Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

Lili


Von Josef Maria Mayer


LIEBESHYMNEN


1


Zu dem weißen Thron, Maria,

Tochter Gottes, will ich flehen,

Nicht mit Kummer und mit Jammer

Brich das Herz mir, hohe Herrin!


Wenn du jemals die Gebete

Deines Dieners hörtest, eile,

Komm, verlaß das Haus des Vaters,

Eile rasch zu deinem Diener!


Engel tragen deinen Wagen,

Cherubim und Seraphinen,

Schweb herab vom hohen Himmel,

Nahe dich der Mutter Erde!


Selig bist du, Jungfrau! Lächelnd

Strahlen deine lichten Augen!

Und du fragst mich, was ich leide,

Daß ich jammernd zu dir schreie?


Wen begehrt denn deine Seele,

Was sind deines Herzens Wünsche?

Wessen Liebe suchst du heute,

Wer beleidigt deine Seele?


Flieht die Frau? Bald wird sie kommen!

Sie verschmäht dich? Sie wird dienen!

Liebt sie nicht? Sie wird dich lieben

Ewig in dem Liebeshimmel!


O Maria, komm auch heute,

Rette mich aus tiefem Jammer!

Ach, erfülle meine Sehnsucht!

Sei du mir die wahre Freundin!



2


Komm vom Himmel her, Maria,

Steig herab die Himmelstreppe,

Rauschen laß die Seidenschleppe

Um die schönen bloßen Füße!


Komm hier her, zum makellosen

Eden voll von Apfelbäumen,

Wo auf dem Altare aufflammt

Das Gebet des heißen Herzens!


Tauben gurren in den Wipfeln,

Scharlachrote Rosen glühen,

Heimlich von den Blätterspitzen

Tropfen selig süße Tropfen!


In dem Frühling blüht der Krokus

Und die Osterglocke läutet,

Tulpen öffnen ihre Kelche,

Falter lecken süßen Nektar!


Komm, o Königin Maria,

In des Bundesbechers Becken

Mische in den Wein das Wasser,

Schenk uns ein den Trank der Hochzeit!



3


O Maria, segne, segne

Meine Schwester, die Geliebte,

Laß sie balde wiederkommen,

Schenk Erfüllung meiner Sehnsucht!


Alle Sünden ihr verzeihe!

Sühnen will ich ihre Sünden!

Alle Feinde ihrer Seele

Tilge Michael, der Engel!


Möge sie den Bruder trösten

Und die Bitternis des Kummers

Und den Ekel in dem Herzen

Lieblich lächelnd mir vertreiben!


Weiber schwatzen. Schwert im Herzen!

Ach ich dacht es überwunden,

Doch mein Herz ist voll von Pfeilen,

Reich an Wunden meine Seele!


Hör mich, makellose Jungfrau!

Freuten je dich meine Hymnen,

So versenke meine Leiden

In dem Ozean der Charis!



4


O Maria, selig bist du!

Segne meine liebe Schwester,

Führe sie aus diesem Elend

Der Verbannung in die Heimat!


Von der Sünde sie erlöse!

Hilf mir ihre Sünden sühnen!

Führe glücklich sie zum Hafen,

Selig sie zur Bucht der Wonne!


O Maria, jener Sünder

Ist mir hart als Feind begegnet,

Nicht mehr prahlen soll der Köter,

Daß ihn meine Schwester liebe!



5


O Maria, Stern des Meeres,

Führe in den Heimathafen

Meine vielgeliebte Schwester,

Heim zum Paradiesesgarten!


Wer befährt die See des Lebens

Mit dem Segelboot der Seele,

Der vertrau dem Stern des Meeres,

Wenn er kreuzen muß in Stürmen!


Wohin segelt meine Seele?

Wohin segelt meine Schwester?

Führe uns zur Bucht der Wonnen,

Laß uns landen an dem Strande!



6


Sei nicht zornig, liebe Schwester,

Hasse doch nicht meine Seele!

Brich mir nicht das Herz, Geliebte,

In dem Zürnen deines Herzens!


Zweifle nicht an meiner Liebe!

Ich verstehe deine Seele:
Deine Seele sucht die Liebe,

Wahre Liebe reiner Seele!



7


Manche lieben starke Ritter,

Manche lieben die Soldaten,

Aber ich lieb auf der Erde

Die Geliebte voller Schönheit!


Helena in ihrer Schönheit

Fühlte auch der Liebe Lockung,

Sie verließ den Mann, die Kinder,

Ließ den Vater und die Mutter,


Ist nach Asien gesegelt,

Denn unwiderstehlich lockte

Helena in ihrer Schönheit

Königlich die Schöne Liebe!


Ach das Herz im Menschenbusen

Ist wie Wachs und leicht zu schmelzen!

Ja, die Königin der Liebe

Lenkt die Geister und die Seelen!


Ach, ich denk an meine Lili,

Sehn mich morgens, sehn mich abends,

Doch sie ist nicht da, ich seufze,

Sehne mich mit heißen Seufzern!


Wollte gern ihr Wandeln schauen

Und den Lichtglanz auf dem Antlitz!

Mehr als Ritter und Soldaten

Lieb ich meine Heldin Lili!



8


Hör mein Schreien, schöne Lili,

Komm in deinem Seidenkleide,

Weiß wie Schaum, umweht von Reizen,

O Verführerin voll Liebreiz,


Schönste! Denn allein dein Hemdchen

Zu betrachten, ist erregend!

Mich erfreut es. Selbst Maria

Tadelt dich mit keinem Worte!


Sondern Unsre Frau Maria

Dir erfleht zu Gott die Umkehr,

Freut sich schon an deinem Beten

Zu den Engeln und zu Jesus!



9


Seh ich vor mir deine Schönheit,

Will ich dich nicht Venus nennen,

Sondern Unsre Frau Maria,

Herrin mit den schwarzen Haaren.


Ist das auch vermessen, Herrin,

Keine gleicht der Makellosen,

Wissen soll doch deine Seele:
Du bist meiner Seele Sehnsucht!



10


Jener ist den Engeln ähnlich,

Der da schaut in deine Augen,

Deinen leisen Worten zuhört,

Deinem sanften süßen Lachen!


Doch mir stockt das Herz im Busen,

Heb ich eben meine Augen

Auf zu dir, ich muß verstummen,

Keine Worte wollen fließen


Über meine Zunge, Feuer

Sich ergießt durch meine Adern,

Meine Augen sind geblendet,

In den Ohren Meeresrauschen,


Schweiß benetzt mich, meine Glieder

Zittern, ich erblasse, beinah

Bin ich schon gestorben, Lili!

Alles das kann ich ertragen.



11


In den weißen Kissen liegst du,

Eros löst dir deine Glieder!



12


Eros schüttelt mir die Sinne

Wie der Sturm die Meere aufpeitscht!



13


O du bist gekommen, Schöne,

Wirklich und fürwahr gekommen!

Hast gelindert mir im Herzen

Meiner Sehnsucht heiße Gluten!



14


Schwester, schön gewiß der Schöne,

Steht er da vor deinen Augen,

Doch der Gute, ungesehen

Bleibt er schön auch in der Ferne.



15


Träume tanzen durch das Dunkel,

Süße Träume! –Weh der Trübsal!

Meine Kraft ist mir entwichen,

Die Potenz ist mir vergangen!


Gott, um Eines will ich bitten:
Laß das Übel nicht geschehen!

Laß das Leben mich genießen

Mit dem Weibe, das ich liebe!



16


Wahrlich, lieber wollt ich tot sein!

Unter vielen Tränen seufz ich:
Lili, muß ich dich verlassen?

Lili, willst du mich verlassen?


Denk doch, wie wir glücklich waren

Bei des Lebens Abenteuern!

Denk an all die Rosenkränze,

Hangend zwischen deinen Brüsten!


Denk doch an die Rosenöle,

Die dir salbten deine Glieder!

Wie du ruhtest in dem Bette

Und vergaßest alle Sehnsucht!


Keinem Tempel blieb ich ferne,

Wo ich für dich beten konnte!

Keinen Garten gabs auf Erden,

Wo wir nicht in Freundschaft lebten!



17


Lili, Gott gab mir ein Zeichen,

Jesus ist zu mir gekommen,

Und ich sagte: Herr und Meister,

Ach, mein Herz ist voller Schmerzen!


Tot zu sein ist meine Sehnsucht,

Wollt den Jordan überschreiten,

In der Mystik weißen Rose

Wollt ich ruhn im Schoße Gottes!



18


Ich verehrte dich als Göttin,

Sang dir meine Liebeslieder.

Siehe, wie die volle Mondin

Lichter ist als alle Sterne,


Übertriffst du alle Frauen,

Leuchtend wie die weiße Mondin

Auf den Garten voller Blumen,

An den Stengeln Samentropfen,


Scharlachrote Rosen glühen

Und dreieinig grünt das Kleeblatt

Und die Bienen saugen Honig

Aus dem Nektarschoß der Tulpen.


Ach, ich denke voller Sehnsucht

An die süße schöne Lili!

Manchmal ist mein Seelchen heiter,

Meist bedrängt von schwerer Trübsal!



19


Goldner Apfel hoch im Wipfel,

An dem Obersten der Zweige,

Ward zu pflücken nicht vergessen,

Nein, war leider unerreichbar!



20


Laß das feinste Seidenkleidchen

Dich umfließen und verschleiern,

Frühlingsfarbne süße Blüten

Eingestickt ins Seidenkleidchen!



21


Schon versunken ist die Mondin

Und versunken die Plejaden.

In der dunklen Nacht voll Sehnsucht

Einsam lieg ich in dem Bette.




LIEBESELEGIEN


1


Gerecht ist meine Bitte, Jesus: Jene Dame,

Die mir mein Herz geraubt, sie möge lieben mich,

Mich lieben, oder mir genügend Gründe geben,

Daß ich sie ewig lieb! Hab ich zuviel verlangt?

Erlaube sie mir nur und laß es sich gefallen,

Daß ich sie liebe, Gott! Maria, Liebe Frau,

Erhöre mein Gebet! Unzählig meine Seufzer!

Maria, dienen will ich dir mein Leben lang,

Der treu zu lieben weiß, erhöre mich, Maria!

Zwar bin ich nicht berühmt und heiße auch nicht Fürst,

Mein Vater zählte Geld, und ich bin auch kein Bauer,

Doch meine Eltern sind voll Sparsamkeit und Fleiß.

Doch meine Muse küsst! Mich inspiriert der Rotwein!

Und Eros triumphiert, der mich der Dame schenkt,

Und Weisheit steht mir bei, und Glaube, Hoffnung, Liebe!

Ich will nicht tausend Fraun, wie König Salomo,

Ich bin kein Flattergeist im Reich der Schönen Liebe!

Geliebte, du allein wirst stets von mir bedient,

Ich lebe Jahr um Jahr allein in deinem Dienste

Und will dir dienen treu, bis mir der Heimgang kommt,

Den Lebensfaden Gott zerschneidet und du trauerst

Dann süß an meinem Grab, die Rose legst ins Grab.

Geliebte, sei mein Stoff, sei Inhalt meiner Lieder,

Dann sing ich dir ein Lied, das deiner würdig ist.

So machte Dante einst zur Göttin Beatrice,

Madonna Laura sang der selige Petrark,

So Goethe huldigte der Frau von Stein als Herrin,

Der Seher Hölderlin so Diotima sah

Und so Novalis sah die heilige Sophia!

So wird man sagen einst von uns als einem Paar

Und dann bist du berühmt bei frommen Musenfreunden,

Weil dich mein Liebeslied unsterblich hat gemacht.



2


Dein Ehemann will zu dem selben Gastmahl gehen,

Geliebteste, wie wir, das werde für den Mann

Die Henkersmahlzeit! Ach, soll ich denn die Geliebte

Als Gast nur schauen an und hat der Andere

Allein das süße Glück der zärtlichen Berührung?

Und solltest du die Brust des Ehemannes nur

Erwärmen, eng geschmiegt an ihn? Soll er die Arme

Um deinen Nacken dir umschlingend legen, wann

Er immer es nur will? Ich stamm nicht aus den Wäldern

Und bin kein halbes Pferd und trotzdem ist mir so,

Daß ich mit meiner Hand dich immer will berühren.

Zur Kenntnis nimm, was du zu tun hast, liebe Frau,

Und schlage nicht mein Wort verächtlich in den Südwind.

Komm früher als dein Mann! Zwar ich erkenne nicht,

Was sich dann machen ließ? Komm aber dennoch früher!

Setzt er sich an den Tisch und näherst du dich ihm

Mit Engelsangesicht und lässt dich bei ihm nieder,

Berühre meinen Fuß, beachte meinen Wink,

Empfang verschlüsselte geheimnisvolle Zeichen

Und sende selber mir ein Zeichen heimlich zu.

Mit meinen Brauen dann ich rede Worte heimlich

Und Worte male ich mit einem Tropfen Wein.

Kommt dir in deinen Sinn dann unser Spiel der Liebe,

Dann leg den Finger süß auf deinen Scharlachmund!

Hast in der Stille du doch was zu kritisieren

An deinem Minneknecht, so leg die Hand ans Ohr.

Gefällt dir, was ich tu und sage, meine Sonne,

So dreh mit deiner Hand Schmachtlöckchen wie verträumt,

Berühre dann den Tisch wie Priester die Altäre

Und segne deinen Freund mit engelsgleichem Gruß!

Und trinkt dein Ehemann sein Bier aus einer Flasche,

So trink mit ihm kein Bier, trink du nur Chinas Tee

Und schenk den Becher voll und reiche mir den Becher

Und trinken will ich auch, wo du getrunken hast,

Daß meine Lippen dann berühren dort den Becher,

Wo kurz zuvor geruht dein süßer Purpurmund!

Und laß den Ehemann dir nicht ein Küsschen geben

Und deiner süßen Brust Rosinenspitzen, ah,

Daß er sie nicht berührt! Gibst du ihm doch ein Küsschen,

So rufe ich im Geist im Bittgebet zu Gott:
O Gott, gib mir den Kuß, die Küsse der Geliebten,

Sie sind von Ewigkeit vorherbestimmt für mich!

Des Rosenmundes Kuß, der Brust Rosinenspitzen,

Die schaue ich wohl an! Was unsichtbar, mein Gott,

Das flößt mir Schauder ein, ein heiliges Erschrecken!

Der straffen Schenkel Paar, die jüngst ich nackend sah,

Gib deinem Mann nicht hin, sie sind zu meiner Wonne!

Den nackten schlanken Fuß mit hennaroten Zehn

Stell nicht auf seinen Fuß, spiel doch mit meinen Füßen!

Der ich ein Sünder bin und lange Unzucht trieb,

Ich fürchte nun mit Angst, dass du die süße Sünde

Auch heimlich treibst im Bett, im schwülen Lotterbett!

Laß trinken deinen Mann vom Biere viele Flaschen,

Doch küss ihn nicht dabei, und ist er dann berauscht,

Sinkt er aufs Sofa müd, erschlafft ist seine Lende,

So treibt er nicht sein Werk in deinem Himmelsbett,

Schläft auf dem Sofa ein, vergisst die Pflicht der Ehe.

Wenn in der Menge wir dann wandeln unterm Volk,

Dann wie aus Zufall nur berühre meinen Körper,

Berühre meine Hand, berühre meinen Arm,

An meine Hüfte komm mit deiner Freudenhüfte,

Beweg die Hüfte dann im Rhythmus des Galopp

Und reib die Hüfte so an meiner Manneshüfte

Und lache heiß mich an, weil uns die Lust durchströmt!

Doch wehe, wehe mir! Die Weisheit dieser Worte

Hilft bis zum Abend nur, denn dann muß ich nach Haus,

Dann gehst du in dein Bett, ich schleich in meine Zelle

Und lieg allein im Bett und dort verzehr ich mich

Und schmachte, seufze, fleh, da tropfen heiße Tränen!

Und kommt dann doch einmal dein Gatte in dein Bett,

Will er für sich den Leib, so schenk ihm nicht die Seele,

Denn deine Seele ist im Geiste Gottes mein!

In seiner Ehepflicht, ich bitte euch, ihr Engel,

Soll nie mehr der Gemahl empfinden süße Lust,

So lässt er schließlich ab von diesem Freudenleibe!

Doch welches Sternbild auch dir leuchtet überm Bett,

Geliebte, morgen komm ich wieder, Vielgeliebte,

Dann sei mir fromm und treu und keusch im keuschen Bett!



3


Es war sehr warm, es war des Frühlings Mittagsstunde,

Ich streckte mich im Gras, um etwas auszuruhn.

Die Bäume gaben mir wohltuend kühlen Schatten,

Es war ein Zauberlicht, wie schöne Frauen es

Verzaubert lieben. Schau, da kam die schöne Lili,

Gehüllt ins weiße Hemd, der Zaubergürtel breit

Den Unterleib umschloß, und doch die Schnalle offen,

Der Gürtel hing herab verlockend und lasziv.

Das schöne schwarze Haar in schmachtend süßen Löckchen

Fiel auf den weißen Hals, schneeweißen Schwanenhals.

So war Kleopatra, die Dienerin der Venus,

Geschmückt vor Mark Anton in ihren Jugendreizen.

Sankt Thais war so schön, die süße Sünderin,

Die Konkubine, die sich Jesus nahm zum Gatten

Und durfte hochzeitlich in Jesu Himmelsbett!

Und Lili neigte sich zu mir im grünen Grase,

Die Brüste quollen vor, ich sah die Brüste nackt,

Das Hemd auch war verrutscht, ich sah die nackte Hüfte.

Da wollt ich voll Begier entreißen ihr das Hemd

Und sehen ihren Leib so splitternackt wie Eva!

Da tat sie schämig keusch, als fühlte sie nicht Lust,

Doch trat sie in das Bad, ich folgte wie ein Ochse,

Da sah ich vor mir stehn die schöne Lili mit

Der nackten Beine Paar, den nackten straffen Schenkeln,

Ein weißes Höschen nur verschleierte die Scham,

Das weiße Seidenhemd ließ schauen ihre Arme,

Der nackten Arme Paar zusammenpresste fest

Die prallen Brüste nackt! O welche Wonnebrüste,

O welche Schenkel, Gott! Vom Schneider stammte nicht

Die Schönheit Lilis, nein, sie stammt ja von dem Schöpfer,

Der schuf die Schönheit nackt! Fast, wie sie Gott erschuf,

Stand Lili da vor mir! Da war ich voll Begierde,

Zu pressen ihren Leib voll Lust an meinen Leib!

Dann ging sie wieder fort. Ich war mit Gott alleine.

Gott weiß, wie ich ergoß die Liebe im Gebet,

Die Tränen tropften heiß, gemischt mit heißer Sehnsucht,

Ich goß die Seele aus voll Sehnsucht meinem Gott!



4


Du, Lilis Freundin, hör! Schmachtlöckchen kräuselt Lili

Vorm Spiegel ungetrübt, du, Freundin, stehst bei ihr,

Ihr tut nach Weiberart mit Schwatzen und Geplauder

Wie Nymphensittiche, o Freundin, hör mich an,

Du hast mir früher oft geholfen bei der Herrin,

Und was ich dir gestand, das plaudertest du aus,

Wollt Lili ich gestehn der Eifersucht Gequäle,

So sagte ich es dir, du hast es ihr gesagt.

Und wollte wissen ich, wie Lili zu mir stehe,

So hab ich dich gefragt, du frugest Lili dann,

Was Lili dir gesagt, das hast du mir berichtet.

Du hast mir selbst gesagt, du kenntest Eros’ Pfeil,

Ich glaube aber doch, du kennst nur leichtes Ritzen,

Dann ritzt der Pfeil die Haut, das kitzelt etwas süß,

Das tut ein wenig weh, doch Eros’ Pfeil aus Feuer

Durchbohrt mir ganz das Herz, Fleischwunde ist das Herz,

Steht klaffend offen und verströmt das Blut, die Seele!

Ja, Eros sagte mir gar jüngst den Tod voraus:

An meinem Feuerpfeil und deiner Herzenswunde

Wirst sterben du, du stirbst mir einst vor Liebesschmerz!

Du, Lilis Freundin, du bist wie die Frauen alle,

Du bist ja schlechter nicht als all die Weiberschar,

Geschöpfe sind doch all und Engel nicht die Weiber,

So bitt ich, Freundin dich, bring diese Verse hier

Geschrieben auf Papier zu meiner Herrin Lili.

Was ich ihr sagen will, das steht in dem Gedicht.

Gib ihr die Verse erst in dem Moment der Muße,

Wenn sie vorm Becher sitzt und trinkt den grünen Tee

Und ist bereit zu Schwatz und liebevollem Plaudern.

Dann zeig ihr mein Gedicht, dann lese sie es gleich,

Nicht leg es auf ihr Bett, nicht leg es auf das Kissen,

Denn sonst vergisst sie es zu lesen in der Nacht.

Und liest sie das Gedicht, betrachte ihre Lippen,

Den süßen Lächelmund, schau, ob ihr mein Gedicht

Ein Lächeln zaubert süß auf ihre Wollustlippen,

Schau ihre Augen an, die Augen mandelschmal,

Der blauen Augen Licht, schau, ob ihr meine Verse

Erregen Glück und Lust und ob der Seelenstrahl

Aus Augenfenstern strahlt, der Strahl der Schönen Liebe.

Und las sie mein Gedicht, dann sag mir, was sie sprach,

Gib einen Kommentar, gib eine Exegese

Von Lilis Wonnemund. Jetzt aber weihe ich

Maria Vers um Vers im Tempel Unsrer Frauen:

Maria, ich bin dein und dein ist jeder Vers,

Kränz meine Dichterstirn mit einem Lorbeerkranze

Und segne Lili und die Freundin segne auch!



5


Schau deine Freundin an, o vielgeliebte Lili,

Die Krankheit ist zum Tod und raubte ihr das Haar,

Statt Haarschmuck der Frisur sie trägt nun eine Glatze

Und statt des Reizgewands trägt sie ein Trauerkleid.

Jetzt aber preise ich, o Lili, deine Haare!

Ich schaute ja schon oft, wie du vorm Spiegel stehst,

Wie du dein Haar frisierst, ja einmal auf dem Haupte

Dir quoll ein weißer Schaum, da färbtest du dein Haar

Mit Henna, schwarz dein Haar geschaffen von dem Schöpfer,

Doch färbtest du dein Haar mit Schaum von Henna rot.

Da standest du vor mir im grünen Sommergarten

Und deine Mähne lang gelockt und hennarot

Dir fiel auf deine Brust, du schütteltest die Haare,

Da bebte deine Brust, da schlängelte dein Leib,

Die Hüften schaukelten und schwankten voller Wollust!

Da warst du Venus gleich, wie Botticelli sie

Sah auf der Muschel Thron! Ach, weg mit diesem Bilde!

Was Botticelli sah an Simonetta, ist

Ein Püppchen, ein Idol! Du bist die wahre Venus!

Wenn du dein Haar frisierst, dein schwarzes Seidenhaar,

Und knotest es und steckst die Spange in die Locken,

Dann bist du Venus gleich, wie Botticelli sie

Im weißen Kleide sah mit goldnem Liebreizgürtel,

Da vor ihr lag im Gras der splitternackte Mars!

So trägst auch du dein Haar. Schmachtlöckchen meiner Muse!

Wenn eine Strähne fällt so lässig und lasziv

Und hängt dir vorm Gesicht und deine Wangen glühen,

Da bist du schöner noch als Botticelli sah

Die Muse von Florenz! Ach weg mit diesem Bilde!

Es ist ja Leinwand nur und Farbenschmiererei!

Doch deine Schönheit ist aus Leben, Blut und Glut,

Gottähnlichkeit und Geist, aus Zauber und aus Anmut,

Aus Grazie und Charme und himmlischer Idee!

Idee aus Fleisch und Blut, o Lili, deine Schönheit!

Und gestern sagtest du: Genauso trug ihr Haar

Großmutter Helena, ich hab von ihr die Schönheit,

Ich hab von ihr das Haar! Großmutter Helena!

Und wird dein Haar auch grau, o Helena von Sparta,

Großmutter, selbst im Grau der Haare Helenas

Sitzt Eros voller Macht, selbst in der grauen Strähne,

O Lili, Eros herrscht! Gott Eros herrscht in dir!



6


Gott Eros, bist du nie gesättigt und zufrieden?
Sei mir zuliebe doch gestillt, laß ab vom Zorn!

Gott Eros, kleines Kind, du sitzt in meinem Herzen

Und sitzen bleibst du dort auf deinem Herrscherthron.

Was peinigst du mich doch, mich, deinen Minneritter,

Der deiner Fahne dient, bei deiner Fahne schwört?

Was sengt mich deine Glut, wie schmerzen deine Pfeile!

Dir würde großer Ruhm, bekämpftest du den Feind,

Der keine Liebe kennt und nie der Liebe diente.

Mit einer Hand, mein Gott, schlägst du mit deinem Pfeil

Mein Herz und brichst es mir, doch dann mit deiner Rechten

Du spendest süßen Trost und machst mich voll des Glücks.

Bin ich dem Jäger gleich, der jagt die junge Hindin,

Und wenn er sie erlangt, dann lässt er von ihr ab?

Wir streben ständig doch als Sehnsuchtshungerleider

Und wird uns ein Geschenk, begehren wir noch mehr.

Doch spür ich deinen Pfeil und alle guten Menschen

Erfahren deine Macht, die Allmacht deines Pfeils,

Der Waffe Allgewalt! Dagegen deine Feinde,

Zur Liebe viel zu faul, die schonst du, großer Gott,

Die leben so bequem und gehn die glatte Straße.

Die Knochen stehn mir nackt, am nackenden Gebein

Wetzt du die Waffe scharf und schwächst mir Mark und Knochen.

Gott Eros, nichts blieb mir als knirschend mein Skelett!

So viele Männer und so viele schöne Frauen

Sind ohne Liebe noch. So triumphiere, Gott,

Es komm zu uns dein Reich, an uns gescheh dein Wille.

Die große Roma doch beherrscht vom Vatikan

Die Ökumene und die ganze Welt des Geistes,

Und hätte Roma nicht erobert jedes Land,

Wir lebten heute noch in Zelten in der Wüste.

Der Ritter ist nun müd, gib einen Garten ihm,

Zu ruhen von dem Kampf. Der Hengst ist jetzt ermattet,

Gib du ihm grünes Gras und einen frischen Quell.

Das Schiff kommt von dem Meer, es kämpfte mit den Wogen,

Laß ruhen es im Port, im Hafen angetaut.

So ist es auch für mich, den alten Minnesklaven,

Zur Ruhe jetzt die Zeit. Schenk, Gott, mir Seelenruh!



7


Wenn einer sagen tät: Du lebe ohne Liebe,

Ich sagte sicher Nein, denn ich bin Eros treu.

Ein süßes Übel ist die vielgeliebte Dame,

Und ist ein Dämon sie, so lieb ich dennoch sie.

Wenn meine Liebe stirbt zu meiner hohen Herrin

Und alle Liebesglut im Herzen mir erlosch,

Durchwühlt mir meinen Geist ein Wirbelsturm, ein Feuer,

Dann bin ich wie ein Hengst, der sich nicht zähmen lässt,

Dann bin ich wie ein Schiff, das schon dem Hafen nahe,

Vom Wirbelsturm zurück geschleudert wird aufs Meer,

So treibt mich Gottes Hauch, so haucht mich an die Liebe,

Und Eros nimmt den Pfeil aus Feuer in die Hand.

So triff, mein Herr, o Kind, ich lege ab die Rüstung

Und zeige dich mir nackt. Gott Eros, du bist stark,

Hier waltet deine Hand, hier kommen deine Pfeile,

Gehorchen dir aufs Wort. Bei mir ist ja dein Pfeil

Ganz heimatlich zuhaus und alle deine Pfeile

Vergaßen schon so ganz den Köcher, so sehr sind

Vertraut zuhause sie in meinem wunden Herzen!

Wie närrisch sind doch die und Feindes Eigentum,

Die lieben langen Schlaf, des Todes Zwillingsbruder.

Die ganze Ewigkeit kann liegen ich im Bett!

Ach, meiner Freundin Wort darf meine Seele täuschen,

Die Hoffnung auf das Glück beflügelt meinen Geist.

Heut spricht sie liebevoll und lächelt voller Liebe

Und morgen schmäht sie mich und redet Stichelei.

Wie überglücklich bin ich oft in ihrer Nähe

Und wehe mir, wie oft geh ich allein nach Haus,

Geprügelt wie ein Hund, von ihr zurückgewiesen!

Gott Eros, kleines Kind, du launenhafter Schelm,

Du Geist voll Wankelmut, du schenkst mir süße Wonne

Und dann verweigerst du den kleinsten Tropfen Trost!

Erhöre, Gott, mein Flehn! Erhör mich Gottes Mutter!

Herrsch du in meiner Brust, Gott Eros, du mein Herr,

Laß die Verführerin, die wunderschöne Herrin,

Auch in dein Liebesreich und in dein Paradies!

Dann preisen dich, mein Gott, die menschlichen Geschlechter,

Erotisch preisen Mann und Frau vereint den Gott!



8


Dich, Muschelarmband, weih ich Gott in Gottes Tempel,

Geh zu der Freundin nun, umschließe ihren Arm.

Des Muschelarmbands Wert bemisst sich nach der Liebe,

Was meine Liebe schenkt, ist liebendes Geschenk.

Soll der Geliebten Arm dich freudenreich empfangen,

Am schmalen Handgelenk du schmiege eng dich an.

Du passe ihr so gut, wie sie und ich verbunden

Vor Gott als Mann und Frau in aller Ewigkeit!

Glückselig bist du doch, geweihtes Muschelarmband,

Denn meine Herrscherin nimmt oft dich in die Hand

Und spielen wird mit dir das feine schlanke Händchen.

Ich bin voll Eifersucht und mich verzehrt der Neid

Und was ich selbst ihr gab, das macht mich eifersüchtig.

O könnt ich mein Geschenk durch heilige Magie

Verwandelt zauberisch in meinen eignen Körper!

Wenn meine Herrscherin berührt die nackte Brust

Und wenn sie ihre Hand lässt gleiten unters Hemdchen,

Dann gleite ich vom Arm und bleibe hangen dann

In ihrer Brüste Tal, gebettet zwischen Brüsten.

Und schreibt sie einen Brief, dann küss sie mit dem Mund

Das Muschelarmband süß an ihrem nackten Arme,

Doch sei’s ein Brief an mich, ein Gruß voll Freundlichkeit.

Und streift sie mich vom Arm und legt mich in ihr Kästchen,

So will ich ruhen dort vorm Spiegel, sie zu schaun.

Legt sie mich aber an und geht mit mir zu Bette

Und liegt sie nackt im Bett, will ich die Muschel sein,

Daran ihr Finger spielt, übt sie die Eigenliebe.

Und mit der Muschel schenk ich ihr mein ganzes Herz!



9


Ist irgendwo ein Mann, dem Minne eine Schande

Und Torheit Minnedienst, der wird mein Richter sein

Und sagen wird er mir, dass ich in Schande lebe

Und dass ich Unzucht treib und sündige im Fleisch.

Das sei der Urteilsspruch! Wenn aber doch Maria

Die Doppelpracht entblößt der süßen Brüste nackt

Und das Gericht beschwört, wird meine Seele jauchzen!

Maria schenkt mir ja des Herzens Liebesglut,

Der Liebe Flamme, die in ihrem Herzen lodert,

Die schickt sie in mein Herz, so steht mein Herz in Brand!

Ach, dient ich einer Frau, die immer milde wäre

Und immer süß und sanft und liebevoll und gut,

Doch die Verführerin, die über mich gebietet,

Die sagte gestern mir: Ich breche dir dein Herz!

Ja, allen Männern will ich ihre Herzen brechen!

Verfallen bin ich ihr, bin der Verführerin

Verfallen, bin versklavt, besessen von der Schönen!

Wie sie vorm Spiegel steht, so steht die Schönheit selbst

Vor ihrem Spiegelbild, das Bild und die Idee

Wetteifern um den Ruhm, ob schöner ist der Abglanz,

Ob schöner die Idee! Wenn sie sich schminkt und schmückt,

Dann werd ich rasend noch vor dieser Schönheit Liebreiz!

Der Schönheit Allgewalt durchströmt das ganze All,

Die Schönheit der Natur ist der Geliebten Schönheit,

Die Schönheit über mich regiert als Gott und Herr!

Ich bin der Schönheit Knecht und schaue auf zur Schönheit

Und sag zur Herrscherin: Laß walten deine Gnade,

Laß leuchten dein Gesicht und hab Erbarmen doch

Und neige dich zu mir und laß mich sein dein Sklave,

Dein Sklave und dein Freund! Odysseus lebte so

Als Mensch von Fleisch und Blut in göttlicher Kalypso

Lustgartenparadies! Und Venus makellos

Nahm dennoch sich Vulkan, den Schmied mit seinem Hammer,

Ob er auch alt und lahm. Die Gottheit neigt sich doch

Herab zum Menschensohn in Gnade und Erbarmen.

O Lili, nimm du mich als deinen Sklaven an,

Als Sklaven und als Freund, und wie du immer möchtest,

Als Philosophenfreund, als Liebesliederdichter,

Als Seher, Gottesmann, als lieben Kinderfreund,

Willst du mich nicht als Mann zur Buhlerei im Bette,

Gehorchen will ich dir und übe streng Verzicht!

Sei du mir Richterin und richte meine Weisheit

Und richte jedes Lied, du brauchst dich deines Ruhms

Ja nicht zu schämen, ich bin ein berufner Dichter!

Wir werden unsre Lust und unsre Liebesglut

Verleugnen nicht vor Gott und alle Welt darf wissen,

Wie wir vereinigt sind, wie Gott und Mensch vereint!

Ich habe keinen Schatz von tausend Diamanten,

Ich schenke dir kein Schloß, ich schenk dir Verse nur,

Doch nicht nur einen Vers, zehntausend Liebesverse!

Du, Lili, frugest mich: Schreibst du für andre auch

Und sangest Liebe du auch andern schönen Frauen?

Ich sagte: Einmal nur, als eine Freundin starb,

Da schrieb ich einen Vers in einer fremden Sprache,

Zehntausend Verse doch und sieben Bücher schrieb

Ich über dich allein, du unerschöpfte Quelle,

Die küssend inspiriert, du bist allein mein Lied.



10


Du elender Hanswurst von einem Ehemanne,

Bewach dein schönes Weib, ach, mir zuliebe nur,

Damit der Lockung Reiz mir immer stärker werde!

Erlaubtes lockt mich nicht, doch die verbotne Frucht

Von der Erkenntnis Baum, ach, die verbotne Feige,

Die weckt in mir Begier! Was jeder leicht erlangt,

Ist nicht begehrenswert. Ich liebe nur die Schönheit,

Die hat ein Herz von Stein! Die Hoffnung halt ich wach

Und die verzagte Furcht. O Lili, hin und wieder

Verachte und verschmäh mit hartem Herzen mich,

Verschließe mir dein Herz, hab einen Stein im Busen

Und schenk nicht, was ich wünsch, und meine Lustbegier

Befriedige mir nicht! Was soll ich mit der Liebe,

Die niemals mich enttäuscht, die nie das Herz mir bricht?

Ich lieb die Liebe nur, die reich an Liebesschmerzen,

Die Liebe, die ans Kreuz wie meinen Herrn mich schlägt!

Die weise Lili hat verstanden meine Seele,

Sie weiß um meine Art zu lieben und so weiß

Sie mich Gefangenen im Kerkerloch zu halten.

Oft weist sie mich zurück, verbietet meinem Mund

Der Huldigungen Glut: Nein, sprich mir nicht von Liebe,

Sei mir ein Kamerad! Komm nicht ins Schlafgemach,

Laß mich allein im Bett, ich will im Bett studieren!

Sprich von der Liebeskunst und von der rechten Weise

Der Sexualität, doch rühre mich nicht an!

So sagt mir Lili oft. Und wenn ich dann erkalte,

Schau kleinen Jungfraun nach, dann wacht sie in der Nacht

Mit einem andern Mann, und glühend noch vor Wollust

Liegt müde sie im Bett am lichten Nachmittag

Und reizt die Eifersucht in meinem alten Adam

Und wieder lodert auf der Hölle Leidenschaft

Und brennende Begier verlangt nach meiner Herrin,

Die unerreichbar liegt vor mir, ein Paradies!

Ich seh das Paradies, ich schau es mit den Augen,

Fast greife ich die Frucht, und darf doch nicht hinein!

Ich darf noch nicht hinein! O Himmel, hab Erbarmen,

Schließ auf die Himmelstür und laß mich in die Lust,

Ins Gartenparadies, mich in den Schoß der Gottheit!

O, Lilis Süßigkeit ist wirklich honigsüß,

Wenn sie mich sanft liebkost mit der gelehrten Zunge

Und sie vom Liebesspiel so schön zu lehren weiß

Und intellektuell wir geistig Hochzeit feiern,

Wo Eros Weisheit ist, wo Weisheit Eros ist!

Doch wenn ich bettele und knie vor deinem Bette,

So sag mir immer Nein! Und lieg ich selbst im Frost

Wie tot vor deiner Tür, dann öffne nicht die Pforte,

Dann laß mich nicht hinein, gewähr mich nur den Tod!

So wird die Liebe fest wie umgeglühtes Eisen,

Geläutert in der Glut die Liebe wird zum Gold.

So wächst die Liebe nur durch meine Liebesschmerzen,

Je mehr ich leide Qual, je mehr die Liebe wird

Der Liebe Gottes gleich! Ja, Unsre Frau Maria

Ist doch verschlossen auch, ist die verschlossne Tür,

Lustgartenparadies verschlossen ist Maria,

Und so begehrt sie Gott und sie wird Gottes Braut

Und Mutter Seines Sohns, weil sie so unerreichbar

Jungfräulich, keusch, im Schoß das Jungfraunhymen heil,

Die Jungfrau noch intakt, die keinen Mann erkannte.

O Lili, Herrscherin, willst du als Herrscherin

Regieren lange noch, beherrschen deinen Sklaven,

So laß mich niemals ein, laß niemals mich ins Bett,

Sei launisch, lieblos, hart, gewillt mein Herz zu brechen,

Ja, brich mir oft mein Herz, du Schmerzenskönigin!

Ah wehe, wehe mir, sie wird das Herz mir brechen

Und ich mit diesem Lied, ich bitte sie darum!

Die lieb ich, die mich hasst, und die mich liebt, die hass ich,

So König David schon in seinen Psalmen sang.

Was ich erlangen kann, das will ich nicht behalten,

Was immer vor mir flieht, begehr ich ewiglich!

Du elender Hanswurst von einem Ehemanne,

Bewache doch dein Weib, bewache doch ihr Bett!

Die schöne Lili sprach: Bring du mein Kind zu Bette!

Der dumme Ehemann erlaubte das sogar.

Ich lag in Lilis Bett, bei ihrem kleinen Knaben,

Der Schelm, der Knabe sprach: Schläfst du hier heute Nacht?

Schlaf du doch heute Nacht im Bett bei meiner Mama!

O Knabe, süßer Schelm! Da schlief der Knabe ein,

Ich lag in Lilis Bett und roch an ihrem Kissen

Und drückte mein Gesicht ins Kissen, oh wie süß

Roch der Geliebten Bett nach ihrem lieben Körper,

Die Decke drückte ich voll Glück an meinen Leib

Und rieb verliebt den Leib voll Glut an Lilis Decke

Und fühlte heiße Lust in diesem Himmelsbett

Und goß die Seufzer aus, ah, meine Tränen tropften

Vor Elend und vor Glück! Hanswurst von Ehemann,

Verwehr in Zukunft mir, zu ruhn in diesem Bette,

Denn auch ins Allerheiligste des Tempels Salomos

Der Hohepriester darf nur einmal jährlich treten.

Du alter Hund und Narr, bleib weiter mein Rival,

Verwehre mir das Bett, bewache mehr die Herrin,

Sonst, Gott bewahre, schenkt sie mir noch einst den Leib!



11


Ich träumte in der Nacht, und siehe, was ich träumte,

War dieser Traum der Nacht: Auf einer Wiese grün

Die Eichen standen stark, Gevögel in den Zweigen,

Der Wiese grünes Gras war üppig, voll von Saft,

Feucht von den Tropfen Tau. Ich suchte in dem Schatten

Der Hitze zu entgehn, des Maien Sonnenglut,

Doch auch im Schatten war so dampfend heiß die Schwüle.

Ich schaute Blumen an, der Herzenstränen Busch,

Die Tulpe glüht rot, im Schoß den Samenstempel.

Da sah ich eine Kuh, sie war so weiß wie Schnee,

Das Euter prall von Milch, die Kuh in ihrer Weiße

Glicht Milch und weißem Schaum, und bei ihr stand der Stier,

Ihr Gatte war der Stier mit einem Horn voll Stärke

Und Lenden voller Macht! Sie lagen in dem Gras,

Wie ehelich im Bett, genossen ihre Mahlzeit,

Der Mahlzeit frisches Kraut, und noch ein zweites Mal

Genossen sie das Mahl von frischen grünen Kräutern.

Der Stier ward müde und entschlummerte im Schlaf.

Da kam von einem Baum zur weißen Kuh hernieder

Die Krähe mit Gekrächz, die Krähe finster schwarz,

Den Schnabel bohrte sie der Milchkuh in den Busen!

Die weiße Kuh erhob sich von dem grünen Gras,

Da in der Ferne sah sie eine Herde Stiere

Und sie gesellte dort sich einem andern Stier.

O Seher, sage mir, was dieser Traum bedeutet?

Ich sage dir des Traums Bedeutung, lieber Mann:

Die heiße Sonnenglut, die du vermeiden wolltest

Im Schatten kühl und keusch und konntest doch nicht fliehn,

Das ist der Liebe Glut. Was immer du versuchtest,

Die Hitze blieb bei dir, der schwülen Liebe Dampf!

Die Kuh, wie Schnee so weiß, ist deine makellose

Geliebte, und du bist ihr Gatte und ihr Stier,

Und das genossne Mahl ist allzeit die Gemeinschaft

Beim Mittagsmahl mit ihr. Die Krähe finster schwarz,

Das ist das Lästermaul, die üble falsche Freundin,

Die voll von bösem Klatsch mit ihrem Plappermaul

Die Herrin lästerte und fluchte deiner Herrin.

Doch dass die weiße Kuh zu einem andern Stier

Gegangen ist, das heißt, sie sündigte in Unzucht.

So sagte der Prophet. Und als ich das vernahm,

Wich alles Lebensblut aus meinen Lebensgliedern,

Mein Antlitz ward zu Stein, ich sank in dunkle Nacht!



12


Ich bin ja dein Poet, o Mutter schöner Liebe,

Du hast ja keinen sonst, der dich besingt wie ich,

In aller Demut ich bekenn in meinem Stolze,

Noch nie hat ein Poet Madonna so verehrt,

Wie ich als Dichter tat und ewig singen werde

Madonna, noch dereinst im Gartenparadies

Des Liebeshimmels will ich die Madonna singen!

Gedichtet hab ich nun für Lili dieses Lied,

Der Liebeslieder Strauß für meine Schöne Dame,

Der Elegien Buch für die Verführerin.

Es ist die Ritterzeit der süßen Minnesänger

Ja lange schon vorbei, doch ich bin immer noch

Der alte Minneknecht, geringster Minnesklave,

Der letzte Ritter bin ich in dem Tränental,

Im Erdenjammertal der letzte Minneritter.

Geboren wurde ich in Friesland an dem Meer,

Der Friesen stolzes Volk sonst hatte keinen Dichter,

In Hamburg dichtete und hoch in Dänemark

Der Halbgott Klopstock wohl, allein jetzt hat die Weisheit

Dem Volk der Friesen auch geschenkt die Gunst und Huld,

Die freie Frisia hat einen wahren Dichter,

Der singt das Frauenlob! Ich wohn in Oldenburg,

Weil die Geliebte hier geboren, meine Herrin,

Die große Liebe mein, die keiner liebt wie ich,

Die meines Lebens Leid und Lust und heiße Wollust,

Und sagen wird man einst: Glückselig, Oldenburg,

Daß solche schöne Frau, die ähnlich ist der Gottheit,

Auf Erden hier gelebt, lebendig hier gewandelt,

Daß solcher Dichter sie besang in Oldenburg!

Ein Denkmal wird man dann errichten dem Poeten

Und seiner Muse Bild wird das Entzücken sein,

Das junge Dichter einst beflügelt zur Verklärung

Der allerheiligsten Urschönheit in dem Herrn!

Nun weihe ich mein Lied Maria, Gottes Mutter,

Der Gottesmutter Sohn, dem süßen Jesuskind!

Komm, Muse, küsse mich gewaltig und berauschend,

Komm, Muse, küsse mich, schenk mir ein neues Lied!





LIEBESEPIGRAMME



1


Die Lampe füll mit Öl, die Zeugin unsrer Liebe,

O Lili, füll mit Öl die Lampe bis zum Rand!

Gott Eros duldet nicht, dass andre Zeugen zeugen,

Als nur der Lampe Öl, geheimnisvoller Lust.

Nun schließe auch die Tür, verbirg dich in der Kammer,

In das Verborgne schaut geheimnisvoll der Gott.

Jetzt küss mich, Lili, komm, im Himmelsbett der Liebe

Will ich belehren dich in mystischer Union.



2


O Lili, liebe Frau, dein Dodo wünscht dir Wonne,

Falls du genießen kannst die Lust, bist du mir fern!

Bei deiner Augen Licht, ich leide an der Trennung,

Daß ich geschieden bin und einsam bin im Bett!

Ob ich zum Walde geh, ob in die Gotteskirche

Marias, überall vergieß ich Tränenflut!

Doch morgen wieder grüßt mein heimatlicher Garten,

Ich schau dich wieder an! Bis dahin, Lili, Heil!



3


O Lili, nach dem Bad wir schmücken uns mit Blumen

Und heben heilig froh den Becher unsres Bunds,

Die Wonne währt nur kurz. Das Alter wird uns plagen.

Zuletzt erwartet uns die Hochzeit mit dem Tod.



4


Schon vierzig Jahre hat vollendet meine Lili,

Noch wallt ihr lang und schwarz das seidenglatte Haar,

Noch stehn die Brüste straff gleich weißen Marmoräpfeln,

Kein Büstenhalter ihr die Brüste fesseln muß,

Ihr lieber weißer Leib ist fleckenlos und atmet

Der Gottheit Lebenshauch, geschmückt mit Reiz um Reiz!

So eile, lieber Freund, hab keine Angst vorm Triebe,

Komm und vergiß, wie alt die schöne Lili ist.



5


Wie köstlich, süß und keusch die Küsse meiner Lili,

Die auf die Lippe haucht den zärtlich-sanften Kuß!

Sie haucht nicht nur so leicht, sie saugt mit vollen Lippen

Das Mark mir aus dem Bein, die Seele aus dem Leib!



6


Dir, Lili, sagte ich: Auch uns erreicht das Alter,

Dann plagt es mich nicht mehr, dass du dich mir versagst!

Die Haare werden grau, das Antlitz voller Falten,

Um deinen süßen Mund kein Lächeln mehr voll Lust,

Dann auf der Straße schaut dir keiner nach, Geliebte.

Nur Fromme pilgern noch zu unser beider Grab.



7


Geliebte Lili, wer hat dich denn so geprügelt,

Gejagt dich aus dem Haus und schimpfte dir noch nach?

Hat er ein hartes Herz von Steinen oder Eisen,

Ist er denn blind und taub für deine Lieblichkeit?

Kam er zu früh zurück von seines Tages Arbeit

Und fand in deinem Bett den Buhler beim Gebuhl?

Das ist ja so der Brauch, so ist der Kult der Minne,

Die schönen Damen all die Freier weihten ein.

Die Weisheit lehrt dich nun: Verschließe fest die Türe,

Daß keiner dich erwischt, ergötzt du dich an Lust!



8


Vor Eros fliehn? Umsonst! Wie könnte ich entkommen?

Flieh ich zu Fuß, der Gott geflügelt mich verfolgt!



9


Die Jahre und die Zeit vermindern nicht dein Schönsein,

Der Gottesschönheit Spur ist immer noch an dir

Wie in der Jugendzeit, dir blieb der Grazie Liebreiz,

Die Äpfel deiner Brust umschwebt noch Himmelsduft.

Wie du mein Herz verbrannt in göttingleicher Jugend,

Da du erschienen bist als Gottheit inkarniert!



10


Mein Gott, ich war allein mit der geliebten Lili,

Da kniete ich vor ihr und flehte vor der Frau:

Ich bin dem Tod geweiht, ich bin schon fast gestorben,

Erlöse mich, o Frau, und schenk mir Lebenslust!

Da wurde traurig sie, sie trocknete die Tränen,

Berührte zärtlich mich und – schickte mich dann weg.



11


Hier bring ich dir den Kranz, den ich für dich gewunden,

Die Blumen flocht ich dir mit meiner rechten Hand:

Die Rose mit dem Dorn, die Tulpe mit dem Nektar,

Den Herzenstränenbusch und das Vergissmeinnicht.

Setz dir den Kranz ins Haar und laß von deinem Stolze,

Die Blume welkt dahin und du wirst welken auch.



12


Ich kämpfte voll Vernunft mit meinem Gotte Eros,

Da habe ich gesiegt, als Mensch besiegt den Gott!

Gott Eros aber nahm den Becher neuen Bundes,

Des Bundesblutes Gott besiegte mich zuletzt!



13


Ich warb um Frauen schön, ich ehrte fromme Freunde,

Ich trank den roten Wein, wer trinkt nicht gerne Wein?

Der Frauenliebe Kult, die Freundschaft und das Zechen,

Das muß ich jetzt verschmähn, das Alter kam zu mir.

Zur Zeit der Lust voll Lust genoß ich wilde Wollust,

Jetzt aber will mein Gott Entsagung und Verzicht!



14


O Lili, Himmelsduft, du duftest ja so lieblich,

Erwach von deinem Schlaf, ich schenke dir den Kranz,

Den meine Rechte flocht! Heut blühen diese Blumen,

Doch morgen schon verwelkt die Blüte, sinkt ins Gras.

So ist der Frühling auch in unserm Frühlingsgarten,

Der Blumen Blume du in Pracht und Herrlichkeit!



15


Schenk mir den Becher voll und trink den Wein für Lili,

Vermische den Gesang mit purpurrotem Wein,

Im Haar den Lorbeerkranz, von Salböl feucht der Freude,

Von gestern stammt der Kranz, der schönen Lili Kranz!

Die rote Rose weint, der schönen Liebe Freundin,

Denn Lili wird umarmt, doch leider nicht von mir!



16


Magnolienbäume blühn, es blühn Kastanienbäume,

Es schäumt der Löwenzahn, die Pusteblume schäumt,

Es blüht Vergißmeinnicht im schmalen Gartenbeet,

Die Tulpe hegt im Schoß den breiten Samenstempel,

Von süßem Nektar feucht, die Biene leckt daran,

Der roten Rosen Busch ist stolz auf seine Dornen.

Was soll mir dieser Duft, dies lenzliche Parfüm?

An meiner Freundin Bett roch heute meine Nase,

Berauschender der Duft als aller Blütenduft!



17


O Himmelskönigin, o Große Gottesmutter,

Der Liebe Königin, erhöre doch mein Flehn:

Liegt je ein andrer Mann als ich in Lilis Bette

Und presst sich an den Leib, der seinen Schlummer scheucht,

Das Licht verlösche dann und er in ihren Armen

Sei abgestorben schlaff, wie Josef war bei dir!



18


O Nacht! Ich schlafe nicht, ich sehne mich nach Lili!

Wie muß ich weinen doch in großer Sehnsuchtsqual!

Hat sie mich gar nicht lieb? Denkt sie noch ihres Freundes,

Der ihr gelegt ins Bett den liebevollsten Gruß?

Und geht sie müd ins Bett, denkt sie dann ihres Freundes,

Umarmt sie dann im Geist des Freundes nackten Leib

Und spielt der Liebe Spiel, gelehrte Liebesspiele?

Erlischt der Lampe Licht, bewahre mir die Nacht

Den vielgeliebten Schatz, die unbefleckte Perle,

Die ich im Acker fand, der großen Liebe Schatz!



19


O Becher meiner Lust! Denn die geliebte Lili

Den Rand des Bechers mit dem Munde hat berührt!

Dem Wollustbecher Heil! Nun sauge ihre Lippe

Mir meine Seele aus, den Geist in sich hinein!



20


Wie schrecklich Eros ist, wie schrecklich! Doch vergebens

Ich klage meinen Gott als furchtbar schrecklich an!

Der kleine Gott, das Kind, das lacht nur laut und spottet!

Verklag ich meinen Gott, gerät mein Gott in Zorn!

Der Liebe Königin ist wie ein Meerestropfen,

Die sie gebar den Gott, der heißes Feuer ist!



21


Orion, Großer Bär, und Mond, das Licht der Liebe,

Du meine Flöte auch, getreu dem Liebeslied,

Schau die Geliebte ich noch wach in ihrem Bette?

Schafft ihr ein Andrer Lust? Dann meinen Lorbeerkranz,

Benetzt mit Tränentau, häng auf ich an der Haustür

Und schreib dazu den Vers: Maria, Dodo weiht,

Was ihm von Liebe blieb, dir, Königin der Liebe,

Ich bin ja dein Poet, der nichts als Liebe singt!



22


Die Lederpeitsche und die Lederzügel weihte

Die schöne Lili Gott, die bei den Pferden stand,

Denn Lili überwand die Frau mit roten Locken,

Als sie den Rappen ritt! Der Rappe wieherte,

Der Rappe hob das Haupt, es bebten seine Flanken,

Als Lili ritt den Hengst! Maria, Liebe Frau,

Auf ewig hab den Ruhm der Reitkunst meine Lili!

Verewige den Sieg, den sie erring im Ritt!



23


Der Liebe Freudenmahl, der Liebe Sehnsuchtstränen,

Die Flammen treiben mich, der eben fast entkam,

Zurück zur Königin der Liebe, der Geliebten.

Ich kann von Eros doch nicht lassen, ob die Qual

Der Sehnsucht mich auch brennt! Es ist nicht zu berechnen

Des Lebens Liebe und der Schmerz, den Gott mir schenkt!



24


Freund, liebst du eine Frau, bewahr dein Selbstbewusstsein,

Sei nicht dem Sklaven gleich, dem Bettler nicht, dem Wurm,

Sei nicht verzagt und bang und bettle nicht um Liebe,

Beherrsche dich, mein Freund, und die Gefühlte halt

Im Zaum, und trag die Stirn erhoben voller Würde

Und deiner Blicke Gier sollst züchtig hemmen du

Und weise sei und klug! Verleih dir Gott die Weisheit!

Verachtet und verschmäht von schönen Frauen wird

Der Liebe Überschwang, sie höhnen nur und spotten

Den Freier, der zuviel Gefühl der Schwärmerei

Vor einer Frau ergießt! Du wirst der Liebe Meister,

Wenn liebendes Gefühl geheimer Leidenschaft

Gepaart wird mit der Kraft und Festigkeit des Mannes,

Dem Maß, der strengen Zucht, erhabner Würde Stolz!



25


Ach, Lili nahm ein Haar aus ihrer schwarzen Haarpracht

Und fesselte damit die Hände mir und ich

Glich dem gefangnen Mann. Doch ich begann zu lachen,

Ich wähnte da im Wahn, die Fesseln dieser Frau

Könnt ich zerreißen leicht. Die Kraft mir aber fehlte,

Daß ich das Haar zerriss. Ich musste stöhnen, ach,

Als läg ich im Verließ, mit Eisen angekettet!

Ach dreimal elend ich! Ich hänge an dem Haar

Und folge dieser Frau, wohin sie herrisch zieht!



26


Ich brenne sehnsuchtsvoll und schmelze hin in Sehnsucht,

Doch einmal unverhofft die schöne Lili kam,

Wie sehr war ich verwirrt, geblendet von der Schönheit,

Geblendet von Vernunft und Weisheit dieser Frau!

Die Kniee zitterten, im Herzen war ein Flattern,

Es brannte die Begier im kochendheißen Blut

Und meine Seele, ah, ertrank im Meer der Liebe!

So ist mein Schiff zerschellt, ob ich auch leb im Land.

O vielgeliebte Frau, erlöse meine Seele!

Mein Anker ankern will in deinem Meeresgrund!



27


Hartherzig schloß die Tür vor mir die schöne Lili

Und sprach ein bittres Wort aus ihrem Herzen hart:

Du hast mich schwer gekränkt, so handelt nicht die Liebe!

Vergeblich war ihr Wort. Denn all ihr Spott und Hohn

Reizt meine Liebe nur und macht die Liebe stärker,

Unbändig ist mein Drang erotischer Begier!

Doch schwor ich feierlich den Heiligen und Engeln,

Ein Jahr lang nicht zu sehn die schöne Lili, ach,

Am Morgen schmachtete ich Lili wieder an!



28


Hier offenbart Natur mit blütenreichen Zweigen

Den schönsten Liebreiz, den der Blüte Schoß mir zeigt,

Im Eichenschatten hier, hier unter den Kastanien,

Hier gurrt das Taubenpaar, das flügelschlagend ruckt,

Die Elster kündet an den Gast, der gern gesehen,

Der Reiher kommt vom Teich, der hocherhaben schwebt,

Die Ente watschelt dort, vermählt dem treuen Erpel,

Die Heckenrose blüht mit spitzem scharfem Dorn,

Die Amsel singt ihr Lied, die süße Meise flötet.

Doch mehr als Vogelsang, mehr als der Nachtigall

Geliebtes Frühlingslied, ist deine Stimme lieblich,

O Lili, wenn du sprichst, hör ich im Himmel schon

Der Hochzeitsglocken Schall! Wie gerne möcht ich sehen

Und hören dich, o Frau, o Herzenskönigin,

Doch deine Arbeit hält dich fern vom Liebesgarten,

Doch bald kommt angehüpft mein süßes braunes Reh!



29


Gott Eros stürmt heran, er achtet nicht die Sitten

Der bürgerlichen Welt! Wer glüht in Leidenschaft,

Tut keine Arbeit mehr, die an der Liebe hindert!

Was ist das für ein Narr, der stumpf die Arbeit tut

Und nicht zum Weibe fliegt mit Sturmwind in den Flügeln?

Er kennt die Liebe nicht, ein Toter und ein Narr!

Ich hab doch meinen Hengst, den Sporn nur in die Flanke!

So reite auf dem Sturm in der Geliebten Schoß!

Und du, mein Philosoph, dienst nicht der Lust der Liebe?

Sophia suchst du nur in alter Bücher Staub?

Wo ist der Weise, der zugleich ein Mann voll Liebe?

Wer kennt die wahre Kunst des Lebens, wer vereint

Sophias Intellekt mit Eros’ weißer Glut?