Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

Germania


Von Josef Maria Mayer


Allein geliebter, wenn du voll Vaterlands

Aus jenen Hainen kommst...“

(Klopstock)


ERSTER GESANG



Bevor der Himmel und die Erde war,

Wo später Götter oder Menschen wohnen,

Schuf ER geheimnisvoll und wunderbar

Des Nordens Eis, des Südens Feuerzonen.


Im tiefsten Süden, da war Muspelheim,

Die Welt der Sonne und der Feuersglut.

Und in dem Grenzgebiet von Muspelheim

Saß Surtur mit dem Schwert in wilder Wut.


Bei dem Gericht der Welt wird Surtur kommen

Und führen seines Schwertes Schlachtenschwung,

Da wird die Sonne stumpf, der Mond benommen,

Da tritt herein die Götterdämmerung.


Im hohen Norden, da war Nifelheim,

Die Welt des Winters, kalt und harsch wie Hunnen.

Im Nebel und im Eis von Nifelheim

Befand sich Hwergelmir, der tiefe Brunnen.


Zwölf Ströme aus dem Wasserkessel flossen,

Sie flossen südwärts und sind eingefroren.

Von Süden kamen Funken angeschossen

Und haben Ymir aus dem Eis geboren.


Ein grauenhafter Riese war der Knilch,

Bis aus dem Eisblock kam die Urwelt-Kuh

Audhumbla, die ihn nährte mit der Milch

Aus ihrem prallen Euter immerzu.


Audhumbla leckte mit der rosa Zunge

An einem weißen Eisblock: Siehe da

Trat Bur hervor, der erste Urwelt-Junge,

Der nichts als weiße Eiseswüste sah.


Aus Ymir aber Hilfe kam für Bur,

Die Riesentochter Bestla ward geboren,

Ein Wunderwerk urzeitlicher Natur,

Vom allerersten Urweltsohn erkoren.


Von ihnen kamen die drei Götterwesen,

Von den Odin wohl der Größte war.

So wars, wenn ich die Rolle recht gelesen.

Wenns anders war, der Gott es offenbar!


Und Odin zog zu einer großen Schlacht,

In der den Riesen Ymir er getötet,

Ermordet ihn mit seiner Waffen Macht,

Mit seinem Blut des Nordens Eis gerötet.


Aus Ymirs Blut das Nordmeer ward gemolken,

Aus Ymirs Fleisch die rosenrote Erde,

Sein Hirn, das wurden hingehauchte Wolken,

Aus seinem Schädel fester Himmel werde.


Die Brauen wurden an dem Meer ein Deich,

Den Gräsern und den Blumen war es recht,

Ein grüner Garten ward das Mittgart-Reich,

Der Wohnort für das menschliche Geschlecht.


Und Odin ging am weißen Meeresstrand,

Da trug das dunkle Meer den hellen Schaum.

Und Odin schaute in das grüne Land,

Sah eine Ulme, einen Eschenbaum.


Da nahm er von der Esche etwas Holz,

Daraus zu schnitzen einen Menschenmann,

Und es gelang ihm gut und er war stolz

Und für den Mann auf eine Hilfe sann.


Da schaute er zum grünen Ulmenbaume,

Der da mit reicher Haarpracht grün belaubt,

Da rief er aus des Laubes grünem Schaume

Die Frau mit vielem Haare auf dem Haupt.


Frau Embla, schöne Mutter du der Bäume,

Frau Embla, Mutter weißer Sangesschwäne,

Dein Busen auf der Flut der Anmut schäume,

Den Mund dir netz kristallne Freudenträne!


Kornblumenblaue Mutter du von Öland

Und goldne Mutter du von Uppsala!

In deinem goldnen Raps der Schwede Öl fand,

In deinem Aug er blaue Blumen sah.


Frau Embla, wandle weiß und wunderbar

Und schließe mit dem Meere einen Pakt,

Frau Embla, Embla, hüll dich in dein Haar

Und schleier dich, o Frau, so schön und nackt!


Die Odin schuf, dem Menschenpaar zu helfen,

Die tanzen in dem Mondenschein, dem gelben,

Ätherische Genies, die holden Elfen,

Ätherische Genies, die holden Elben.


Sie schweben sanfte über Mittgarts Auen

In weißen Schleiern, goldenreine Lichter.

Ätherische Genies! so sehen Frauen

Im Frauenlob die alten Minnedichter.


Die Schleier fließen hell in ihren Tänzen,

Als seien sie der Duft von Blumenblüten.

Wie Meteore ihre Augen glänzen,

Die feurig in den blauen Himmeln glühten.


Sie hüllen in den Duft von Blumenglocken,

In weißen Schwanenflaum die weißen Glieder,

Wie Wogen fluten nieder ihre Locken

Und ihre Brüste quellen aus dem Mieder.


So träumen von den Göttinnen die Barden,

Idunas Äpfel hüllen sie in Düfte,

Im Metrausch schaun die Barden Mittgarts Garten

Und Mohn sich schlingen um der Elfe Hüfte.


Die Elfe gürtet sich mit Mittgarts Auen

Und windet Kränze sich von blauem Mohn.

Die Elfe ist das Ideal der Frauen,

Auf Erden schön wie eine Göttin schon.


Und Embla, die der Bardenseher schön fand,

Sprach mit dem braunen Wolf, dem Zähnefletscher,

Der friedlich wie ein Schaf war. Und in Grönland

Sie leckte mit der Zunge an dem Gletscher.


Und Ask, der schlanke Eschenspeer, ihr Buhle,

Er ging ins Moor als dunkler Moortorfstecher,

Dann reichte Embla er vom hohen Thule

Mit Honigmet gefüllten goldnen Becher.


Dir, Embla, welche Worte sag ich denn dir,

Daß ich der Liebe Glück in dir bewirke?

Ich schenk ein horniges Geweih vom Rentier

Dir und das Messer mit dem Knauf von Birke.


Du grüne Ulme unter weißen Birken,

O Embla, Wunderfrau im Chor der Elfen!

Aus Nebeltau ich dir den Schleier wirke,

Die Schicksalsweberinnen mögen helfen!


Mein Mann, o Ask, du schlanke Eschenlanze,

Bohr deine Lanze in den roten Grund!

O Embla, Embla, Ringelreigen tanze

Und spitze deinen roten Rosenmund!


Die erste Frau der Welt ein Traum von Lust war,

In nichts gekleidet als der Locken Gold.

Sie schmiegte sich an Ask und in sein Brusthaar

Der schönen Embla Freudenträne rollt.


Du trage, Embla, blauer Blumen Röcke,

Geschmückt mit deinen goldnen Ringellocken.

Vorm Wagen Thors die wilden Ziegenböcke,

Wenn sie dich schauen, schöne Embla, bocken!


Du Königin der Elfen, schönste Elfe,

Ich will im Schatten deines Haares weilen.

Ich hör in meinem Herzen Wotans Wölfe

Vor deinem Mondenangesichte heulen!


Vor deinem Glanz verstummen alle Tadler,

O Lebensmutter! Preisen will dich Torsten!

Zu deinem Sonnenantlitz alle Adler

Aufsteigen aus den bergeshohen Horsten.


Du Mutter alles Lebenden und Toten,

Die Mitternacht mit deiner Sonne kröne,

Das Eis mit deinem Licht, dem rosigroten,

Im Meeresspiegel spiegle deine Schöne!


Dem Manne Ask das Herz in seiner Brust

Mit rotem Blute pocht mit heißem Pochen,

Du Traum aus seinem Fleische, seine Lust,

Du göttliches Gebein aus seinen Knochen!


Von deinen Brüsten Dichtermet zu saugen,

Ist Sehnsucht aller Sänger vor der Sonne!

O Embla, blaue Blume blauer Augen!

Mein Leben, meine Hoffnung, meine Wonne!


O wehe mir, mir Elenden und Armen,

Ich vegetiere in der Winternacht,

Und zagen muß ich, weinen und mich harmen,

Da mir im Herzen keine Sonne lacht!


Ich seufz, bevor ich noch das Brot verspeise,

So schmachte unfreiwillig ich im Fasten.

O Bragis Harfe, säusle süß und leise

Und lindre du mir der Verzweiflung Hasten!


Es fließt kein Lebensblut in meinen Venen,

Nur dunklen Schattenreiches Wasserflut,

Mein Odem ist ein Seufzer, dunkle Tränen

Aus meinen Augen tropfen, schwarzes Blut.


Ich lieg gefangen in des Winters Kammern

Und draußen schneidet scharf der kalte Nordwind.

Im Tränentale lieg ich und muß jammern

Und suche, ob ich eines Trostes Wort find.


Iduna, spende mir von deinen Äpfeln,

Gib goldne Früchte mir vom Lebensbaum!

O Herrin, siehe meine Tränen tröpfeln,

Mich ohne Trost erwachen aus dem Traum.


Iduna, leg mich an den Apfelbusen,

Umarme mich mit Welteneschenzweigen,

Du Ideal, du Inbegriff der Musen,

Du mögest mir das Land der Hoffnung zeigen!


Aus meinen Augen fließt der Tränenregen,

Allvater, du laß deine Sonne scheinen!

Ein schönes Zeichen gib von deinem Segen,

Daß Menschenleid und Gotteslicht sich einen!


Wenn aus den offnen Schleusen meiner Augen

Der Tränensturz Germanien überflutet,

Dann möge aus den Fluten Hoffnung tauchen

Im bunten Kleide, liebesglutdurchglutet!


Aus meiner Schwermut trauerdunklen Wolke

Erhebe sich der frühlingsbunte Bogen,

Das Spektrum strahle überm dunklen Kolke,

Die Hoffnung sei am Himmel zart gezogen.


Ist dunkel das poetische Genie,

So will es doch der Freude Land verkünden!

Allvater, führe aus der Melancholie

Den Geist hinauf die Leiter aus den Gründen.


Idunas himmlisches Gewand, ein Hauch,

Ist wie der Hoffnung Himmelsbrücke bunt.

Ich will hinauf die Himmelstreppe, auch

Zu ruhn an eines Schwanenmädchens Mund!


Der du getrunken aus der Weisheit Kessel,

Mir eine Embla aus der Ulme schnitze!

Führ meine Seele aus des Leibes Fessel,

Daß ich im Haus der Lieben Frouwa sitze!


In Asgards goldnem Garten will ich wandeln

Und unter Bäumen, welche singen, wallen,

Als ein Prophet Germaniens heilig handeln

In himmlischen Walhallas goldnen Hallen.


Als Kämpfer will ich sterben für die Freiheit

In jungen Jahren! nicht den greisen Strohtod!

Und Odin, Hönir, Loki soll, die Dreiheit,

Den Freudenmet mir reichen und das Frohbrot!


Allvaters Götterthron wag ich zu nahen,

Der eisweiß schimmert in dem goldnen Thronsaal.

Ich ward erleuchtet, meine Augen sahen

Den Garten Asgards, eine rote Mohn-Wal.


Es blühte roter Mohn auf goldnen Feldern,

Kornblumen bläulich glänzten aus den Augen.

Die Bäume des Gesangs in dichten Wäldern

In milden Maienlüften Schwedens hauchen.


Und Gottes Vögel tragen auf den Schwingen

Des Dichters Haupt ins Blütenland von Schweden,

Dort prophezeien soll der Schädel, singen

Vom Himmel der Walhalla, Nordens Eden!


Die goldnen Vögel picken goldne Krumen

Aus einer goldenroten Gotteserde.

In Asgards Garten blühen blau die Blumen

Mit einer keusch-jungfräulichen Gebärde.


Die blauen Blumen aus dem goldnen Schweden,

Betaut, sind Unsrer Lieben Frouwa Augen,

Der Neuen Embla aus des Nordens Eden

Will Schwedens Barde als ein Diener taugen.


Die Odin aus der Ulme rein geschnitzt,

Allvater hob sie auf in Asgards Garten,

Wo weiß gewandet sie zu Füßen sitzt

Der Lieben Frouwa zwischen Rosenarten.


Der abgeschiedne Dichter will mit Stäben,

Die runenmurmelnd er auf Erden schnitzte,

Die Göttin loben: Hoffnung, Wonne, Leben!

Der Lieben Frouwa blaues Auge blitzte.


Ich ward erleuchtet und ich sah den Garten,

Der duftete den lenzlichen Geruch,

Dort durft ich meine Seligkeit erwarten

Nach dreier Nornen weisem Schicksalsspruch.


Die an der Weltenesche Wurzel hockten

Und tranken immer aus dem Schicksalsbronnen,

Drei gnadenreiche weise Weiber lockten

Mich in den goldnen Garten meiner Wonnen.


Da folgte ich dem Wink der weisen Frauen

Und wandelte im Himmel meine Bahn hin.

Preis, Lieber Frouwa, dir in Folkwangs Auen!

Und aus der Ferne nahte eine Schwanin.


Ein Jungschwan löste sich aus einer Schar

Von weißen Sangesschwänen und kam nah,

Bis daß ich schaute, wie es wirklich war,

Was ich da weiß und schön wie Schwäne sah.


Mir kam die himmlische Walkyre nah,

Von Frouwa, der Walkyrenkönigin,

Geschickt zu mir, und alles was ich sah,

Beseligte mir meiner Augen Sinn.


Verschleiert in dem Gold des Lockenfalls

Das schönste Mädchen, eine Augenlust:

Die Locken fielen lang am Schwanenhals,

Die Locken fielen auf die Schwanenbrust.


Als müßt ich in der Sommersonne schwitzen

Mit aufgewühlter Wollust Pulsespochen:

Ein dämmerblauer Blick aus schmalen Schlitzen,

Gerötet schöngewölbte Wangenknochen!


Der Leib gehüllt in schimmerndes Gefieder,

Als wie in Himmelsschnee und Himmelsschaum,

In Tau gebadet ihre Frauenglieder,

Vollkommen jedes wie ein Maientraum.


Und alles, was im Leben ich entbehrt,

Gab die Walkyre mir im ewgen Leben,

Und alle Lust, die Ewigkeit begehrt,

Vermochte sie mit Gottes Gunst zu geben.


Da wirbelte ich hin in Feuersphären

Hinauf an ihre volle Schwanenbrust,

Ich badete mich in den Wonnemeeren,

Den Göttern gleich in ihrer Himmelslust!


Sie gab den honigmetgefüllten Becher,

Den ich in Einem tiefen Zug geleert,

Wie die Poeten tun, verliebte Zecher,

Der Met gab alles, was das Herz begehrt.


Der Met, der tropfte mir von ihren Lippen,

Der strömte mir aus ihres Schoßes Bronnen.

Und wie die Vögel in den Wipfeln wippen,

So schaukelten wir schön in lauter Wonnen.


Und war mein Herz auf Erden auch nur halb,

Gott konnte es in seinem Reich ergänzen.

Das Schwanenmädchen lachte allenthalb,

Da wir im ewgen Sonnenscheine lenzen.


Wie die kristallnen weißen Gletschergipfel

Wars licht in Folkwangs lenzlichen Gefilden.

Die Sangesbäume wiegten goldne Wipfel,

Die blauen Blumen licht zu übergülden.


Da ward es leuchtend um der Göttin Sitz,

Die blendende Walkyre schimmernd glänzte,

Allvater offenbarte sich im Blitz!

Ich war auf Erden, Eichlaub mich bekränzte.


Dir, Unsre Liebe Frouwa, unsre Minne!

Du stiegest aus dem Meer so anmutreich,

Der Himmelsschwanenmädchen Königinne,

Die Allerschönste du im Himmelreich!


Der Met von deinem Rosenmund ist lecker,

Der Honigmet von deiner Lilienbrust.

Als Falke fliegst du über Totenäcker

Und trägst die Seelen in die Himmelslust!


Dem Minnesänger sitzt du auf der Schulter

Als edles Falkenweibchen, frei und zahm.

O Königin, lebt doch von deiner Huld er,

Der preist sich selig als dein Bräutigam!


O deines Halses Schmuck von Peridot,

Wie lichtdurchströmte Meeresfluten grün!

O deine langen Locken goldenrot!

Du lässest alle Heldenherzen glühn!


Den herrlichen Palast von Folkwang sah

Ich selbst, dein Felsenhaus ist mir nicht fremd.

Du selber schenktest Met der Minne da

Mir ein, gewandet in dein Federnhemd.


Ich möcht an deinem Firmament ein Stern sein,

Seit ich dich als den Stern des Meeres fand.

All deine Trauertränen wurden Bernstein,

Den spülte an das Meer bei Helgoland.


Melancholie von Baltrums schwarzen Erlen

Ist dir geweiht an grauer Nordsee Flut.

All deine Trauertränen wurden Perlen

Und jede tief in einer Muschel ruht.


Von Bernstein oder rosa Muschelperlen

Will ich dir, Liebe Frouwa, Kränze winden.

Ich will dir singen wie im Maien Merlen

Und deinen Namen schnitzen in die Linden.


Ich preis vor deinem Wagen auch die Kätzchen,

Die schmiegen sich, die schmeicheln dir und schnurren.

Und streichelt ihren Kater auch mein Schätzchen,

Will ich nicht neidisch sein und will nicht murren.


Du ehrest alle, die die Katzen pflegen,

Musik ist dir, wenn Katzen süß miauen,

Du spendest Katzenfreundinnen den Segen

Und liebest auch die katzengleichen Frauen.


Wenn ihre Augen in den Schlitzen funkeln

Und wenn sie schmiegen sich und süß miauen,

Dann will ich ruhn in ihrem Fell, dem dunkeln,

Und Kater sein den süßen Katzenfrauen.


Dir will ich nun an meines Herzens Freitag

Die Minneherrin des Poeten weihen.

O lächle du uns einen ewgen Maitag

Und laß uns, Liebe Frouwa, vor dir freien!


Noch schöner als Teutonias Thusnelda

Vom Berge Teutoburgs, dem alten Ossa,

Dem Knochenberge, da gekämpft der Held, ah,

Noch schöner ist die Freyjastochter Nossa!


Die Augen wie des Kornes Blumen blau

Und wie die Sterne in den Dämmerungen,

Verschleiert sie die wunderschöne Frau

Mit braunen Wimpern, länglich und geschwungen.


Vom dunklen Rot ist ihres Haares Farbe,

Nicht scharlachrot wie Lager voll von Lastern,

Nicht purpurrot wie Mohn bei goldner Garbe,

Vielmehr so rot wie in dem Herbst die Astern.


Die weißen Brüste gleichen goldnen Äpfeln,

Verschleiert von den hingehauchten Schleiern

Wie Taues Demanttropfen, welche tröpfeln,

Durchwirkt mit Purpurfäden wie von Feuern.


Die Hände sind so weiß und schmal und schlank,

Arbeiter einer Biene allen Fleißes,

Ich weiß für manches gute Werk ihr Dank

Und für ihr holdes gutes Herz, ich preis es!


Herz Nossas, rot wie Abendmeeres Flut,

Wenn freundlich steigt im Osten auf der Mond,

So sanft und friedevoll und wohlgemut,

So sanft sie alle armen Seelen schont.


Herz Nossas, hohes Haus mit Purpurteppich,

In dem die Demut herrscht als Königinne,

Ein grüner Garten mit dem grünen Eppich

Und mit den roten Rosen reiner Minne.


Herz Nossas, edler Tempel stiller Demut,

In Demut allem Leben hingegeben,

In Sehnsucht hingegeben und in Wehmut,

Nach Liebe sehnend sich und wahrem Leben.


Herz Nossas, eines hohen Gottes Kind,

Bist du bereit, die Liebe anzuschauen,

Du atmest ein der Liebe Maienwind,

O Königlichste aller armen Frauen!


Von ihres Herzens gnadenreicher Weise

Empfing ich schon die lieblichsten Geschenke,

Ich mein, daß ich vom Herzen Nossas speise

Und ihre Anmut tief in mich versenke.


Gott gebe ihr zum Mahl das Herz des Dichters -

Ah, ganz hat sie es ja schon aufgezehrt,

Verschlungen sein poetisches Gedichtherz

Und so die wahre Dichtkunst ihn gelehrt!


Der schönste aller Götter, aller Asen,

War Baldur, Gott der Reinheit und des Lichts.

Er war so sanft wie der Ostara Hasen

Und süß wie Bragis Süße des Gedichts.


Er trug die blonden Haare schulterlang,

Die Strähnen golden wie die Sonnenstrahlen.

Die Stimme war wie himmlischer Gesang,

Der blauen Augen Blicke Blumen malen.


Doch in der Nacht, da schlief er ruhelos

Und wälzte sich in seinem Himmelsbette.

Der Tod stand ihm vor Augen schwarz und groß

Und rief ihn zu der Hel, des Todes Stätte.


Um seine göttliche Unsterblichkeit

Der herrlichste der Asen, Baldur bangte.

Im Traume weinte er, in seinem Leid

An seiner Wange eine Träne hangte.


Er, der so strahlend war wie Gottes Sonne,

Wie Becher in Walhallas Paradies,

Er sah sich hocken schon in einer Tonne

Der Einsamkeit, in finsterem Verließ.


Er wachte früh mit tränennassem Blick

Vom Traume auf, die Seele voller Klagen,

Der Königin des Himmels, Göttin Frick,

Der Mutter Baldurs, seinen Traum zu sagen.


Frick lauschte ihm mit ihren schönen Ohren,

Um die das Haar ihr fiel so fein wie Seide.

Hat jegliches Geschöpf dir schon geschworen

Die Treue bis zum Tode, feste Eide?


Mein Sohn, ein jegliches Geschöpf soll dir

Beeiden, daß es dich nicht töten werde!

Versprechen soll es Vogel, Fisch und Tier,

Das Meer, der Wolkenhimmel und die Erde.


Da kamen alle Blumen, alle Blüten,

Da kamen Gräser, Schilfe, Büsche, Bäume,

Die Sterne ihre Eidesworte glühten,

Es sangen Treue Meereswellenschäume.


Es kam die Lilie und es kam die Rose,

Die Ziege kam, der Eber und der Wolf,

Tautropfen schworen, hangend an dem Moose,

Das Wasser aus dem Mexikanschen Golf.


Es kam der Große und der Kleine Bär,

Des Donnerers Gefährt, der Große Wagen,

Die nackten Nixen kamen aus dem Meer,

Die edlen Elfen Treueworte sagen.


Es hoben Frouwas Katzen ihre Köpfe

Und Schlangen schlüpften hin wie bunte Seide,

Es schworen Treue alle die Geschöpfe

Und Gottes Welt vereinte sich zum Eide.


Der Listigste der Asen aber nahte,

Der hegte gegen Baldur einen Groll,

Er nahte Frick in ihrem hohen Staate,

Da sie regierte gut und gnadenvoll.


Da nahte Loki, listig wie die Schlange,

So falsch und so beredsam wie ein Fuchs.

Er küsste Frick die schämigrote Wange

Und sprach: Und schwor die Treue auch der Buchs?


Da sprach die Königin des Himmels: Ja,

Es schwor die Treue meinem Sohn der Buchs,

Der Esel schwor mit heiligem I-A,

Es schworen Panther, Leopard und Luchs.


Nur Ein Geschöpf schwor nicht den Treueschwur,

Doch lebt mit Baldur es seit je in Frieden,

Es ist die Mistel, heilige Natur,

Die schneiden mit den Sicheln die Druiden.


Zur Wintersonnenwende hängt man fromm

Die Mistelzweige über seine Tür

Und immer, wenn Ostaras Fest erglomm,

Trug man die Mistelzweige für und für.


Da grinste Loki bös in sich hinein,

Er wollte Baldurs bittern Tod verschulden.

Da heuchelte der Listige: Die Pein

Soll ferne sein dem Gotte aller Hulden.


Und Loki huschte hin wie eine Ratte,

Bis er zu einem dunklen Walde kam,

Da hüllte eines Baumes Wipfelschatte

Die Mistel, die sich listig Loki nahm.


Die Blätter pflückte er vom Mistelzweig

Und spitzte diesen Zweig zum spitzen Pfeil.

Dann eilte er hinauf ins Götterreich,

Um zu verderben Baldurs Seelenheil.


Um Baldur standen alle Götter rings,

Von rechts bewarf ihn Thor mit Eschenspeeren,

Von vorne Freyr mit Felsen und von links

Ihn Freyja mit dem Schaum aus ihren Meeren.


Doch Baldur lächelte ganz unverwundet

Und lächelte so selig wie ein Kind.

Da nahte Loki, dem die Sünde mundet,

Der trat zum Gotte Hönir, der war blind.


Und Loki sprach: O Hönir, blinder Gott,

Willst du versuchen nicht des Baldur Heil?

Soll sprechen dir die Schar der Götter Spott?

Sei männlich auch und nimm den Mistelpfeil.


Und Hönir schleuderte als wie zum Scherz

Den Mistelpfeil, und Loki ward zum Rächer,

Des blinden Gottes Pfeil traf Baldurs Herz,

Da mußte Baldur leeren Todes Becher.


Und alle weinten in dem Götterreiche,

Der Jüngling unter ihnen war nun tot!

Sie alle trugen ehrfurchtsvoll die Leiche

Des Strahlenden zu seinem Sonnenboot.


Und Odin ging voran, in goldnem Glanz er,

Auf seinem Haupt ein goldner Helm mit Flügeln,

An seinen Gottesgliedern einen Panzer,

So schritt er zu des Deiches Wellenhügeln.


Auf seinen Schultern saßen seine Raben,

Die Zukunft und Vergangenheit erschauten,

Die teilten mit dem Gotte ihre Gaben,

Der Wind im Bart ihm raunte, im ergrauten.


Und Freyja, ohne Eitelkeitsallüren,

In Keuschheit und in Demut schwebte hin,

Ihr folgten schwanenschimmernde Walkyren,

Die immer waren um die Königin.


Zu Baldurs Schiffe Ringhorn kamen sie,

Das ruhte vor dem Deich im Meereshafen.

Es murmelte die Meerflut Melodie,

Die Winde raunten: Baldur muß nun schlafen.


Die Meereswellen Baldurs Leichnam taufen

Mit ihrem blauen Balsam, Flutenöle.

Die Götter häuften einen Scheiterhaufen,

Um zu verglühn den Leichnam ohne Seele.


Da nahte die Gefährtin Baldurs, Nanna,

Das himmelschöne Mädchen von den Wanen:

Weh mir! gestorben ist mein Gott und Mann, ah!

Er muß nun schwinden auf den Wellenbahnen!


Des Götterjünglings Liliensprossenfüße

Will ich betaun mit meiner Tränen Salben!

Weh mir! unselig seufzte so die Süße,

Weh mir! so seufzte Nanna allenthalben.


Auf ihren schöngewölbten roten Wangen

Die Tränenperlen glitzernd niedertroffen,

Umrandet von der Locken goldnen Schlangen,

Die trug sie unter ihrem Schleier offen.


Sie barg ihr Angesicht in ihren Händen,

Die Tränen strömten auf des Gottes Glieder,

Sie stürzte nieder neben Baldurs Lenden,

Vor Schmerz getroffen stürzte Nanna nieder.


Und Nanna starb aus Mitleid mit dem Toten,

Als könne sie vom Tode ihn loskaufen.

Man barg sie in dem Feuer, in dem roten,

Entzündet über Baldurs Scheiterhaufen.


Da ließ das Schiff man in die Wogenflut,

Da schwand es flammend in die blaue Ferne,

Im blauen Äther schimmerte die Glut,

In blauer Nacht, da schimmerten die Sterne.


Am Welten-Ende kommen schlimme Tage,

Die Welt der Menschenkinder scheint verflucht,

Es mehren Kriege sich und Pest und Plage

Und jede fromme Seele wird versucht.


Vermählte werden ihre Ehen brechen

Und viele widmen sich der Hurerei,

Die Weisen werden Torensprüche sprechen,

Die Mächtigen vergehn mit letztem Schrei.


Die Brüder, einst verbrüdert, sich ermorden,

Die Völker brechen abgemachten Frieden.

Das Geld anbeten werden die im Norden,

Das Fleisch anbeten werden die im Süden.


Die Mächtigen wie giere Wölfe lungern

Und viele falsche Hirten werden reden,

Im Süden werden alle Kinder hungern,

Vor Sattheit platzt der reiche Mann in Schweden.


Der Sohn erhebt sich gegen seinen Vater,

Der Vater wird der Tochter Frevelbuhle.

Im Süden tanzt man lüsternes Theater,

Schmähreden führt der Herrenmensch von Thule.


Der Hunger tötet alles Volk im Osten,

Die Kriege töten alles Volk im Westen.

Die Wölfe werden Fleisch von Kindern kosten,

Dämonen werden alle Welt verpesten.


Dann heben ihre Schilde auf die Nornen

Und durch die Lüfte reiten die Walkyren.

Des Dichters Herz trägt einen Kranz von Dornen,

Die Muse wird ihn in den Himmel führen.


Ein herzerschütterndes Geschrei steigt auf

Zum Himmel, und die Erde färbt sich rot.

Die Wölfe haschen nach dem Licht im Lauf,

Da wird die Sonne dunkel wie der Tod.


Die goldne Sonne wird ja nicht verschont,

Zieht an ein Kleid von dunklem Sack und Asche.

Verbluten wird der honiggoldne Mond.

O Seher, nimmer nach den Winden hasche!


Die Sterne fallen aus astralem Schweigen

Wie goldner Samen von dem Weltenbaum,

Wie Nordens Pflaumen oder Südens Feigen,

Zerstäuben sie am Grund wie Meeresschaum.


Der Adlerriese schlägt im Nord die Schwingen,

Da kommt der Fimbulwinter kalt und schaurig,

Das Eis bedeckt die Welt wie kalte Klingen

Und düstre Nächte weinen todestraurig.


In kahlen Wäldern geht Geächz und Stöhnen,

Kein Sommer baut mehr auf das Blumenzelt.

Drei Hähne krähen und der Schrei von Hähnen

Verkündet uns das Ende dieser Welt.


Schon kommt das Totenschiff von Osten her

Und Loki lenkt des Totenschiffes Steuer,

Die Mittgardschlange wütet in dem Meer

Und Surtur kommt vom Süden mit dem Feuer.


Verdammte reiten an zum letzten Streite,

Die Himmelsbrücke krachend stürzt zusammen.

Die Weltenesche wankt in leerer Weite,

Schon lecken an dem Stamm die roten Flammen.


Die Mittgardschlange speit ins Antlitz Thor,

Der sie mit seinem Donnerhammer trifft,

Die Schlange ihren Lebenshauch verlor,

Der Donnerer verstarb an Schlangengift.


Und gegen Odin springt der Fenriswolf,

Er reißt den Walter jäh herab vom Roß.

Und Feuer aus dem Mexikanschen Golf

In gelben Lohen auf zum Himmel schoß.


Die Götter sterben in der Dämmerung,

Die Weltenesche steht in rotem Brand,

Sie stürzt hinab mit lautem Schlag und Schwung

Und rot von Flammen werden Meer und Land.


Und aus den Fluten taucht die neue Erde,

Die gartengrün und lieblich anzuschauen.

Der schönste Jüngling, herrlichster Gebärde,

Steigt auf mit ihr, der Schönsten aller Frauen!


Er ist der Neue Ask, der Eschenspeer,

Die Neue Embla sie, der Ulmenbaum.

Im Mondenfrieden schimmert still das Meer,

Der Garten grünt verliebt im Blütenschaum.


O Neue Embla, wunderschön gestaltet,

Nie sollen deinen Augen Tränen strömen,

Und deiner Schönheit, welche nie veraltet,

Und deiner Nacktheit wirst du dich nicht schämen!


Und Ask in einer Seele voll Gedanken

Geht durch den Garten, sinnt in seiner Reinheit,

Er sieht zum Morgenstern, dem demantblanken,

Und hüllt sich ein in nichts als Lichtes Feinheit.


Und Embla an der Seite des Gefährten

Geht schwebend über weißem Blütenschaum.

In ihnen lebt nun wiederum auf Erden

Der alten Menschheit tiefster Sehnsuchtstraum.


Und keiner leidet mehr und keiner weint

Und ferne den Erlösten ist der Tod.

Und er, mit seiner Lieblingin vereint,

Küsst lieblich ihre Lippe rosenrot.


Und mitten in dem Garten stehen Stühle,

Das heißt man Baldurs Sitz und Nannas Sitz.

Sie gehen schweigend in der Abendkühle,

Sie schaut aus ihrer Augen schmalem Schlitz.


In ihren Augen ist der Abendstern,

Der funkelklar das Paradies betaut.

Ein Licht liegt auf dem kleinsten Apfelkern,

Wenn Nanna auf den Kern des Apfels schaut.


Von Baldurs herrlicher Gestalt ein Glanz

Ergießt sich auf den Garten und ein Schimmer.

Und weiße Falter schweben hin im Tanz,

Im Duftgewog der blauen Blumen Schwimmer.


Da lebt allüberall ein Wonnemaien,

Sich alle betten in den Wolkendaunen,

Da holde Himmlische sich himmlisch freien,

Wie Schicksalstafeln schöner Runen raunen.


Ja, mit den Schicksalstafeln spielen Götter,

Sie spielen wie die kindlichen Poeten.

Und manchmal hören säuseln leis im Wetter

Die Götter ihren Gott, zu dem sie beten.


Hier steh ich unter IHM entblößten Hauptes,

Im Herzen Embla mir und Nanna wohnen,

ER ist die Liebe! Lauschet mir und glaubt es!

Wenn IHN ihr liebt, dann liebt ihr IHN Äonen.





ZWEITER GESANG



Ja, Siegfried preis ich, deutschen Helden preise,

Der da zum Weisesten der Männer ritt.

Es sage meine Zukunft mir der Weise,

Das ist es, was ich voller Demut bitt.


Als Mächtigsten der Erde preist dich Jede,

Dein Ruf in allen Fürstentümern tönt weit.

Von Weisheit unterrichtet deine Rede,

Dein Körper ist ein Wunderwerk an Schönheit.


Erringen wirst du’s, alles Leid vergelten,

Mit deiner Kraft den wahren Sieg erringen.

Du wirst den Lindwurm harter Worte schelten,

Du wirst den dreisten Drachen niederzwingen.


O weiser Mann, ansage Siegfrieds Seele,

Was ihm begegnen wird, du sprich das Wort.

Den Drachen findest du in seiner Höhle,

Du raubest all sein Gold aus seinem Hort.


Ich sage dir, was meine Seele schaut,

Ich sag es mit dem Munde überm Kinne:

Die Sinnige wirds sagen dir, die Braut,

Der du geöffnet mit dem Schwert die Brünne.


Sie wird dich Gnadenreichen Runen lehren,

Sie wird in allen Menschenzungen reden,

Antworten allem menschlichem Begehren

Und Epen singen aus dem alten Schweden.


So wird es sein, ich lerne alle Stäbe,

Ich raune alle Runen, reite weiter.

Sag, Weiser, mir, wo ich in Zukunft lebe,

Ob ich besteigen werd die Himmelsleiter.


Da murmelte der Weise in den Bart:

Reden ist Silber, aber Gold ist Schweigen.

Und Siegfried sprach: Was ward dir offenbart?

O Seher, sieh, du mußt von allem zeugen!


In deinem Lose liegen keine Laster,

Das mögest, Herrlicher, du nie vergessen.

Doch siehe, welken muß des Herbstes Aster,

Im Winter siehst du roter Rosen Blässen.


Solange aber Saat und Ernte gehen,

Solange Frost sich wechselt mit der Hitze,

Solange wird dein hoher Ruhm bestehen,

Es schreiben ihn des Allerhöchsten Blitze!


Und Siegfried sprach: Andeutung muß ich tragen,

Dein Wort im Meer des tiefen Dunkels schwimmt.

Der Weise sprach: Ich muß dir alles sagen,

O Mensch, dir ist dein Todestag bestimmt!


Ein Mädchen weiß ich, schön von Angesicht,

Der Heimirstochter Name ist Brunhilde,

Sie ist so strahlend wie des Nordens Licht,

Doch kalt wie Gletschereis und ohne Milde.


Und Siegfried sprach: Wie könnte es mir schaden,

Das schön von Angesichte ist Brunhilde?

Was nützen ihres Leibes Edelgnaden,

Wenn kalt die Seele ist und ohne Milde?


Erwirken wird die Schöne vielen Kummer,

Fast rollt dir ab vom Rad das Lebensfädchen,

Schläfst keinen Schlaf mehr, schlummerst keinen Schlummer,

Betört bist du von jenem schönen Mädchen!


Der Lebensbaum, den Lebensfaden flocht er

Und ließ um mich das Band als Fessel laufen?

Kann ich des Volksgebieters schöne Tochter

Mit eines Brautgeschenkes Reichtum kaufen?


Ihr werdet euch die höchsten Eide schwören,

Doch wenn du bist bei Gudrun erst gesessen,

Denn unfreiwillig wird sie dich betören,

Dann hast du die Brunhilde bald vergessen!


Wie? lüg ich wie die Zwerge in den Städtchen

Tief unterm Gletscher, weiß ich nur zu scherzen?

Brech ich den Eid, gegeben einem Mädchen,

Die ich zu lieben schien von ganzem Herzen?


Die alte Grimhild wird die Tochter geben,

Daß du sie freist auf einer Hochzeitsfeier,

Die schöne Gudrun ist das lichte Leben

Und keusch wie Lilien unterm weißen Schleier.


Und hätte Siegfried da sein Ja gesprochen

Und sich zur Braut erwählt die schöne Maid,

So hätte seine Liebe doch gebrochen

Der alten Liebe ersten Treue-Eid!


Und das ist für die alte Grimhild wenigs

Und wenig ist es ihr, ob du mußt sterben!

Sie wird dich bitten, für des Gotenkönigs

Einsames Bett Brunhilde zu erwerben!


Unheil und Übel droht und ich muß sterben,

Der Lebensfaden von dem Rade rollt,

In Minne soll ich um das Mädchen werben

Für einen andern? Bin ihr selbst doch hold!


Der Gotenkönig ist ein kluger Fuchs,

Du bist ein edler Hirsch in seinem Röhren.

Da tauscht ihr die Gestalt und tauscht den Wuchs,

Und Gunther wird dir Treue-Eide schwören.


Du hast nun Gunthers Wandel und Gestalt

Und Gunther deine Stirn und deine Milde.

Und so verlobst du dich für Gunther bald

Mit Heimirs Tochter. Wehe dir, Brunhilde!


Und liegen wirst du, der du lenkst das Heer,

Bei jener Jungfrau, in dem Bett beblümt,

Als wenn es deine eigne Mutter wär,

Und darum wirst du in der Welt berühmt.


Und Gudrun liebst du dann als deine Braut,

Doch bös verbunden dünket sich Brunhilde,

Da sie dem Gotenkönig anvertraut,

Auf böse Rache sinnt sie ohne Milde.


Und was genügt zur Rache jener Maid,

Da wir der Frau den Gotenkönig bieten?

Der Edeln schwor ich einen Treue-Eid

Und hielt ihn nicht. Drum hat sie keinen Frieden.


Die Grimmige wird ihrem Gatten sagen,

Du habest schlecht die Treue ihm gehalten.

Und Gudrun wird als deine Witwe klagen,

Dein Ruhm wird auf der Erde nicht veralten.


Dir bleibt ein Trost, Gepriesener der Frauen,

Dich singen wird dereinst ein stiller Beter.

Nie mehr wird Gottes große Sonne schauen

So edlen Mann wie dich, o Drachentöter!


Und Siegfried sprach: O Segen uns beim Scheiden,

Weissagung ward mir hier, das ist schon Segen.

Du würdest gern mehr Segen mir beeiden,

Hätt es an dir, Prophete, nur gelegen.


Der Recke Siegfried reiste in die Heide,

Auf daß er dort den Drachen Fafnir töte.

O Nordens Heide, schöne Augenweide,

O Erika im Gold der Morgenröte!


Und Siegfried grub sich eine große Grube,

Da wo der Drache an das Wasser kroch.

Du stiegest in die Grube, Heldenbube,

Und trugest die Verborgenheit als Joch.


Und Fafnir blies von oben bittres Gift

Und Siegfried stach von unten mit dem Schwerte,

Ein Tropfen roten Drachenblutes trifft

Gleich die Empfänglichkeit der schwarzen Erde.


Und Fafnir sprach: Bei der Walhalla Saal,

Gebildet aus dem Golde und den Erzen,

Wie heißest du? Es steckt dein scharfer Stahl,

Steckt deine blanke Klinge mir im Herzen!


Doch Siegfried sagte seinen Namen nicht,

Damit der böse Feind ihn nicht verfluche!

So lehrte Odin ja im Spruchgedicht,

Das stand geschrieben in der Weisheit Buche.


Und Siegfried sprach: Ich heiße Wundertier

Und keine liebe Mutter nenn ich mein,

Die Götter gaben keinen Vater mir,

So einsam pilger ich und ganz allein.


Und Fafnir sprach: Wie ließest du dich reizen,

Mein armes Lindwurmleben zu ermorden?

Dein Schöpfer wollte nicht mit Gaben geizen,

Du bist der Mächtigste im ganzen Norden!


Mich reizte Tapferkeit und Mut und Herz,

Ein Herze, das den Mann zum Manne macht.

Mit meiner Hand, der Schärfe meines Schwerts,

Mit meiner Hand hab ichs allein vollbracht.


Und Fafnir sprach, der grimmige Unhold,

Zu Siegfried, da er röchelte im Sterben:

Der gleißend glutenrote Schatz, das Gold,

Des Drachen Testament, wird dich verderben!


Doch Reichtum wollte er und Gold genießen,

Das wollte Siegfried bis zum Todestage,

Da seine Seufzer in den Schatten fließen

Und um ihn seufzt der dunklen Witwe Klage.


Du nimmst für nichts den dunklen Spruch der Nornen,

Du hältst mein Wort für Rede ohne Sinn?

Du wirst verstrickt in Disteln und in Dornen

Und gibst dem Reich der Hel die Seele hin!


Denn dies steht in der Nornen Schicksalsbuch,

Geschrieben in Walhallas goldner Schrift:

Das Gold des Lindwurms wird dem Mann zum Fluch,

Das Gold des Drachen ist dem Mann ein Gift!


Wohl bist du furchtbar, funkenroter Wurm,

Vom harten Herzen Gift sprüht aus der Nase.

Sag an, wie heißt die Insel mit dem Turm,

Da einigt mit den Nornen sich der Ase?


Die Insel, wo die Götter Herzblut mischen,

Es ist die Unvermeidliche-im-Meer!

Da Götter bechern an den goldnen Tischen

Und Thors Steinhammer steht und Odins Speer.


Dir, Recke, rate ich in meinem Sterben,

Reit fort von hier, dein Roß tu einen Satz,

Das Gold mit seinem Glanz wird dich verderben,

Des Manns Verderben ist der rote Schatz!


Du rietest so, ich werde dennoch fliegen

Zum goldenroten Schatze auf der Heide.

Der Drache liegt in seinen letzten Zügen,

Daß Hel ihn in dem Höllenreiche weide!


Als Siegfried tötete den Drachen, tötet

Er ihn mit seines Freundes Regin Schwerte.

Und da das Drachenblut die Erde rötet,

Da nahte Regin auf der roten Erde.


Heil dir, o Siegfried, Segen deinem Handeln,

Du kühnster Sohn der keuschen milden Magd!

Von allen Männern, die auf Erden wandeln,

Kein Mann ist so wie du so unverzagt.


Wird uns erheben der Walkyre Schwinge,

Dann zeigt sich, wer den Göttern war zur Lust,

Ist mancher Held doch, welcher nie die Klinge

Gestochen hat in eines Feindes Brust.


Stolz bist du, Siegfried, stolz auf deine Macht,

Abwischest du im Grase allen Gram.

Du hast mir meinen Bruder umgebracht,

Ein Teil der Schuld auf Regin selber kam.


Und Regin mit der Schärfe seines Schwerts

Und mit dem Herzen voll von Heldenmut,

Er schnitt dem Drachen auf das harte Herz

Und trank des Lindwurms heißes rotes Blut.


O Siegfried, siehe hier des Lindwurms Gabe,

Sein Herz, du brate es am Feuer lang,

Damit ich rotes Herz zu essen habe,

Nachdem ich schon vom roten Blute trank.


Und Siegfried, sitzend unterm Birkenbaum,

Er briet das Herz, bis daß er Regin weckte,

Da spritzte von dem Blute roter Schaum,

Den Siegfried sich vom rechten Finger leckte.


Da kam das Herzblut ihm auf seine Zunge,

Da ging der Sinn ihm über, auf das Ohr,

Da sah er Meisen in dem Schwingenschwunge

Und er verstand den Sang vom Meisenchor.


Die Meisen sangen ihre Sangesweise:

Es brät das Herz am Feuer Siegfried keusch,

Der dünkt uns wahrlich tugendvoll und weise,

Wenn er es ißt, das lichte Lebensfleisch!


Und Siegfried hörte leis die Meisen sprechen,

Da tief er in dem Birkenschatten sann:

Schaut, Regin möchte seinen Bruder rächen

Und sinnet böses Werk, der Unheilsmann!


Den eitlen Schwätzer manches eitlen Schwatzes,

Den sende er in Höllenfeuerrauch!

Dann nehm er sich die Herrlichkeit des Schatzes,

Gelagert unter jenes Lindwurms Bauch.


Er scheint uns unklug, liegt er länger still

Und wahrt sich nicht vor drohenden Gefahren.

Denn dort schläft Regin, der ihm Böses will,

Und Siegfried weiß vor ihm sich nicht zu wahren.


Und Siegfried schlug dem Regin ab das Haupt

Und sandte jenen Sünder hin zu Hel.

Es lächelte der Birkenbaum belaubt,

Es sang die Meise mit der süßen Seel’:


Ich weiß ein Weib, ein wunderschönes Mädchen,

Ich wünscht es dir, ach wär sie dir gegönnt!

Sei schön das Schicksal, licht das Lebensfädchen,

Daß Siegfried Gudrun sich erwerben könnt!


Und Siegfried kam zu Giuhi, Gudruns Zeuger,

Da ward ihm reichliches Geschenk vertraut,

Er freute sich und dankte als Verbeuger,

Dann führte Gudrun man herein, die Braut.


O Gudrun, schönster Mond in allen Nächten,

Sei Jungfraunspiegel du der Heldensonne,

Birg Siegfried du in deinen Lockenflechten

Und sei für ihn ein Himmel voller Wonne!


Die Männer fuhren dann, Brunhilde freien;

Sie gäb sich Siegfried, wenns das Schicksal wollte.

Wer aber wagts, dem Schicksal zu verzeihen?

Der schneeigen Brunhild das Schicksal grollte.


Und Siegfried warb für Gunther um Brunhilde,

Da lag er neben seines Schwertes Schneide,

Nicht zu berühren ihres Leibes Milde

Und nicht zu deflorieren ihre Scheide.


Sie saßen einsam in der Abendstunde,

Da gern die Barden Zauberrunen kerben.

Da seufzte sie: O meines Lebens Wunde!

Dich will ich, Siegfried, oder ich will sterben!


Die rasche Rede hat sie bald gereut:

Bin ich doch Gunthers Blume unter Dornen

Und Siegfried nur an Gudrun sich erfreut,

So walten über uns die grimmen Nornen!


Brunhilde wandelte durch Eis und Gletscher,

Es schmerzte sie, daß Siegfried Gudrun herzte.

Sie ward zum wilden Wolf, dem Zähnefletscher,

Den seine eigne wilde Wollust schmerzte.


Der Maienminne Wonne ist mir fremde,

Denn meinen Wonnigen muß ich entbehren!

Nun trag ich hartes Hassen unterm Hemde

Und will in heißem Zorne mich verzehren!


Kann ich den süßen Siegfried selbst nicht haben,

Führt er sein Schäflein nicht in meine Hürde,

So weiger ich dem Gunther meine Gaben,

Verzichte auch auf seine Königswürde!


Da wurde Gunther brennend eifersüchtig,

Daß Siegfried die Brunhilde ihm entzogen.

Und Gunther, sonst in aller Tugend tüchtig,

Entbrannte in des Eifers Feuerwogen.


Brunhilde ist mein einziges Verlangen,

Die Wonne meines Blutes, mein Ergötzen!

Soll eher mich die heiße Hel empfangen,

Als daß die Braut ich laß mit ihren Schätzen!


Und Gunthers Bruder war bereit zum Morden,

Er bohrte Siegfried durch das Herz das Schwert.

Dir, Siegfried, Weh! Das Übel kommt aus Norden!

Doch unvergänglich deiner Seele Wert!


Die gute Gudrun schlief an Siegfrieds Seite,

Als sie erwachte, hat sie weh geweint:

O littest du zuend in deinem Leide!

Die Sonne sank! O tot ist Baldurs Freund!


Da raufte sie sich die geflochtnen Haare

Und schlug sich an die schöne Apfelbrust:

Mein Brautbett ward dem Bräutigam zur Bahre!

Mein Jungfraunschoß ihm Grabes Staubesdust!


Gesunken ist die süße Siegfriedssonne,

Die Gott als Zeichen gab Germania!

Zur Hel hinabgestiegen meine Wonne!

Wär ich bei ihm im Totenreiche da!


Beruhige dein Weinen, Gudrun du,

Schau her, die jungen Brüder alle leben,

Wend deine Siegfriedsliebe ihnen zu,

Dich voller Liebe ihnen hinzugeben.


Ach meine kleinen Brüder, sanft wie Schwestern,

Kommt alle her und weint an meinem Busen!

Ihr grauen Schwanenküken in den Nestern,

Die Schwanin hüllt euch in des Flaumes Flusen!


Verdorbne Brüder Gunthers, Drachensaat,

Ich hörte wie die Mittgardschlange lacht,

Versammelt ihr euch all zum bösen Rat

Mit Lokis Weisheit in der Neumondnacht!


Des Übels Wurzel, wehe, ist Brunhilde,

Die Eifersucht entbrannte in dem Weib,

Des Bösen Braut, so ohne alle Milde,

Hat mir gemordet meines Liebsten Leib!


Da sank die Königin in lautem Stöhnen,

Der König von Germanien war nun tot!

Sie salbte seinen Leib mit ihren Tränen

Und ihre Tränen waren Perlen rot!


Sie schlug die Hände also laut zusammen,

Daß auf dem Tische bebten alle Becher,

Versprühten ihres Metes goldne Flammen:

Allvater selber sende einen Rächer!


Allvaters Sohn, er gebe diesem Held

Nach seinem holden sonnenhaften Lieben

Die Heimat einstens auf dem Ida-Feld,

Das sei in Schicksalstafeln eingeschrieben.


Brunhilde lachte, kalt wie Gletschereis,

Sie höhnte herzensheiß mit hartem Haß:

Unliebe ward mir, das ist nun der Preis,

Ich stillte meinen Zorn! Das war ein Spaß!


Doch Gunther sprach: Sei still, Verderberin,

Dein harter Haß entraubt dich alles Schönen!

In Liebe zu dem Toten gab sich hin

Die Jungfrau Gudrun, übertaut von Tränen.


So weinte Gudrun um den Königlichen,

In dem die Zier Germaniens war gesunken.

Dem Weibe alle ihre Sinne wichen

Und traurig funkelte ihr Seelenfunken.


Die holde Gudrun sprach: Als Maid der Maiden

Erzog mich meine Mutter für das Grab.

Der Vater gab mir goldnen Reif und Seiden,

Der mich dem Wonnigen zum Gatten gab.


Siegfrieds erhabene Charakternase

War Zeichen: Er war Eiche über Büschen,

War weißer Hirschbock über Fuchs und Hase,

Er war der Königsbecher auf den Tischen.


Lauch blüht er über grüner Gräser Sprießen,

Vor allen Helden war er wahrlich hold.

Bis ihn die Grimmigen erschlagen ließen

Um eine Frau und eines Weibes Gold.


Im Süden sah ich Siegfried immer so:

Die Krähen krächzen und die schwarzen Raben,

Der Adler jubelt, seiner Atzung froh,

Der Wolf heult um den Helden voller Gaben.


Wie sagtet alle ihr mir Harm gemeinsam

Und grüßtet mich mit Gruß von Grimm und Graus!

Von Männern ging ich fort, allein und einsam,

Zu sammeln bei der Wölfe Leichenschmaus.


Die Mitternacht war tief und neumonddunkel,

Ich saß bei Siegfried, mein Gewand zerrissen.

Viel sanfter schaute Wolfes Blickgefunkel,

Ließ er mich bald mein Witwenleben missen!


Da zog ich durch des Waldes dunkles Tor, ah,

Ich war ein schwaches Weib, doch heldenstark.

Und sieben Jahre lebte ich bei Thora,

Der Busenfreundin mein in Dänemark.


Da hörte Grimhild, meine Mutter, Kunde,

Wie ich so tief betraure den Gemahl,

Mein Herz alleine eine Herzenswunde,

Ich weinend saß in meiner Freundin Saal.


Sie legte aus der Hand die Runenzeilen

Und rief die sieben Söhne in den Saal.

Wer sei bereit, die arme Schwester heilen,

Vergelten den erschlagenen Gemahl?


Da reiste Gunter, soll ich es erwähnen,

Und mit ihm Jarrisleif und Jarriskar

Und Eimod auch und mit ihm von den Dänen

Der Recke Waldar, der ein Eichbaum war.


Ein jeder reichte Gold und Silberkettchen,

Es sollte Schmuck den Schwanenhals mir schmeicheln,

Ein jeder wollte locken mich ins Bettchen,

Um Siegfrieds Frau die Apfelbrust zu streicheln.


Sie schenkten Met mir ein und Apfelmost,

Ob ich mich freuen werd als eine Braut,

Ob ich mich öffnen werde ihrem Trost,

Doch hab ich mich den Tröstern nicht vertraut.


Weh mir! da brachte Grimhild mir den Becher,

Den Becher mit dem kalten Trank, dem herben.

Wie schmeckte mir die Bitterkeit doch lecker,

Ein Wohlsein trank ich auf das erste Sterben!


Der Becher war gefüllt mit Quellentau,

Entsprungen aus dem Brunnen dreier Nornen.

Ich leerte ihn, ich bitterliche Frau,

Der Kelch umwunden war mit Rosendornen.


Der Becher war geziert mit Runenstäben,

Wie war die Weisheit mir doch unergründlich,

Wie Leid mir weste in dem Frauenleben

Und Tod mich freite jährlich, täglich, stündlich!


O welche Bosheit in dem bittern Bier,

Das Unkraut wucherte beim goldnen Weizen,

Die Eingeweide reichte dar das Tier,

Und Hexen zauberten, mich aufzureizen.


Die Leber eines Schweines war gesotten,

Ich sollte durch das Licht der Zukunft schauen.

Und Speichel gabs, die Seele zu verspotten,

Nachlässigkeit vom Monatsblut der Frauen.


Und so bedacht vom Kelch der Bitterkeit,

Den mir die Gotin reichte dar zum Mahl,

Vergaß ich gar in allem meinem Leid,

Was einst mein König sprach im Hochzeitssaal.


Drei Könige sind vor mir hingesunken,

Sie wollten alle meinen Schoß verehren.

Dann kam die Mutter mit den Augenfunken,

Sie sprach mit einem Rauschen wie von Meeren:


Ich gebe dir, o Gudrun, lautres Gold,

Empfange deines Vaters reiches Erbe.

Daß diese Spange um den Arm dir rollt,

Dich kränzt der grüne Hopfenkranz, der herbe.


Dein Erbe seien Töchter dir der Hunnen,

Ein goldner Gürtel ringsum dich ergötze.

Laß schöpfen einen Mann aus deinem Brunnen,

Dem Manne Atli auf den Schoß dich setze.


Da weigerten sich alle sieben Seelen

In mir und ich verneinte meine Mutter:

Ich werde nimmer, nimmer mich vermählen,

Besonders niemals mit Brunhildens Bruder!


Daß ich dem König treu, soll keinen wundern,

Und führ er auch ins Jenseits auf den Meeren.

Für keinen Mann mehr werd ich mich ermuntern

Und Atli seine Hoffnung nicht gewähren.


Ich leide ja an unstillbarer Schmerzwut,

Kann mich des Königs Körper nicht erlaben!

Ja, trinken immer wieder denn sein Herzblut

Die Krähen und die raubgewohnten Raben?


Da zwang die Mutter mir den Gatten auf,

Stahl mir die Ehre meiner Witwentreue.

Gewähre Wodan in der Sterne Lauf,

Daß ich an einem Fluche mich erfreue!


Ich will mit zauberstarkem Runenraunen

Dem alten Atli seinen Traum besprechen,

Schläft er besamet unter Entendaunen,

Will ich an seiner Güte Geiz mich rächen!


Drei Weiber wecken ihn zur Mitternacht,

Drei dunkle Nornen mit gespaltner Lippe.

Die eine lästert, eine höhnt und lacht

Und eine spottet spielerisch und schnippe.


Da hört er Orgelton mit seinen Ohren,

Ein Donnerwetter aus dem Göttersaal.

Da sieht er Gudrun seine Brust durchbohren

Mit ihres harten Hasses scharfem Stahl.


Er sehe flammend blitzen einen Dolch,

Das Feuer sei ihm einer Hausfrau Zorn.

In seinem Eingeweide wühl der Molch,

Der nährte sich am giftgetränkten Born.


Und alle hohen Bäume, die er pflanzte,

Ihm werde ausgerissen alles Holz.

Das rote Herz der Buche ihn umtanzte,

Daß es erniedrige des Mannes Stolz.


Von seiner Hand soll ihm ein Habicht steigen

Und steil entstürzen in den Untergang.

Dem soll sich Maus und Hase nimmer zeigen,

Er hungere, bis er sich selbst verschlang.


Dann soll er dieses hohen Habichts Herz

Sich füllen mit den Blumenhonigpollen

Und es verschlingen, rot wie Minneschmerz,

Das da von schwermutschwarzem Blut geschwollen.


Er schlafe ruhelos in Leibesleiden,

Kein blauer Mondenbalsam soll ihm schimmern.

Ein Wolf entsteige seinen Eingeweiden

Und eine Wölfin hör er wehvoll wimmern.


Und Wolf und Wölfin sollen ihm verfaulen

Und stinken soll des Fleisches Aas abscheulich,

Da soll es munden ihm, da soll es maulen,

Und Ekel werd es ihm und Grausen gräulich.


Ihm sollen Räuber von der Decke baumeln

Und die Erhängten vor den schwarzen Fenstern.

Er soll in Furcht und Angst und Schrecken taumeln

Und untergehen mit den Nachtgespenstern.


So ritz ich Runen in die roten Buchen,

Gelesen aus der Weisheit Schicksalsbuch.

Dem Bösen sollen alle guten Götter fluchen,

So fürchterlich ist einer Jungfrau Fluch!


Herkia, Magd des alten Atli sprach,

Sie habe seine Frau gesehn, den Stern,

Sie sah sie kosend in dem Schlafgemach

Mit Diedrich ruhn, dem Herrlichen von Bern.


Der alte Atli, von der Magd betört,

In seiner Seele nach der Ruhe sucht,

Doch blieb die Seele wild und aufgestört,

Sich selbst verzehrend in der Eifersucht.


Und Gudrun sprach, die Jungfrau voller Milde,

Versöhnt in ihrer Seele, sanft so sehr:

Was leidest du, o Bruder der Brunhilde,

Was macht das Herz dir schwer? Du lachst nicht mehr!


Und Atli sprach: Du mögest mich nicht strafen,

Herkia hat mir Schreckliches enthüllt.

Sie sah dich bei dem Berner Dietrich schlafen,

Ihr waret bloß und nackend in das Bett gehüllt.


Und Gudrun sprach, der holden Maiden Maide,

Vornehm hat sie gesprochen, fraulich fein:

Ich leist dir alle ehrlichwahren Eide,

Gesprochen überm weißen Opferstein!


Ich schwöre dir bei aller Götter Thron,

Daß ich mit Dietrich nichts zu schaffen hatte,

Er pflückte nimmer meiner Blüte Lohn,

Sie sei alleine dir zuteil, mein Gatte.


Schlang ich die Arme auch um seinen Hals

Und ordnete des Halses Silberkette,

Ich schwöre bei der Königin des Alls,

Ich lag ihm niemals bei in einem Bette.


Und küsste er mir etwa meine Hand

Mit seinen wortbegabten Manneslippen,

Daran auch Frick nichts Ungetreues fand,

Er küsste nur, wie an dem Kelch zu nippen.


Selbst wenn ich meine Wange gnädig bot

Und wenn er meine warme Wange weich fand,

Vor Scham und Schande ward ich nimmer rot

Und unsres Hauses Gast mich gnadenreich fand.


Und weiß ich auch, wo seine Blicke ruhten,

Wie Taubenaugen in den Felsenritzen,

So bot ich mehr nicht seinen Augengluten

Als unterm feinen Hemd der Brüste Spitzen.


Und wenn ich auch im Wohlgeruch der Düfte

Des Maien band mit meinen schlanken Händen

Den Keuschheitsgürtel lose von der Hüfte,

Erlaubt ich nie ihm, zu berührn die Lenden.


Und was des Weibes innerlichste Pforte

Betrifft, so hat er niemals sie durchschritten.

Wir teilten Pflaumen nur mit süßem Worte,

Der Saft ist ihm aus seiner Hand geglitten.


Und glaubst du meiner Jungfraunehre nicht,

Beschwöre ich dich bei den Weltenachsen,

Berufe ein zum göttlichen Gericht

Ein Dutzend Richterschöffen von den Sachsen.


Und in die Halle traten ein die Helden,

Da Atli saß in seines Thrones Sessel.

Die Götter sollen ihre Unschuld melden

Und auf das Feuer stellte man den Kessel.


Zum Lodern brachte man die glimme Glut,

Die rot wie Rosen und so weiß wie Mehl,

Als stammte diese Feuerflammenflut

Vom Feuerpfuhle aus dem Hort der Hel.


Man füllte Wasser in den Kessel ein

Und brachte es zum Sieden und zum Kochen.

Auf Gudruns Wange lag ein Feuerschein,

Lag Glut auf schöngewölbten Wangenknochen.


Die Barden schlugen Schilde wild im Takte

Und murmelten ein magisches Geraun.

Da warf man in das Wasser drei Smaragde,

So grün wie Augen dieser Frau der Fraun.


So grün die Augen wie kristallne Flut,

Wenn darauf ruht das goldene Geschwele

Des Nordlichts mit der sanften reinen Glut;

So sanft und rein war ihre schöne Seele.


Die schlanke weiße Hand am Schwanenarm

Lag auf dem Herzen, welches glühend pochte,

Sie sollte strecken sich, zu großem Harm,

Zu großem Glück, ins Wasser, welches kochte.


O Liebe Frouwa von den fernen Wanen!

Du sanfteste Begleiterin der Braut,

Beschütz mich vor des Mannes bösem Ahnen,

Dir hab ich meine Unschuld anvertraut.


O Liebe Frouwa du von Folkwangs Felsen!

Du Königin der himmlischen Walkyren,

Der Unschuldsmädchen mit den Schwanenhälsen,

Du mögest mich mit den Smaragden zieren.


O Liebe Frouwa von Walhallas Garten!

Ich hörte Lobgesang von dir so gern,

Du weißt, nichts andres wollt ich je erwarten

Von meinem Diener Dieterich von Bern.


Da streckte sie die schlanke weiße Hand

Ins heiße Wasser hin, die weiße schlanke.

Den alten Atli voller Unverstand

Durchzuckte da ein frevelnder Gedanke.


Die Jungfrau hob darauf die drei Smaragde,

Sie hob sie triumphierend in die Höhe,

Es hielt sie ihre weiße Hand, die nackte,

Daß alle Menschheit ihre Unschuld sehe.