Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

Der Heilige Gral


Von Josef Maria Mayer


ERSTER GESANG


Der Meister trat herein in das Gefängnis

Durch dicke Mauern, durch den festen Stein,

Und sprach: "Von deiner elenden Bedrängnis

Weiß ich genau, du mußt nicht traurig sein,

Für meinen Gott ist keine Not zu klein,

Er wird dein Elend wenden, dich befreien!

Du wirst ein Segen sein; nicht dir allein

Wird Wonne schimmern wie vom Mond im Maien,

Du wirst zum Segen vielen, die sich werden freuen."


Und Christus redete zu Josef so:

"Der wahre Glaube hofft aufs Unsichtbare,

Er zweifelt nimmer an dem A und O.

Der Vater holte Henoch mit dem Aare

Aufschwebend in den Himmel, in das wahre

Elysium-Eden, ihn, den Tadellosen.

Am Beispiel Henoch ich dir offenbare,

Daß ewig blühen dornenlose Rosen,

Die werde ich mit meinem Sonnenblicke kosen."


Zu Josef sagte Christus, Gottes Lamm,

Auf den einst niederflog des Höchsten Taube:

"Ich gebe dir zum Beispiel Abraham.

(Das sagte dir auch in der Maulbeerlaube

Maria Magdalena.) Josef, glaube

Wie Abraham: Verlaß das Angestammte

Um des Verheißnen willen. Lahme, Taube,

Sie gehn und hören, weil sie die entflammte

Herzliebe Gottes fühlten, so wie nie Verdammte."


Der Herr der Gnade sprach zu Josef dies:

"Erharre gläubig, was verheißen hat

Der Herr: Den Glaubenden das Paradies!

Auf dessen ewigliche Himmelsstadt

Hat Abraham geschaut, da perlmuttmatt

Er schon gesehen hat das Himmelstor.

Da wirst du ruhen, Josef, lebenssatt,

Umflort von sieben Schleiern, Lilienflor,

Traumschönheit... Siehe, dieses sage an Sir Tor."


Und Josef sagte: "Dies scheint mir ein Traum,

Da mir die Gnade und Vergebung naht

Und Friede. Laß mich küssen deinen Saum,

O König du in deinem Gottesstaat,

Mein Fürst der Liebe und mein Wunderrat!

Mein Herz ist froh durch deines Blickes Strahl

Und Schimmerglanz, durch deines Wortes Saat

Geht mir der Glaube auf." Vom Himmelssaal

Messias zeigte Josef jetzt den Heilgen Gral.


Und Josef ging durchs aufgeschlossne Tor

Und hielt den Heilgen Gral in seinen Händen,

Er ging durch Zions Blaue-Blumen-Flor,

Des Großen Meeres Saum sich zuzuwenden.

Er kam nach Dor, gegürtet an den Lenden,

Da seine Schwester Agapeia wohnt,

Er möchte ihren Gatten Bran aussenden

Mit einem Fischerboote, unterm Mond

Nach Eirelonde, daß der Heilge Gral dort thront.


Und Agapeia mit den Taubenaugen

Begrüßte inniglich das Bruderherz:

"Mein Josef! Sag mir, wie kann ich dir taugen?"

Er sprach: "Auf meinem Herzen liegt ein Schmerz,

Sieh her, dies Gold hier ist aus Zions Erz,

Dies Ding nennt der Erlösten Schar: den Gral.

Du sollst ihn mit dem Gatten mittnachtswärts

Nach Eirelonde bringen, daß einmal

Den Gral des Christus suchen Ritter ohne Zahl."


Und Agapeia mit den Rosenlippen

Hielt sich die Myrrhefinger an den Mund:

"Aus vielen hundert Jakobinersippen

Hat sich der Herr erwählt zu dieser Stund

Mein Haus? Ist unser Glaube denn gesund

Genug für diesen Plan zu Irlands Heil?

Denk dir, die Mutter Erde, die ist rund,

Das Meer am Horizont stürzt schräg und steil

Zur Hölle! Das sei ferne, daß ich dahin eil!"


Doch Bran, der Fischer war im Dorfe Dor,

Erhob das Redewort jetzt mit Verstand:

"Soll mutiger als ich sein Ritter Tor?

Mit meinem Boot schieß ich nach Eireland

Und lauf mit nassen Füßen an den Sand

Des Strandes oder an die Felsenküste.

Ich trag den Heilgen Gral mit meiner Hand

Zu der Barbaren Schar, auf daß sie büßte

Wie einst Johannes, Jesu Täufer, in der Wüste!"


Bran warf die Petersfische aus dem Boot

Und reichte Agapeia seine Hand:

"O meine Süße mit dem Mund so rot!

Du lehne an des Bootes Seitenwand

Den Delphinrücken, den ich schwungvoll fand

Wie Elfenbein, so weiß und schimmernd auch,

Wie Elfenbein, den Ofirs Elefant
Nach Zion sandte. Boot, mein eigen, tauch

Ins Meer! Nach Eirelonde zieh mit Windes Hauch!"


Und Bran und Agapeia zogen los

Mit ihrem Boote durch das Mittelmeer,

Da aus des Mittelmeeres Wollustschoß

Delphine tauchten, schossen hin und her,

Die Augen, tierischer Verliebtheit schwer,

Voll Funkelglanzes. Einer trug Arion,

Der sang zu seiner Lyra Lob und Ehr

Dem Götterkönig Jovis; und Orion

Sah hier das Mittelmeer und dort den Felsen Zion.


Das Paar mit ihrem Boote zog an Zypern

Vorüber, da lag Paphos-Ktima's Fels,

Da aufgetaucht der Mutterschoß der Vipern,

Die Hure mit des Schoßes Wollustschmelz,

Der Lüste Hurenmutter, Israels

Erzfeindin, Göttin Aphrodite Venus!

Zu ihren Füßen Schwäne, weiß im Pelz,

Um ihre Lippen Genius neben Genius.

Ja, sie zerstob beim Namen Jesu Nazarenus!


Sie machten Halt im Kreta-Hafen Phönix,

Da wandelten sie heilig Brot und Wein

Und hielten Mahl im Namen ihres Königs,

Messias Jesu! bis im Morgenschein

Sie zogen mit dem Heilgen Gral im Schrein

Auf Wasserwegen westwärts, Irland zu.

"Schau, des Delphines weißes Schulterbein

Ist nicht so weiß wie du, Geliebte, du!"

So hauchte Bran bei milden Mittelmeeres Ruh.


Vorbei die beiden flossen an Sizilien,

Da sahen ruhen sie die Stadt Messina,

Die Luft durchweht von saphirblauen Lilien,

So wie der Phönix aus dem fernen China

Die Abendsonne, Stella Matutina

Schien auf, der Morgenstern. O! Maranatha,

Der Herr und Meister kommt! Der Gott von Dina

Und Jakob kommt im Sohn und ruft: "Hefata!

Tu auf das Ohr! und sieh!" Und die Morgana Fata


War so: Ein Felsen schwebte überm Meer

Von rotem Stein, da schwebten Wolken weiß.

Die Dämmerung war saphirsatt und schwer

Marinblau. Und der Wogen blauer Kreis

Umgab den Eindruck sanft und still und leis.

Vor diesem Bilde der Natur sahn Bran

Und Agapeia, wie vom Paradeis

Der Ideale auf den Felsenplan

Erscheinung sich ergoß von Wesen, Frau und Mann.


Im Vordergrunde ritt der Mann, der junge,

Auf einem Apfelschimmel weiß und grau,

Die Mähne blau wie helle Flammenzunge,

Das Auge tief und klar und goldig-blau.

Auf einem Einhorn aber ritt die Frau,

Das eine Maske trug von reinem Gold,

Das Auge schwarz und schimmernd auch von Tau

Und Feuer, das im tiefen Auge rollt.

Die Reiter aber lieblich, wunderschön und hold:


Der Jüngling hatte hennarote Locken,

Darinnen trug er einen Myrtenkranz

Und an den Myrten kleine goldne Glocken,

Verbreitend um ihn einen Strahlenglanz.

In seinen Händen hielt er die Monstranz

(Den Gral, von Gold und Feingold fein getrieben).

Das Wams war grün, wie Hoffnungs Lebenstanz,

Der Mantel rot, wie innigliches Lieben,

Die Hände weiß, so wie der Glaube wird beschrieben.


Die Jungfrau (wie sollt es auch anders sein)

In einem weißen schimmernden Gewand.

Das Halstuch, blau wie Saphir-Edelstein,

Fiel nieder zu der gnädiglichen Hand,

An der man bunte Feingold-Ringe fand.

So golden war ja auch der Haare Flut,

Darauf ein Diadem die Schönheit band.

Die Lippen: Tau auf Rosenblätterblut,

Die Augen: groß, jungfräulich, heilig-wohlgemut.


Sir Tor und Lady Metamelia waren

Die beiden. Und zur Seite eine Frau

Bog sich wie eine Pappel weich im klaren

Gewand wie Tau, wie sieben Schleier Tau,

Beschimmert von des Abenddämmers Blau,

Wie hingegossen, wie vom Abendstern,

Das Auge wie ein Milchteich, wo genau

Der Honigquell entspringt, den jeder gern

Empfängt. O Lob der Herrlichkeit des Herrn!


Und schließlich lag den beiden nördlich Spanien,

Da floß Guadalquivir durchs Land Kastilien

Ins Meer, das brandete an Mauretanien,

Der weißen Gischt Schaumkronen oder Lilien

Wie Sternenfunken sprühten in Vigilien,

Die überm Säulenpaar des Herakles

Am Himmel glänzten, himmlische Familien

Von Geistern Gottes. Bist du sicher des?

Die schöne Agapeia träumte von Loch Ness.


Und schließlich kamen sie in Irland an.

Ein Palmenhain, beglänzt vom Morgenstrahl,

War Eirelonde, da der Fischersmann

Bis an die schroffe Küste trug den Gral.

Und sie begingen ein sakrales Mahl

Und dachten an den lieben Josef gut.

Da sahn sie einen Heiligen mit Stahl,

Apostel schwertbewaffnet, wohlgemut

Und Gottes Geistes Taube über seinem Blut!




ZWEITER GESANG



Ein reiner Priester kam nach Eirelonde:
Im lieblichen Boulogne ward geboren

Sir Patrick, seine blauen Augenmonde

Mit lichtem Funkelglanz; vom Herrn erkoren

Zum Missionar für jene, die verloren,

War Patrick, Parizet, Patricius,

Auch Pat geheißen, der mit offnen Ohren

Vernahm des Heilands Ruf: "Ein Jünger muß

Ein Zeuge sein und bringen Gottes Liebeskuß!"


Und als der kleine Patrick kindlich spielte

Am Strande von Boulogne mit den Steinen

Und Gottes süße Mutterliebe fühlte

Vielmehr noch als die Liebe von den Seinen,

Da sah er großer Segel weiße Leinen:

Seeräuber kamen, Parizet zu rauben!

Sein Engel Gottes sah den Kleinen weinen

Und dennoch an den Schutz des Schöpfers glauben,

Da flogen über seinem Kopfe Feuertauben!


Da kam der grimme Räuber Konradin,

Verstockter Atheist und Erdenknecht:

"Der ich der Weisheit nur des Goldes dien,

Den Knaben mir zu rauben, find ich recht.

Ihn gegen Lösegeld zu geben, dächt

Ich mir, denn seine Eltern sind ja reich.

Ich denke, diese Planung ist nicht schlecht,

Eintausend Taler mir auf einen Streich

Bringt dieses Kind, des Haare sind so lockig weich."


Patricius mit seinem Kinderglauben,

In seines Schöpfers Willen ganz ergeben

Gab er sich hin. Mit ihm die Feuertauben,

Die immer ihm um seinen Engel schweben,

Die sieben Feuertauben mit dem Leben

Des Geistes aus des Vaters Ewigkeit.

Gott war der Weinstock, seine Engel Reben,

Die Engel in dem weißen Linnenkleid,

Patricius' Begleiter, immerdar bereit.


Der Räuber Konradin, Mann ohne Taufe,

Verkaufte Parizet als Sklaven bald:

"O Stammesherzog Micha, silbern kaufe

Mir diesen Jungen ab, schön von Gestalt,

Schick ihn mit deinen Schafen in den Wald."

Und Stammesherzog Micha schaute grimme

Nach Heidenart, im Herzen hart und kalt,

Da kaufte Parizet der Fürst, der schlimme,

Und schalt ihn gleich mit seiner rauhen Herrenstimme.


Er schickte ihn mit seinen Schafen aus,

So Patrick durch die lila Heide schritt.

In seine Flöte fiel des Windes Saus,

Die er sich aus des Sumpfes Erle schnitt,

Des Himmels Atem durch die Flöte glitt

Wie Nachtigallgesang und Lobpreis weich.

Der Sichelmond mit jadeweißem Schnitt

Am Himmel schwamm, in Gottes Sternenreich,

Schwamm bis an blauen Meeres goldnengrünen Deich.


Doch von dem Firmament fiel Frost und Eis

Und Irlands Sturm schnitt kalt ihm durch die Glieder.

La France! da blüht so glüh das Paradeis,

Der Kypris Spatzen singen Liebeslieder

Und von der lenznen Wonne immer wieder

Viel süß Gejauchz im wunderschönen Gallien;

So sehnte Parizet sich, und da flieht er,

Da sieht er Gallias meerumflossne Taillen,

Ihm eingeprägt wie eine Jungfrau in Medaillen.


O wie genoß er seiner Freiheit Jugend

(Das ist ein Thema für ein Epos breit)

Und ließ sich wenig fesseln von der Tugend,

Ach laßt mich schweigen von der schönen Maid

Marie Rosé, die war so süß im Leid

Und kußlich, schwemmten ihr das Bett die Tränen,

Dann lachte sie wie Lenz zur Morgenzeit

Und küsste ihn und stillte all sein Sehnen

Und schien ihm Göttin auf den Fluten seiner Venen!


Da traf er auf den heiligen German,

Germanus von Auxerre war treu dem Geist.

Er lachte über jedes Lob dem Pan

Und sprach: "Weißt du nicht, wie die Gottheit heißt?

Wir nennen Christus Jesus ihn zumeist

Und Herr zugleich und Gott, die wahre Liebe!"

Die Predigt Parizet im Geiste kreist:
Der Geist zu Jesu Preis und Rühmung triebe?
Der Glaube ist, daß man im ewgen Leben bliebe?


In Marmoutier bekehrte Parizet

Sich Jesus zu, da er den Geist empfing

Und Gottes Kind ward. Und er sprach Gebet:

"Ich sage ab der Lust, die ich beging

Im Fleische, der Begier nach jungem Ding,

Ich sage ab den Göttern, Venusinen,

Dämonen und Cupidos, ja ich sing

Allein Gott Zebaoth, Ihm will ich dienen,

Des Augengluten mir in meine Seele schienen."


"Ich will ihm folgen, wohin er auch geht,

Durch Meer und Eis und Wüste und die Lande

Der Heiden, denen bring ich ein Gebet

Zur Wahrheit, welche freimacht von dem Bande

Der Sünde und der Teufelinnen Schande

(Ich mein die Aphroditen der Nationen).

Besinnt euch, kehret um und kommt zurande

Im Reiche Gottes, da ist gut zu wohnen,

Da wird die Liebe euch mit Liebesglück belohnen."


Er ging nun in das Kloster von Lerins

Und nahm dort Teil am heilgen Abendmahl

Von Christi Leib und Blut, der fromme Prinz.

Da hörte Parizet zum ersten Mal

Von Irlands Bundeslade, von dem Gral.

Realpräsenz des Hirten auf den Weiden

Des Lebens war der Gral, der ganz real

Vor seinem Auge stand. O, Christi Leiden

Empfand er innig da ums Los von Irlands Heiden.


Im Kloster von Lerins empfand sein Herz,

Wie Eirelondes Heiden ganz verloren

Sich selbst verdammten zu dem Höllenschmerz,

In Sünde sie empfangen und geboren

Und so dem Sündenlohn, dem Tod erkoren.

Er mußte bringen Freudenbotschaft, um

Den Heiden aufzutun des Geistes Ohren:

"Begreift doch Jesu Evangelium,

So wacht ihr auf vom Sünden-Tod - talita kum!"


Drauf nahm er sich ein weißbeflaggtes Boot

Und zog von Frankreich rasch nach Eireland,

Zu retten Heidenseelen vor dem Tod,

Und mit ihm war des Allerhöchsten Hand,

An den ihn band das goldne Gängelband

Des wahren Glaubens, lieblich hoffnungsfroh,

Voll Hoffnung, daß er offne Herzen fand

Zum Willkomm für den Herrn, das A und O,

Den ewig Liebenden, den Gott des Salomo.


Und Bischof Cölestin sprach ihm den Segen

Des Höchsten aus und sandt ihn zur Mission.

Um Jesus nachzufolgen allerwegen,

Gab er das schöne Frankreich auf. Dem Sohn

Des Menschen nachzufolgen bis zum Thron

Des Höchsten, gab er auf Marie Rosé

Und ihrer Wollust Lippen rot wie Mohn

Und ihrer Augenmonde Milch und See

Und Enten, und der schönsten Frauenarme Schnee.


Er ließ zurück die Frau, die er verehrt

Und angebetet, Venus und Madonne

Genannt und Herrin, die sein Herz verheert

Und ihm die Seele, glühend wie die Sonne,

Verbrannt zurückgelassen ohne Wonne

Und ohne Hoffnung, wie ein dürrer Grund,

Aufschreiend nach dem Himmel und der Bronne

Des Lebenswassers: "Gott, mach mich gesund!

Küss mich, o Jesu, mit des Heilgen Geistes Mund!"


So gingen Parizets Erinnerungen

Auf wildbestürmten Meeres Wogenflut

Ihm schmerzlich durch das Herz, da Feuerzungen

Aufsangen zu des Höchsten Hilfe gut

Und Stillung seiner Menschenseele Wut

Und Wendung seines Geistes zu dem Werk

Der Missionierung: "Gib ins Herz mir Glut,

Laß zünden mich der Heidenherzen Werg

Mit deinen sieben Flammen von dem Zionsberg!"


Da stand er an dem Strand der Daanan,

Da sie den Eros Önghus blind vergötzten

Wie man mit Baal getan in Kanaan,

Worüber die Propheten sich entsetzen:
Die Götzendiener Gottes Geist verletzten,

Sein zartes Herz betrübten mit den Lügen

Des Aberglaubens. Gottes Geister setzten

Sich göttlich vor dem Thron, und stille schwiegen

Anbetend Gottes Kinder zwischen Engelflügen.


Da kamen an die Heiden mit Gebrülle

Und Keulen, doch Sir Parizet blieb treu

Und stark, denn über ihm war Gottes Wille

Beschützend ausgesprochen: "Sei nicht scheu,

Ich will daß deine Seele drob sich freu,

Daß ich dich lieb - with sacrificial love!

Your childish soul shall be surprised by joy.

My name ist LORD, I am the Lord of Love,

My Holy Spirit was appearing like a dove


Above the Son of Man, beloved Jesus!"

So sprach der Herr zum heiligen Sir Patrick

Mit Feuerzunge aus des Paradieses

Goldschöner Stadt, das war doch mehr als Ethik

Und mehr als Poesie nach der Poetik

Der Heidendichter, das war Offenbarung

An meinen Helden, daß er glaube stetig

An Gott und an des Gottessohns Bewahrung

Und an den Geist, nach der lebendigen Erfahrung.


Der in der Spur des Sankt Palladius

Die Iren missionierte, nahm sich Klee,

Dreiblättrig, den er fand zu seinem Fuß,

Der guckte voller Leben aus dem Schnee,

Denn es war Winter. Und er sprach: "O je,

Ich will euch die Dreieinigkeit erklären.

Sei mir mein Geist ganz scheu so wie ein Reh,

Man kann sie nicht erklären, nur verehren:

Gott, Christus und dem Geiste geb ich alle Ehren!"


"Den lieben Himmelsvater nenn ich Abba,

Den Vater Jesu, der ist Gottes Sohn,

Den nenn ich durch den Geist des Höchsten: Rabbi,

Rabbuni, Lehrer, Lamm auf Gottes Thron,

Das Lamm mit sieben Augen, die mir schon

Ins Herz gesehn, bevor ich dies gedichtet,

Die sieben Geister Gottes sind mir Lohn,

Denn sie sind Liebesfülle, mir belichtet

Von Gott. Glaubt wer nicht Jesus, ist er schon gerichtet."


"Der Vater sprach in Ewigkeit das Wort

Des Herzens Gottes aus, in Ewigkeit

War dies der Sohn, der Logos, Lord my Lord!

Oh Gott! und Er verließ die Herrlichkeit

Und kam hernieder zu dem Menschenleid

Und brachte mit vom Vater die Mission:

Gott liebt euch! tief und hoch und lang und breit

Ist Gott, geheimnisvoll, von seinem Thron

Bin Ich gekommen und bereit zu der Passion."


"Und Jesus Christus ging zu seinem Kreuze

Und ist gestorben, der er auferstand.

Der Schöpfer, der geschaffen Beteigeuze

Und Schwan und Sonne, reckte seine Hand

Und weckte den Messias, der gesandt

Vom Vater war als Retter und Befreier

Von Sünd und Tod; Er stieg ins Edenland

Zu Gottes Thron, durch aller Himmel Schleier,

Bejubelt von der Engel Harfespiel und Leier."


"Und Gott in Christus sandte aus den Geist,

Der sich aus Gottes Heiligtum geschwungen

Zu Jesu Taufe einstmals; wie es heißt,

Sah Er wie eine Taube aus; in Zungen

Von Feuerflammen ist Er durchgedrungen

Von Seinem höchsten Aufenthalt in Eden

Durch alle Himmel, bis er zu den jungen

Aposteln kam, die da in Juda beten

Zu Pfingsten, da sie plötzlich süß in Zungen reden."


So sprach Sir Patrick zu den Heidenherzen

Mit einem Kleeblatt von Dreieinigkeit.

Die einen werden ernst, die andern scherzen,

Die einen fühlen Freude, andre Leid,

Die einen denken an die Lust der Zeit,

Die andern an die ewige Erfüllung

All ihrer Sehnsucht, da in Ewigkeit

All ihr Begehren findet seine Stillung:

Groß die Glückseligkeit bei Gottes Sohns Enthüllung!

In Morven wohnt der Häuptling, Krieges Strahl,

Im Felde seine Schritte: rotes Blut.

Die Söhne Lochlins flohen auf der Wal

Vor seines grimmen Speeres Heidenwut.

Mild aber war das Auge Calmars, gut

Und sanft, und sanft der gelben Locken Wallen,

Ja, wunderbar der gelben Locken Flut,

Sternschnuppen ähnlich, welche sanfte fallen,

Da hört man fromme Wünsche beten unter allen.


Kein Mädchen war das Seufzen seiner Brust,

Der Freundschaft aber war sein Herz ergeben,

Dem schwarzen Orla, der am Kampfe Lust

Empfunden mehr als an der Frauen Beben,

Sein Schwert war schrecklich: Blut wie Tau der Reben

Floß tonnenweise aus den Feindesgliedern.

So wild war Orlas Stolz, die Raben schweben

So schrecklich nicht mit ihren Kriegesliedern,

Wie er, wenn er ausreitet, Helden zu erniedern.


Doch Orla war ein Freund an Calmars Seite,

Sie wohnten in Oithona, in der Höhle

Des Zauberfelsens, in der Tiefe Weite

Zum Wohnen für der Freunde Leib und Seele.

O Swaran! deine Schwanenseele stähle,

Wenn du von Lochlin eilest übers Meer,

Auf deinem Pergament des Herrn Befehle,

Der ordert sich die Heldentruppe her,

Denn Fingal rief nach einem heldenhaften Heer.


Die Helden kämpften, Schiffe auf dem Meer,

Die Heldenscharen auf den grünen Hügeln,

Zu Erins Hilfe naht herbei ein Heer,

An ihrer Helme Stahl ein Heer von Flügeln,

Beschwingte Krieger tapfer zu beflügeln

Mit Zorn und Grimm von Gott, dem Gott der Schlacht!

Die Wolken schien die Nacht mit Mond zu siegeln,

Begraben ward die Leichenschar von Nacht,

Der Schwester weinend, adelig in schwarzer Pracht.


Die Eichen loderten wie Licht durchs Tal,

Die Söhne Lochlins schliefen, träumten Blut.

Sie heben in Gedanken ihren Stahl,

Die Feinde fliehn vor ihrer Heidenwut.

Die Heerschar Morvens bleibt, gewaltig gut,

Die Wacht hält Orla, Calmar ihm zu Seiten,

Sie beide wie der Morgen ausgeruht

Und frisch von Tau; sie sahen Swaran schreiten,

Zum Heldensange schlagen seine Harfensaiten.


Sohn Trenmors! rief der wilde Orla da,

Ich habe Fingal nicht geschlagen? weh,

Weh mir, daß ich das Licht des Tages sah,

Ich bin kein Krieger, bin ein zartes Reh,

Ein Traum bin ich wie jene Maid vom See,

Zerfließend wieder in den bunten Schaum,

Und auch nicht rot von Blut, nein weiß wie Schnee

Und Jungfraun, bohr mich an den nächsten Baum

Mit deinem Speer und mach aus meiner Seele Traum.


Und Trenmors Sohn, dem sanften Calmar troffen

Blutrote Tränen aus den Augenteichen,

Die starrten schreckgeweitet weithin offen,

Er sah die Helden in den Himmelreichen

Zurück von Orlas Mädchenseele weichen.

Da stürzte Calmar sich ins Schwert hinein.

Sein Seelenbruder wollt ihm darin gleichen

Und schlug den Schädel auf an einem Stein:

Er ging als Held zum höchsten Heldenhimmel ein!




DRITTER GESANG


Artus war der Sohn Uthers, des vormaligen Königs von Britannien. Mit seinem Harfner Merlin stand der junge König an einem wunderbaren See, zu dem ihn der Harfner und Weise geleitet. Es war ein See von einem überaus kostbaren Silber, siebenmal geläutertem Silber. An seinem Saume wogte das Schilf mit goldenen Halmen und nachtbraunen Fahnen. Weit und breit war kein Ende des Sees zu sehen, denn seine Ufer waren entweder gar nicht vorhanden, wie die Gnade Gottes uferlos ist, oder sie verflossen in dem silbrig-weißen Nebelschleier. Es war ein wunderbare Stille, die den See beschwieg. Auf dem Weg zu ihm hatte Merlin zu Roß auf seiner Harfe wunderbare Lieder aus der Chronik Britanniens gesungen, herrliche Balladen mit vierzehnfüßigen Strophen. Aber nun war die volle Stimme des Barden verstummt, und er schwieg mit dem staunenden König. "Was ist das für ein See? Ich hab seinesgleichen nie gesehen, weder in Britannien, noch in Anjou, wohin mein Vater mich in früher Jugend mitnahm." Und Merlin besann sich, wieweit er dem jungen, tatenkräftigen König etwas aus dem wunderbaren Reich der Fantasie mitteilen konnte, denn er wollte ja ein Schaf weiden, und nicht eine Giraffe, also daß er die Weisheit nicht zu hoch hänge, und ihm Milch gäbe und nicht hartes Getreide. "Es ist der See der Erhabenen", sagte Merlin schließlich mit feierlicher Stimme. Du kannst ihn nicht sehen, aber in der Mitte des Sees befindet sich der Palast der Erhabenen, welche einem Höheren dienen. Dieser Palast ist aus durchsichtigem Bernstein, den man nur sehen kann, wenn der Morgenstern aufgeht in deinem Herzen. Des Palastes Mauern sind aus Bernstein, aber seine Zimmer sind aus Spiegeln gemacht, durch die man schauen kann den, der dich schaut." Merlin blieb verschwommen, entweder, weil er selbst noch nicht klar sah, oder weil er den jungen Artus Schritt für Schritt an das Geheimnis der höchsten Weisheit heranführen wollte. Der leise Wind spielte in seinem langen weißen Bart und umfloß den kurzen schwarzen Bart von König Artus. Aber noch etwas schien Merlin dem jungen König mitteilen zu wollen oder müssen: "Jenseits der Spiegel der Wasser liegt die Glasinsel, auch geheißen das Land der Apfelbäume." Artus horchte auf: "Davon sang mir meine Amme immer wundervolle Lieder, welche immer in zwei Zeilen dasselbe wiederholten. Ich habe seit jener Zeit eine wunderseltsame Sehnsucht nach diesem Land der Apfelbäume in meiner tatendurstigen Seele liegen. Und wenn ich kann, will ich jenes Land der Apfelbäume mit dem Schwert erobern, welches zu erlangen du mir heute verheißen." Merlin lächelte: "Du bist männlich-tatenkräftig, das ist gut, fürwahr, denn nicht im Moos zu schlummern all den Tag lang ist eines Ritters und eines Königs von Britannien Berufung, sondern stark zu sein mit der wahren Stärke, die einen Mann ziert. Aber jenes Land der Apfelbäume kann man nicht mit dem Schwert erobern, es sei denn mit dem Schwert des Geistes. Dort herrscht ewiger Frieden, ein wahrhaft himmlischer Frieden erfüllt den Garten. Die Bäume geben den dort Lebenden das ganze Jahr Früchte von reifster Fülle und Schönheit. Die Tiger, welche du auf Helgoland so schrecklich findest, liegen dort versöhnt neben den weißen Hirschen, die zu jagen in unserer Welt schon manch ein Ritter unternahm. Die Tauben nisten im Nest der Schlange, welche kein Gift mehr verspritzt, und das Kind spielt mitten unter ihnen. Wie die romantischen Lieder uns lehren, gehen dort die Feen und Elfen immer hin und her zwischen dem Höchsten und den dort Lebenden. Und sie bezaubern die Menschen mit himmlischen Liedern zu wahrhaft himmlischen Harfen. Ach", seufzte Merlin, "diese Musik zu hören, nur einmal in meinem Leben, das ist meine größte Sehnsucht. Ich auch will dort hin gelangen, und wenn ich den Weg weiß, werd ich ihn dir mitteilen." Artus träumte noch ein wenig aus seinen blaßgrauen Augen, welche unter den dicken schwarzen Brauen hervorglänzten, schien eine Weile lang verträumt in sich hineinzuschauen, und betrachtete dann wieder den See, der wie der Vollmond war, verschleiert von Silberweiden, wie der Vollmond manchmal von Wolken beschattet ruht am schwarzen Firmament. "Ein wundersam verzauberter Ort", sagt er leise. "Und ganz hier in der Nähe, so nahe liegen Schönes und Häßliches beieinander, daß der Dichter sagen konnte: Fair is foul and foul is fair... ganz nahebei liegt Camlann, der Ort der letzten Schlacht! Aber siehe!" Merlins Stimme wurde sanft wie Salböl, und er wies in die Mitte des Sees: "Siehe, dort taucht auf dein herrliches Schwert, Excalibur ist es geheißen." Artus schaute in die gewiesene Richtung, aber er sah nichts als fließenden Nebel, silbern wie die Haare seiner Amme. Da aber lichtete sich etwas über dem See der Nebel, die Schwaden flossen zur Rechten und Linken wie ein Theatervorhang aus weißem Linnen, und auftauchte aus dem Wasser eine außerordentlich schöne Frau. Ihre Gestalt war wie Licht und Schnee und Lilien. Hier trifft das Dichterwort zu, daß es keinen Sinn macht, die Lilien weiß anzustreichen. Und ihr Haar war wie Gold und Morgenröte. Hier trifft das Dichterwort zu, daß es keinen Sinn macht, daß Gold zu vergülden. Ihre Augen waren wie die grünen Augen einer Katze, aber nicht kalt, sondern wie der Siriusstern warm, mit einem leichten Goldglanz in der Mitte. Ihre Lippen waren violett, wie die Blüte der Weinrose. Sie winkte mit dem Arm, der in einem wehenden Ärmel von weißer Seide dem jungen Könige zuwinkte. Ihre Hand war weiß, wie die Hand von Isolde Blanchemains, welche nach der Weiße ihrer Hände benannt wurde. Ihre Finger waren rosig, von ein wenig Henna so getönt, was wenig Sinn zu machen schien, denn der Perlmutt ihrer Nägel schien nicht rosiger gefärbt werden zu können, als Mutter Natur sie gemacht hatte. Ihre Haare umflossen in langen Locken ihren ganzen Körper, eine einzige wohlgeformte Linie, und ihr halbmondförmiges Antlitz, von dem es folgende Worte tönte: "Dies, o edler Artus, ist dein Schwert, welches dir der Himmel zugedacht hat, daß du damit einherziehest für die Gerechtigkeit. Siehe, ich will es dir schenken, so du gelobest, daß du nie eine ungerechte Sache mit dem Schwerte Excalibur zu verteidigen unternimmst. So besteige jene Barke aus Ebenholz, die in dem goldenen Schilfe träumt, und lasse dich treiben in die Mitte dieses Sees." Dasselbe unternahm Artus folgsam, denn er hatte zutiefst Vertrauen gefasst zu dem milden Blick der schönen Dame, die man the Lady of the Lake nannte. Und er bestieg die schwarze Barke, ließ sie ins Wasser gleiten und auf dem Wasser gleiten, was wie von selbst geschah, durch den fließenden Nebel. So trieb ihn die Bewegung des stillen Wassers zur Dame vom See und Excalibur, seinem Schwerte, das seines war, da er gelobt hatte: "Ich will mit diesem Schwerte für nichts als die Gerechtigkeit eintreten!" Und er bewunderte die Schönheit und Herrlichkeit jenes mächtigen Schwertes, was gemacht zu sein schien von der Hand des Meisters der Zwergenschmiede, ein Schwert, wie es eines Siegfried würdig gewesen wäre. Der Nebel mit seinem buttermilchweißen Licht umschwamm das Gold des Schwerts und den bunten Edelsteinglanz des Knaufs. Die Scheide war reich verziert von purpurnen Rubinen und in Samt gehüllt, weichen schwarzen Samt. Und er wußte kaum, welches herrlicher war, das Schwert oder die Scheide. "Excalibur", murmelte Artus, als er die Waffe aus der Hand der Seedame erhielt, worauf dieselbe wieder verschwand in Nebel und Silberflut. Und Artus machte sich mit dem Harfner Merlin, dem alten Barden, auf den Heimweg nach Camelot. König Uther war schon ein alter Mann, als Artus noch ein frischer Jüngling war. Uther hatte graues Haar, was nicht mehr den ganzen runden Schädel bedeckte, und eine gebückte Gestalt. Sein Gesicht war rund und faltig, er hatte viel Lächeln in seinen blauen Augen und eine Freundlichkeit um seinen blassen schmalen Mund. König Uther hatte seinen Jungen einmal mitgenommen nach Camelaird, wo der Ritter Leodegraunce seinen Stammsitz hatte. Damals hatte Artus, während die Väter politisierten, mit Leodegraunce's Tochter, einer freundlichen Jungfrau, im Garten sich ergangen. Wie hieß noch gleich jenes Mädchen? Lang wars her, und viele Gesichter waren seit jenen Jahren an ihm vorübergegangen, aber die graublauen Augen mit dem sanften Mondschein hatte Artus nicht vergessen, und nicht ihr hübsches Lächeln. Merlin sprach in eben jenem Moment, da Artus sich seiner frühen Jugend erinnerte, den König Artus an: "König, du müsstest dir eine Königin nehmen, damit du das Reich Logres würdig regieren kannst. Wir wollen mit aller uns zur Verfügung stehenden Weisheit auf Suche nach einer geeigneten Frau gehen, wenn es dir beliebt." Und das schien Artus wie ein Wink des Schicksals, daß in derselben Stunde, da er an die Tochter Sir Leodegraunce's dachte, der alte Harfner und Weise ihm eine solche Entscheidung vorlegte. Und die war ja nicht so schwer zu fällen, denn gewiß wollte auch König Artus an der Seite einer Königin regieren, gerecht und würdig, denn es war nicht gut, daß der Mensch allein sei. Er war damals, im Alter von sechzehn Jahren, vor vier Jahren also, mit dem Mädchen... Gwynefhar hieß sie, ja, so hatte sie geheißen... im Garten gegangen und hatte sich im Maien des schönen Gartens und der lieben Gesellschaft gefreut. Er sah nun auch ihre langen braunen Haare vor sich, wie sie über das braune Kleid fielen, und natürlich die graublauen Mondaugen, und die geschwungenen Lippen, und den beim Lächeln an einer Seite süß hinaufgezogene Mund, und die schmalen langen Finger von sonnenbrauner Farbe. Die, wenn keine andere, sollte seine Königin werden. Und eben, da er sich entschloß, Gwynefhar zur Braut zu nehmen, wenn ihr Vater sie freigäbe, da flog ein samtschwarzer Falter in die Kerzenflamme, die in bernsteinfarbenem Bienenwachs auf dem alten Gemäuer von Camlot brannte. Da schaute Merlin ihm in die Augen, als Artus seinem Weisen von seinem Entschluß sagte, und Merlin stimmte zu: "Wenn Sir Leodegraunce seine Tochter dir anvertraut, dann wird das ein Bund sein, dem du treu bist bis an das Ende deines Lebens, denn wenn du einmal dich für eine Frau entschieden hast, so kenn ich dich, mein junger König, dann wird deine Liebe nicht erlöschen, und solltest du auch in ihr untergehn." Also brachen der König und sein Harfner mit einem Troß von Bediensteten nach Camelaird auf, Sir Leodegraunce's Stammsitz, einer starken Trutzburg, welche immer schon den wilden Pikten widerstanden hatte und den Frieden seiner Einwohner bewahrt. Dort machte Artus den Antrag vor dem Vater seiner Erwählten, und Sir Leodegraunce war stolz, daß der König Britanniens, Uthers Sohn, die Jungfrau Gwynefhar freien kam. Dieselbe hörte durch ihren Vater von dem Anliegen Artus'. Sie erinnerte sich wohl an den jungen Mann von sechzehn Jahren, der damals an einem Maiensonntag mit ihr im Garten vor dem Schloß spazieren gegangen war. Sie flocht gerade Girlanden, bei den Fliederbüschen sitzend, als ihr Vater ihr mitteilte, sie solle Artus heiraten. Da zerdrückte sie eine Blüte ihrer Girlande in ihrem Schoß. Da sie ihrem Vater gehorsam war und die Ehre einer solchen Vermählung einsah, willigte sie auch ein. Schließlich hätte sie auch Artus' Gemahlin werden müssen, wenn sie nicht einverstanden war, denn ihr Vater suchte die Ehre seiner Familie. Aber andererseits war Artus gewiß keine schlechte Wahl. Er war ihr still und verständig, männlich und nicht weltfremd vorgekommen, ein Mann, der gewiß für Sicherheit sorgen könnte, wenn er auch nicht die große romantische Leidenschaft in ihr zum Glühen brachte. Daraufhin ward die Vermählung beschlossen. Und Sir Leodegraunce beschloß, als Vermählungsgeschenk einen großen Eichentisch zu verschenken an Artus und Gwynefhar, ein Tisch, an welchem schon viele tapfere Ritter gesessen hatten, ein Ehrentisch, zum Symbol dafür, daß sich in Camelot die würdigsten Ritter aus ganz Logres, Britannien und Anjou und den Gebirgen im Süden des Festlands an der Tafel des Königs Artus versammeln sollten zu einer Tafelrunde von Tugendhelden. Artus führte mit Merlin und seinen Bediensteten Gwynefhar nach Camelot in einem herrlichen, triumphierenden Zug. Wieder war Maien. Und das Hochzeitsfest war am Fest des Maien, da das Volk die Maienkönigin ehrte. Gwynefhar wurde als die neue Maienkönigin des Landes Logres gefeiert von allen Rittern, Knappen, Zofen, Ammen und allem Volk, bis hin zu den aussätzigen Bettlern in den schlammigen Straßen vor dem dunklen Walde. Alle freuten sich ihrer bezaubernden Landesherrin, welche einen so derart gütigen Blick hatte, daß es manchem im Stillen das Herz zum Schmelzen brachte. Und Gwynefhar entschloß sich, dem König Artus Zuneigung entgegenzubringen, eine warme Sympathie, die mehr aus der Fülle ihrer Seele kam, in der eine große Menschenliebe wohnte, als aus wahrer Liebesleidenschaft, wie Merlin sie manchmal in romantischen Liedern besang. Derselbe, Merlin, wanderte mit der Dame vom See, welche sich ihm Nimve nannte, seine letzte Wanderung. Sie wanderten durch Felder und Wälder, Auen und Haine, und manchesmal ward er müde, so müde, schlummermüde... da bettete er sein altes greises Haupt in ihrem schönen Schoß, und sie ließ weich das lange Goldhaar fallen über seinen müden Leib, dazu sang sie seinem Schlaf mit süßen Liedern. Süß sang Nimve mit holden goldenen Tönen, und als Merlin erwachte aus seinem sterbensnahen Traum, da fühlte er sich wieder jung und frisch, gar kräftig belebt. Er schritt aus wie ein Mann in seiner besten grünen Jugend, und sie folgte ihm wie ein wehender Schleier von Queen Mab, der Königin der Feen. So kamen sie, übers Meer gesegelt, zum Palast von König Ban, der dort mit seiner Gemahlin, Königin Elaine, lebte und ihrem Sohne Lancelot. Und Nimve sah mit ihren goldengrünen warmen Augen Lancelot, dem männlichen Jüngling, in die Seele, tief bis auf deren Grund. Und diesem war, als ob er Nimve irgendwann einmal schon gesehen habe, vielleicht in einem Traume, derer er so viele hatte in seiner Jugend? Und ihm war, als sei ein Nebelschleier von einem grünsilbrigen See gezogen, und goldenes Schilf rausche. Das war aber die Sehnsucht in seiner Seele, welche da rauschte, als so eine Schöne, the Lady of the Lake, ihm durchsah. Merlin riet dem jungen Lancelot noch, mit seiner Mannesreife zur Tafelrunde Artus' zu reiten nach Camelot, dort den König zu bitten, einer der Ritter der Tafelrunde zu werden, wie es Tristan und Parzival schon waren und Sir Tor. Nimve schaute ein letztes Mal in Lancelots Augen, welche braun waren und groß, sie schaute mit ihrem warmen liebevollen Katzenaugen, mit ihren Augen, welche wie die Teiche von Avalon waren, mit dem Silberschleier ihres Blickes ihn an und sagte mit liebreizendem Stimmenton: "Lancelot", säuselte ihre Stimme wie Rauschen von Seegras, "wenn Artus dich zum Ritter schlägt und du die andern Menschen des Hofes kennenlernst, dann nenn dich mit diesem Namen, den ich dir nun sage: Sir Lancelot vom See, so sollst du dich nennen fortan." Und Nimve und Merlin zogen vondannen, schieden wie Fahnen eines Heeres, im Windes des Höchsten als Banner der Liebe wehend. Merlin wollte zu König Marke von Cornwall, aber am Abend des Tages, zur neunten Stunde, erreichten die beiden Wandersterne einen duftenden Weißdornbusch, dessen Duft von der Abendluft getragen ward, wie eine Amme ihr Kindlein trägt, und in voller Blüte stand, wie Gwynefhar in voller Blüte stand in der Ferne. Wieder ward Merlin müde, mehr als vor einiger Zeit, und wieder bettete er unter dem Goldregen von Nimves Locken sein weißes Haupt in ihren femininen Schoß. Wieder sang sie, sie sang vom Gralskönig, der wird der Retter sein für Merlin. Und Merlin glaubte ihrem Liede, und glaubte dem Gralskönig. Ihm war es, als gäb es um ihn herum, da die goldige Nimve sang, ein Konzert von Bienen, Singzikaden, Schwänen und Nachtigallen. Der Duft des Busches betörte ihn bis in den Traum hinein und gab ihm Träume von holdestem Liebreiz: Er schaute das Land der Apfelbäume, zu herrlich, um es zu beschreiben! Als Nimve sah, daß Merlin eingeschlafen war, tief, tief eingeschlafen war, da fing sie an zu tanzen, und da sie tanzte, wuchsen die Wurzeln des Weißdornbusches zu einer Höhle über Merlin zusammen, sie schlugen über ihm zusammen, wie alte Frauen die Hände zusammenschlagen oder wie Flammen zusammenschlagen, und Gras und Steine schlossen die Höhle ab. Da gab Merlin seine letzte Prophezeiung, halb gemurmelt im Schlaf: "Er wird bald kommen..." murmelte Merlin, und Nimve hörte dies mit schlagendem Herzen und fließender Seele, und sie sang ihm sein letztes Adieu, la Belle Dame: "Ruhe, Merlin, denn du wirst erwachen im Land der Apfelbäume..."



VIERTER GESANG


An der Tafelrunde Artus' war versammelt unter anderen auch Sir Lancelot vom See. Dieser freundete sich anfangs mit der Hofdame Llewellyn an, welche ein freundschaftliches Verhältnis zu ihm einging, ein brüderliches sozusagen. Nach und nach aber entdeckte Sir Lancelot immer mehr die Schönheit der Artus anvertrauten Königin Gwynefhar, die mit ihren silberblauen Augen (meine Muse von Montsalvat und ich wollen ihre Augen nun nicht mehr graublau nennen, sondern eben silberblau, was schöner klingt und den Reiz ihrer Blicke besser beschreibt) ihn bezauberte. So kam es dazu, daß auch Gwynefhar immer öfter wüschte, Sir Lancelot käme nicht nur Llewellyn besuchen, ihre Hofdame, sondern auch sie selbst, die Königin. Artus war, so besann sie sich, nie eifersüchtig gewesen (vielleicht ein Beweis mangelnder Leidenschaft?) und so kamen sich die Königin und der Erste Ritter immer näher. Darum konnte auch folgendes geschehen. Sir Lancelot ging mit Lady Gwynefhar auf einem Wiesenweg, da er sie heimlich genau beobachtete, wie ihr das braune Haar hold über die Wange floß, schräg vorm Auge entlang, scheinbar unbeabsichtigt nachlässig, wie ihre Gestalt sich bewegte in weichen Bewegungen (er sah sie von der Seite, von hinten, von vorne), er sah sie sich bücken nach einer Blume, er kniend sah sie vor ihm stehen, er hörte ihre goldig-sanfte Stimme, die wie Vogelsang war, er sah ihre schönen Augen silberblau verstohlen zu ihm blicken. Und was er sah, entzückte ihn noch mehr, als er schon vorher entzückt gewesen war, und die stille Glut wuchs ihm zu einem Feuer. Da war sein Herz voll, war seine Seele voll von Feuer, und er sagte ihr dies: "Meine Seele ist voll Feuer, aber leider entzündet dies Feuer niemand anders als mich selbst." Sie schaute ihn warm an: "Ach! wirklich, ist das so?" Und verschwieg, was sie dachte. Und schweigend gingen sie weiter den Wiesenweg. Am Himmel sank die Sonne und zog einen Schleier von orangener Glut nach sich, die Dämmerung mit dunkelndem Blau zog herauf und es ward Abend. Da kamen sie zum Flötensee von Camelot, dessen goldnes Schilf am Ufer rauschte, die Enten schnatterten frohsinnig, aber Lancelot war sentimental romantisch. Und als er sich mit der leicht fröstelnden Gwynefhar auf eine Bank setzte, nahe neben sie, da kamen ihm zwei Gedanken: Ich möchte meinen Arm um sie legen und sie wärmen, und ich möchte hier ehelich mit ihr sitzen als Mann und Frau in vertrauensvoller Schweigsamkeit... Und seine Zärtlichkeit wuchs, je dunkler der Abend wurde. Und als sie weiter den Rundgang um den See gingen und der Abendstern und eine erste glänzende Sterngefährtin diamanten am Himmel funkelten, war es ihm, als seien Gwynefhars Augen als Sterne an den Himmel versetzt, und da brannten sie nun mit dem weißen Liebesfeuer seiner schwärmenden, leidenden Seele. Schließlich war die Zeit des Abschieds gekommen. Lancelot fegte alle Vernunfts- und Anstandsgründe leidenschaftlich zur Seite und flüsterte Lady Gwynefhar ins Muschelohr: "Darf ich dich, meine Königin, zum Abschied einmal umarmen?" Und sie legte sich in seine Arme, und er wußte nicht, ob es Freundschaft oder Zärtlichkeit war, was sie da wie einen Schmetterling in seinen Armen ruhen ließ, leicht wie die Fahne des Schilfes, gehaucht wie ein Lenzgewölke, und sie hauchte wie ein Zephyrlispeln: "So?" Und da troff Öl in das Feuer seiner Seele, daß es hell aufloderte wie ein Osterfeuer. Und sie schieden voneinander. Lancelot sang, auf seinem Rosse reitend langsamen Schrittes, wehmütig schluchzend romantische Balladen vom Gralskönig, schluchzend vor Sehnsucht und Reue. Und Mordred hatte kurzes schwarzes Haar, eine schlechtrasierte Wange und blaßgraue Augen, er war siebzehn Jahre jünger als Artus, hatte mit diesem eine frappierende Ähnlichkeit, aber seine Herkunft blieb am Hofe (von einzelnden Gerüchten abgesehen, er sei des Königs Bastard) im Dunkeln. Dieser nun beobachtete Gwynefhar und Sir Lancelot mißtrauisch. Ihm war es ein Dorn im Auge, daß Artus in seiner treuen Mannheit immer noch der Königin zum Geburtstag rote Rosen schenkte und ihr so sagte, sie sei seine Liebste. Ihm war es ein Dorn im Auge, daß König Artus mit seinen blaßgrauen Augen immer wohlwollend auf den Ersten Ritter schaute und Sir Lancelot seinen treusten Getreuen nannte. Ja, war Artus denn blind? War ihm die eifersüchtige Regung fremd aus Blödheit? Mordred trat zu Artus, den er immer "mein König" nannte (denn wenn er des Königs Sohn gewesen war, durfte es keiner wissen). Er sagte darum: "Mein König, ich sah, wie Sir Lancelot deiner Königin eine orangene Rose von seltenstem Liebreiz schenkte. Ich sah, wie er sie nur anblickte, seine Augen schienen sich dabei förmlich zu verzehren. Ich sah, wie er sie fast täglich aufsuchte in ihrem Frauengemächern. Ich sah dies alles lange mit an, und nun will ich aber, daß du es weißt und einschreitest, denn es gereicht dir nicht zu der Ehre, die eine Königin dir zu zollen bestimmt ist und der Erste Ritter der Tafelrunde." Artus blickte matt aus seinen blaßgrauen Augen, kämmte sein sattschwarzes Haar, die Locken nach hinten und strich sich durch den schwarzen Bart. "Was sollte ich tun? Ich will weder meine Königin kompromittieren, noch will ich den Ersten Ritter der Tafelrunde verlieren. Sie sind mir beide die Liebsten auf dieser Jammerwelt, die nur mein Schwert noch vor dem Auseinanderfallen bewahren kann." Mordred flüsterte (er flüsterte immer): "Sie müssen vor das Gericht des Höchsten, auf den du immer hoffst. Oder wir müssen die Meisterinnen des Sternenlaufs befragen, welche ihre Kunde von den Geistern der Alten Göttinnen haben. Auf jeden Fall mußt du die Wahrheit erfahren, mein König, ob du getäuscht und hintergangen wirst." Artus sagte leise: "Wenn schon, dann vor das ritterliche Gericht des Höchsten. Aber wenn wir auch Gwynefhar an den Schandpfahl überm Feuer stellen, Sir Lancelot wird für sie kämpfen, und er ist der beste Ritter im ganzen Reiche Logres, wer wollte gegen ihn bestehen? Sein Schwert ist wie der prophetische Gesang Merlins: unübertroffen." Mordred schaute mit seinen gräulichen Blicken tief in seine verrauchte Seele hinab, und da kam ihm der zündende Blitz aus dem Nachtgewölke seines Herzens: "Wir müssen die beiden auf frischer Tat ertappen. Dann wird kein Kampf mit dem Schwerte die Königin mehr retten, wenn sie dich in deinem Schlosse hintergeht mit deinem Ersten Ritter. Dann wird sie in den Flammen sterben als die Frevlerin, für die ich sie halte." - "Wie solls vonstatten gehen?" fragte Artus, in sein Schicksal ergeben, das sich gegen ihn verschworen zu haben schien. Und Mordred wußte mit klugem Rat ihm beizustehn: "Reite morgen auf Jagd, nimm Sir Tor mit dir und bleibe über Nacht. Ich werde hier mit dreizehn Bewaffneten in Camelot bleiben und Spion sein. Wenn dann Lancelot sich deiner Gattin nähern sollte, werden wir ihn überwältigen (was kann ein Mann schon gegen dreizehn?) und die Frevler dann vor dich bringen, wo du dein Urteil fällen wirst. Gerecht wirds sein, dein Urteil, denn du bist ein gerechter König, mein König." Mit dieser Schmeichelei deckte Mordred den Haß zu, den er im Tiefsten seiner Seele gegen den guten König hegte. Er haßte ihn, wie nur ein Sohn, der nicht anerkannt wird, seinen Vater hassen kann. Er hasste ihn wie nur ein Dämon hassen kann, der mit der Zauberin Morgain le Faye in Verbindung stand. Es war Mai, der Monat, da die Honigbienen und Falter in trunkener Verliebtheit schwärmen, da am späten Nachmittag mit Herzklopfen Sir Lancelot die Frauengemächer betrat. Sein letzter Gedanke vorm Durchschreiten der Tür galt seinem König, Artus, dann gedachte er seiner nicht mehr, die Leidenschaft hatte jeden Gedanken an ihn davongefegt wie ein Fegefeuer. Lancelot durchschritt die Halle und die Kammern der Mägde und Bäder und Kinderstuben der Hofdamen und Gemächer derselben und trat in das herrliche Wohngemach Gwynefhars. Der Raum war erfüllt von einem Goldglanz, denn viele Bienenwachskerzen brannten mit schwerem süßen Duft. Und da saß seine Königin. Sie hatte das kleine blondgelockte Kind Llewellyns, ihrer Hofdame, auf dem Schoße und lachte es an mit schönster Zartheit: "Komm, mein kleiner blonder Liebling, du süßer Ken, komm zu Gwynefhar und laß dich herzen und kosen und drücken, ich hab dich lieb!" so flötete die Schöne wie eine Nachtigall und floß über von Mütterlichkeit. Lancelot stand leise in dem dunklen Torbogen und beobachtete seine Königin des Herzens, wie sie süß lachend und zwitschernd mit Ken spielte. Dieser lachte Gwynefhar an und brabbelte: "Gwyn bist du, und ich bin Ken!" Und da schlang sie ihre Arme um den Kleinen (er zählte vielleicht zwei oder drei Jahre) und küsste ihn auf die runde rote Wange. Lancelot lehnte sein Schwert Joyeux an die steinerne Wand und trat hinzu. Sein Herz zerfloß vor dem Anblick von soviel Liebe und Lieblichkeit. Seine Seele sehnte sich, ebenso von Gwynefhar geherzt, gekost und gedrückt zu werden. Seine Brust atmete Begier, von diesen schönen braunen Frauenarmen umschlungen zu werden. "Lancelot!" schaute sie ihn erfreut an, "sei mir herzlich willkommen. Schau, ist er nicht goldig, der Kleine? Lauf, Ken, zu Llewellyn zurück." Und Ken trennte sich, ein wenig maulend, von seiner Freundin und tappte in die vorderen Frauengemächer. "Möchtest du meinen Tee probieren? Es ist Melisse, es beruhigt das Herz...", sagte Gwynefhar mit freundlichem (und mehr als freundlichem) Lächeln. Und so tranken sie vom Tee und sahen einander an. Sie sahen einander lange schweigend an, mit klopfenden Herzen beide, beide mit Unruh im Herzen (der Melisse bedürftig). "Gwyn... was macht die Liebe mit mir? Ich denke Tag und Nacht an dich. Wenn ich erwache und mich noch einmal umwenden will, so kann ich nicht mehr einschlafen, weil ich an dich denke. Den Tag über denke ich (wie fromme Leute an ihren Höchsten) immer nur an dich. Abends lege ich mich mit dem Gedanken an dich schlafen, und nachts träum ich von dir." - "Lancelot, wenn Artus mich abends zur Nachtruhe in meine Gemächer verabschiedet, dann wünschte ich, du kämest zu meiner Gesellschaft; oder ich träume, ich kletterte aus dem Fensterloch und eilte zu den Gemächern der Ritter, zu dir, mein liebster Lancelot!" Und sie sahen einander beide mit erhitzten, erröteten Wangen an. Er ward entflammt von den silberblauen Kugelblitzen ihrer Augen. Sie träumte Seligkeit in seinen runden braunen Augen. Sein Blick umglitt ihre Gestalt, oh von solcher wunderlichen Schönheit, und sie erfasste mit den Sternenaugen seine männliche starke Figur. Schließlich ruhten beider Augen auf des andern Lippen, und schmachteten. Gwynefhar legte ihre feine Hand auf den rote Samt der Tischdecke, nah an seiner Hand, und diese näherte sich jener, und mit überaus zarter Zärtlichkeit berührten sich ihre Hände. Die Handinnenflächen ruhten, wie ein flüchtiger Hauch so zart und voller Frieden wie am Abend der schweigende Flötensee von Camelot, ineinander, und glitten voneinander mit der streichelnd-liebkosenden Lindheit eines Blütenblattes im Maienlüftchen, wenn der süße Honigabend die Linde küsst. Lancelot rückte ihr näher und legte seine Linke an ihre hellbraune Wange, wanderte zum Ohrläppchen, das weicher war als Muschelschaum oder Entendaunen. Er spielte mit dem glatten braunen Haar, das um ihr Ohr herniederhing wie eine zarte Flechte von einer schlanken Silberbirke. Sie führte seine Hand zum Munde und ließ ihre wunderschön geschwungenen roten Lippen auf seiner breiten Hand mit schönstem Genuß ruhen. "Ach Gwyn, wie gern möcht ich dich küssen!" gestand er ein, und sie ermunterte ihn mit goldener Süßigkeit: "So küss mich doch!" Und so küsste er sie zart und fragend, und sie antwortete ihm mit einem Kusse weich und tastend. Sie fanden Gefallen am einander Küssen und küssten mehr und länger, süßer, fließender, leidenschaftlicher, wilder... zärtlicher. Gwyn stand auf von ihrem goldenen Sessel und kämmte sich eine lose braune Strähne aus dem Antlitz. Lancelot erhob sich ebenfalls und nahm Gwyn an der Hand und führte sie ins Schlafgemach. Da waren vor ihnen schönste Blumen mit betörendem Duft vor dem Fenster. Zur Seite standen eichene Schränke mit den herrlichsten Kleidern. Zur Rechten aber wölbte sich weiß wie Meeresschaum, aus welchem Venus geboren ward, das Bett. Vor diesem standen sie. Ein kleines Glockenspiel bewegte sich wie ätherische Musik im Lüftchen, welches warm und lind und süß war. Er entkleidete sie ihres braunen Obergewandes, welches so gut zu ihren braunen Haaren passte; darunter kamen ein lindgrünes Untergewand und ein schwarzer Unterrock zum Vorschein. Um den Hals trug sie eine Kette von Lapislazuli, mit Mondstein besetzt. Das Silber der Kette schimmerte auf ihrer hellbraunen Haut wie glitzernder Schweiß. Ihre feinen Knöchel am schlanken nackten Fuße waren zu sehen. Lancelot zerzauste ihr das braune Haar mit zärtlichen Händen, ließ dann seine Arme an ihrem Rücken zum unteren Saum des lindgrünen Hemdes gleiten. Sein Herz war ein fliegender Feuersturm, sein Mund war trocken; Gwyn flog in einer glühenden Traumwelt, wie umtost von dem Rauschen eines Meeres. Im selben Augenblick flog die vordere Pforte zu den Frauengemächern auf. "Hund, ehrloser Hund!" schrie Mordred mit zerreißender Stimme. Die Schwerter seiner Truppe schlugen aneinander. Lancelot sprang zu seinem Schwert Joyeux und hieb die dreizehn Knechte nieder und verwundete Mordred am rechten Arm, und dieser floh. "Du mußt davon!" rief Gwynefhar, "ich werde bleiben. Artus wird mir Gerechtigkeit widerfahren lassen. So der Geist unserer Liebe es will, sehen wir uns wieder." Lancelot blickte rasend um sich: "O meine Göttin, nie wird einer dich anrühren dürfen zu deiner Schmach und Schande, nie solange ich und mein Schwert noch sind. Adieu, Geliebte!" Und so eilte er davon. Er sprang auf sein Roß und ritt in sein Schloß Joyous Gard im Norden. Gwynefhar hatte sich niedergesetzt und weinte erschüttert. Mordred war zu Artus' Zeltlager geritten und hatte ihm alles berichtet. Artus trat beiseite, unter eine wilde zerzauste Eiche und rief: "Ach! daß ich Wasser genug hätte in meinem Haupte und meine Augen Tränenquellen wären, daß ich Tag und Nacht beweinen möchte den Fehltritt meiner Königin und meines Ersten Ritters! Ach! daß ich eine Herberge in der Wüste hätte, so wollte ich meine Ritter verlassen und von ihnen ziehen. Denn es sind eitel Ehebrecher und ein frecher Haufen! Schickt nach den Weibern, die gut klagen können, daß sie eilend mit mir klagen, daß unsere Augen mit Tränen rinnen und unsere Augenlider mit Wasser fließen! Ach meines Jammers und Herzeleides! Ich denke aber: Es ist meine Plage, ich muß sie leiden." Mordred trat näher an Artus und sagte: "Sie muß vor das Gericht." Artus blickte matt vor sich hin, wie blöde, und sagte: "Ja, sie muß vor das Gericht. Lancelot steht im Bann, wenn einer ihn fasst, wird er enthauptet. Lady Gwynefhar wird sterben durch des Feuers gefräßige Zunge, wenn nicht ein Ritter sie rettet." Und so ward, als Artus nach Camelot heimgekehrt war, die weinende Lady Gwynefhar an einen Schandpfahl über einem Reisighaufen gebunden. Das Feuer wurde angelegt. Gwynefhar schrie zu Halleluja vor Angst. Im selben Augenblick nahten Reiter, allen voran ein Ritter in schwarzer Rüstung, auf einem schwarzen Schlachtroß: Das war Sir Lancelot vom See. Er raste zu dem Schandpfahl, riß Lady Gwynefhar auf sein Roß und stürmte davon. Das Volk umher schrie Halleluja! denn sie hatten gebangt um ihre sanfte gütige Königin. Sir Lancelot ritt mit Lady Gwynefhar auf sein Schloß, die Burg Joyous Gard im Norden, nördlich der Walisischen Hügel. König Artus ritt in seinem Zorn und Grimm, und mit ihm viele Helden der Tafelrunde, gegen Joyous Gard. Dort fand die Belagerung der Burg sieben Tage lang statt, bis die Ausrufer mit Blasen der Kuhhörner um die Burg schritten und zum Sturm riefen. Im selben Augenblick fiel Sir Lancelot mit seinen Truppen, alles kampferprobte Männer, aus dem Schloß aus, und es fand ein grausamer Kampf statt. Schließlich lag der Walplatz von Leichen bedeckt; die Leichname lagen wie Dung auf den Feldern. Obwohl Lancelot, der der beste Ritter ganz Britanniens war, tapfer und todesmutig gestritten hatte, war seine kleine Schar Verzweifelter der Übermacht der Königstruppe unterlegen. Sir Lancelot mußte seine Niederlage eingestehen. Er wurde vom König zornig (und traurig zugleich) des Landes verwiesen. Der Erste Ritter der Tafelrunde rief Lady Gwynefhar im Schlosse zu: "Meine Königin, komm mit mir, über die See nach Benwick laß uns eilen, komm und laß uns eilen, daß wir unserer Liebe opfern können bittersüße Liebesopfer!" Aber Lady Gwynefhar, mit den ersten Anzeichen der Reue, schwieg lang und sagte dann: "Nein, Sir Lancelot, so lieb du mir bist, ich stehe unter einer höheren Gewalt, die mich an meinen König bindet. Laß mich bei Artus bleiben und mein Schicksal beweinen!“



FÜNFTER GESANG


Sir Tristan verließ die Tafelrunde von König Artus, denn diese hing in dunkler Traurigkeit seit dem Ehebruch der Königin trist zusammen, Sir Tristan aber hatte einen Ruf an den cornwallschen Hof von König Marke bekommen. Dessen Ritter ward er nun (im Geiste immer noch treu dem Schwur der Ritter der Tafelrunde, dem Schwur, den man Artus schwor). König Marke hatte Irland tributpflichtig gemacht, dessen König Morold im Kampfe um diese Entscheidung von Sir Tristan gefallen war. Es waren zu jener Zeit auf Irland einige Dinge geschehen, von denen im Folgenden die Rede sein soll. Sir Tristan hatte Irlands Königin, Morolds Gattin, die nun verwitwete Isolde gesehen und sie für sehr schön befunden. (Nicht daß er sich in sie schon verliebt hatte.) So hatte er König Marke, der unbeweibt war, aber einen Stammhalter ersehnte, gesagt: "Die Maid ist schmuck, die holen wir dir." Darum war Tristan ein zweites Mal nach Irland gesegelt, mit seinem Knechte Courwenal und einigen Rittern und Seeleuten, und hatte Isolde beigebracht, die einzige Möglichkeit, weiter Königin zu sein, sei diese, nämlich König Marke zu ehelichen. Nicht daß diese in Begeisterung ausgebrochen war oder sich schon in König Markes untadeligen Ruf verliebt hätte, aber sie willigte ergeben in ihr Schicksal ein. Dennoch kamen ihr auf der Fahrt zu Schiff von Irland nach Cornwall Zweifel, und sie stand neben ihrer Magd Brangaine, deren maronenbraune Locken im Winde wehten wie Isoldes goldenes Haar, und beschwor den Sturm und das Meer mit der raunenden Beschwörung, wie es dich Dichter liebten: "Meine Mutter beschwor das Meer, und darum beschwör ich dich, du Meer; meine Mutter rief dem Wind, und darum ruf ich dich, du Wind. Meine Mutter zauberte mit den dunklen magischen Sprüchen, und darum bezaubere ich dich auch, du Natur: Stürme und woge und walle, und hindere dies Schiff, nach Cornwall zu kommen, denn ich war Irlands Königin, will Irlands Königin weiterhin sein." Brangaine blickte klug und hell aus ihren blaugrünen Augen, welche wie Meere waren, und trat in den Teil des Schiffes, da das Ruder war: Sir Tristan stand am Ruder. Und sie sagte: "Herre mein, komm doch ins das Zelt Isoldes, denn meine Herrin will mit dir reden." Aber Tristan erwiderte: "Nicht ists sittlich, daß der Brautwerber die Braut besuche, die er seinem König geworben. (Er könnte sich sonst selbst verlieben.) Desgleichen muß ich am Steuerruder stehen bleiben, um das Schiff selbst sicher in Cornwalls Hafen zu bringen. Sag Isolde meinen negativen Bescheid." Isolde war empört, als sie solche Meldung vernahm. Sie sagte in hübschem Zorn (ihr Schneefee-Antlitz ward rot wie übergossen von purpurnem Saft): "O Brangaine, er höhnt mich! Weiß er nicht mehr, wie ich ihn pflegte, als er verwundet vom Kampfe darniederlag? Ich hab ihn mit herbalen Essenzen gesundgekurt, seine Wunde mit balsamischem Linden gewickelt, als wär er mein Baby. Mir verdankt er sein Leben. Und will mir nicht eine Audienz gewähren?" Brangaine sah in Isoldes herrlich himmelblaue Augen, welche eben blitzten vor Zorn. "Herrin, fürwahr, dir verdankt er sein Leben." Und "Ja" sagte Isolde, "als er von Morold geschlagen halbtot lag, da schenkte ich ihm sein Leben wieder, und er, er schwor mir ewigen Dank. Und das ist nun der Dank, daß er mich Cornwalls König vermählt, den ich nicht will von Herzen?" Brangaine sagte: "Deine Mutter, liebe Herrin, war eine mächtige Zauberin vom Schlage einer Morgain le Faye, sie hat mich ihre Kunst gelehrt. Soll ich einen Zaubertrank bereiten und ins Meer schütten, der die Ankunft in Cornwalls Hafen verhindert? Soll ich Sir Tristan (oder Sir Tantris, wie er sich nannte) bezaubern? Soll ich bei der Ankunft König Marke vergiften oder in Liebe versetzen?" Isolde hörte ihr nicht zu und überlegte. Das magische Geschwätz ihrer Dienerin ward ihr manchmal zuviel. Sie kannte sich in religiösen Dingen nicht so aus und interessierte sich nicht so sehr für solcherlei. Ihre Religion war ihre Herrschaft an König Morolds Seite gewesen. "Ruf mir den Knecht Courwenal!" Und der kam, und Isolde sagte zu ihm: "Sage deinem Herrn, Sir Tristan oder Tantris, er möge eilig kommen und mich um Vergebung bitten, denn ich rettete ihm sein Leben und er schwor mir ewigen Dank, und nun dies? Er soll mich anflehen um Vergebung, und ich will sie ihm sogleich gewähren. Und zum Zeichen der Versöhnung wollen wir den Versöhnungskelch trinken." Courwenal ging zu Sir Tristan, dessen schulterlange goldene Locken im Winde wehten, seine schlanke Gestalt gebeugt vom Seesturm, seine himmelblauen Augen funkelten vor Wonne, da er kämpfte mit dem Meereswind. Er hörte Courwenal an und sagte: "Ich werde zu ihr gehen, obwohl es sittlich nicht recht ist. Aber ich habe ihr Dank geschworen, und will mich mit ihr versöhnen. Was soll sonst mein Herr, König Marke denken, wenn ich ihm eine zornige Frau bringe?" Isolde sagte zu Brangaine: "Bereite einen Kelch vor folgendermaßen: Nimm vom edlen Wein und löse rasch einiges Schlangengift darin auf. Tristan soll als Erster trinken und vergehen in seinem Undank und Treulosigkeit, dann will ich sterben lieber, als König Markes Frau zu werden." Brangaine trat zur Seite und machte sich am Kelch zu schaffen. (Sie löste kein Schlangengift hinein, sondern reichte einfachen zyprischen Süßwein, wie ihn schon Adonis mit Aphrodite gern getrunken, denn sie wollte nicht, daß Isolde sterbe.) Und Tristan trat ins Schiffszelt Isoldes und sagte: "Herrin, du riefest nach mir?" Isolde zeigte sich gnädig und sagte: "Wir wollen, alles vergessend, was zwischen uns stehen könnte, Versöhnung trinken." Und sie reichte ihm den Kelch, er setzte an und trank, Isolde trank und erwartete den baldigen Tod. "O Tristan, oh Tristan..." - "Isolde, holde Isolde!" seufzten sie, bezaubert von der trunkenen Süßigkeit des zyprischen Weines, der ihnen des andern Schönheit in romantischem Goldglanz aufflammen ließ, ihnen die Sehnsucht groß werden ließ und Begier nach Liebesentzückungen weckte. "Oh du herrlicher Tristan!" - "Oh wunderschöne Isolde!" Isolde hingen ihre feinen goldenen Haare schräg vorm linken Auge längs, wie ein Schleier die Hälfte ihres Antlitzes goldentransparent verschleiert hätte, sehr entzückend. Ihre himmelblauen Augen leuchteten rein und hell. Ihre schmalen hellroten Lippen zeigten beim friedlichen Lächeln die schönsten weißen Zähne. Ihre Gestalt war jung und weiblich, von schönen Rundungen bei attraktiver Schlankheit. Sie stand auf der Brüstung ihres Gemaches in Cornwall. Noch hatte König Marke sie weder gesehen noch gar geehelicht. Und sie, sie brannte vor süßem Liebesfeuer für Tantris (wie sie Sir Tristan immer liebevoller nannte). Sie ersehnte sein Kommen mit glühender Inbrunst. Brangaine trat zu ihr (ebenfalls von einiger Schönheit, auf welche Courwenal sein bescheidenes Auge gewandt) und sagte: "Der Ritter Merlot, der sich Freund von Sir Tristan nennt, der will mir gar nicht gefallen. Sein Auge schielt so tückisch, als ob er ahnte, daß du brennst vor Liebe zu Sir Tristan (wie er zu dir), und neidete dem holden Ritter seine Liebe; gibt aber vor, er sei um König Markes Hochzeit besorgt. Zum Glück ist Merold mit König Marke auf Jagd." Isolde träumte schwärmerisch vor sich hin, an nichts und niemand als an Tantris denkend. Sie trat in den Garten, der da träumte wie ein Sommernachtstraum. Linden dufteten süß in dieser Sommermondnacht. Der Mond der Lindennacht stickte auf den grünen Grund mit wankenden Silberpunkten. Ein verspätete Biene kreuzte durch den glühenden Kreis und ein schnurrender Dämmerungsvogel umflog den mit Lorbeer bekränzten Kopf einer kleinen marmornen Oenghus-Statue (des Liebesgottes der Kelten). Auf dem Doppelgrund von Lindengrün und dunkelblauer Nacht des Himmels zitterten Blätter neben den Sternen (die Jungfrau und Arkturus sprühten Liebesfeuer). Der Nachtwind wiegte sich auf dünnem Laube und auf dem goldenen Haar Isoldes und bespülte mit kühlen Wellen ihre Feuerwange und Tristans Feueratem. Was nun folgt, ging als das "Lied der Liebe" in die romantische Literatur des Goldenen Zeitalters der Ritter und Jungfraun ein, denn es war ein begeisterter, kultiviert-erotischer Wechselgesang zwischen Tristan und Isolde, der in verzückten Reimen und Versmaßen gesungen wurde, aber hier (in der deutschen Übersetzung) in poetischer Prosa vorliegt.

Tristan:

"Die weißen walisischen Hügel im Winter gleichen deinem Leibe. Du gleichst dem Reiche Logres, der herrlichen Welt der Ritter und Jungfraun, so herrlich bist du. Voller Hingabe wie eine asiatische Ritterin im Kampfe bist du. Mein starker Ritterkörper wühlt dich auf, nicht wahr, Geliebte? Ein einsamer Ritter war ich, vor mir flohen die gesprenkelten Elstern. Der linde Sommerabend zog in meine Seele ein. Um zu überleben, mache ich deine Liebe zu meinem Schwert. Ich liebe, Geliebte, dich! O die Magnolienblüten deiner Brüste! O die himmelblauen reinen Augen! O deine weiche sanfte Stimme! Nie scheid ich von deinem Liebreiz mich. Meine unstillbare Sehnsucht nach der geistigen Liebe brandet an dein Ufer von Cornwall. Mein Durst pilgert zu deinen hellroten Lippen. O, ich ahne, es folgt auf diese Liebe der Tod!"

Isolde:

"Dir ins blonde Lockenhaar will ich weben das beredte Schweigen meiner Liebe. Du raubst mir den Atem, Stürmischer; ich will mich entblättern wie die rote Rose der Liebe im Herbst vor deinem Stürmen, Stürmischer. Ich bin wie das Meer zwischen Irland und Cornwall, aufgewühlt von deinen Augen. Meine Liebe ist eine glückliche Taube, wo ich dich vor mir sehe so nah. Komm und laß uns einander salben mit Liebe!"

Tristan:

"In den Mantel des Todes hüllt uns das Licht unsrer Liebe. Blaß stehst du im Mond der Sommernacht, die dich umkreist. O diese Stille, meine Freundin, diese Stille und Einsamkeit des gestorbenen Tages. Wir erben das reine Feuer des Sommermondes. Vom Monde fällt eine weiße Weinbeere auf deine schmalen Lippen. Die Wurzeln der Nacht wachsen durch unsere Seelen und binden uns an diesen Garten unserer Liebe. Das Inwendige deiner Seele seh ich in diesem Garten der Sommernacht, ein blaues Volk von Amoretten im Mondlicht. O fruchtbare Sklavin deiner Liebe zu mir, ergreife die Schöpfung, deren Lindenblüten sinken in süßer Melancholie."

Isolde:

"Ich will deine Hüfte hüllen in Äpfel und Erdbeerfleisch. Du bist mir eine Frucht aus dem Garten Avalon, eine Frucht der ewigen Jugend und Schönheit. Umarm ich deinen Hals, so fließt mir süßer Wein über die Zunge und Honigmet macht mich trunken. In deinen Armen teilt sich die Pflaume und lässt fließen ihren violetten Nektar. Gib mir vom Quittensamen deiner Liebe! Mein Mann aus Birnen und Aprikosen, laß mich schlürfen von deinen ambrosianischen Lippenquellen. Unsere Liebe ist der verschwundene Garten Avalon, aus dem wir nimmermehr vertrieben werden sollen."

Tristan:

"O das Rauschen der Lindenwipfel und des Meeres Rauschen! O das leise Geläute des Mondes! O die Nacht, in deinen Augen versinkend, o Muschel des Meeres, an deinen Lippen vertönend! In deiner Seele singt das Meer. Mit deinen Blicken flieht meine Seele vor der Kriegswelt. Dein Herz ist mir ein Bogen, auf dem ich den Pfeil meiner Sehnsucht spanne, den Pfeil meiner Hoffnung auf unendliche Liebe! In deinen Armen, meine schöne Marmorstatue, weiß und rein, nistet meine Sehnsucht und finden meine Küsse ihren Zufluchtsort. O deine wunderlich sanfte Stimme, Liebe neigend in die Todesnacht! So neigen sich Ährenhalme vor dem Anhauch und Kuß des Windes!"

Isolde:

"Und ich begehrte, deinen Namen Tantris zu flüstern, deinen Namen Tristan zu lispeln in der Sommermondnacht, die schwer ist vom Mondtau, die zärtlich ist wie eine großblickende Lilie mit den zitternden Blütenblättern, die mein Gewand aus Schnee waren in meines Traumes Dämmerung. Und ich zeichnete deinen Namen an alle Linden, schrieb deinen Namen auf die Hügel von Cornwall, bis mich der Wind wie Weizenkörner verwehte und Pollen, mich trug in das Heilige Land, um dort ein rauschendes Weizenfeld zu werden und ein Blumenwald, der deinen Namen rauscht, o Tantris-Tristan."

Tristan:

"Damit du den Tanz meines Liebesgesanges vernimmst, machen sich meine Worte so flüchtig-zart, wie die Spuren der Silbermöwen auf Cornwalls Strand. Deine Kette von Silber, auf deinem Halse klingend, ist zart wie deine Haut, die zart ist wie die Haut einer Weinbeere. Deine Liebesworte fliehen aus deinem Gemach und erfüllen mein Herz, den Sommergarten, alles mir. Nun bewohnst du mit deinen süßen Worten meine Einsamkeit, und sie sind vertraut mit meiner sensiblen Melancholie, die den Tod ahnt. Jetzt will ich dir Liebes sagen, was ich dir immer schon sagen wollte, seit ich dich das erste Mal an Morolds Seite sah, Geliebte! Traumstürme werfen meine Liebesworte manchmal zu Grund. Meine Worte schluchzen wie Münder von Minnesängern, wie Blüten der Sommerlinde süß. O liebe mich doch, Geliebte, und verlaß mich nicht. Sei mit mir in diesen Gedanken des Todes. Langsam duften meine Worte nach dem Duft des Liebestodes. Ich werde aus ihnen einen Rosenkranz meiner Liebe machen, den ich dir und deinen Namen nennend abzähle, der dann gleite durch deine schlanken Hände, die glatt sind wie die Haut von Weinbeeren."

Isolde:

"Wenn deine Arme mich umschlingen, dann stöhnt die Harfe meiner Seele auf und harft dir Liebes-Oden und leidenschaftliche Hymnen. Ich lebe in der Kraft des Wortes, wie eine Nachtigall, in der Gewalt meines Wortes der Liebe, wie ein Wirbelsturm. Ich liebe dich und mit dir die Menschheit und den unendlichen Kosmos. In meinen Venen lacht dein Name. Ich gebe mich dir ganz, ich reiche dir mein Leben zum Opfer dar, wenn mich deine Arme umschlingen und dein Herz sich an mein Herz presst, dann geb ich mich dar als Opfer der Liebe!"

Tristan:

"Als Opfer der Liebe geb ich mich hin!“

Isolde:

"Als Opfer der Liebe geben wir uns hin, ganz und gar der Liebe hin!"

Tristan glühte still in seinem Herzen und seufzte: "Oh die Dattel deiner Lippen, laß sie mich küssen... Oh deine weichen schönen Backenknochen und deine weiche Haut, laß mich dein Kinn streicheln... O unvergleichlich weich und sanft die Haut... Und deine Brüste gleichen Magnolienknospen, sie sind so zart zu meinen Fingerspitzen... Und deine Hüfte, wie schwingt sich dein Gang, und die Hälften des Apfels, wie rund und fest... Und die Doppellippen deiner Purpurmuschel, wie rauscht darin das Meer der siebenten Glückseligkeit..." Handlung geleitete sanftes Liebesgeseufze... Aber wehe! Im selben Augenblick traten König Marke und Merlot in den Garten, waffenstarrend. Tristan bedeckte Isolde. Merlot zückte sein Schwert, denn er hielt Sir Tristan für einen Verräter an den Heiratsplänen König Markes und er verwundete Tristan schwer, der mit verwundeter Brust (und verwundetem Herzen) leis "Isolde!" stöhnte und zusammenbrach. Tristan erwachte von seiner Wundohnmacht und blickte in liebende Augen: Courwenals Augen, die seines treuen Dieners. "Herr", sagte der, "du bist noch schwach. Sprich so wenig wie möglich und nur soviel wie notwendig. Wir sind hier in deinem Vaterland. Hörst du die Schalmeien der Hirten und das Glöckchengeläute der weidenden Lämmer? Wie fühlst du dich?" - "Isolde..." stöhnte Tristan und richtete sich ächzend halb auf, "wo ist Isolde?" Courwenal sprach besänftigend: "Ich brachte dich in deines Vaters Burg Kareol. Isolde ist noch in Cornwall, aber ich sandte ein Schiff, sie zu holen, denn ich weiß, daß du ohne sie nicht gesund würdest." - "Isolde ist in dem Sommergarten unserer Liebe, eine duftende Rose des Gartens selbst, bloß bis aufs purpurne Blut. Und ich liege hier im Blut des Todes unter dummen schalmeienden Hirten und vor meines Vaters verwaister Burg (Isolde ist nicht hier)! O ich sterbe vor Sehnsucht nach Isolde. Ich liebe Isolde!" Tristan sank zurück aufs Lager aus Weidengeflecht und flüsterte: "Nun will ich zum ersten Mal in meinem Leben zum Höchsten flehen. Isolde, sie begehre ich von der rechten Hand des Höchsten, der die Liebe ist. O Gott, ich will Isolde hier an meine verwundete Brust legen und mich ins Leben zurückküssen... oder mit ihr den seligen Liebestod sterben!" Tristan wurde noch leiser: "Ihr Dattelmund wäre mir die Frucht vom Baum des Lebens, der in des Höchsten Garten steht! Ihre Purpurmuschel deutet mir auf die Pforte zur Gläsernen Burg, die aus einer einzigen Perle gemacht ist!" Courwenal sorgte sich um Sir Tristan, daß sein Liebesgeseufze so jenseitig wurde. Er wußte nicht, ob sein Herr vor Leidenschaft verrückt oder fromm geworden. "Herr, wenn ich dir raten darf: Schließ deinen Frieden mit dem Höchsten, denn es naht die Stunde..." Schalmeien ertönten: das Schiff Isoldes nahte! Courwenal mit fliegenden Lippen sagte es seinem Herrn an: "Die Herrin kommt, Isolde ist da!" Und da trat Isolde mit heißem Herzen an Tristans Seite. "O Glück des Lebens! O Glück der ewigen Liebe, die unendliche Freude und überfließende Glückseligkeit verheißt! Die Liebe, wie sie sich mir eben zeigte, hat meinen Tod mit einem Kuß besiegelt, meinen Tod, der ein Leben in ewiger Liebe ist! Und wir werden uns sehen und eins werden, Isolde, im Geist der Liebe!" Tristans Worte. "Liebster, scheide noch nicht! Oder: Ich will mit dir in das Liebesland des Höchsten eingehen, wo wir küssen werden die Liebe selbst! O Geliebter!" - "Ich sterbe! Ich werde lieben ewiglich!" Damit brach Tristan zusammen. Er hauchte noch Einen Namen (den keiner mehr verstand) und verstummte endgültig auf dieser Erde. Isolde stach das Schwert der Schmerzen, es durchbohrte ihre Seele, ihr Herz blutete vor wehem Leid, und sie starb an der Macht der Liebe!



SECHSTER GESANG


Wir, meine Muse vom 'Mountain of Salvation' (Montsalvat) und ich, wollen nun von Parzival singen und dem Gralskönig. Dieser lebte in der Gralsburg, die sich auf dem Berge Montsalvat befand. Unterhalb der Burg war der Berg bewaldet. Es war ein Wald aus hellgrünen Silberbirken, die in der Bergregion gut wuchsen. Es standen in dem Walde, bei einem Weiher, beieinander Gurnemance, der Alte aus dem Kreis der Gralsdiener, und der Grüne Ritter. Folgendes Gespräch spann sich zwischen beiden ab: "Grüner Ritter, du bist vergeblich von deiner Suche nach einem Heilkraut für den verwundeten Gralskönig Xstus gekommen, und nun willst du gleich weiterreiten, wieder auf die Suche nach einem endlich helfenden Heilsmittel?" - "Würdiger Gurnemance, du hast recht, es scheint hoffnungslos, aber ich finde keine Ruhe, bis nicht der verwundete Gralskönig Xstus wieder gesund und in seine Ruhe gekehrt ist. Darum will ich scheiden und nach den russischen Landen reiten. Vielleicht aber hat die Kräuterhexe Kundry vor mir Erfolg und kommt mit einem Heilmittel? Nun denn, adieu, alter Gurnemance!" Und sogleich ritt der Grüne Ritter fort, er blieb zuletzt bei Eirene, der Kaiserin von Sibirien. Er war kaum fort, da stürmte auf einem dampfenden Roß Kundry daher. Ihre langen rotbraunen Locken wehten lose im Wind. Ihr braunes Gesicht schaute traurig drein. Ihre Dämmerungsaugen waren düster. Sie stoppte ihr Roß vor Gurnemance und sprang herunter. "Alter", sagte sie, "wenn ich ihn auch nie sah und erkannte in seiner Wundheit, so dauert mich doch der kranke Mensch Xstus, den ihr euren Gralskönig nennt. Ich bin eine Seele, die vor Mitleid zerfließen kann, weil ich ein Herz wie Wachs hab. Hier ist aus dem glücklichen Arabien Myrrhe, damit könnte man möglicherweise den kranken Menschen heilen. Die Göttin der Nacht möge es segnen." Gurnemance schauerte, denn er wußte von der Göttin der Nacht. Die Hexen tranken ihr zum Opfer Fledermausblut zu Halloween. Die Göttin der Nacht trug um den Hals einen Rosenkranz von Totenschädeln. Sie fuhr daher in einem von Drachen gezogenen Gefährt, wenn sie von ihrer Wohnung im Reich der Lüfte zu Walpurgis ihren Sklavinnen nahte. Darum sagte der alte Gurnemance: "Schrecklich, Kundry, wie du die Gottheit der Finsternis beschwörst. Sagen dir deine Sterne auch, in denen du liest wie in Karten, daß diese Gottheit der Finsternis Feindin der Menschen und des Gralskönigs ist und vernichten will? Laß dein Kraut, wenn du es der Göttin der Nacht geopfert hast, es kann nichts Gutes und Reines stiften und Heil weder an Leib noch an Seele bringen." Kundry schwieg. Sie war zu schüchtern, um zu streiten. In Gedanken dachte sie nur: Ach, was die Leute immer denn hätten mit ihrem Gralskönig, der sei doch nichts als ein wunder Mann und wahrlich kein Wundermann. Und wenn man sie hier nicht haben wolle, ein einfaches Waldweib, sondern nur ruhmreiche Ritter gelten lassen wolle, nun, so sei es denn, sie frage weiter nicht danach. Gurnemance sah sie mit einem weichen mitleidvollen Herzen an: "Xstus wartet darauf, daß die Bitten an seinen Vater (ebenfalls Gralskönig) von diesem erhört werden und der heilende Geist in Gestalt der mystischen Gralstaube ihn wieder ganz gesund und lebendig mache." Kundry wußte nicht, was das nun auch noch mit der mystischen Gralstaube auf sich habe. Sie wußte aber von dem, der Xstus verwundet hatte, denn das war ihr eigener Zaubermeister Klingsor, der den Menschen Xstus mit einem Speer die Seite durchbohrt hatte. Klingsor lebte nun, den Speer stolz bewahrend, inmitten eines dämonischen Harems. Dort war Kundry ab und an und ging bei ihm in die Schule, denn er lehrte sie, aus dem Kristall eine Zukunft wahrzusagen. Aber irgendwie fand sie doch Interesse an der Geschichte vom sogenannten Gralskönig, von dem die freundlichen (auch zu ihr so ungewöhnlich freundlichen) Leute redeten, als sei ihr Xstus gut (und nichts Böses in ihm). Eben in demselbigen Augenblick sah Gurnemance einen weißen Schwan (cygnet) am Himmel fliegen. Im Gralsland gab es keine Feindschaft zwischen den Tieren und nicht zwischen den Menschen und den Tieren. Aber ein Unheil flog, ein Pfeil, und verwundete den weißen Schwan an seiner Seite, er fiel verwundet zu Gurnemance's Füßen. Gleich trat ein junger Mann aus dem Walddunkel an den Weiher. Er hatte eine kräftige Gestalt, graublaue Augen und einen jungen flaumigen Bart, seine Ohren waren groß und sein Mund schmal. (Es war der spätere Sir Parzival, der Vater Lohengrins.) Er war noch jung, zählte damals vielleicht zweiundzwanzig Jahre und schaute ein wenig töricht aus seinen schmalen, zugekniffenen graublauen Augen. Gurnemance zürnte dem jungen Mann und redete ebendeshalb so: "Junger Mann, was für ein Tor bist du? Ein Tor bist du fürwahr! Schießt im heiligen Gralslande einen weißen Schwan, einen jungen, der vielleicht mit schönem Gesang flog, sich ein weißes Weibchen zu freien, daß er hier mit ihr sich bade in der wollüstigen Klarheit des Weihers, der aufgewühlt ist, wenn der Lenzwind ihn aufwühlt. Kannst du solche Liebe stören mit deiner Gewalt?" Und Gurnemance fragte den jungen Mann nach seinem Namen. Die Leser kennen ihn schon, aber Parzival kannte ihn selbst nicht, und sagte darum: "Ich weiß nicht, woher und wohin, noch welches Namens ich bin. Meine Mutter, das weiß ich, heißt Herzeleide und ist eine von Herzen sanftmütige Frau. Sie erzog mich mit der stillen Macht ihrer unendlichen Güte. Nie hörte ich ein Schimpfwort oder eine harte Rede aus ihrem Munde, noch spürte ich je ihre zarte weiße Hand auf meinem Kinderpopo. Nur mit süßen Lockungen und Liebesbeweisen zog sie mich auf, mit der überfließenden Lindigkeit ihres weichen Mutterherzens. Mein Vater, sagte sie mir, sei im Kriege gegen die Muselmanen gestorben, darum zog sie mich total pazifistisch auf. Keine Waffen lernte ich gebrauchen. Wie ich nun zu dem Bogen käme mit dem unheilvollen Pfeil, fragst du dich sicher, guter Alter? Ich wanderte von dem Mutterhaus fort, die weite Welt und das Fürchten kennenzulernen. Von Anfang an hatte ich Sehnsucht, den Gral zu finden, von dem so viel die Rede war von meines Mutter Hausfreund. Aber ich weiß nicht, was der Gral ist, weder wie er aussieht, noch was er bedeutet. Unterwegs auf meiner Wanderung traf ich drei Ritter, einer herrlicher als der andere, sie nannten sich: der Grüne Ritter, Sir Tor und Sir Lancelot vom See. Ich hielt sie für die Inkarnation des Grales, alle drei in einem, oder zumindest den herrlichsten von ihnen (wobei ich nicht entscheiden mochte, welcher herrlicher sei als die andern beiden). Sie aber sagten mir, sie seien nicht die Inkarnation des Grales, sondern ich solle mich südwärts wenden, bis... aber ich wüßte schon, wann ich am Ziele sei, das würde ich schon rechtzeitig merken. Für die Wanderung aber durch die dunklen Täler der Wölfe (und es waren beileibe keine sanftmütigen Wölfe) gaben sie mir einen Bogen und einen Köcher voller Pfeile mit." Gurnemance staunte ihn an, das war wirklich ein naiver, einfältiger Tor, ein unendlicher Narr. Aber er sollte seinen Herzenswunsch erfüllt bekommen und den Gral sehn, das beschloß der alte Gurnemance sogleich aus der Weichheit seines Herzens. Darum führte er den jungen Mann an den Weiher, fischte mit seiner hohlen Rechten eine Handvoll Wasser auf und besprengte den jungen Mann damit und sagte: "Ich will dich Parzival nennen, denn du bist wahrlich zum 'Fal Parsi' bestimmt, zum 'reinen Toren'." Und Gurnemance sagte zu Parzival (während die traurige Kundry, alles nicht verstehend, einsam seitlich ins Gebüsch sich schlich und melancholisch einschlief): "Komm mit, ich werde dir etwas zeigen, was dir die Augen übergehen läßt. Und wenn es das ist, was du gesucht hast von Kindheitstagen an, dann wirst du es wissen." Und somit führte Gurnemance den jungen Mann, den jungen Toren Parzival zur Gralsburg hinauf. Sie betraten die Gralsburg, den langen weißen Flur hindurchwandelnd, in den heiligen Saal tretend, der von großen weißen Kerzen erleuchtet war. Dort stand eine lange Tafel und eindutzend Stühle herum. Gurnemance hieß dem jungen Parzival, stille zu sein und zu schauen. Da trug sich mit schweren Schmerzen der Gralskönig herein. Er hatte lange dunkelbraune Locken und einen vollen dunkelbraunen Bart. Seine Augen glühten wie Feuerkohlen. Sein Mund war schmerzlich verzerrt, und dennoch lächelnd. Er trug ein langes weißes Gewand, das an der rechten Seite blutig war, und ein unaufhörlicher dünner Rinnsal Blutes strömte daran herunter. Er richtete sich mühsam auf und setzte sich auf einen Stuhl, der von weißem Marmor war. An seinem unteren Ende befanden sich Zeichnungen von Schädeln, an seinen Säulen rankten sich Dornen hinauf, durchwunden von Disteln. Parzival sah, daß auch seine Hände, obwohl von sehr reiner Haut, mit dem Blut der Wunde bedeckt waren. Xstsus, der König des Grals auf dem Montsalvat, rief mit dem Rest an Kraft, die ihm noch verblieben war: "Traget ihr das Mahl herein! Mein Vater möge euch segnen, ihr Geliebten!" Dann sank er ein wenig in sich zusammen. Eine Schar von fünf klugen Jungfrauen trat herein. Die vorderste von ihnen trug den Gral. Sie hieß Santanna und war von schöner Gestalt. Sie trug ein dunkelblaues Gewand und einen roten Rock. Ihr Gesicht war von einem Weiß wie Elfenbein. Ihre Nase war ebenmäßig. Ihre Augen groß und leuchtend-grün. Ihr Mund war schön geschwungen und lächelnd. Ihre Haare waren schwarz, zusammengesteckt und dennoch mit einigen Strähnen fallen, die einen langen geflochtenen Zopf verschleierten. Sie trug den Gral, der ein Smaragdkelch war, indem sich blutroter Wein befand. Die anderen Jungfrauen deckten den Tisch mit weißem Brot. Der Wein war keuscher Wein von tiefem Rubinrot wie das Blut eines Menschen. Die Gralsritter und Gäste, die Gralsdiener und Parzival, Santanna und die andern klugen Jungfrauen setzten sich an die Tafel. "Vater!" rief der Gralskönig, "diese alle hast du mir gegeben, und ich will, daß sie einmütig in Liebe miteinander leben! So sei nun hier mit der segnenden Kraft deiner heiligen Taube und verwandle Speise und Trank auf wunderbare Weise." Parzival schaute sich um, und obwohl er die Worte hörte, hörte und verstand er doch nichts. Auch hatte Gurnemance ihm nicht erzählt, daß es sich hier um Gralskönig und Gral handle, um den Gralskönig-Vater (der unsichtbar blieb) und die Gralstaube. So verwirrte das ganze Geschehen den jungen Parzival sehr. Und als er sich gesättigt hatte und die Wirkung des Weines merkte, verabschiedete er sich. Mit dieser seltsamen Gemeinschaft hatte er wenig im Sinn. Er wollte nicht als einer von ihnen angesehen werden, sie waren ihm zu merkwürdig und sonderbar. Dies konnte doch der Gral nicht sein, denn der Gral... war das nicht der Stein der Weisen? und konnte so ein wunder Schwächling den Stein der Weisen haben? Und mit dunklen Gefühlen ging Parzival fort aus der Gralsburg, fort durch den Wald und machte sich auf, den Gral zu suchen. Um Klingsors Zauberschloß blühte ein wunderschöner Garten, an den sich ein kleines Wäldchen anschloß. Es war September, als Kundry dort sich ihrem Zaubermeister nahte, der sie mit leeren Blicken ansah, als sähe er durch sie hindurch ins Nichts. Lange saßen sie schweigend einander gegenüber am Tisch im Zauberschloß. "Meister, warum redest du nicht mit mir?" fragte Kundry. "Du bist mir zuviel im Gebiete der Gralsburg", sagte Klingsor mit rauher Stimme, "da verlierst du deine Macht, die du von mir bekommen hast. Unterwerfe dich neu dem Geist der Magie! Aschtaroth, die Göttin der Zauberei, will deine Seele ganz!" Kundry schauerte ein wenig. "Aber die Gralsdiener und -ritter sind immer so freundlich zu mir. Ich kann mir nicht vorstellen, daß sie mir etwas Böses wollen." Klingsor schaute grimmig drein: "Eben! Sie wollen die revolutionäre Tugend des Hasses nicht, sie wollen die magische Macht der Finsternis nicht, sie wollen den Einfluß der hohen Sternengötter nicht, sie wollen Luzifers Weisheit nicht anbeten! Das macht sie zu unsern Feinden! Sage dich von ihnen ganz los! Ansonsten kann ich dir nicht die Zukunft vorhersagen. Aber wenn du dich in das Reich der Finsternis begibst, dann sag ich dir jedes Unglück, das deinem Leben droht, vorher, auf daß du - erschreckest!" Von ferne nahte ein Reiter, das hörte Kundry am Hufschlag, und insgeheim hoffte sie, daß ein Gralsritter auf einem weißen Pferde nahte, sie auf seinen Schimmel reiße und entführe in den Himmel der Liebe! Es war aber Parzival, der da nahte, und kein Gralsritter. Parzival aber kam gar nicht bis zum Schloß, denn nachdem er aus dem Wäldchen hervorgeritten kam, sah er sich in einem schönen Garten, in dem roten Paradiesäpfel (Tomaten) wuchsen und Winden, welche wunderschön sind (aber als Unkraut gelten) und andere Blumen, welche alle betörend dufteten, wie indischer Moschus verführerisch. Mitten in dem Blumengarten standen aber in dem goldenen Licht des Spätsommers wunderschöne Mädchen, alle halbseiden bekleidet mit durchsichtiger Sommergaze und transparenten Schleiern, an denen kleine silberne Glöckchen klingelten. Sie zeigten ihre braunen Arme, um die silberne Reifen in Gestalt von jenen Schlangen, die den Schwanz ins Maul nehmen, geschlungen waren. Das erste Blumenmädchen hatte blonde Haare und blaue Augen, sie hatte eine etwas eckige Gestalt und tanzte theatralisch. Die zweite hatte dunkelbraune Locken und einen kräftigen Körper, ihre Nase war rund, ihre Augen waren braun wie Moorseen. Die dritte Blumenmaid hatte feuerrote Locken und grüne Augen, eine weiße Haut und einen Mund zum Küssen, fand Parzival, und konnte sich nicht helfen, er war bezaubert von der dritten Blumenmaid. Die Blumenmädchen sangen mit hübschen hohen Stimmen naive Volksliedchen, in denen sie sangen, daß ihre Feinsliebchen, sonnenbraune Soldatenburschen, getötet worden seien, und sie vermuteten, daß Parzival der Mörder sei. Die Dritte schlang ihre schlanken weißen Arme um seinen Hals, schwenkte die Hüfte wie eine muselmanische Tänzerin und raubte ihm alle Sinne, dann sagte sie aber: "Gib mir mein Feinsliebchen wieder!" Da sie das sagte, trat Kundry in den Garten, voller Verführung, voller Lust in ihren Augen und Gliedern, funkelnd und sprühend vor Reiz, weich in den Bewegungen, halb gesenkt die Augenlider wie beim Schlummer nach der Liebe, ihre himbeerroten Lippen vom herrlich geschwungenen Mund spitzend und Parzival fast tötend vor Wollust! Er konnte nicht mehr leben vor solchem lauter Feuer und schlich sich zum Wäldchen, wo es schattig war, da legte er sich ins Moos unter eine breite Buche und, siehe, er sah ein Gesicht. Vor ihm tauchte auf das Antlitz des Gralskönigs. Er sah die schmerzverzerrten Züge und gleichzeitig das liebe, sanfte Lächeln. Er sah die Augen, welche vor reiner tugendhafter Liebe glühten, und das gab ihm solchen Frieden und solche Seligkeit, wie keine Lust der Welt sie ihm bescheren könnte. Er sah die Wunden und das Blut, und da ergriff ihn mit unwiderstehlicher Gewalt eine unsagbare Liebe zu Xstus, dem Gralskönig. Er warf sein Angesicht aufs Moos und flehte: "Xstus, du Gerechter, du Tugendheld, du Wahrhaftiger, du Reiner, du Liebevoller! Nimm mich in deine Schar auf und erlöse mich aus den Fängen des Bösen und aller Versuchung! Wasche du mich schneeweiß mit dem Blut deiner Wunde, mit dem Blut deines heiligen Grals, daß ich nicht länger ein Tor und Narr bleibe, sondern werde (wie es mir prophezeit ist) - ein reiner Tor!" Da zog der Geist der Liebe in sein Herz und befreite ihn zu einem herrlichen Lachen. Und er rief zu Blumengarten und Schloß: "Hinweg, du Trugschluß, du Lügengeist und Blendmeister, hinweg du Geist aus der Finsternis, hinweg mit dir in das Feuer, im Namen des Xstus, des Gralskönigs, dessen Gralsblut floß auf dem Berge Montsalvat! Denn vor dieser Macht kann das Böse nicht bestehen!" Und sogleich lösten sich Schloß, Klingsor und die Blumenmädchen in die Lüfte auf. Allein Kundry blieb (aus Gnade des Höchsten) traurig und einsam sitzen. Parzival liebte Kundry nun auf eine ganz andere Weise, er ward nicht mehr hin- und weggerissen von ihren Reizen (obwohl sie noch schön war in ihrer Melancholie), sondern er liebte sie als ein armes, verlorenes Geschöpf des Höchsten, für das der Gralskönig sein Gralsblut vergossen hatte und die er in seiner unermeßlichen Gnade hatte weiterleben lassen, auf daß sie zu ihm finde. Da er sie nun so in größerer Wahrhaftigkeit liebte, bot er ihr an, mit ihm durch die Welt zu reisen, vielleicht fänden sie ja aus ihrer Irr- und Wirrnis den Weg zur Gralsburg zurück. Also reichte sie ihm ihren Arm, er hakte unter, und sie schritten von der leeren Erde fort und wanderten, wanderten und wanderten. Kundry erzählte ihm von ihrer Sternengöttin, und Parzival erkannte in dem Wesen, das Kundry ihm schilderte, einige Wesenszüge seiner Mutter wieder, aber er erinnerte sich daran, daß seine Mutter Herzeleide und ihr liebster Hausfreund, wenn sie vom Gralskönig sprachen, auch immer dessen Mutter erwähnten. Da sah Parival die heilige Gralstaube vom Himmel herniederfliegen, und er hörte eine Stimme, wie des Gralskönigs Stimme, die sprach: "Ich habe ein Wort für Kundry, das du, mein Diener Parzival, ihr sagen sollst. Dies ist das Wort für Kundry: So spricht der Gralskönig: 'Du hast dich schon immer bemüht, guten Rat zu erhalten. So laß auch jetzt die Sterndeuter kommen, sollen sie dir doch helfen, die dir jeden Monat die Zukunft vorhersagen! Doch wie Stroh werden sie ein Raub der Flammen. Nichts können sie retten vor dem fressenden Feuer, nicht einmal das eigene Leben. Es wird kein Feuer sein, um das man in der Runde sitzt und an dessen Glut man sich die Hände wärmt! So werden sie enden, deine Wahrsager, um die du dich von Jugend an bemüht hast. Sie machen sich aus dem Staub und schleppen sich nach Hause. Alle lassen dich hilflos zurück!' So spricht der Gralskönig: Kundry, wende dich mir zu, ich will dir ein heiliger Helfer sein und ein Erretter vor dem Tode! Dies sag Kundry, mein Parzival." Da er das in frühster Morgenstunde Kundry sagte, ward sie betroffen. Durch die Macht dieses heiligen Wortes aus den heiligen Schriften des Grals angesprochen, löste Kundry alle Bindungen an ihren Zaubermeister und rief in ihrem Geiste zu Xstus, dem Gralskönig. Sie hob die Arme gen Himmel und flehte die Gralstaube an, mit ihrem Geist der Liebe auch in ihr Herz einzuziehen, daß sie lieben könne nicht nur Parzival (den sie schon liebte als Freund), sondern auch alle Ritter des Grals, ja auch die arabischen Muselmanen, welche Jagd machten auf die Gralsritter.Sie wollte nun die Myrrhe aus dem glücklichen Arabien, die sie vormals der Göttin der Nacht gewidmet hatte, von der mystischen Gralstaube segnen lassen und hielt sie dazu in die Höhe. Sie bekam einen übernatürlichen Frieden, daß ihre Weihehandlung gelungen sei, und beschloß, diese Myrrhe mit Parzival zur Gralsburg zu bringen, um in dem steinernen Gemäuer den verwundeten Gralskönig damit zu salben, auf daß er gesunde und heil werd. So wandten die beiden ihren Weg, mit einem Male zielsicher, gen Westen und kamen schließlich zum Wäldchen unterhalb der Gralsburg, wo sie den inzwischen gealterten Gurnemance trafen, der dort in einer einfachen Hütte als Einsiedler lebte und die heiligen Schriften des Grals studierte. Dieser wies ihnen den Weg zum Weiher und ging mit ihnen dorthin. Kundry tauchte unter im Weiher und nannte sich fortan Dienerin des Gralskönigs. Sie betraten schließlich die Gralsburg und kamen in den heiligen Saal. Sie waren alleine in dem großen dunklen Saal. Die Pforte hinter sich hatten sie verschlossen. Plötzlich stand Xstus vor ihnen, in einem Gewande, welches weißer war als Schnee, und in einem Glanz von Angesicht. Seine Augen schienen aus Glut und seine Füße aus Gold. Er hatte vernarbte Wunden am Körper, aber litt keine Schmerzen mehr, sondern mit einem überaus friedlichen Lächeln sah er sie an und sagte: "Nun will ich nicht deine Myrrhesalbe mehr gebrauchen, o Kundry, sondern deine Seele zum Segen für viele. Für eure Seelen, o Parzival und Kundry, geh ich nun hin in das Land der Apfelbäume, euch in dem Garten ein herrliches Gläsernes Schloß mit vielen Wohnungen zu bereiten. Dort werden wir uns wiedersehen, und wieder vom Grale speisen und trinken! Adieu!" Damit verschwand der Gralskönig Xstus in die Unsichtbarkeit. Der Gral blieb aber allezeit bei ihnen.



SIEBENTER GESANG



Auf hoher See vor Zypern warf ein Sturm das Schiff in die See,

Auf dem Sir Tor sich befand, und kenterte.

Die Menschen gingen schreiend im Wasser unter,

Sir Tor nur konnte sich, an einer Planke treibend

Und durch den Sturm sich kämpfend,

Retten an Zyperns Strand,

Wo er ohnmächtig niederlag.

Er sank, sein Haupt benommen,

Und da er sank, da schwamm der goldene warme Sand

Um seine matten Glieder.

Er fiel auf seine Seite.

Wie eine geweißte Lilie lag sein Körper

Auf der Mittelmeerinsel: das Schönste,

Was je aus Lehm geformt ward.

Wie lang Sir Tor in seiner Trance da lag,

Das wußte er nicht.

Die Zeit gabs nicht mehr mit Tag und Nacht

Für sein Blut und seine matten Sinne.

Wie seine schwere Ohnmacht schwand,

Das wußte er nicht,

Doch sein Puls kroch ins Leben zurück,

Obwohl der Tod noch um ihn stritt.

Seine Augen öffneten sich,

Schlossen sich, öffneten sich.

Da zweifelte er an dem, was er sah.

Denn langsam sah er vor seinem schwimmenden Auge

Ein feminines Wesen von fünfzehn Jahren!

Ihr Antlitz war seinem nah,

Ihr schmaler Mund schien Atem in ihn zu hauchen.

Ihre jugendliche Hand presste Atem und Leben in ihn zurück.

Sie versuchte, seinen Puls zu animieren.

Schließlich gab ein leiser Seufzer aus seinem Busen

Ihren süßen Bemühungen Antwort.

Sie warf einen Mantel um seine Glieder,

Denn sein Hemd war zerfetzt.

Ihr schöner Arm hob sein schwaches Haupt.

Ihre transparente Wange war pur und warm

Und bettete seine totengleiche Stirn.

Dann wrang sie seine feuchten Haare aus,

Die vom Sturm noch ganz zerzaust.

Und beide seufzten aus der Tiefe ihrer Busen.

Sie trug ihn sorgsam in eine Höhle,

Ihr half die Gefährtin

(Die war robuster von Gestalt),

Sie zündeten dort ein Feuer an.

Die neuen Flammen beleuchteten

Hohe Felsen umher,

Die nie die Sonne gesehen.

Das Mädchen erschien im Lichte,

Schlank und schön!

Ihre Augenbrauen waren fein,

Ihre Haare rotblond,

Die langen Haare flossen auf den Rücken

(Die Gestalt war wie von griechischem Marmor!)

Und liefen an der Hüfte aus in gesunden Spitzen.

Ihre Haare waren, wie ich sagte, rotblond,

Ihre Augen waren wie der Himmel,

Ihre Wimpern lang, sehr lang,

In deren Schatten lag eine tiefe Attraktivität.

Ihre Brauen waren fein,

Die Wange glühend

Wie die rosige Morgendämmerung.

Aufgeworfene Oberlippe - süße Lippen!

Die lassen uns seufzen, solche Lippen,

Wenn wir jemals solche Lippen erblickt!

Sie wäre ein gutes Modell für eine Marmor-Venus,

Aber es gibt schönere Mädchen

Als dieser Nonsens der Stein-Idole.

Ihr Kleid war bunt und fein gesponnen.

Ihre Locken flossen bequem wie ein Negligé

An ihrer Wange entlang.

Durch ihre langen Haare schimmerte

Edelsteinbunt das Kleid,

Sie trug einen Muschelgürtel

(Wie der Liebreizgürtel der Venus)

Und an den Fingern Ringe

Mit Smaragden und Saphiren.

Ihre schmalen Füße trugen Sandalen,

Aber darin standen die Füße bloß.

Die ältere Freundin

Machte ein Mahl mit erlesenen Meeresfrüchten

und Brot und Zypernwein.

Sie war die Dienerin der Jungfrau und hieß Zoe.

So ließen die beiden Sir Tor

An seinem einsamen Zufluchtsort.

Er schlief wie ein Toter.

In seinem Hirne blühten Träume von der Insel der Liebe.

Während Sir Tor im Schlummer lag,

Trat das Mädchen an seine Seite

Und lauschte seinem Gemurmel.

Einmal meinte sie, ihren Namen von seinen Lippen zu hören:

Eucharis! Eucharis!

Eucharis sah die Morgenröte

Von Angesicht zu Angesicht.

Sie war frisch,

Obwohl ihr Blut heiß fieberte

Vor Jugend-Verliebtheit,

Und ihre Wangen erröteten wie das Rote Meer

(Obwohl dasselbe nicht rot ist).

Vorüber am Kliff ging das schöne Mädchen,

Bis ihr leichter Fuß vor der Höhle hielt,

Während die Sonne sie

Mit erster Flamme zärtlich anlächelnd grüßte.

Die junge Aurora küsste sie mit Lippen von Morgentau,

Sie hielt sie für ihre Schwester

(Obwohl Eucharis den Vorteil hatte,

Nicht bloß aus Lichtglanz zu sein).

Und wie ein Engel über einem in Gnade Sterbenden,

Neigte Eucharis sich leise über Sir Tor und küsste ihn

Und erweckte ihn vom Todesschlaf.