Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

Aenäis


Von Josef Maria Mayer


ERSTER GESANG


So ungefähr zu König Davids Zeiten,

War Trojas König König Priamos.

Der asiatischen Gefilde Weiten

Lag inne Ilion mit Toren groß,

Da vor dem Ida der Skamandros floß,

Da lebte in der Hirtenwelt Prinz Paris.

Und Juno und Minerva makellos

Erschienen vor dem Prinzen neben Charis.

Und Venus trug im roten Haar den Stella Maris.


Die Göttinnen begehrten nur zu wissen,

Wer in des Menschen Sinn die Schönste sei.

Den Apfel seines Lobes wollt nicht missen

Frau Juno, nicht von Eitelkeiten frei,

Die trat in ihren goldnen Schuhn herbei

Und zeigte ihrer holden Hoheit Pracht

Und ward umtönt von einem Pfauenschrei,

Des Stolzes Zeichen und Symbol der Macht,

Und ihre goldne Krone überm Schleier lacht.


Prinz Paris, Sohn des Königs Priamos,

Gib du den Preis des Apfels mir alsbald,

Dann mach ich dich zu einem Herrscher groß

Und überreich dir fürstliche Gewalt,

Ich mache dich zur fürstlichen Gestalt,

Mach Asiens Gefild dir untertan

Von Indus’ Ufer bis zu Idas Wald,

Soweit die Länder Jovis’ Blitze sahn,

Denn siehe, meiner Schönheit Hoheit ist kein Wahn.


Da trat Minerva vor im Kriegerhelm,

Mit dem sie aus des Vaters Stirn gestiegen,

Sie blickte listig wie ein junger Schelm

Und doch wie zornig ihre Blicke fliegen,

Die Stirn umwölkt, der schmale Mund verschwiegen,

Sah man sie ihren Schild mit Händen raffen

Und sie die Ägis heben, um zu siegen,

Und lärmend schlagen ihre Kriegeswaffen,

Die alle ihr der Allerhöchste anerschaffen.


Prinz Paris, Sohn des Königs Priamos,

Gib mir den Preis des Apfels, daß ich merke,

Dein Sinn sei mutig, stolz, erhaben, groß,

Dein Edelmut steht fest wie Idas Berge,

Dann schenk ich dir in jedem Waffenwerke

Und dir in jeder Schlacht mit Männern Sieg

Und gebe Kriegskunst dir und Mannesstärke

Und Weisheit dir zu dem gerechten Krieg,

Weil ich als Allerschönste durch die Himmel flieg.


Da trat mit leisem Lächeln Venus vor,

Die Winde bliesen in der Locken Wallen,

Vor der Betörung war der Prinz ein Tor;

So ging es mir dereinst, so geht es allen,

Den Sängern allen, denen Fraun gefallen;

Da nestelte sie mit der schlanken Hand

Am Zaubergürtel, ließ den Gürtel fallen,

Ließ fallen auch das seidene Gewand,

Und da stand Venus nackt vor Paris in dem Land.


Da reichte Paris ihr den Apfel hin:

O Göttin, vor den Äpfeln deiner Brüste

Ist dieser Apfel schrumpelig! Ich bin

Entflammt und fliege in das Reich der Lüste

Und knie vor dir am Strand von Zyperns Küste:

Ich preis dich, Meeresstern Urania!

Mir ist, als ob ich nie von Schönheit wüßte

Bisher, bis ich die schöne Schönheit sah,

So weiß und offenbar, so warm und nackt und nah!


Da hob die Göttin ihre Kleider wieder,

Da sprach zum Prinzen so Urania:

Weil du gelobt die Schönheit meiner Glieder,

Geb ich die Schönste dir, die Hellas sah,

Geb ich dir Spartas Herrin Helena,

Auf daß du spielst mit ihrer Brüste Tauben

Und flichst dich in die langen Haare, ja,

Als Huld empfange sie für deinen Glauben,

Darum erlaub ich dir, dir Helena zu rauben!


Und zornig rauschte Juno fort im Schleier,

Minerva folgte ihr mit ihrem Schilde,

Und Venus, schön gebaut wie eine Leier,

Verließ den Prinzen, lächelnd süß und milde,

Die Ur-Idee von jedem schönen Bilde.

Und er begab sich auf die Meeresfahrt

Und fuhr durchs Mittelmeer, das wüste wilde,

Da ward ihm Spartas Herrin offenbart,

Die war doch ihrem Ehegatten zugepaart.


Doch Paris auf Geheiß der Göttin raubte

Die schöne Helena von Sparta sich,

Weil er von Venus her im Recht sich glaubte,

Verhielt er sich freimütig freventlich

Als Ehebrecher lüstern-liederlich,

Und brachte sie ins hohe Ilion,

Da er ihr Honig in den Nabel strich

Und buhlte heiß mit ihr in Pergamon

Und lag ihr bei zur Mitternacht als Venus’ Sohn.


Doch Menelaos, Helenas Vertrauter,

Zusammen rief er eine Griechenflotte,

Ein zorniger, ein rüstiger Ergrauter,

Zu rächen diese Schmach von diesem Spotte.

Achill trat vor aus einer Meeresgrotte,

Die Schmach, geschehn an Griechenland, zu rächen,

Achilles, wie der Zorn von einem Gotte,

Bereit mit seiner Waffe Tod zu sprechen

Und Trojas alte Mauern in den Staub zu brechen.


Die schöne Venus ging umher im Äther,

Sie dachte wenig an den grauen Gatten,

Hielt sich nicht an die Satzungen der Väter,

Begehrte nur, sich einem Gott zu gatten,

Doch nicht dem Kunsthandwerker mit dem Schatten

Am Kinn und an den Wangen, Barthaar grau.

Sie wollte blühen auf den Blumenmatten,

Als Blume trinken eines Gottes Tau.

Hingabe und Empfangen ist die Art der Frau.


Vulkanos schmiedete mit seinem Hammer

Die Kunst der Götter, reich verziertes Gut.

Doch saß er immer einsam in der Kammer

Und kannte keine Glut als Ofenglut.

Der Asche war gewidmet all sein Blut,

Sein Leben galt dem Schaffen und dem Schmieden,

Doch weniger der Frau und ihrer Brut,

Er wollte Werke schaffen nur im Frieden

Und ließ sich nichts von Venus’ rascher Zunge bieten.


Sie aber, heiß von brennendem Begehren,

Verlangte nur nach einem wahren Mann,

Der durfte sich der Liebesglut nicht wehren,

Der sollte ihr verfallen, sollte dann

Ihr alles widmen, was er treibt und kann,

Den ganzen Heldenmut, die ganze Stärke.

Ihr war es gleich, ob er in Nächten sann,

Nur daß er sich in Nächten bei ihr berge

Und gehe morgens früh hinaus zum Waffenwerke.


Mars war der rechte Mann, der Gott der Kriege,

Der da gewaltig steuerte den Schlachten,

Der Herr der Niederlagen und der Siege,

Der muskulöse Gott mit Rüstungsprachten,

Dem alle Völker blutig Opfer brachten,

Der ließ die männlich-festen Muskeln spielen,

Daß Venus schier verging vor heißem Schmachten

Und glühte heiß in lenzlichen Gefühlen,

Er möge seinen Speer in ihre Scheibe zielen.


Er lag ihr bei - wir schweigen von der Weise,

Denn wer will Venus bei der Liebe sehen?...

Cupido lüstern lächelte und leise,

Der Stifter ehebrecherischer Ehen,

Der Zeugung Vater und der Herr der Wehen,

Das Auge Gottes, wenn ein Paar sich gattet,

Gott Eros - wer kann diesem widerstehen?

Die Göttin, zwar von Ehebruch beschattet,

Lag doch so wohlgemut nach großer Lust ermattet.


Vulkanos aber hörte von der Sünde

Und ging, ein feines goldnes Netz zu machen,

Daß er die Göttin und den Sünder binde.

Aus Rachelüsten schnob sein Feuerrachen

Wie an dem Ätna drunten rote Drachen,

Da rief er alle Himmlischen zusammen,

Die matten Ehebrecher auszulachen!

Die Götter selig im Gelächter schwammen

Und Venus schämte sich der allzu heißen Flammen.


Da schaute Venus auf das Kampfgefilde

Und schaute Priamos und seine Söhne

Und Paris schaute an die hohe Milde

Und zu dem eignen Sohne sah die Schöne,

Sah zu Äneas, daß sie ihn bekröne

Mit ihrer Huld, die sie Anchises schenkte.

Da wandte Venus sich mit Lustgestöhne

Vulkanos zu, daß er den Mann bedenke,

Äneas einen Schild aus seinem Himmel senke.


Sie sah Vulkanos doch im Herzen zaudern,

Da ging sie hin, den Gatten zu betören,

Er sollt vor ihrer Huld vor Liebe schaudern,

Vor ihrem Blick ihr ewig Liebe schwören,

Vor ihrer Quelle wie ein Hirschbock röhren,

So fing sie ihn mit blendend weißem Arm,

Um mit Liebkosungen ihn aufzustören,

Sich einzuschmeicheln mit dem schönsten Charme:

Ich bin die Liebesflamme! wird dein Herz nicht warm?


Er spürte, wie das Feuer ihn durchzuckte,

Begierde brannte loh in seinen Venen,

Als Venus voller Zauber zärtlich guckte,

Die blauen Augen wie umflort von Tränen,

Er mußte sich nach ihrer Liebe sehnen,

Die Sehnsucht schüttelte ihm alle Glieder,

Vor ihren Brüsten hörte man ihn stöhnen,

Den vollen Brüsten, nicht geschnürt vom Mieder,

Da sank er überwältigt vor der Göttin nieder!


Die Macht der Venus war wie ein Gewitter

Mit Regengüssen, Donnerstürmen, Blitzen.

Und alles ward ihm süß, was je war bitter,

Sein Blut war er bereit ihr auszuschwitzen

Vor diesen Strahlen aus den Augenschlitzen

Und in der Liebesflamme hinzuschmelzen,

Verbrannt in ihres Blitzes Licht zu sitzen,

Da sah man diesen Gott von Ätnas Felsen

Vor ihr sich in elektrischer Verzückung wälzen!


Sie war sich ihrer Schönheit Macht bewußt

Und machte sich daran, den Gott zu bitten:

Du meine Wonne, Wollust, Liebe, Lust,

Umsonst nicht nur in meinen Arm geglitten,

Um auszuruhn in meiner Brüste Mitten,

Du sollst ein Werk für meinen Liebling schaffen.

Äneas ist im Felde hingeschritten,

Du schaff ihm unbesiegbar gute Waffen!

So sprach sie, dabei mit der Hand den Rock zu raffen.


Gefesselt von unendlichem Begehren

Tat ihr der Gatte alles zu Gefallen.

Da wollte sie sich ihm nicht mehr verwehren,

Da ist er ihr in ihren Schoß gefallen.

Die Winde stürmen und die Meere wallen,

Es regnen Wolken und es bersten Felsen,

Es gurren Tauben, schmelzen Nachtigallen,

Schneeflocken hoch auf dem Olympus schmelzen,

Da sah man sich das Feuer in dem Mittelmeere wälzen.


Befriedigt machte sich Vulkanus bald

An seine Arbeit, den kunstreichen Schild.

Er machte den Skamandros, Idas Wald,

Das ganze asiatische Gefild,

Darüber wacht des Venussternes Bild,

Der seine Strahlen sandte auf das Meer,

Das wogte an den Felsen Zyperns wild,

Da zog ein Schiff durchs Mittelmeer daher,

An seinem Steuer stand Äneas hoffnungsschwer.


Vulkanos machte schöne Vogelweiber,

Die, wie Odysseus die Sirenen, locken

Mit Vogelsang und Schönheit ihrer Leiber

Äneas, dem die Atemstöße stocken.

Vulkanus machte Nymphen ohne Socken,

Panisken, Faune und den Mann Silenus,

Dionysos lag müd in Blumenglocken

Und sah die Blume an, den Schuh der Venus.

Er machte auch ein Bildnis von Äneas’ Genius.


Er machte Tyrus, Sidon und Karthago

Und bildete ein wunderschönes Weib,

Die Anmut aus dem Orient, Imago

Dei, die Seele schön im schönen Leib.

Vulkanus machte dies zum Zeitvertreib

Und doch war sibyllinisch dieses Bild.

Calliope, in dies Poem mir schreib,

Wie Dido prophezeit Vulkanus’ Schild,

Die Jungfrau-Königin so schön und anmutmild!


Dann zeigte des Vulkanus Schild Sardinien

Und zeigte auch des Todes dunkles Tor.

Italia in schön geschwungnen Linien

Trat aus dem Schilde des Vulkan hervor.

O Muse, schreibe mit dem Schreiberohr

Und singe du zu deinen Musenküssen

Das Lob Italias im Genienchor

Und preise in ekstatischen Ergüssen

Rom! das die heiligen Poeten lieben müssen.


Vulkanus bildete des Kaisers Bild,

Gesegnet von dem schönen Stern der Meere,

Der da gesiegt in Actiums Gefild,

Der da zerbrochen des Rebellen Speere,

Des Buhlen der ägyptischen Hetäre,

Der Schlange, die da tausend Männer kennt.

Da sank dahin mit Wucht und Schicksalsschwere

Die Hurenherrschaft aus dem Orient,

Und eine Jungfrau herrschte in dem Okzident.


So mußten niederbrechen Trojas Mauern,

Die Griechen siegen über Asiaten,

Die Burg des Buhlen unter Flammenschauern

Verbrennen und die Wälder und die Saaten

Und die Verbündeten, die Frevelstaaten,

Und Griechenland und seine Freiheit siegen.

In Staub versanken Pracht und Potentaten,

Die Götterbilder unter Trümmern liegen,

Die Frauen tote Söhne in den Armen wiegen.


Doch Asia wird leben, Asia

Wird ihre heilige Kultur bewahren

Und unterm Segen der Urania

Sich retten aus den brennenden Gefahren

Und wie geborgen unter Venus’ Haaren

Die Amme und der Vater und der Sohn

Sich retten aus dem Feuersbrand. Da waren

Urania und Amor auf dem Thron

Schutzgötter gnädig, dem Vergeltungszug zum Hohn.


Da trug der Sohn den Vater auf dem Rücken

Aus Trojas Mauern, aus der Hölle Kreis,

Geleitet von der Göttin milden Blicken

Durchschritt er alle Feuer flammenheiß,

Das Feuer löschend mit des Blutes Schweiß,

Zu seines Vaters Rettung litt er Flammen,

Doch heißer glüht sein Herz vor Liebe weiß,

Der Liebe weiße Gluten ihn durchschwammen,

So kamen Sohn und Vater an das Meer zusammen.


Verbrannt, versengt, verrußt an ihren Kleidern,

So standen zitternd sie am Mittelmeer

Mit einer kleinen Brüderschar von Leidern.

Und dankten Gott! Wer war ihr Retter, wer?

Der Höchste sandte seiner Genien Heer,

Anchises und den frommen Sohn zu retten.

Der fromme Sohn bedankte fromm sich sehr

Beim Allerhöchsten in den Himmelsstätten,

Sich in der Allmacht seiner Herrlichkeit zu betten.


Da glänzte schimmernd schön der Abendstern,

Äneas dachte an die Führerin,

Die lächelte so hold zu ihm von fern,

Und betete: O hohe Königin,

Der Liebe und des Himmels Herrscherin,

Ich weihe meine Armut dir und Not,

Mein höchster Schatz bist du, ich aber bin

Ein armes Nichts, bin toter noch als tot,

Urania, führ du mich in das Morgenrot!


Wallfahren will ich durch die Meeresfluten

Und folgen immerdar dem Meeressterne.

Mein Herz erglüh von deinen reinen Gluten,

Fruchtbare Herrin, laß du aus dem Kerne

Der Seele mir erblühn ein Reich, das gerne

Ich unter deine Herrschaft stellen will.

Ein neues Asia will in der Ferne

Ich dir begründen „on the seventh hill“.

An deinem Busen bin ich wie ein Säugling still.


Und in der Stille hörte er ein Säuseln

Und hörte einer Stimme sanften Ton.

Vor ihm des Mittelmeeres Wellen kräuseln

Sich in dem sanften Dunkel stiller schon,

Da sprach die Göttin: Mein geliebter Sohn,

Ich führ dein Schiff auf meiner Gnade Strom,

Will unterweisen dich im roten Mohn

Der Träume, schau, ich führe dich nach Rom,

Dort baue du der Stella Maris einen Dom!



ZWEITER GESANG


Äneas fuhr zu Delos’ Heiligtume,

Den lichten Sohn des Höchsten zu befragen.

Ein Mädchen brachte eine rosa Blume

Äneas dar mit trauervollem Klagen,

Mit Hoffnung auch, es werd ein Morgen tagen.

Äneas brachte diese Blume dar

Der Sonne der Gerechtigkeit. Da lagen

Auch andre Weihegaben reich und rar.

Das Aug der Sonne sah vom Himmel offenbar.


Äneas trat nun in den Tempel ein,

Im Allerheiligsten die Priesterin

Auf einem Dreistuhl saß, mit Gott allein,

Gab sie sich Gottes Offenbarung hin,

Der sprach mit Stimme nicht zu ihrem Sinn,

Doch während sie im Herzen mit Gebeten

Den Sohn des Höchsten ehrt, vernahm sie in

Dem Innersten des Herzens Gottes Reden

So süß wie in dem Mai die Winde säuselnd wehten.


Da schloß verzückt sie ihre Augenlider

Und sah die Statue aus Marmor nicht

Und doch die schönen marmorgleichen Glieder

Und wie die Sonne licht ein Angesicht

Und sah in ihrem inneren Gesicht

Die Sonnenstrahlen, einen goldnen Strom,

Und eine weiße Hand aus purem Licht,

Und eine Wolke duftend wie Arom

Und Gottes Finger weisen auf das ferne Rom.


Ich bin, so sprach der Gott, die lichte Sonne

Der Weisheit, Schönheit und Gerechtigkeit,

Dem Pilger will ich Leben, Hoffnung, Wonne

Auf seiner Wallfahrt sein und sein Geleit.

Der Pilger sich der großen Mutter weiht,

Doch wo ist sie? Er soll die Mutter suchen,

Die seines Volkes Väter vor der Zeit

Verehrt im stillen Haine der Blutbuchen

Mit Weihrauch und Gebeten und Rosinenkuchen.


Verlaß die alte Mutter Asia,

Dann wirst du Asia, die Mutter, finden!

Vertrau der Königin Urania,

Die süß ist wie die Bienen um die Linden,

Doch darfst du dich auch nicht an Venus binden,

Denn führen will ich dich zur Magna Mater,

Doch tilgt die Magna Mater keine Sünden,

Drum führ ich dich zum tragischen Theater

Und zu dem Wort der Jungfrau: Ich bin dein, Gott Vater!


Doch irr dich nicht, denn nicht in Kreta warten

Auf dich die Parzen und Urania

Und auch nicht in Siziliens grünem Garten

Und nicht im Lande der Kleopatra

Und in dem Arm der neuen Helena.

Du segle nur auf meinem Gnadenstrom!

Die Mutter wartet in Italia,

Ihr Herz verehre du im weißen Rom,

Die bindet mit dem Gürtel allen Alls Atom!


So sprach der Gott durch seine Priesterin,

Äneas’ Seele bebte vor Erregung:

Ich mach mich auf die Meeresfahrt, ich bin

Ein Schiff in fatalistischer Bewegung,

Gesetz des Schicksals, Zufallswiderlegung,

Ich werde fahren trotz des Zorns der Götter,

Denn Eine Gottheit hegt mich in der Hegung

Der Charis Gottes! Hoffnung ist mein Retter

Und trägt mich an das Ziel durch allen Sturm und Wetter.


Anchises, Vater, komm mit auf das Schiff,

Wir tragen Morgenland ins Abendland.

Und lauern Vogelweiber auch am Riff,

Wird uns befleckt das Brot in unsrer Hand,

Wird irr am Zorn der Götter der Verstand,

Wir glauben an den unfaßbaren Segen,

Im Unglück bleiben wir im Gnadenstand,

Die Charis Gottes leuchtet unsern Wegen,

Bis Ferkel sich an einer Wildsau Zitzen legen.


Es ist das wilde Tier aus dunklem Wald,

Kein anderes verkörpert Mutterschaft

In solch energisch-kräftiger Gestalt,

Es ist die Mutter aller Heldenkraft,

Der heiligen und hohen Leidenschaft.

Die Mutter tritt mit Stärke in den Kampf

Und wird befrein uns aus der Feinde Haft,

Wird herrscherlich mit mächtigem Gestampf

Die Ferkel schützen mitten in des Staubes Dampf.


Und diese mütterliche Kriegerin

Wird uns zum Inbegriff der Fruchtbarkeit.

Als ihre Kinder geben wir uns hin

Der mütterlichen Zitzen Zärtlichkeit.

Wohlan denn, meine Seele ist bereit!

Die Ferkel, die an ihren Zitzen hingen,

Sind Menschen aus der Zukunft, aus der Zeit,

Da wir zum Opfermahl des Tisches dringen,

Da wir in heißem Hunger auch den Tisch verschlingen!


Äneas’ Schiff kam an in Epirus,

Da an dem Meeressaum die Wellen schauern,

Da waltete der König Helenus,

Den sah man noch ums alte Troja trauern,

Doch baute er in Epirus die Mauern

Von Troja wieder auf, ein Ebenbild

Von Troja, aufgebaut von Steinehauern,

Stand Troja im epirischen Gefild

Und war doch nicht so stolz und stark und weit und wild!


O Sohn des Priamos, o Helenus,

Du kannst nicht Ilion im Kleinen bauen,

Die Hauptstadt aller Asiaten muß

Ein neues Antlitz haben, anzuschauen

Wie Joves Burg im Morgengrauen

In des Olympos reinem Gipfelschnee.

Ja, Gott senkt nieder, das ist mein Vertrauen,

Der gottgebauten Marmorstadt Idee!

In der Vision ich schon den Grundriß Romas seh!


Äneas und Anchises und die Schar

Fuhr weiter durch des Mittelmeeres Flut.

Der Stern des Meeres über ihnen war,

Um den die Sterne kreisten wohlgemut,

Er glänzte weiß wie Schnee und rot wie Glut

Und sandte nieder seinen lichten Strahl,

Den Weg zu weisen durch des Wassers Wut,

Den Weg durch Flutenberg und Ebbental.

Süßwasser hatten sie und Fleisch zum Abendmahl.


Am Morgen ging im Orient Aurore

Mit goldenen Sandalen hügelan,

Gebete sang des Morgens schöne Hore,

Wie nie ein Dichter sie erfinden kann.

Aurora wandelte im Osten dann

Und streute aus dem Füllhorn, aus dem Schoße

Den diamantnen Tau auf Weib und Mann,

Und sinken ließ die milde Makellose

Aufs Ufer von Tunesien Lilie weiß und Rose.


Da landete Äneas an dem Strande

Und neigte sich mit seinem Angesicht

Und lag mit seiner Stirn im weißen Sande

In einer Wolke ganz aus goldnem Licht,

Da er aus seines Herzens Tiefe spricht:

O Schoß der Morgenröte, Füllhorn, Bronne,

O Himmelskönigin, dein Haar umflicht

Verklärend meine Seele in der Sonne,

Da ahne ich dein Kommen, Schenkerin der Wonne!


Da sah Äneas nahen eine Frau,

Im schlichten Stoffgewand des Ziegenhirten

Ging sie durch jungen Morgens Himmelblau,

Die Wege sie bis vor Äneas führten,

Und so als wollte sie den Mann bewirten

Hielt sie den Krug mit Wasser, etwas Brot.

Sie führte ihn zu einem Strauch von Myrten,

Dem Durstverlangen und der Hungersnot

Gab sie ein Lächeln von den Lippen rosenrot.


Äneas sah des Angesichts Oval,

Die von der Sonne schön gebräunte Haut,

Auf ihrer Wange braun ein Schönheitsmal.

Die Augen schimmerten wie lustbetaut,

Verführerisch ihr dunkles Auge schaut

Durch lange Wimpern bräunlich und gebogen.

Wem diese Frau gegeben würd zur Braut,

Dem wär das Schicksal voller Huld gewogen,

Der wär ins selige Gefilde eingezogen!


Äneas fühlte tiefgeheime Lust,

Die Liebe rief die Toten aus den Grüften!

Sein Blick glitt insgeheim zu ihrer Brust,

Wie gerne würde er den Umhang lüften,

Er sah des Gürtels Band um ihre Hüften

Und ihrer schlanken Füße braune Fessel.

Um diese Frau war ein betörend Düften,

War alles Rose, nirgends Dorn und Nessel.

Da setzte sie sich hold auf eines Steines Sessel.


Sie sprach: In dem phönizischen Gefild

Von Tyrus lebte Dido, schön und jung,

Die braunen Locken fielen lang und wild

Und lang war auch der braunen Wimpern Schwung.

Sychäus war ihr Mann, mit Heiligung

Des Priesters lebten sie geweihten Bund,

In Glück und liebender Begeisterung.

Vor Eifersucht jedoch am Herzen wund

War Didos Bruder, ein Schakal, ein Wüstenhund.


Sychäus stürzte er vom Königsthron

Und fällte Tyrus’ königlichen Baum.

Gefallen ist die Hoheit Tyrus schon,

Der Purpur sank in grauen Meeresschaum,

Die Schiffe hielten sich im Wasser kaum,

Da an die Planken wildes Wasser rollt,

Da träumte Dido seherischen Traum,

Daß ihr der Bruder nach dem Leben grollt,

Doch Afrika erwartet ihrer Krone Gold.


O Fürst von Tyrus, Hoheit voller Stolz,

Wie Morgensterne deine Reichsvasallen,

Du königliche Zeder in dem Holz,

Du sprachest Weisheit in den hohen Hallen,

Ich sah den Fürst im Garten Eden wallen,

Doch weh dir! wie bist nieder du gegangen

Und in das schwarze Totenreich gefallen!

Da hilft dir nicht Rubin und Goldes Prangen,

Da brennt das Feuer dich, da beißen dich die Schlangen!


Doch Dido und die treuen Leute flohen

Aus Tyrus, flohn vorm drohenden Tyrannen,

Sie flohen vor des Mordes bösem Drohen,

Sie ließen vom Tyrannen sich verbannen,

Die Königin und ihre treuen Mannen,

Denn irgendwo wird sie ein Reich erwarten!

So segelte die Königin vondannen

Und übereignete sich ganz dem harten

Geschick, und hoffte doch auf den seligschönen Garten!


Wie aber brannte doch das Meer vor Wut

Und schleuderte das Schiff in wilden Wellen,

Zum Himmel steilte auf die Meeresflut

Und stürzte nieder in die Abgrundhöllen,

Da heulten die dämonischen Gesellen,

Doch jauchzten Genien auf des Schaumes Krone,

Des Meerbeherrschers wilde Robben bellen,

Doch Hilfe schickt die Jungfrau von dem Throne

Des Mondes, ihrer treuen Dienerin zum Lohne.


Die Dienerin der Himmelskönigin

Ward vor dem Schlund des Abgrunds so gerettet,

Die Jungfrau führte ihre Freundin hin

Nach Afrika, das sich im Meere bettet,

Genauer nach Tunesien. Und wo hättet

Ihr besser, o Äneas, landen können,

Als in der schönen Dido Reich? Da wettet

Amor mit Venus: Bald wird Dido brennen,

Sie muß nur den trojanischen Äneas kennen!


Da hob sich Venus wieder in den Himmel.

Äneas aber und die Männer alle

Begaben ins tunesische Gewimmel

Neugierig sich, zum Markte vor dem Walle,

Da kleine Kinder spielten mit dem Balle,

Da Bettler saßen, Frauen Früchte hielten,

Da Priester traten aus der Tempelhalle

Und noch den Segen ihrer Gottheit fühlten,

Vor der die Weisesten wie reine Kinder spielten.


Sie traten durch die Tore in dem Walle

Und gingen zu den fürstlichen Palästen,

Da mittendrinne stand die Königshalle,

Geschmückt mit bunten Bannern wie zu Festen,

Bereit war alles zum Empfang von Gästen,

Die Offiziere da mit Schwertern standen,

Die Diener standen in gestickten Westen,

Da kam Äneas mit den Abgesandten

Von Asien, die Afrika gastfreundlich fanden.


Da traten sie zum königlichen Thron,

Äneas trat zum Thron alleine vor.

Der Königin Gewand war rot wie Mohn,

Ihr fächelte Erfrischung zu ein Mohr,

Zier-Vögel lieblich zwitscherten im Chor.

Äneas harrte heiliger Geduld,

Bis Dido Worte sprach zu seinem Ohr,

Hier wäre Ungeduldigsein wie Schuld,

Da nickte Dido mit dem Haupte voller Huld.


Ihr seid willkommen hier in Afrika,

Karthago, Saba, Kusch und Ofir freuen

Sich alle, daß Äneas heute da,

Wir wollen jährlich dieses Fest erneuen.

Du mußt vor mir, der Königin, nicht scheuen,

Denn ich bin selber ähnlich der Gazelle,

Gazellen aber werden Raub der Leuen.

Um Dido leuchtete des Abends Helle

Und taufte mit dem Blut der Sonne jede Stelle.


Und da sie saß im blauen Dämmer, Dido,

Da kam in der Romantik blauen Stunde

Vom goldnen Venussterne her Cupido,

Unsichtbar allen Menschen in der Runde,

Und fügte Dido zu die schwerste Wunde,

Die je ein Frauenherz zu tragen hatte.

Und Seufzer flohen ihr vom roten Munde,

Die milde Minnerin, die müd und matte,

War in dem blauen Dämmer nur noch Seufzerschatte.


Doch eingedenk der königlichen Ehren

War sie vor dem Geliebten ganz verschwiegen,

Verschloß in ihrem Herzen das Begehren

Und seufzte nur aus lauter Ungenügen

Und mußte sich ins schwere Schicksal fügen,

Daß sie die Liebe unerwidert wußt.

So grausam Amors scharfe Pfeile fliegen

Und wirken Unlust neben süßer Lust,

Gleichgültigkeit und tiefe Liebe in der Brust.


Doch Feuer läßt sich in der Manteltasche

Verbergen nicht und Liebe nicht im Blick.

Die Königin Karthagos ward zu Asche

Und wandelte zur Flamme sich zurück.

Das Schicksal beugte hart ihr das Genick.

Äneas, du mein Leben, meine Wonne,

Äneas, du mein Atem, du mein Glück!

Dir sprudelt meiner Augen Tränenbronne,

All meine Nacht hofft nur auf dich, o Gottes Sonne!


Dir weihe ich mein Königtum und Reich,

Dir weih ich meine Seele und mein Blut!

Ich habe keine Seele mehr, denn gleich

Als ich dich sah, schmolz sie dahin in Glut,

Zerfloß die Seele mir in Tränenflut,

Doch deine Seele, Herr, ist nun die meine!

So spricht zu dir ein Weib in Liebeswut,

Sie ist nichts mehr, ist nichts als ganz die deine,

Daß deine Hoheit sich mit ihrem Nichts vereine!


Ganz Schöner! sieh in Demut mich ergeben

Dir, meinem Herrn, der höchsten Gottheit Bild,

Reales Zeichen du von Gottes Leben,

Schau du mich an voll Huld und gnadenmild,

Sei meines Volkes Taube, unser Schild,

Laß du mit Myrrhe Afrikas dich salben

Und herrsch im afrikanischen Gefild!

Äneas aber lauschte nur mit halben

Gedanken (dachte, ob in Troja Kühe kalben).


Da trat von Joves Burg zu ihm der Bote

Mit Flügeln an Sandalen und dem Stabe

Und unsichtbar dem Volk. Sein Auge lohte

Und leise sprach der Genius: Ich habe

Den Gottesruf an dich: Zu Gottes Labe

Sollst du die Frau nicht suchen, welche nah,

Sollst du die ferne suchen. Überm Grabe

Des Fischers ich die Herrin lächeln sah,

Zu ihr begebe gleich dich nach Italia!


Äneas mit der Mannschaft trat zum Schiff

Und segelte mit vollen Segeln fort.

Und Dido, holder Schönheit Inbegriff,

Begehrte nach des Totenreiches Port,

Des Elysäischen Gefildes Hort

Und nach dem acherusischen Gewässer.

Da sagte scheidend sie ein letztes Wort,

Da durch die Ader schnitt das scharfe Messer

Und ihr der Hades nahte schon, der Menschenfresser.


Kein Segen ruht auf dir aus meinem Munde!

Wohl seh ich siegen in Italia

Dich und die Deinen, in Europas Runde

Triumph und Sieg allgegenwärtig da

Und Afrika dem Hungertode nah!

Doch kommen wird auf weißen Elefanten

Der Herrscher aus dem schwarzen Afrika!

Wie stolz auch eure hohen Alpen standen,

Rom wird zertrümmert von Barbaren allerlanden!




DRITTER GESANG


Äneas kam in das verheißne Land,

Doch war der Vater und Äneas’ Amme

Verschieden auf der langen Fahrt. Am Strand

Äneas schürte nun die Opferflamme

Und nahm das Fleisch von einem Opferlamme

Und opferte, die Toten zu entsühnen.

Da lehnte er an dem Zypressenstamme

Und schaute über die gewellten Dünen

Aufs dunkle Meer, das ähnelte Tragödienbühnen.


Ihr dunklen drunten, lichten Götter droben,

O sendet meinem Weg die Führerin!

Ich will mit Weg und Wandel preisen, loben,

Des Schicksals Ewigkeit, mit Herz und Sinn

Geb ich des Allerhöchsten Macht mich hin!

Jetzt aber, guter Gott, weiß ich nicht weiter,

Als ob in einem Labyrinth ich bin,

Scheint mir das Dasein schwer und Sterben heiter.

Send einen Genius hinab die Himmelsleiter!


Und muß ich, um den guten Weg zu finden,

Auch durch die dunkle Nacht und Qual der Hölle,

Bin ich bereit, darf ich mich nur verbinden

Dem Meerstern über meines Schicksals Welle!

O Jungfrau, Königin und Göttin! helle

Wird mit das Totenreich in deinem Schimmer!

Ich bin ein armer törichter Geselle

Mit tiefer Nacht in meines Herzens Zimmer,

Send deine Botin! Ich gehöre dir für immer!


Und die Sibylle faltigen Gesichts

Gewandelt kam in ihrem hohen Alter.

Äneas, werde Schatte, werde Nichts,

Dann wird entpuppen sich der Seele Falter.

Der Weg zum dunklen Tode ist ein kalter

Und schwerer Weg, doch heiß sei du im Herzen!

Propheten spielen drunten ihre Psalter,

Jungfrauen wandeln bei geweihten Kerzen.

Da steht des Schicksals Schrift geschrieben in den Erzen.


Der Tod sagt aber allen Türanklopfern,

Die sich auf Lethes grüne Wasser freuen,

Sie müssen sich entsühnen, müssen opfern,

Gereinigt sich dem höchsten Gotte weihen.

Dann brauchen sie den Hades nicht zu scheuen,

Wenn sie gesalbt sind mit dem Myrrhe-Öle,

Dann wird der alte Hades sie erneuen

Und neugebären in des Todes Höhle

Und sie entlassen: bunter Schmetterling von Seele!


So wollen wir die weiße Turteltaube

Dem hohen Jove weihen und dem Sproß!

Dreifaltig ist das Schicksal, wie ich glaube,

Die ich der Weisheit süße Milch genoß,

Die ihr von ihren Mutterbrüsten floß.

Und wagst du es, so trinke Lammesblut,

Das da im Strahl aus Lammes Seite schoß,

Denn darin wohnt die Huld vom Höchsten Gut.

Doch nun hinab, Äneas, habe guten Mut!


Und offen stand das Tor des Tartaros,

Ein Abgrund und ein Rachen und ein Schlund,

In dem das Wasser des Vergessens floß,

Des Nichtseins Quelle aus des Todes Mund.

Wir, die wir leben auf dem Erdenrund,

Wir leben melancholisch oder munter,

Wir müssen in der vorbestimmten Stund

Den Tunnel großer Dunkelheit hinunter,

Als Seelenschatte ins Geheimnis und ins Wunder.


Wir fürchten uns als wie vor einem Hund,

Als ob der scharfe Hund drei Mäuler hätte.

Wir sehen Schlangen auf des Abgrunds Grund,

Alpträume träumen wir vom Todesbette,

Als bände uns ein Dämon an die Kette,

Als wollten uns verschlingen Wurm und Ratte.

Die Frommen beten eine Toten-Mette,

Da fühlte Gnadenöl der Seelenschatte,

Der ein Verlangen nach dem ewgen Leben hatte.


Am traurigdunklen See von Acheron

Schwermütig neigt das Haupt die Trauerweide,

Wie Lavagluten strömt der Phlegeton,

Die Lethe teilt sich an der Wasserscheide

Und schimmert schön wie transparente Seide

Und spendet dort Vergessen, nur Vergessen,

Doch auch Vergessenheit von allem Leide.

Die Frommen aber feiern Toten-Messen,

Da sie für Scheidende das Brot des Lebens essen.


Wen werden wir da alles wiedersehen?

Die blinden Seher werden uns begegnen,

Tiresias wird uns entgegengehen,

Er wird mit einer Prophetie uns segnen.

Und ob auch Pech und Feuer niederregnen,

Der blinde Seher wird zum Lichte schauen,

Da wird er die dem Tode Unterlegnen

Lebendigem Allmächtigem vertrauen:

O nimm auch Orpheus auf mit seiner Frau der Frauen!


Wir werden dort dem Dulder auch begegnen,

Der durch das wüste weite Meer gefahren,

Er wird uns mit besondrem Segen segnen,

Dem Segen der Geduld in den Gefahren.

Wir sehen auch mit holdestem Gebahren

Penelope, den Inbegriff der Treue,

Daß alle, welche treu im Leben waren,

Daß jeder ihrer Herrlichkeit sich freue.

Hier wandelt Circe ihre Männer nicht in Säue.


Vor allem aber werden Menelaos

Und Helena, die schöne Helena,

Entgangen sein dem Kriege und dem Chaos.

O Schöne, Gleichnis der Urania,

Liebreizendste, die Griechenland je sah,

Idee der Schönheit, Hellas’ Heiligtum,

Bist du lebendig dort, dann bin ich da

In Demut dein Besitz und Eigentum:

Du machst Elysium erst zu Elysium!


So führte die Sibylle durch die Nacht

Des tiefen Totenreichs Äneas hin.

Da sahn sie eine Seele, welche lacht,

Glückseligkeit im abgeschiednen Sinn,

Dem Sterben war ein köstlicher Gewinn.

Auf Erden war er schön nicht, sondern häßlich,

Doch jetzt sehr herrlich anzusehen in

Unsterblichkeit der Seele, nicht mehr gräßlich

Im Fleisch (auch war Aspasia nicht mehr unpäßlich).


Und das war der Athener Sokrates,

Der hob die Stimme nun, ein toter Sprecher:

Nun sing ich wie ein Schwan im Glück, indes

Der dunkle Tod kam einst zu mir als Brecher

Und brach doch meinen Glauben nicht, den Zecher

Beim Gastmahl von mir hörten: Diotima

Gab mir der Liebe und des Todes Becher,

Mit ihrer Weisheit war ich ja intim, ah,

Nun schaue ich Urania von Paphos-Ktima.


Ich sagte den Genossen, als ich schied,

Sie sollten meinetwegen nicht ein Leid

In ihren Herzen tragen, und des Schwanen Lied

Sang ich zu ihnen von Unsterblichkeit

Und starb allein und in Gelassenheit

Und warte nun in Hades’ Vorraum still

Auf jenen Boten aus der Ewigkeit,

Der zu erlösen mich erscheinen will:

Denn - X.P. - wird erstehen im April!


Ich sehe wohl den Kaiser aller Römer

Den Frieden in der Ökumene stiften,

Seh ihn als Kapitän der Unternehmer,

Die da mit Romas ganzer Macht umschifften

Kleopatra, die Mondkuh auf den Triften

Ägyptens an dem gelben Vater Nil.

Doch kenn ich auch des alten Volkes Schriften,

Von hoher Weisheit und von ihrem Spiel,

Die ist des Lebens Anfang und des Lebens Ziel.


Und du, Sibylle, die du alt und grau,

Du wirst dereinst zu dem Cäsaren treten

Und ihm Visionen sagen, hohe Frau,

Die du geschaut in innigen Gebeten.

Denn sehen wirst du in den Himmelsstädten

Aus Gold und Lapislazuli und Jade

Ein kleines Kind, den Höchsten der Propheten,

Und eine Frau, wie eine goldne Lade,

Du wirst die Mutter künden und den Sohn der Gnade.


Und wenn Augustus, Herr der Ökumene,

Das hören wird, wird er die Völker zählen,

Daß er des ganzen Reiches weite Szene

Dem Kinde weih, dem König aller Seelen.

Da dürfen Zimmermann und Magd nicht fehlen,

Da muß die Frau gebären in der Grotte.

Wallfahren werden Magier mit Ölen

Und Räucherwerk und Gold zum kleinen Gotte,

Der traurig ist, weiß er vorher, daß man ihm spotte.


So wird zu Zeiten des Tiberius

Der Prokurator Pontius Pilat

Den Mann, den da verriet ein Freundeskuß,

Ausliefern an die böse Macht im Staat,

Ob jener Mann auch nichts von Übel tat,

Da jenes Mannes Seele voller Reinheit.

Doch schlagen will man ihn ans Kreuz. Doch grad,

Da sie beschließen übelste Gemeinheit,

Träumt eine Gattin Träume seherischer Feinheit.


Des Pontius Pilatus Ehefrau

Wird stehn am acherusischen Gestade

Und tut im Traume eine tiefe Schau:

In meiner Rechten eine weiße Jade

Erschein ich ihr, ihr wird dabei kein Schade,

Ich sage ihr: Der Mann ist ohne Schuld,

Ist vielmehr Gottes offenbarte Gnade,

Ist Gottes Liebe, Gottes Gunst und Huld.

Und muß er leiden, muß er leiden mit Geduld.


Des Prokurators Gattin wird erwachen

Und wird erschrecken über ihren Mann.

Sie sieht ihn stehn in der Gewalt von Drachen

Und Kreuzigung verordnen und sich dann

Die Hand mit Wasser waschen, welches rann

Und sich vermischt mit des Gerechten Blut.

Wie viele stehen in des Bösen Bann!

Doch dazu ja erschien das Höchste Gut,

Um zu erlösen uns durch seiner Liebe Glut!


Augapfel Gottes heißt das Volk der Juden,

Die Herde, die der Hirte kam zu weiden.

Doch schrecklich sind des Allerhöchsten Ruten

Und Geißeln seines Grimms, nicht süß und seiden,

Denn seine Auserwählten müssen leiden

Um die Erwähltheit durch den großen Grimmer.

Und Roms Soldaten schwer durch Zion schreiten

Und Titus läßt zurück nur Haufen Trümmer,

Doch wirds ergehn dem auserwählten Volk noch schlimmer!


O wehe, wehe, Schlimmes muß ich ahnen!

Nicht mehr gefangen an des Euphrat Wellen

Ist Gottes Volk, doch nun durch die Germanen

Erleidet Juda Millionen Höllen!

Denn Satans Knecht mit teuflischen Gesellen

Errichten will ein Rassereich des Grauen!

Doch seh ich Engel sich in Scharen stellen

Und Israel kehrt heim, und ich kann schauen

Der Juden Friedensfürst sein Reich des Friedens bauen.


Da sehe ich den Pontifex von Rom

Wallfahren in die Stadt Jerusalem

Und Wasser trinken aus dem Jordanstrom

Und beten in dem Stall von Bethlehem.

Wo Gott den ersten Mann gemacht aus Lehm,

Da seh ich ihn den Geist der Freude spenden:

Sei Friede, Friede, Friede! angenehm

Ist Gott allein der Friede aller Enden!

Doch nun will meine Schau sich nach Europa wenden.


Europa war ja eine Jungfrau aus

Dem Orient. Sie ging an Tyrus’ Strand

Und dachte an das alte Vaterhaus

Und spielte mit den Muscheln in dem Sand,

Da schneeweiß in der Meeresbucht der Strand.

Sie war so schön in ihrer zarten Zier

Und lang und schmal die leichtgebräunte Hand.

Was Mythographen sagen, sag ich dir:

Der Gott erschien dem Mädchen als ein weißer Stier.


Auf seinem Rücken schwamm sie durch die Fluten

Und landete in Kreta in dem Hafen,

Der Phönix heißt, wie jener aus den Gluten

Und aus der Asche Auferstandne. Trafen

Die alten Hirten ein mit ihren Schafen,

Ein jeder Hirte für die Jungfrau brennt

Und keiner möchte mehr alleine schlafen.

Der Griechen und der Römer Kontinent

Sich nach der schönen Jungfrau nun Europa nennt.


Den selben Weg, o mein Äneas, nimmt

Der Bote und Gesandte, der die Gnade

Von Juda nach Europa bringt. Er schwimmt

Ans Ufer Maltas, ohne allen Schade,

Er spricht in einer griechischen Tirade

Von unserm Marmor, den wir Götter nannten,

Doch er spricht in Athen im Sonnenbade

Vom Schöpfer aller Welt, dem Unbekannten

Und von dem Sproß, zu aller Welt Gericht Gesandten.


Und kommen wird er nach Tres-Tabernae

Am Stiefel drunten, durch Italien schreiten,

Bis ich ihn auf der Via Appia seh,

Da Römerinnen wandeln süß und seiden,

Die will er als wie seine Lämmer weiden

Und alle laden zu dem Opfertische.

Im kaiserlichen Garten wird er leiden

Und hören wird er Neros Hohngezische,

Wie auch sein Bruder, Fischer aller Menschenfische.


Der Fischer mußte steigen in sein Grab

Und weiterwirken als der Völkerhirte,

Er reichte weiter seinen Hirtenstab,

An dem er gütig Ost- und Westrom führte,

Daß viele Hirten die Tiara zierte.

Dem Pontifex ist jede Jungfrau Schwester

Und jeder Mann ein Bruder. Ihm gebührte,

Daß jeder Fromme glaube immer fester.

So ruhte auch der Geist auf Pontifex Silvester.


Und damals ging die neue Helena

Zu ihrem Liebling in den Orient,

Doch diesmal nicht ein Ehebruch geschah,

Zu Recht man diese Frau die Treue nennt,

Weil sie in allerhöchster Liebe brennt

Zum Bräutigam, der sich ihr hingegeben.

Sie, die des Kreuzes höchste Heilkraft kennt,

Sie fand in dem Ermordeten das Leben,

Denn an dem Mast des Kirchenschiffes ranken Reben.


Die Kaiserin gab einem Sohn das Leben,

Ich meine hier den Kaiser Konstantin.

Die Freiheit hat den Frommen er gegeben

Und darum hat der Herr ihm Sieg verliehn

Im Zeichen des Chi-Rho, das führte ihn

Und breitete die Herrschaft aus in Rom.

Im Sterben ward die Taufe ihm verliehn,

Er schied gebadet in dem Gnadenstrom

Und auch gesalbt mit charismatischem Arom.


Sein Reich vermachte er dem Heilgen Vater,

Daß alle Welt auf Gott geordnet sei.

Auf der Geschichte tragischem Theater

Ist nicht einmal der Fürst vom Schicksal frei

Und doch ist Freiheit, weht der Geist im Mai

Und unterweist im Gnadenstuhl den Hirten,

Der hört des Abendlandes lauten Schrei,

Führt jede Seele in das Tal der Myrten

Zum Bräutigame und der schönen Hochverzierten.


Und Konstantin, der das Bekenntnis schrieb,

Gab Griechenland und Rom dem Herrn zu eigen.

Ein wahrer Sohn des großen Kaisers trieb

Germanen, welche brüten, sinnen, schweigen,

Die Briten, Iren, Friesen in den Reigen

Des Gottesvolkes, das der Hirte führte,

Carolus Magnus also will ich zeigen,

Der vor den Sachsen wenig Achtung spürte,

Doch dem die Frankenkrone ganz zu Recht gebührte.


Äneas, neue Zeiten seh ich kommen,

Ich will den kommenden Erlöser preisen,

Es werden Zeiten nahen, da die Frommen

In aller Heidenwelt die Franken heißen.

Nun scheide ich von dir mit einem leisen

Verliebten Lob der fränkischen Matrone,

Patronin aller Franken, allen Weisen

Nährmutter wahrer Weisheit, auf dem Throne

Seh ich sie lächeln über mich ganz zweifelsohne.


Ihr anempfehle ich mich nun und, ja,

Ich weiß, du kannst sie heute noch nicht kennen,

Da sollst du Meerstern und Urania

Auf deiner weiten Pilgerfahrt sie nennen.

Ach wehe mir, ich muß im Limbus brennen,

Muß seufzen, weinen, harren bis zum Tage,

Da kommt der große Worfler zu den Tennen,

Da hoffe ich, da endet meine Klage.

Und Sokrates stieg in der Tiefe Sarkophage.


Äneas zitterte an allen Gliedern,

Unnennbarer Empfindung voll im Herzen.

Rief die Sibylle ihn mit frohen Liedern,

Erfreute ihn mit einem weisen Scherzen,

Sie stiegen auf, sie sahn der Sterne Kerzen,

Sie traten in Italiens Sommernacht.

Und mußt du leiden auch des Todes Schmerzen,

Der Meerstern über deinem Leben wacht,

Die Lächelnliebende im Himmel selig lacht!




VIERTER GESANG


O Muse vom Parnaß, schau gnädig nieder!

Du wollest huldvoll deine Gaben bringen

Und mir die Feder führen, daß ich Lieder

Und epische Poeme weiß zu singen.

Wird meine Stimme aus der Wüste dringen

In die geblendete und taube Welt

Und hört da wer das Rauschen deiner Schwingen

In einer Zeit, die sich geweiht dem Geld,

In einer Zeit, die nichts mehr hoch und heilig hält?


O Muse vom Parnaß, dein Musensohn

Empfing vom Gott der Dichter sein Talent,

Der Gott der Seher sprach von seinem Thron

Durch deinen Mund, der rot von Liebe brennt,

Auf deinem Musenberg im Okzident.

Hier lebe ich und hier bin ich geboren,

Wo niemand heilige Propheten kennt

Und kaum wer wahre Dichter auserkoren

Und wo die Dichtkunst an den Dämon ging verloren!


O Muse vom Parnaß, von deinem Munde

Ging die Berufung aus an einen Müden,

Du aber gabest ihm der Schönheit Kunde,

Ganz-Schöne, Leuchtturm du am Meer im Süden,

So gib doch wenigstens dem Dichter Frieden

Und laß in meiner Einsamkeit mich singen

Zu Gottes Lob! Und bin ich einst verschieden,

Dann mögest du auf deinen schönen Schwingen

(Bei deinem Musenkuß!) mich nach Elysen bringen!


Apollo Musagetes! goldne Sonne

Ist mir in der Verklärung dein Gesicht,

O sende Wonne mir aus deiner Wonne,

Daß trunken sei von dir mein Lobgedicht!

Sieh, ich will rühmen, rühmen, und will nicht

An meiner armen Niedrigkeit verzagen.

O Gott der Dichter! Dichten ist mir Pflicht,

Ich sing in Liebe Preis an allen Tagen,

In Liebe Jubel und in Liebe, ach, die Klagen!


Apollo Musagetes! Die Verheißung

Aus deinem Tempel von der Weisung Thron

Hab ich empfangen, daß der Liebe Preisung,

Die voller Liebe sang ein Musensohn,

In deinem Lichte wird vernommen schon.

Sie wird geschrieben wie von deinen Händen,

Dein Wohlgefallen ist der schönste Lohn,

Und du wirst eines Tags dein Reich vollenden.

O Herr, ich bitte dich, laß du mein Lied nicht enden!


Apollo Musagetes! Wird Homeros

Gepriesener Gesang geläutert tönen

In deinem Reich? Er dichtete in Eros

Und in der Lieblichen, der Wunderschönen.

Und wirst du auch Virgil mit Lorbeer krönen,

Weil er doch des Advent der Sonne Diener?

Den Herrlichsten von allen Musensöhnen

Will heute preisen ich den Florentiner.

Laß leben auch mein Lied, du Diener deiner Diener!


Rom will ich singen diese Mittagsstunde,

Du helfe mir, mein Genius, mein Lieber!

Äneas segelte im trüben Sunde,

Doch nahte schon die Mündung von der Tiber.

Das Meer an dieser Stelle etwas trüber,

Weil Himmel sich drin spiegelt wolkengrau,

Und eine graue Wolke schwebte über

Italia, schon tröpfelte der Tau,

Vorm Regen flohen in die Hütte Mann und Frau.


Mir scheint, die Götter zürnen, Götter grimmen,

Verweigern Latium den hohen Segen,

Sie sagen ihren Zorn mit Donnerstimmen

Und drücken ihre Trauer aus mit Regen.

Wie unfromm wandeln Menschen auf den Wegen

Der Welt, da ist nicht Einer mehr geweiht

Den Himmlischen, und niemand will sich legen

Dem Jupiter zu Füßen in der Zeit,

Um königlich zu werden in der Ewigkeit!


Und weil das Menschenvolk in Latium

Gottlosen Weg zu gehen angefangen

Und keiner betet mehr im Heiligtum,

Drum müssen alle zagen, alle bangen.

Um ihre Lenden winden sich die Schlangen

Und peinigen das Volk mit bittern Bissen.

Wer wird der Götter Gunst und Huld erlangen,

Wen wird Urania vom Himmel küssen?

Wie angeschlagen sind die menschlichen Gewissen!


Äneas landet in der Tibermündung,

Er geht mit seiner Mannschaft an das Land.

O du des Schicksals heilige Verbindung,

Schar, die dem Kapitäne unterstand,

Euch winkt des Höchsten hohe Wolkenhand:

Ihr sollt ihm einen Tisch zum Mahl bereiten!

Äneas eine gute Stelle fand,

Da sah man ihn zum Tisch des Mahles schreiten.

Die Regenwolken flohen in die fernsten Weiten.


Mit einem letzten Donnergrollen spricht

Der Höchste, als Äneas spricht das Wort:

Nun eßt, des Gottes zu gedenken! Licht

Bricht durchs Gewölke, heiligt jenen Ort,

Der Ankunft Stelle, gnadenhaften Port,

Da speisen sie das Fleisch und trinken Wein.

War es in ihren Beinen auch wie Mord

Auf ihrem Pilgerzug, hüllt Sonnenschein

Bei ihrer Ankunft sie in goldne Glorie ein.


Der Hunger nach der Gnade war so groß,

Daß sie das Lammfleisch von den Tellern reißen.

Der Hunger war so groß, daß zweifellos

Sie auch die Hostia von Weizen speisen.

Die Weisheit wollte so die Wege weisen:

Ihr speiset gar des Gottes Hostia?

Dann will ich eure Ankunft herrlich preisen,

Dann führt das Schicksal euch nach Ostia,

Wird euer sein das herrliche Italia!


O Weisheit, deine Pforten sind die Leiden,

Verzehrt mir doch die Schwermut den Gesang.

Kann mich Äneas mit den hundert Heiden

Erfreuen, da ich müd und matt und bang?

O ginge ich am Tiberstrom entlang

Und hörte seiner Wellen leises Rauschen

Und lauschte ich dem Nachtigallensang

Und könnte ich dem Wind des Himmels lauschen

Und mein Germanien mit Italia vertauschen!


Germanien, du Landschaft unter Regen,

Gottlosigkeit hockt hier in schwarzer Tonne!

Ach wissen will ich nicht von euren Wegen,

Wollt träumen nur den Traum von süßer Wonne,

Da Luna weiß erscheint und gold die Sonne

Und süß die Sommernacht in Ischia

Umsäuselt kleine Tempel der Madonne,

Der Seemann in der Nacht den Leuchtturm sah

Des Glaubens, der der Glaube von Italia.


O laßt mich träumen in der Blauen Grotte

Und schlummern laßt mich in den schwarzen Kähnen

Und taumeln durch die Nacht wie eine Motte,

Mich nach dem Zirpen von Zikaden sehnen,

Mich hüllen in den Schwingenschaum von Schwänen

Und baden nahe bei Perugia

Im Wasser von kristallenen Fontänen

Und mit den Fischerinnen dort und da

Gesang darbringen Unsrer Frau von Ischia!


Sankt Peter! wandelst du des Nachts noch heute

Mit einem Lampion durch Latium

Und küsst die Erde in dem Geist der Freude?

Dein Charisma ruht auf dem Heiligtum

Des Vatikans auf dem Palatium.

O wenn du betest in den Marmorhallen,

Denk auch an mich, ich bin dein Eigentum,

O mein Patron, du Hirte von uns allen.

Ich würde gern einmal zu deinem Grabe wallen.


O Vater, Wagen und Gespann der Kirche,

Schließ mit dem Schlüssel auf das Himmelreich!

Laß mich wie weiße Blüte roter Kirsche

Nachts durch die Sommerlüfte sammetweich

Entgegen fliegen süßem Süden, gleich

Will singen ich das Loblied der Natur

Seraphischen Gesanges freudenreich.

Ein Schmachten seufzt in aller Kreatur,

Es sehnen sich nach Christus Künste und Kultur.


Sankt Peter, siehe, dein Konzil beschreibt

Den neuen Humanismus; Vater, da

Denk ich an Dante, wie er lebt und leibt,

Und an Virgilius, der Christus sah,

Und an Petrarcas Epos Africa

Und lieb auch Ariost und Tasso sehr

Und singe Charis und Urania

Wie aller Dichtenden Patron Homer.

Dazu geb Petrus seinen Vatersegen her.


Äneas also zog mit hundert Mannen

Und traf den Fürst Latinus in der Stadt.

Der konnte nicht die Nachtgesichte bannen,

Die er in seinem Traum gesehen hat,

Die Schicksalslose aus Fortunas Rad,

Äneas werde seine Tochter freien.

Das Haar war braun, die Haut war weiß und glatt,

Das weiße Kleid wie Blütenschnee im Maien.

Es war als ob um sie zehntausend Grazien seien.


Dieweil die Männer sprachen von der Stadt,

Sah still die Jungfrau zum Trojaner hin.

Sie strich sich ihr Gewand von Linnen glatt

Und dachte sich versonnen still: Ich bin

Für den Trojaner sicher kein Gewinn,

Er kennt aus Asia wohl süße Weiber

Und trägt vielleicht auch eine Frau im Sinn.

Cupido, dieser Jäger, dieser Treiber,

Treibt diesen Mann Äneas wohl auf andre Leiber.


Wie Aprikosen klein sind meine Brüste

Und nicht wie runde schwellende Granaten

Und meine Hüfte lockt nicht Manneslüste,

Vielleicht zu keusch auch meine Blicke baten.

Die Männer reden über Stadt und Staaten,

Ich denk nur hoffnungslos ein zartes: Du!

An meiner Wiege standen Furien Paten

Und keine Grazien. Ach mir raubt die Ruh

Gott Amor! - Und Äneas lächelte ihr zu.


O Nacht! Da saß er mit Lavinia,

Da leise fächelte der Wind im Laube.

Die Sommerluft von Alexandria

Kam mit dem Schwingenrauschen einer Taube.

Cupido, großer Dieb, mein Herz mir raube

Und geb es hin der sanften lieben Frau!

Daß sie wie eine Gattin ist, das glaube

Ich gern, da ich in ihre Augen schau:

Wie Nächte dunkel, tief, und voll des Mondes Tau.


Da trat herbei, von Furien gehetzt,

Der schwarzbehaarte Turnus, voller Zorn,

Er will, daß er sich ganz allein ergötzt

An Maid Lavinia, der Wonne Born,

Der Freuden Becher und der Fülle Horn.

So ruft Äneas er zum Kampfe auf,

Da ruft er seinen Haufen eingeschworn,

Äneas wendet sich in raschem Lauf

Zum Lager, ruft zusammen den verstreuten Hauf.


Beleidigung durch Turnus rächen muß

Mit eurer Hilfe ich mit großem Grimme!

Da hob der liebliche Ascanius

Zum Vater seine ungebrochne Stimme:

Erst viele Blüten sammeln muß die Imme,

Bevor sie machen kann den Honig. Drum

Hinab den blauen Vater Tiber schwimme

Und suche du dir beim Palatium

Euanders Hilfe für den Kampf um Latium.


Euander war geboren von der Nymphe

Carmenta in dem schönen Griechenland.

Nicht suchte sie die Moore und die Sümpfe,

Sie suchte die kristallnen Quellen, fand

Die Feuchte reiner Wasser mit der Hand

Und war so rein, wie Götter sie gebildet.

Wie eine Marmorstatue sie stand

Im marmorweißen Leib, das Haar gegüldet,

Der Reiz des Blickes von den Grazien abgemildet.


Und unter einem Granatapfelbaum

Im herrlichen Arkadien gebar

Euander sie aus ihres Schoßes Schaum,

Der goldig wie die liebe Sonne war,

Das Auge wie die Julihimmel klar

Und so wie süße Rosen rot sein Mund,

Drauf lagerte der Amoretti Schar.

Carmenta hüllte ihn in Linnen bunt

Und liebte ihn und war von Mutterliebe wund.


O goldnes Kind mit deinen Engelsaugen,

Wer weckt wie du so süße reiche Liebe?

Wie gern seh ich dich an den Brüsten saugen,

Befriedigung zu suchen reinem Triebe.

Wie eine Sonne hellst du meine Trübe

Mit deinem Lächeln lieb und deinem Lachen.

Und spiel ich Seligkeit der Spiele, übe

Ich Kind mit einem Kind zu sein, da wachen

Die Engel über uns, die töten alte Drachen.


Und siebzig Jahre vor dem Krieg von Troja

Verließ Arkadien Euander, um

Mit seiner Vielgeliebten Metanoia

Zu gründen seine Stadt Palatium.

Er nannte seines Hügels Heiligtum

Nach seines Heimatlandes Pallanteum.

O Roma, singen will ich deinen Ruhm!

Venus im Vatikanischen Museum

Will girren wie die Turteltaube ein Te-Deum!


In Latium Euanders Zitadelle

Empfing Äneas in der Sonne Schein.

Zusammen an des Vater Tiber Welle

Sie gingen beide in den Opferhain

Und brachten dem geliebten Frieden ein

Unschuldiges und makelloses Lamm

Dem Höchsten dar und einen Becher Wein.

Gesegnet ward Euanders Heldenstamm

Mit des Äneas hehrer Hundertschaft zusamm.


Wir wollen in dem stillen Opferhain

Die Kraft des Heiligen uns einverleiben,

Wir wollen Donner seines Donners sein

Und Wanderblitz von seinem Blitze bleiben

Und seiner Sonne Sohnschaft Widerschein

Und seine Winde sein und seine Boten.

Und naht die Schlacht und naht des Sterbens Pein,

Dann einen wir mit unserm Blut, dem roten,

Dem Richter uns, dem Herrn der Lebenden und Toten.


Und auf nun durch das Carmentalsche Tor,

Um Segen bittend, um der Jungfrau Segen.

Ertöne griechischer Gesang im Chor

Und tönen die Gebete allerwegen,

Den Genius der Jungfrau zu bewegen,

Carmenta war ja selber ein Gesang,

Der alle Töne sich zu Füßen legen

Wie Nachtigallen vor dem Monde bang.

Aus lauter Gottesfurcht war ihr Gesang so lang.


Und zum Altare der Carmenta dann,

Da opferte Euander seiner Mutter,

Dem schloß sich auch Äneas betend an;

Ihr opferten sie Honigseim und Butter,

Und Blumen, Blumensamen, Vogelfutter

Und einer kleinen Turteltaube Fleisch

Und frischen Fang von einem Fischerkutter.

Euander betete: O Mutter, heisch -

Ich gebe dir! begehre - und ich schenke keusch!


Der Heide führte nun vom Palatin

Äneas, den von Göttern Auserkornen,

Die Wildnis um den Opferhügel hin

Und durch verwildertes Gestrüpp und Dornen.

Verbündet waren ja die zwei Verschwornen,

Umfitticht von der Amoretti Flügel,

Von Nymphen und von Göttinnen Gebornen,

Sie gingen unter goldner Sonne Siegel

Durchs neue Rom beim wilden Palatinschen Hügel.


Buchhändlerviertel sah Äneas an,

Da man gespottet über den Virgil,

Ovid, Horaz, Catull, und lachte dann

Und nannte antiquiert des Orpheus Stil

Und nannte stumpf des Pindar Federkiel

Und hieß zu leidenschaftlich Sapphos Ode,

Homeros dichtete ja viel zu viel

Und König David sei längst aus der Mode

Und Cygnus sänge sich im Unsinn noch zu Tode!


Da aber schworen bei der Wölfin Grotte

Euander und Äneas sich die Treue

Und schworen bei dem allerhöchsten Gotte:

Das Bündnis vom Palatium erneue

In Rom das alte Troja, daß sich freue

Sie, die Schutzheilige von Ilion,

Vor deren Schönheit jedes Huld sich scheue,

Die als Bellona beisteht ihrem Sohn.

Der Heere Herrin lächelte vom Muschelthron.


Der Kampf begann, die ungeheure Schlacht,

Äneas stand in roten Blutes Strom

Als Blitzesfackel in der Kriegesnacht

Und Turnus starb und trat in Hades’ Dom

Als Schatte. Und der Sieg war Weih-Arom

In Venus’ schöner Nase (die ich sah

Und ihre Lippen lächeln über Rom) -

Den Schleier senkend auf Italia

Madonna gab dem Sohn zur Braut die Schöne da.