,
Erheben Michail sich und die Avdotja!
Da hob das Mädchen sich in bloßer Schöne
Wie aus dem Meere so aus ihrem Tod,
Und Michail kam und fand auf einmal Töne
Und war (wie sie) wie Schnee und Morgenrot,
Die sie in Seeen Seligkeiten schwimmen
Und in der Liebe Sang zusammenstimmen!
Jenseits vom Tode war die Ewigkeit
Und solche Schönheit, nicht noch zu verklären,
Selige Seelen waren offen, weit,
Heiligen Geistes voll, über den Meeren.
(Himmlische Liebe malte Tizian,
Gesungen hat sie so ein kleiner Schwan.)
ELFTER GESANG
Die Fürstin Eupraksija mit dem Fürsten
Wladimir ging an einem Osterfreitag
Zur Messe, Hunger in der Seel und Dürsten
Nach der Erlösung wie nach einem Maitag.
Schwarz war der Himmel spät an diesem Weihtag,
Von sechs bis neun kam eine schwarze Wolke.
Da sprach der Hohepriester Method: Ei, Tag,
Wie bist du blutig, doch zum Glück dem Volke!
In Petersburg Karina ging nach Haus vom Kolke.
Kyril ging durch die Dunkelheit im Schnee
Und kam zum hohen Terem der Karina,
Da sprach er: Ob ich wohl die Schöne seh?
Wie Sterne (Sitze himmlischer Druzina)
Erscheint das Haupt, wie auf der Dvina
Weiß eine Schwanin ist von Petersburg
Die Liebliche. (Gott hat mir und ihr verziehn, ah,
Glück gab der schöpferische Demiurg!)
Kyril ging in den Terem ein das Tor hindurch.
Karfreitag klangen Kyrie goldne Glocken,
Kyril bekreuzigte sich, wie geschrieben,
Und ging zur Schönen mit den schwarzen Locken,
Sie zu umarmen, herzlich sie zu lieben.
Was Stenka aber zu der Zeit getrieben,
Das weiß ich nicht, der Bräutigam Karinas.
Doch sie empfing Kyril im Haus, den Lieben,
Die dunklen Augen gleich den Wassern Dvinas
Stand sie dort in der purpurroten Seide Chinas.
Blicke von Müttern und von kleinen Kindern
Erquicklich sind wie süßes Brot und Wein.
Karina schaute mit noch einem lindern
Geist zu dem Heißgeliebten, ihrem Stein
In ihrem Schatz. Kristallen war der Schein
Der Augen wie ein unendliches Meer.
Kyril sprach so: Zum Glück bist du allein
Auf deinem Lager, Liebste, kreuz und quer
Ich wollt dich herzlich herzen, denn ich lieb dich sehr.
Mit meines Mundes Küssen wollt ich küssen
Karina. Küsse sind wie Salbungsöle.
Aus ihren dunklen Augen Tränen fließen,
Denn melancholisch sind Gemüt und Seele.
Er nahm die Laute von der Marmorstele
Und sang ihr sanft von einem süßen Traum,
Vom Perlentor und Pfaden wie Juwele...
Ein Bett von Elfenbein war in dem Raum
Und darauf viele Kissen weich wie Taubenflaum.
Kam aber in die Messe eine Magd
Und wandte sich zu dem geringen Knecht,
Und so die Maid zum Jüngling Stenka sagt:
Mein Beter Stenka, Gott hat lieb das Recht!
Erkennen müssen wir, was gut, was schlecht.
So mach dich auf (sprach sie) und gehe heim,
Tu auf das Ohr, bereit sei zum Gefecht!
Zusammen ist zur Zeit wie Lack mit Leim
Die Süße mit dem Bittern, Grund und Wurzelkeim.
Ging Stenka zu dem Terem der Karina
Und klopfte einmal an das goldne Tor
Mit Kraft von einer himmlischen Druzina,
Er klopfte noch einmal, in seinem Ohr
Klang noch das Halleluja von dem Chor,
Jetzt klopfte Stenka noch ein drittes Mal.
Karina tat im Seidengaze-Flor
Das Tor auf, führte ihn in ihren Saal
Und herzte ihn zum ersten, zweiten, dritten Mal.
Was gehst du nicht geschmückt am Tag der Messe?
Karfreitag ist doch Gottes liebster Brauch!
Sprach Stenka. Ach, Karina in der Blässe
Des Angesichtes seufzte süßen Hauch:
Geh hin, mein Freund, ein Weinschlauch hängt im Rauch,
Ich aber hab vom Haupte bis zum Herzen,
In meinen Brüsten und in meinem Bauch,
Ja bis zum Gürtel hin sehr schlimme Schmerzen.
Jetzt laß uns aber zünden die geweihten Kerzen.
Nicht schimmerte herauf das Morgenrot
Über des Tränenmeeres weißer Flut,
Da fand der Jüngling den ersehnten Tod,
Und zu dem Grunde floß das rote Blut.
Da nahm, in ihrer Seele milden Mut,
Zwei scharfe Messer sich die süße Maid
Und stürzte sich hinein, zum Tode gut
Geöffnet waren ihre Venen weit...
(Karfreitag starb einst Jesus, uns zur Seligkeit!)
ZWÖLFTER GESANG
Beim Fürsten Wladimir war einst der Enkel
Timofejevnas, Würdigste der Damen.
Und schließlich schön wie Gottes Engel
War dieser junge Held, Jekim mit Namen.
Himmlischem Zaren - Christus - glaube je!
(Jekim sprachs) Weißer Stein der grünen See.
Jekim ging auf das stolze Purpurschiff
Und sprach: Was es auch immer möge kosten,
Ich will die Salben! Fürchte nicht das Riff,
Und wenn sich auch der Süden und der Osten
Verkehren mit dem Westen und dem Norden!
Ich will mich nimmer ungeweiht ermorden!
Er kam an die Militrischen Gestade,
Da bliesen aber ungestüme Winde
Entgegen seinem Schiffe ohne Gnade,
Da wurde der Jekim erneut zum Kinde
Und wußte nicht wohin in seinem Bangen,
Als ihm die Wogen Schauerlieder sangen.
Jäh wendeten die Winde, und die Wogen
Zerschlugen ihm sein Schiff, und die Matrosen
Vom Meere wurden auf den Grund gezogen,
Jekim alleine nach den Schicksalslosen
Kam an den Saum von einem einsamen Eiland:
Da dankte er dem heißgeliebten Heiland!
Warum verschwunden ist mir die Druzina?
So seufzte er in seiner Einsamkeit.
Doch in der hochberühmten Stadt Christina
Ging an dem grünen Meer die weiße Maid
Mit Namen Anastasia, umloht
Von einem taubetrauften Morgenrot.
Da kamen Räuber, um die Maid zu rauben,
Und brachten sie über das weite Meer,
Die schwarzen Schiffe flogen hin wie Tauben,
Die Fahne wehte in dem Winde sehr:
Ein Schädel drauf am Kreuze von Gebein.
Und Anastasia fühlte sich allein.
Sie kamen zum Militrischen Gestade,
Der Hauptmann mit der finsteren Druzina.
Sie brachten Anastasia, wie Jade
So weiß, geboren in der Stadt Christina,
In eine Hütte, in ein kleines Zimmer.
Drei Nächte weinte sie vorm Mauerglimmer.
Der Räuberhauptmann stammte von der Krim,
Schlug mit dem Schwerte nicht nur manches Ohr,
Auch Haupt ab. Einsam aber war Jekim
Nicht länger, denn der Räuber grauser Chor
Drang in des Eilands Einsamkeit, zu rauben
Jekim. O hätt ich Flügel doch der Tauben,
Hätt ich das Schwingenpaar der Morgenröte,
Ich wollte fliehen weit auf das Gebirge!
So sang Jekim. Auf einer Wolkenflöte
Gespielt ward von dem Winde im Bezirke
(Ob Zephyr oder Äol weiß ich nicht).
Bleich ward dem Jüngling da das Angesicht.
Der Hauptmann sprach: Du siehst nicht mehr die Dvina,
Die Moskwa nicht und nicht die Smorodina,
Den Fürsten nicht und nimmer die Druzina,
Entdecken wirst du nicht die Stadt Christina,
Weil ich dich sperren werde ohne Gnade
Ins Zimmer am Militrischen Gestade!
Jekim ward eingeschlossen im Verließ,
Wo Anastasia war eingeschlossen.
Da sank kein Tau, da war kein weiches Vlies,
Wo Anastasia war eingeschlossen,
Drei lange Jahre sind sie dort geblieben
Und fingen langsam an, den Tod zu lieben.
Sie wurden wohl befreit von der Druzina
Des Fürsten Wladimir, die aus der Krim
Von einem Feldzug kam und in Christina
Vom Vorfall hörte. Darauf sind Jekim
Und Anastasia dahingegangen,
Wo über ihnen goldne Glocken klangen.