Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

BEKENNTNISSE


Autobiographisches Versepos

von Josef Maria Mayer


„Unruhig ist unsere Seele, Gott, bis wir ruhen in dir!“
(Augustinus)



ERSTER GESANG
LIED AN MEINEN SOHN


DIE ERKENNTNIS GOTTES

Mein Milan, willst du Gott erkennen,
So wisse, wer dich lehren kann.
Die Philosophen nicht des Ostens,
Die Philosophen nicht des Westens,
Auch nicht die alten Mythen-Dichter
Und nicht die lügenden Propheten
Befrage nach Erkenntnis Gottes,
Du frage Jesus, Gottes Sohn!

Denn Jesus kam herab vom Himmel
Auf diese Erde zu den Menschen,
Um Gottes Wort zu offenbaren.

Und Jesus Christus nennt nun einmal
Gott seinen Vater in dem Himmel.
Das lass dir nicht verleiden, Milan,
Von revolutionären Frauen,
Die stecken tief in vielen Sünden.

Gott ist die Liebe, nichts als Liebe,
Da Gottes Art die Liebe ist,
Ist Gott nicht einsam als Person,
Vielmehr der liebevolle Vater
Liebt Jesus, seinen lieben Sohn,
Und beider Liebe füreinander
Ist die Person des Heilgen Geistes.

Der Vater ist der alte Gott,
Schneeweiß die Haare und der Bart,
Er sitzt auf einem weißen Thron,
Und ihm zu seiner Rechten steht
Der Gottessohn, der Menschensohn,
Und zwischen Gott, dem alten Gott,
Und seinem einzig-lieben Sohn
Wie eine Turteltaube schwebt
Die Schöne Liebe, Ewge Liebe!

Und schau, der Liebe Turteltaube
Lässt nieder sanft sich auf das Haupt
Des reinen Mädchens Sankt Maria.

Das reine Mädchen Sankt Maria,
Sie ist die Frau der Offenbarung,
Die immerwährend reine Jungfrau
Im Herzen der Dreifaltigkeit.

Mein Sohn, ergreif Marias Hand,
Sie wird dich führen in das Leben
Im Inneren der Gottesliebe!


DIE PROPHETEN

Mein Sohn, beginn die Schrift zu lesen,
Du lies das Evangelium,
Und wenn du Jesus Christus dann
Begegnet bist in seinem Wort
Und hast ihn in dich aufgenommen,
So mach es nicht wie jene Narren,
Die schmähn das Alte Testament
Als Zeugnis eines Rachegottes.

Du wirst das Evangelium
Dann besser, tiefer noch verstehen,
Wenn erst du das Gesetz des Moses
Studierst im Hinblick auf den Christus.
Denn Moses als Prophet ist groß
Und er verweist auf den Propheten,
Der aus den Juden aufstehn wird,
Das ist der Herr, der neue Moses.

Wenn Moses' Bücher du studiert,
Studiere die Propheten auch,
Und mach es nicht wie jene Toren,
Die da von den Propheten nur
Jesaja gelten lassen, nein,
Lies Jeremia auch und lass
Dich nicht erschrecken vom Propheten,
Und mach es nicht wie jene Toren,
Die keuscher sind als Gott der Herr,
Verwirf du die Propheten nicht,
Wenn in erotisch kühnen Bildern
Sie von der Hochzeit Gottes sprechen.

Wenn du studiert hast die Propheten
Und auch nicht nur die großen vier,
Auch die zwölf kürzeren Propheten,
Dann lerne du das rechte Beten
Vom Psalter mit den Psalmen Davids,
Denn in den Psalmen findest du
Den Dank, die Bitte, Lob und Klage
Und also wirst du selbst ein Beter,
Der von dem Geiste Gottes selbst
Die Kunst des Betens hat gelernt.
Verschmähe du auch nicht die Schriften,
Die nennt man deuterokanonisch,
Und gehe gerne in die Schule
Der Weisheit. Lern von Salomo,
Doch lerne auch von Jesus Sirach.
Wenn du der Weisheit Schüler wirst,
Wirst einst du selbst ein Weisheitslehrer.


LOBPREIS DER GÖTTLICHEN SCHÖNHEIT

O Milan, preise Gott den Herrn,
Sing Halleluja, o mein Milan.
Zwar unsre Lobpreislieder können
Die Herrlichkeit des Herrn nicht mehren,
Ist doch die Herrlichkeit vollkommen,
Doch uns gereicht es sehr zum Heil,
Wenn oft wir Halleluja singen.

Und köstlich ist es, Gott zu danken
Für die empfangenen Geschenke,
Doch besser ist es, Gott zu preisen,
Weil er so schön und herrlich ist.

Und wenn du schöne Mädchen siehst,
So denke immer gleich daran,
Wie schön doch erst der Schöpfer sein muss,
Der Schöpfer dieser Mädchenschönheit!

Und schau dir eine schöne Frau an,
So wird sie heut dir schön erscheinen,
Doch morgen ist sie nicht mehr schön.
So werden ihre jungen Brüste
Dir nackig wunderschön erscheinen,
Jedoch der Popo ist zu breit.
Dir wird sie schön erscheinen zwar,
Doch deinen Freunden nicht so sehr.

Die höchste Gottesschönheit aber
Ist schön, für alle Zeiten schön,
Sie ist in jeder Hinsicht schön,
Und alle, die sie einmal schauten,
Die Schönheit fanden alle schön,
In allen ihren Gliedern schön
Und schön in alle Ewigkeit.

Verglichen mit der Gottesschönheit
Sind alle schönen Frauen hässlich.

Wenn schon ein junges hübsches Mädchen
Entzückt den Mann von fünfzig Jahren,
Wie sehr verdient die Schönheit Gottes
Dann die Begeisterung des Menschen!

Und wenn die wunderschöne Frau
Dir ihre Huld nicht schenken will,
So denke, dass die schöne Gottheit
In ihrer makellosen Schönheit
Sich ewig schauen lassen will,
Im Himmel wirst du sie genießen!

So strebe eifrig, o mein Milan,
Nach dem Genuss in Ewigkeit,
Wo du genießt die Schönheit Gottes!


DER GOTTESDIENSTLICHE KULT

O Milan, sei der Kirche treu
Und ihrer Hierarchie von oben
Und glaube an die Worte Jesu:
Dies ist mein Leib, dies ist mein Blut!
So nimm in deine Seele auf
Den auferstandnen Jesus Christus,
Dass du nicht selbst mehr lebst, dein Ego,
Vielmehr dass Christus in dir lebt,
Dass Jesus Christus in dir leidet,
Dass Jesus Christus in dir stirbt,
Der Herr in dir zum Hades fährt,
Dass Christus in dir aufersteht,
Der Herr in dir gen Himmel fährt!

Und folge nicht den leeren Toren,
Die gottlos nur vollziehn die Riten
Und wissen gar nicht was sie tun,
Da sie als gottvergessne Sünder
Den wahren Leib des Herrn empfangen
Und sind bekehrt nicht, sind nicht gläubig!

Und folge nicht den andern Toren,
Die Jesus Christus folgen wollen
Und meditieren stets sein Wort
Und doch nicht feiern Kommunion
Mit Leib und Blut des Herrn und Heilands,
Der Seele und der Gottheit Christi,
Sind ungehorsam Gottes Wort:
Tut dieses um an mich zu denken,
Mein Fleisch ist eine wahre Speise,
Und wer den Leib des Herrn nicht aufnimmt,
Hat nicht das Leben Christi in sich!

Und wenn die gottvergessnen Sünder
Beleidigen die Kirche Gottes,
So bleibe du doch treu der Mutter
Ecclesia, die dich ernährt
Mit Manna, das vom Himmel kommt,
Und stimme ein nicht in den Chor
Der sittenlosen Lästerzungen,
Die nennen Christi Braut, die Jungfrau,
Die nennen sie die Hure Babel
Und Tyrannei des Antichristen.

Du bleibe stets der Kirche treu
Und bleibe treu dem Abendmahl,
Dann ist dir ewges Leben sicher!


VATER UND MUTTER

Mein liebster Sohn, vergiss auch nicht
Und bis ins Alter du gedenke,
Wie deine schöne Mutter sang
Zur Zeit der Weihnacht Kinderlieder
Von der Geburt des heilgen Christ!

Gedenke, Sohn, wie deine Mutter
Dich abends in das Bett gebracht
Mit reinen kindlichen Gebeten
Und dir von deinem Engel sprach
Und von Mariens Sternenmantel,
Vom Christuskind im Paradies!

Mein Sohn, vergiss nicht in dem Lärm
Und dem Geschreie dieser Welt
Des Vaters weise Glaubenslehre,
Der dir erzählt vom Kinde Moses,
Von der Befreiung Israels
Aus der Ägypter Sklaverei
Und wie der wahre Gott des Lebens
Als Feuer brannte in dem Dornbusch,
Und wie der kleine Knabe David
Besiegt den Riesen Goliath
Mit einer Schleuder und Gebet,
Wie Vater Abraham bereit war,
Den eignen Sohn dahinzugeben,
Doch Gott gab an des Sohnes statt
Ein kleines reines Opferlamm,
Und wie der weise Träumer Josef
Der Liebling seines Vaters war,
Beneidet von den andern Brüdern.

Wenn deine liebe Mutter stirbt,
So bet für ihre arme Seele
Und schaue auf zum hohen Himmel,
Dort droben wartet sie auf dich!

Und wenn dann deines Vaters Bart
Ist grau geworden, müd sein Leib,
Verachte nicht den kranken Vater
In aller Stärke deiner Jugend,
Mach deinem Vater lieber Freude,
Indem du weise wirst, mein Milan!


HERKUNFT UND TUGEND

Mein Sohn, gib eines nur nicht auf,
Erinnre dich, wie du zur Kindheit
Die vielen Menschen eingeteilt
In liebe Menschen, böse Menschen.
So unterscheide stets die Geister
Und lass dich nicht verwirren von
Den Toren, die in Blindheit sagen,
In Gott sei Gutes und auch Böses.
Entscheid dich jeden Augenblick
Fürs Gute, widersag dem Bösen
Und allem seinem bunten Schein.

Des Vaters Reichtum oder Armut
Sei gleich für dich, geliebter Milan,
Ob er ein reicher Bürger ist,
Ob er ein armer Bettler ist.
Nur suche immer du das Gute,
Gerechtigkeit und reine Liebe.

Lass dich nicht täuschen von den Toren,
Sie seien Reiche oder Arme,
Die meinen, Geld allein mach glücklich.

Du such die Freude deines Herzens
Und des erfüllten Lebens Glück
Nur nicht im Geld, dem Gott der Welt,
Nein, suche nur die schöne Liebe,
Die wahre Gottheit in dem Himmel.

So zähl dich zu den Liebenden,
Nicht zu den bösen Egoisten,
Und üb dich in der wahren Liebe,
Erweitre immerdar dein Herz.

Ob du auch etwas Geld bekommt,
Bleib immer voll Barmherzigkeit,
Erbarmen habe mit den Armen,
Erbarmen habe mit den Kranken,
Erbarmen habe mit den Kleinen,
Erbarmen habe mit den Toten.

Denn Hab und Gut nimmt keiner mit
Ins Jenseits, in die Anderswelt,
Allein was bleibt in Ewigkeit
Ist Gottesliebe, Nächstenliebe.


VON DER SCHÖNEN REDE

Und willst du sprechen, lieber Sohn,
Sprich nicht mit Essen in dem Mund.

Wenn dich ein weiser Mann belehrt,
So unterbrich nicht seine Rede
Und streite nicht mit ihm und zank nicht
In deiner Torheit deiner Kindheit.

Enthalte dich des leeren Schwatzens,
Verleumde keinen hinterm Rücken,
Enthalte dich des schlimmen Lästerns,
Vor allem rede nicht blasphemisch.

Dein Ja ein Ja, dein Nein ein Nein,
Und schwöre nicht bei den Gebeinen
Der toten Mutter deiner Mutter.

Gewöhn dir nicht das Lügen an,
Denn Gottes Wahrheit flieht von denen,
Die die verfluchte Lüge lieben.

Lass stets dein Wort verständlich sein
Und nicht so wie der Turm von Babel
Und mische auch nicht alle Sprachen
Zu einem wirren Kauderwelsch.
Du ehre deine Muttersprache
Und schule deiner Sprache Schönheit
An den gesegneten Autoren
Und Dichtern deines Vaterlandes.

Verachte aber keine Sprache
Von irgendeinem andern Volk,
In allen Zungen aller Völker
Kann hören man den Lobpreis Gottes.

Und meide die vulgären Worte
Und rede keine Gossensprache,
Erzähle keine schlechten Witze.

Vor allem meide du das Fluchen!

Du schmücke deine Rede mit
Den weisen Worten aus der Bibel
Und mit dem Vers der Klassiker
Und Reimen nationaler Dichter.

Bedenk, dass du für jedes Wort,
Das du auf dieser Erde sprichst,
Musst Rechenschaft ablegen Gott
In dem persönlichen Gericht.


TESTAMENT DES GROSSVATERS

Mein Sohn, dein alter Opa stirbt
In einer allzu nahen Zeit.
Ich habe dich getragen, Milan,
Zum Sessel deines alten Opas,
Und er entkorkte schnell die Flasche
Und schenkte Rotwein Spaniens ein
Der guten Marke Carinena
Und sprach: Mein sehr verehrter Dichter!
Die mit dir leben, wissen nicht,
Dass du bist ein genialer Dichter.
Doch bist du nicht nur ein Poet,
Nein, auch ein wahrer Kinderfreund.
Vor allem muss beklagen ich,
Dass dich die Schwärze tiefer Schwermut
Und idiotisch-blöder Spleen
Dich immer wieder hilflos macht,
So dass du ausgeliefert bist
Den Teufeln, die dich rings umgeben.
Such Halt bei deinen Christenbrüdern
Und in dem Arm der Karitas!
Und meine reiche Lebensweisheit
Wünscht dir zumeist Serenitas!
Serenitas, Serenitas!
Sie ist ein jugendliches Mädchen,
Ist etwa siebzehn Jahre jung,
Ist ähnlich einer schönen Fee,
Ist ähnlich der Madonna, ähnlich
Dem heitern Himmel ohne Wolken,
Ein Himmel ist sie voller Geigen
Und voller trunknem Halleluja
Am Bette eines Sterbenden.
Und weiter wünsche ich dem Dichter
Geniale Kreativität,
Dass du die Wunden deiner Seele
Verwandelst alchemistisch in
Die Perlen schöner Poesie.
Jedoch ich muss dich warnen auch,
Verströme dich nicht an die Bösen,
Die herzensharten Egoisten,
Die mit dem toten kalten Herzen
Krank machen nur den Liebenden
Und dir verbittern deine Seele,
So dass du wünschtest tot zu sein
Und lieber nie geboren wärest!
Vor diesen Schlangen hüte dich!

Ich habe weit die Welt bereist
Und weiß, dass manche Menschensöhne
Durch dieses Erdenleben kommen
Durchs fleißige Getränk des Weines.


DAS ALTER UND DIE JUGEND

Mein Sohn, die lustig-freie Jugend
Das Leben hält für einen Tanz,
Sie tanzen, angetrunken taumelnd,
Und sind betrunken von Begierde.
Wenn aber Jugendliche fromm sind,
So tanzen sie für Gott den Tanz
Wie David vor der Bundeslade.

Wenn ich die jungen Mädchen sehe,
Von vierzehn bis zu zwanzig Jahren,
So ist es keine große Kunst,
Liebreizend und graziös zu sein.

In meiner Jugend wollt ich auch
Die Welt aus ihren Angeln heben.
Neu einzurichten diese Welt
Schien ich berufen mir vom Schicksal.

Man traut in seiner Jugendzeit
Dem Fühlen und man ist verliebt,
So scheint die Liebe einem ewig,
Die dauert nur ein halbes Jahr.

Doch wenn das bittre Alter kommt,
Die Glieder wollen nicht mehr so,
Der Leib ist allzu schwer geworden,
Dem einen wird das Barthaar grau,
Dem andern fallen aus die Haare,
Die Zähne auch sind schon gezogen,
Die Augen sehen nicht mehr scharf,
Die Seele hat viel Leid erobert
Und ist bedeckt mit vielen Wunden.

Da flüchte sich der alte Mann
Nicht zu den jungen hübschen Mädchen,
Sonst würde lächerlich der Alte,
Wollt scherzen er mit dummen Mädchen.

Des Alters Würde vielmehr ist
Des langen Lebens Welterfahrung
Und wenn die Gnade Gott gegeben,
Die Altersreifezeit der Weisheit.

Man gibt in Gottes Willen sich
Und leidet wie ein andrer Mann
Und schaut schon nach dem Himmel aus,
Denn flüchtig ist der Erde Lust,
Doch ewig sind des Himmels Wonnen!


BEIM ESSEN

Sankt Grobian, was musst ich sehen!

Der Knabe liegt bequem zu Tisch
Und schmiert das Maul sich voll mit Honig
Und wischt die klebrig-süßen Finger
An seinen Hosenbeinen ab.

Der eine greift sich voller Gier
Das größte Stück vom Käsekuchen
Und gönnt dem Bruder nicht das gleiche.

Der andere verschmäht die Wurst
Und wirft das Fleisch dem Hunde vor,
Der hungrig lauert unterm Tisch.

Und der wirft mit den Nudeln um sich,
Sind mehr der Nudeln unterm Tisch,
Als noch auf seinem Teller liegen.

Der andere verschmäht das Brot
Und möchte nichts als Zucker essen.

Der eine isst mit schwarzen Fingern,
Mit denen er im Schlamm gewühlt
Und leckt von seinen schwarzen Fingern
Den Honig mit der Zunge ab.

Der andre springt vom Tische auf,
Dieweil noch speisen seine Eltern,
Und sucht sich Näscherei zum Nachtisch.

Der legt den Kopf flach auf den Tisch
Und schiebt sich faul mit großem Löffel
Den Brei vom Teller in den Mund.

Der kreischt und schreit und lärmt am Tisch
Und zankt mit seinem kleinen Bruder
Und dann beleidigt er die Mutter,
Das Essen schmecke ekelhaft.

Wo ist geblieben denn die Sitte
Der Christen, vor dem Mahl zu beten
Und Dank zu sagen Gott dem Schöpfer
Und dann die Speise auch zu segnen
Und zu bekreuzigen die Brust?
Dahin ist diese fromme Sitte.

Sankt Grobian, Patron des Tisches,
O bitte du für unsre Kinder.


VOM WEINTRINKEN

Mein Sohn, nimm dir zum Vorbild nur
Den guten Freund, den Gott mir gab:
Der Tag verging im Fleiß der Arbeit,
Mit Frauenzank und Kinderlärm,
Der Abend aber mit dem Freunde
Gewidmet sei dem Weine maßvoll,
Nicht schlechtem Essig und Verschnitt,
Nein, nur dem guten alten Tropfen !
Da trinken wir und stoßen an
Auf schöne Frauen, guten Wein,
Dann sprechen wir von Philosophen,
Dann sprechen wir von Theologen,
Dann sind wir geistreich, sind wir witzig,
Ein Wort ergibt das andre Wort,
Dann scheiden froh wir von einander
Und dann geht auch mein Freund bald schlafen
Im Bette seiner schönen Frau.

Mein lieber Sohn, versprich mir nur,
Nicht meiner Lebensart zu folgen:
Ich öffne durstig Nacht für Nacht
Die Flasche stets des gleichen Weines
Und trinke dann die Flasche leer
Und nehm mein Morphium der Psyche
Und taumle trunken in mein Bett,
Allein und einsam einzuschlafen.

Und mach es so wie die Franzosen,
Mein Sohn, die schenken ein den Wein
Zu einem lecker-reichen Festmahl,
Die Männer trinken dann den Wein
Natürlich ungemischt, die Frauen
Den Wein dann mit dem Wasser mischen.
Und sie genießen den Geschmack
Des guten Weines, froh gesellig,
Beim Braten und bei Brot und Käse,
Und nach dem Mahle den Café.

Und reihe nicht dich in die Schar
Der dreisten Säufer, die betrunken
Der Sitte und der Scham beraubt
Den Huren fallen in den Schoß.

Jedoch ein Kelch des frommen Weins
Verlängert dir die Lebenszeit
Und steigert deine Lebenslust.


DIE GASTFREUNDSCHAFT

Gastfreundlich sei, mein lieber Sohn,
Denn manche Menschen haben schon
Bewirtet in dem eignen Haus
Den Engel, ohne es zu wissen.

Und wenn dein Freund in seiner Not
In deinem Haus sucht Unterschlupf
Vor allzu großem Seelenjammer,
Verschließe nicht dein Herz, mein Sohn!
Dann lade ihn in deine Wohnung
Und lass genießen ihn den Kuchen
Und zu dem Kuchen heißen Kaffee,
Dann gehe du mit ihm spazieren
Und zeig ihm deinen grünen Garten,
Dann lade abends ihn zum Mahl
Gebratner Ente ein mit Reis
Und hole dann aus deinem Keller
Verstaubte Flaschen guten Weins.
Und lade ihn zum Schlafen ein
Im Bett in deinem Gästezimmer
Und lege ihm ein Handtuch hin,
Dass er am Morgen baden kann.
Am Morgen grüße fröhlich ihn
Und biet ihm Brötchen an und Eier
Und reinen Lindenblütenhonig.
Dann segne ihn und sage ernst:
Du bist mein bester Freund, ich schätze
Den geistigen Disput mit dir,
Denn Gott gab dir nicht nur die Schwermut,
Er gab dir auch des Glaubens Wissen.

Mein Sohn, ich warne dich davor,
Dass du es nicht so machst wie jene,
Die bieten in dem heißen Sommer
Dem Gast nicht einen Becher Wasser
Und wenden ihm den Rücken zu
Und schweigen steinern ihn nur an.
Und wenn er deren Haus verlässt,
Wird er den Staub von ihrer Schwelle
Von seinen alten Schuhen streifen
Und sagen: Diese dummen Leute,
Sie wollen wissen nichts von Gott,
So sollen sie auch töricht bleiben,
Unwissend wie die frechen Narren!

Mein süßer Lieblingssohn, dein Gast
Ist manchmal nur ein armer Bettler,
Doch kann es sein, es ist der Herr,
Der Christus Jesus, der dich bittet
Um herzliche Barmherzigkeit.


VON DEN GESELLSCHAFTSSPIELEN

Mein Sohn, und willst du spielen Schach,
Gedenke, in des Spieles Grenzen
Du darfst sogar die Dame schlagen.
Ich hab im Leben kein Verlangen
Zu schlagen eine Dame, doch
Spiel Schach ich, ists mir eine Lust,
Zu schlagen meines Feindes Dame.

Und wenn du mit der Oma spielst
Das Spiel Mensch-ärgere-dich-nicht,
Das sogenannte Gänsespiel,
Wenn deine liebe Oma aufsteht,
Den Tee zu schenken in die Tasse,
Betrüge du dann nicht beim Spiel,
Der Sieg wird dir nur Freude machen,
Wenn nach den Regeln du gewinnst.

Wenn mit dem Freund du Karten spielst,
So teil die Karten nicht so aus,
Dass du die starken Karten hast
Und er allein die schwachen Karten.
Denn wenn dein Sieg bereits gewiss ist,
Wo ist die Spannung dann des Spiels?

Und wenn du dann im Spiel verlierst,
So fang nicht gleich zu weinen an
Und werde auch nicht wütend, Sohn,
Und tritt nicht wütend mit den Füßen
Des Tisches Beine, dran du sitzt,
Bleib heiter nur und denke dran:
Wer Glück im Kartenspiele hat,
Hat Unglück in der Frauenliebe.

Vor allem warnen muss ich dich,
Spielhöllen sollst du nicht betreten,
Du spiele nicht um Geld, mein Sohn.
Ich kannte einmal einen Mann,
Der hatte all sein Geld verspielt,
Der hatte keine Wohnung mehr,
Der musste sich sein täglich Brot
Erbetteln bei den harten Herzen.


WIE EINE GELIEBTE GEBAUT SEIN SOLL

Mein Sohn, und willst du eine schöne
Geliebte dann in deiner Jugend,
Vielleicht ergeht es dir dann so,
Wie ich und deine schöne Mutter
Uns liebten in der wilden Jugend.

Denn wenn du eine schöne Frau
Zum ersten Mal mit Augen siehst,
Scheint sie dir eine Schönheitsgöttin,
Des Glorienlichtes weiße Göttin.

Dann siehst du ihre Frauenschönheit,
Verliebst dich in den Leib des Weibes,
In ihren kussbereiten Mund,
In ihre Brüste, wenn sie hüpfen,
Du siehst ihr rotes Kleidchen an
Und ihre weiße nackte Haut,
Dann liebst du ihre schwarzen Locken
Und ihre meeresblauen Augen.

Dann wird ihr schöner Name dir
Der schönste Name dieser Welt sein,
Der Ort, wo sie geboren ist,
Der wird zur Hauptstadt dir der Liebe.

Von ihrer Hand geführt, entdeckst du
Den Norden mit dem grauen Meer,
Den Osten mit den Weizenfeldern,
Den Süden mit den Weinterrassen,
Und sie erschließt dir dann die Welt
Und die Natur, die Schöpfung Gottes.

Die Wonnen körperlicher Liebe
Genießt du mit der Vielgeliebten
Und wirst noch denken an die Wollust,
Wenn die Geliebte ist gestorben,
Dann träumst du noch von ihrem Leib
In deines Alters Einsamkeit.

Jedoch wenn du den lieben Gott suchst
Und die Geliebte sucht ihn nicht,
Dann wird das Bett euch nicht vereinen.
Die wahre Liebe zwischen zweien,
Das Liebesband von Mann und Frau,
Braucht einen Dritten noch dazwischen,
Ich mein damit den Amor Gottes.

So ist es vielmals besser, Sohn,
Zu warten keusch in deiner Jugend,
Bis du dir eine fromme Frau
Zur treuen Ehegattin nimmst.


VOM GESCHLECHTSVERKEHR

Mein Milan, auf den Wegen Gottes
Der Mann soll lieben Eine Frau
Und einzig und allein nur diese
Und sie ein ganzes Leben lang.
Wenn ihr einander habt geprüft
Und euch vor Gottes Angesicht
Die Treue fromm versprochen habt,
Die Ehe ist ein Sakrament,
Das Sakrament wird gültig erst,
Wenn ihr einander habt vereinigt
In dem erotischen Verkehr
Und wenn ihr dabei offen seid
Für Fruchtbarkeit und seid bereit,
Die kleinen Kinder großzuziehen.

Und dann ist der Geschlechtsakt auch
Der Höhepunkt der Ganzhingabe
Des einen Menschen an den andern,
Dann ist es nicht der Egoismus
Der Stillung eigener Begierde,
Dann ist die Liebe ein Geschenk,
Hingebungsvolle Herzensgabe.

Und dann wird die Geschlechtlichkeit
Zum Gnadenort des Schöpfergeistes,
Der Schöpfer in Vereinigung
Mit den mitschöpferischen Gatten
Ein kleines neues Leben schafft.

Doch wenn von Gottes Wegen fern
Die Sexualität des Mannes
Benutzt die Leiblichkeit des Weibes
Zur Stillung eigener Begierde,
Wenn Herz und Geist und Gott und Treue
Sind nicht beteiligt am Geschlechtsakt,

Ja, dann ist der Geschlechtsverkehr
Der reinen Menschenseele schädlich,
Dann wird das arme Herz verwundet
Und so der Mensch im Lauf der Zeit
Unfähig wird zur Liebe sein
Und zum Vertrauen und zur Treue.

Dann wird die Sexualität,
Das heilige Geschenk des Schöpfers,
Durch eines Menschen Egoismus
Zu einem Dämon der Zerstörung,
Es bleibt des Menschen Herz zurück
Als Trümmerfeld und als Ruine.


VOM BADEN

Mein Milan, wenn du traurig bist,
So bete du und bitte Gott,
Dass er dich segne, er dich tröste,
Dann suche Trost im Psalmgebet
Und wenn das auch nicht helfen will,
Mein Sohn, so nimm ein heißes Bad.

Wo ist Geborgenheit so tief
Als wie im lieben Mutterschoß,
Fruchtwasser eines Uterus,
Als in der warmen Badewanne?

Leg dich zurück in Mutterschoß
Und in das wärmende Fruchtwasser
Und so genieße du die Ruhe.

So spüle ab den Staub des Alltags
Und spüle so der Feinde Bosheit
Im heißen Bade von dir ab.

Und nimm dir Badeöle duftend
Von provencalischem Lavendel
Und Tanne und genieß den Duft
Des dampfenden und heißen Bades.

Wenn ich mich in der Badewanne
Entspanne von des Alltags Mühen,
So les ich gern im Bad ein Buch.

Dann stell du auf den Rand der Wanne
Den Becher mit Orangensaft
Und lass dich treiben in dem Wasser
Und so verfließe dir die Zeit.

Und bist du auch des Lesens müde
Und alles fleißigen Studierens,
So meditiere in der Wanne
Den frommen Rosenkranz Mariens.

Maria heißt ja auf Lateinisch:
Die Meere! Sankt Maria weiß,
Wie wohl ein kleines Kind sich fühlt
Im Schoße einer lieben Mutter.
Und wenn du dann das Ave murmelst,
Dein Ave o Maria Amen,
Bedenke dass du bist geborgen
Im Mutterschoß der Gottesmutter
Für alle deine Zeit auf Erden,
Bis sie in deiner Todesstunde
Dann dich gebiert ins Paradies.


VOM SCHLAF

Mein Sohn, ich weiß, die kleinen Kinder,
Sie gehen nicht sehr gern ins Bett,
Sie möchten, immer sei es Tag
Und Zeit für frohes Kinderspiel.

Wenn aber du ins Alter kommst,
So weißt du erst den Schlaf zu schätzen.
Und wenn du dann nicht schlafen kannst,
Bist du am Tage melancholisch,
Voll Missmut und voll Seelenqual.

Wie sehnt sich erst ein Mensch voll Kummer
Nach einem tiefen, tiefen Schlaf!
Oh, wenn dich deine Liebe quält
Und dich das Erdenleben peinigt,
Wie sehr ersehnst du dann den Schlaf!

Ach, suchst du dann den Seelentrost
In traumlos tiefem Schlaf zur Nacht,
Dann weh, wenn du im Schlafe wach bist
Und träumst ein wirres Zeug und wirst
Im Traum noch von der Frau verschmäht
Und leidest auch im Traum Verlust
Und wirst verfolgt von Feind und Monster,

So wünschst du traumlos tiefen Schlaf.

Wenn du vom Wahnsinn krank geworden,
Dann kann der Arzt nicht anders helfen,
Als dass er dich in Schlaf versetzt
Durchs Morphium für deine Seele.

Dann deines Lebens Hälfte bist
Im Tiefschlaf du fast wie ein Toter.

Zuletzt, wenn dann das Greisenalter
Zuwider dir das Leben macht,
Ersehnst du nur den großen Schlaf,
Des Schlafes Bruder nur, den Tod,
Der Seelenruhe Ewigkeit.

Du aber, Milan, du spring auf
Aus deinem kleinen Kinderbett
Und hüpfe lustig-froh umher
Und sei in deiner Kindheit fröhlich,
In deiner Jugend sei euphorisch.


VOM FUSSBALL

Mein Sohn, die kleinen Knaben lieben
Das Fußballspiel. Die kleinen Knaben
Gern sitzen auf des Vaters Schoß
Und lauschen, wenn er Bücher vorliest,
Doch wollen bald sie auch hinaus
Und draußen spielen mit dem Ball.

Und nun, das Kind, das spielt alleine,
Das wirft den Ball dann an die Wand
Und fängt dann wieder auf den Ball.

Der kleine Knabe denkt sich gerne,
Die liebe Sonne sei ein Fußball
Und Gott der Vater spiele Fußball
Mit Michael, dem Engelfürsten,
Der Fußball aber sei die Sonne.

Die heilige Therese von Lisieux
Einst sagte zu dem Jesusknaben:
O Jesulein, ich will dein Ball sein
Und wenn du mit mir spielen willst,
Dann bin ich stets bereit zum Spiel.
Doch wenn du keine Lust mehr hast
Und lässt den Ball im Winkel liegen,
So will ich auch zufrieden sein.

Und Sankt Johannes Paul der Große
Hat als ein Gottesmann und Priester
Mit seinen Kindern Ball gespielt.

Wenn heute gute Fußballspieler
Aus dem katholischen Brasilien
Ein Tor geschossen haben, reißen
Sie jubelnd ihr Trikot herunter
Und auf dem Unterhemd steht deutlich
Zu lesen: Jesus ist der Herr!

Ein junger Knabe will den Ball
Befördern siegreich in das Tor,
Dein Leben nämlich hat ein Ziel,
So schieße du den Lebensball
Als Sieger in das Himmelstor!


VOM UMGANG MIT FEINDEN

Mein Milan, wer ein Christ geworden,
Der kriegt die Feinde Jesu Christi
Zu seinen eignen Feinden auch.

Ich hatte mich gerad bekehrt
Zu Jesus Christus, meinem Gott,
Da trat mich hart ein Okkultist
Und hetzte seinen Hund auf mich
Und schüttelte auf mich herab
Die Asche seiner Zigarette
Und sagte: Lass mich bloß in Ruhe
Mit deinem Abgott, diesem Schwächling,
Mit deinem gottverlassnen Gott!

Als deine schöne Mutter krank ward,
Da traf ich leider einen Irren,
Der bat mich einmal um die Bibel,
Um die geheime Offenbarung,
Et wollt den Antichristen ehren.
Und lieber wollte er dem Teufel
Begegnen als dem lieben Gott
Und lieber wollt er in die Hölle
Als in den Himmel Gottes kommen.
Da bellte er mich geifernd an,
Verzog sein Antlitz zur Grimasse,
Aus seinem Maule hüpften Frösche.

Ich lernte leider Menschen kennen,
Die feindlich mir gesonnen waren,
Sie hielten mich für ihren Feind,
Obwohl ich ihnen doch gewünscht
Den starken Rückenwind von Gott.
Sie aber sprachen schlecht von mir
Und nahmen mir das Liebste weg,
Was ich auf dieser Erde hatte.

Ich kannte eine schöne Frau,
Die voller Anmut war und Reizen,
Sie war sehr sanft und sehr bescheiden
Und so begann ich sie zu lieben.
Ich tat ihr alles auch zu Liebe
Und half ihr auch in jeder Hinsicht,
Ich schenkte Schmuck und Blumen ihr
Und unterwies sie in dem Glauben
Und sorgte mich um ihre Kinder.
Sie aber weihte sich Dämonen
Und lehnte meine Liebe ab,
Und so zerriss sie mir das Herz
Und machte mir das Leben bitter,
So dass ich wünschte mir den Tod,
Ja, dass ich nie geboren wäre!

Gott segne alle meine Feinde!


VOM GELD

Mein Sohn, du irrst dich, wenn du denkst,
Dass Geld dich könne glücklich machen.

Ich kannte eine reiche Frau,
Die schickte ihrem armen Sohn,
Der krank vor Gram und Kummer war,
Zu seinem Troste einen Geldschein:
Mein Sohn, hier ist ein Glücklichmacher!
Und doch der Sohn vermisste nicht
Das Geld und solche toten Dinge,
Nein, er vermisste Mutterliebe.

Ich kannte einen reichen Mann,
Der brachte so sein Leben zu,
Dass fleißig er sein Geld gespart,
Arbeiten ließ er viel sein Geld
Und ließ das Geld sich so vermehren.
Im Alter war er reich geworden,
Da wollte er das Geld genießen
Und reisen durch die ganze Welt,
Da aber ließ der Herr ihn sterben.

Ich kenne eine Millionärin,
Die ward vom Arzt steril gemacht.
Als aber dann das Alter nahte,
Da sagte abends sie beim Wein:
Jetzt will ich doch noch Kinder haben.
Da nahm sie einem armen Mann
Den kleinen Herzensliebling weg.
Der Vater Staat half gern den Reichen,
Es dachte doch der Vater Staat:
Wo Geld ist, gehts den Kindern gut.
Der arme Mann viel Liebe schenkte,
Viel Vaterliebe, Mutterliebe,
Die Millionärin aber schenkte
Dem Knaben Geld, verwöhnte ihn,
Gewöhnte ihn ans liebe Geld.

Doch Jesus sagt, wie schwer es ist
Für Reiche, in das Paradies
Zu kommen, eher ein Kamel
Beladen geht durchs Nadelöhr.


VOM UMGANG MIT EIGENTUM

Mein Sohn, wenn du ein Haus besitzt,
Dann stopfe du dein Haus nicht voll
Mit allerlei unnützem Tand.

Ich kenne einen alten Mann,
Der wohnt in einem großen Haus,
Das stopfte er bis oben hin
Mit seinen Dokumenten voll,
Berichten aus der Politik,
Mit irgendwelchen neuen Büchern,
Mit Büchern, von dem Keller an
Bis oben unters Dach des Hauses,
Zehntausend ungelesnen Büchern,
Dazu auch bunten Tand und Schmuck
Von Muscheln und geschnitzten Eulen,
Von Buddhas und von andern Götzen,
Von Wasserbüffeln und von Drachen,
Modellen auch von Fischerkähnen,
Singvögeln und Aquarien,
Und über allem lag der Staub,
Die unbesiegliche Vergängnis.

Da schickte Gott dem alten Mann
Die Krankheit, die unheilbar war,
Und so der Mann bereitete
Sich einsam auf sein Sterben vor,
Entrümpelte das große Haus
Und warf die Dokumente weg
Von der politischen Karriere
Und er verschenkte alle Bücher
Und warf die Buddhabilder weg,
Die Wasserbüffel und die Drachen.
Im Angesicht des dunklen Todes
Schien seine große Sammlung nur
Ein Abfall und ein Müll zu sein.

Wenn du ein Haus besitzt, mein Sohn,
So mache du dein Haus zu einer
Hauskirche, auf den Hausaltar
Stell du das Bild der reinen Jungfrau,
Dazu das Bild des Knaben Gottes.

Dann lass von deinem eignen Haus
Gebete steigen auf zu Gott,
Es soll ein Tempel Salomos
Dein Haus sein, denn dann wohnt bei dir
Frau Weisheit. Sie ist dir ein Schatz,
Den du im Tode nicht verlierst.

Hab ruhig Eigentum, mein Sohn,
Doch sei du immer arm vor Gott
Und bau allein auf Gottes Gnade!


WIE MAN EIN HAUS ERWIRBT

Mein Sohn, wenn du ein Erbe kriegst
Von hunderttausend Silbermünzen,
Dann such dir in der schönsten Stadt
Des lieben deutschen Vaterlandes
Ein Haus, in dem du wohnen willst.

Dann achte auf die Zeichen Gottes!
Wenn du das leere Haus betrittst
Und draußen vorm Balkone hörst du
Die weißen Turteltauben girren
Und ganz in deiner Nähe hörst du
Der Mutter Kirche Glocken läuten,
So lass dich nieder dort, mein Sohn.

Und möchtest du mit Frau und Kindern
In einem eignen Hause wohnen,
So mach auf Arbeit dich gefasst.
Du musst den grünen Rasen mähen
Und musst die Gartenbeete pflegen,
Du musst das Hausdach reparieren
Und den Balkon und die Terrasse.

Und wenn du eine Arbeit hast,
So musst du deinen Urlaub nutzen,
Das eigne Haus zu renovieren.

Bist dazu du bereit, mein Sohn,
So gehe zu dem Hausverkäufer
Und schließe siegelnd den Vertrag ab.

Gedenke, dass der Vater Staat
Dann Steuern wird von dir verlangen
Für dies dein Wohnungseigentum,
Geh, zahle pünktlich deine Steuern!

Wenn dann der Staat die Bürger fragt
Nach ihrem Wohnungseigentum,
So gib auch die erwünschte Antwort!

Der arme Seher Jeremia
Sah Israel einst ziehen fort
In Babylons Gefangenschaft,
Da sprach der Herr zu Jeremia:
Mein Seher, kauf dir einen Acker
Und unterschreib den Kaufvertrag!
Denn siebzig lange Jahre währt
Die Tyrannei der großen Babel.
Du bete für das Wohl der Stadt,
Denn wenn es deiner Heimat gut geht,
So wird es dir auch wohl ergehen.


VON DEN PFERDEN

Mein Sohn, und wenn du eine Frau liebst,
Weil sie charmant und reizend ist,
So wisse, Frauen haben Wünsche,
Und eines Tages wird sie sagen:
Schatz, schenke mir zum Fest der Weihnacht
Ein Pony! Schenke mir, mein Freund,
Das Tinker-Pony, das ich will!
Ich habe ja bereits gekauft
Den Reiterhelm und auch die Stiefel
Und schon gekauft dazu den Sattel,
Verwenden will ich mein Gespartes,
Den grünen Weidegrund zu kaufen.

Die Tinker-Ponys sind die Pferde
Der armen Kesselflicker Irlands,
Sie haben keinen Adels-Stammbaum,
Gewisse Züchter doch versuchen,
Nachträglich diesen Tinker-Ponys
Den Adelstitel zu verschaffen.


Dann schau dir an das Tinker-Pony,
Dort das bestimmte Tinker-Pony,
Das trägt den schönen Namen Layla,
O was für eine lange Mähne!
Was für ein wonnig-runder Leib!
Was für ein stürmischer Galopp!
Was für ein Schnauben ihrer Nüstern!

Dann denk, was für ein Glück es wäre,
In Laylas Sattel stolz zu sitzen
Und dann mit deinen Mannesschenkeln
Zu pressen Laylas heiße Flanken!
Oh, Layla Einmal nur zu reiten!
Du träumst dann davon Tag und Nacht.

Doch wenn du sagst das der Geliebten,
So redet voller Zucht die Dame:
Du rede nicht von Hengst und Stute,
Denn das sind nur vulgäre Worte.
Und willst du eine Stute reiten?
Du rede nicht so ordinär.

Wenn du die schöne Layla nicht
Erwerben kannst mit deinem Geld,
So gehe du zu deinem Herzog
In seinem schönen Herzogtum
Und schau des Adels Rosse an,
Und die Prinzessinnen der Stadt,
Die jungen mit den langen Beinen,
Schau, wie sie reiten die Dressur,
Und wie sie manches Kunststück machen
Hoch auf dem Rücken ihres Rosses.


VON DER HEILIGEN EHE

Und willst du eine Hochzeit feiern,
Bereite klug darauf dich vor,
Indem du vor dem Ehebund
Enthaltsam lebst und rein und keusch
Und betest: Herr, auf dieser Erde
Lebt irgendwo bereits mein Weib,
O bitte führe sie zu mir!

Wenn du gefunden deine Frau,
So lernt euch erst in keuscher Freundschaft
Dem Herz und Sinn und Geist nach kennen.
Wenn sie dir weiterhin gefällt,
Entscheidet euch mit freiem Willen,
Zu einer ausschließlichen Bindung,
Zu einer lebenslangen Bindung
Und bittet dann die Mutter Kirche
Um Gottes Sakrament und Segen.

Wenn ihr das Sakrament der Ehe
Bei Tisch und Bett einander spendet,
So schenkt ihr euch die Liebe Gottes.

Der Mann soll lieben seine Frau,
Wie Christus seine Kirche liebt,
Hingebungsvoll, treu bis zum Tod.
Die Frau soll ehren ihren Mann
Als einen pater familiaris,
Wie auch die Kirche ehrt ihr Haupt.

Und zu dem Sakrament der Ehe
Gehört auch der Geschlechtsverkehr,
Doch solche Formen des Verkehrs,
Die neues Leben zeugen können.
So seid bereit für eure Kinder!
Verhütet nicht die Fruchtbarkeit
Und mordet keinen Embryo!

Denn wie der Vater liebt den Sohn
Und wie der Sohn den Vater liebt
Und von dem Vater und dem Sohn
Als Dritter kommt der Heilge Geist,
So liebe auch der Mann die Frau
Und liebe auch die Frau den Mann
Und von dem Mann und von der Frau
Kommt dann das Kind als Frucht der Einheit.

Willst aber du ein Priester werden,
Willst werden du ein Ordensmann,
Mein Sohn, so lebe du enthaltsam,
Vermähle dich der Weisheit Gottes
In lebenslanger Gottes-Ehe.


VON DER KINDERERZIEHUNG

Mein Sohn, Erziehung eines Kindes
Beginnt bereits im Mutterschoß.
Denn wenn die Mutter schwanger ist,
So soll man beten für das Kind
Und segnen Mutterschoß und Kind.
Sie höre heilige Musik
Und nicht das Lärmen der Dämonen,
Und sage ihrer Leibesfrucht
Im Geist: Du bist willkommen, Kind!

Und wenn das Kind geboren ist,
Die Mutter betten soll das Kind
An ihren prallen Mutterbrüsten
Und stillen es mit Muttermilch.
So lernt das Kind das Urvertrauen,
Es lernt soziale Kompetenz,
Entwickelt Klugheit des Gehirns.

Und lehre du dein Kind die Liebe,
Die Liebe zu dem Engel Gottes,
Die Liebe zu der Mutter Gottes,
Die Liebe zu dem Sohne Gottes!

Dein Kind mit Weihewasser segne
Und häng das Kreuz ans Bett des Kindes!

Und sing dein Kindlein in den Schlaf
Und lass es nicht alleine schlafen,
Es schlafe lange bei der Mutter.

Die Muttersprache lehr dein Kind
Und bringe ihm das Laufen bei
Und schenke deinem Kind drei Z:
Schenk Zeit, Zuwendung, Zärtlichkeit.

Und führe auch dein Kindlein ein
In jene wunderbare Welt
Der Malerei und der Musik
Und auch der schönen Poesie.

Du lies ihm gute Bücher vor
Und singe ihm Marienlieder
Und zeig ihm Bilder voller Schönheit.

Denn in den ersten Jahren wird
Des Kindes künftiger Charakter
Im wesentlichen festgelegt.


VON DER FREUNDSCHAFT

Mein Milan, wenn du Freunde suchst,
So mach es nur nicht wie die Toren,
Die wahllos manche Freundschaft schließen,
Die sind nur leer und oberflächlich.

Gottlose haben viele Freunde,
Solang sie noch gesund und reich sind,
Doch wenn sie elend sind und krank,
So haben sie kaum Einen Freund.

Lass immer du bei deiner Freundschaft
Auch Jesus gegenwärtig sein
Und suche Freunde dir voll Glauben,
Die dir zum Heil behilflich sind.

Und findest du bei Katholiken
Nicht Einen Freund und Glaubensbruder,
Verschmähe nicht die Bruderschaft
Und Freundschaft mit den Protestanten.

Erwarte aber nicht vom Freunde,
Dass stets er lobt und stets er schmeichelt,
Vielmehr sei du bereit, zu hören
Das wahre Wort, gesagt in Liebe.

Vergiss nur nicht, geliebter Milan,
Wenn alle Freunde dich verlassen,
Ein Freund wird immer bei dir sein,
Ist Jesus Christus doch dein Freund.

Verzweifle nicht und werd nicht mutlos,
Wenn es dir einmal so ergeht
Wie andern Freunden Jesu auch.
Es war der arme Lazarus
Fürwahr ein lieber Freund des Herrn,
Doch war er elend, arm und krank,
Verspottet von den reichen Leuten,
Der Leib bedeckt mit Eiterbeulen,
Die Hunde leckten seine Wunden,
Doch Jesus Christus war sein Freund.

Und Sankt Teresia von Jesus
Einst ritt auf einem Pferd durch Spanien,
Um Klöster für den Herrn zu gründen,
Da fiel vom Pferd sie in den Schlamm,
Sie sah den Herrn und sprach zu ihm:
O Herr, jetzt weiß ich es gewiss,
Warum du wenig Freunde hast,
Der du die Freunde so behandelst!

Doch über deiner Freunde Freundschaft
Sei dir die Freundschaft stets mit Gott,
Mein Sohn, denn das ist eine Freundschaft,
Die auch bei deinem Tod nicht endet.


VON DER VERGEBUNG

Mein Sohn, wenn wem du wehgetan,
So bitte um Verzeihung ihn.
Dabei jedoch vergiss du nie,
Was du dem Menschenherzen antust,
Wenn du ihn um Verzeihung bittest,
Denn das ist eine schwere Pflicht
Und kostet Herzensüberwindung.

Je näher Gott du kommst, mein Sohn,
Um desto schärfer du erkennst
Die eigenen Verfehlungen.
Sei nicht zu stolz, den Herrn zu bitten,
Dass er dir deine Schuld verzeiht.

Du überwinde heldenhaft
Den innerlichen Schweinehund
Und beuge dich vor Gott dem Herrn
Im Sakramente der Versöhnung
Und sag ihm alle deine Sünden,
Denn Jesus will dich ja befreien
Von aller Sünde Sklavenketten
Und neue Lebenskraft dir geben
Zu einem heilig-reinen Leben.

Bedenke, wenn dir Gott der Herr
So willig und so gern verzeiht
Die schweren Schulden deines Lebens
Und alle die Beleidigungen,
Mit denen du die Liebe kränktest,
Dann sollst du gleichfalls auch bereit sein,
All denen gerne zu verzeihen,
Die dir dein Herz verwundet haben.

So Simon Petrus sprach zum Herrn:
Soll ich verzeihen siebenmal?
Doch Jesus sagte zu dem Freund:
Verzeihe siebzigmal am Tag.

Wenn aber Menschen dich verletzt,
Dass du das ganze Leben krank bist,
Verzeihe immer wieder neu,
Verzeih bei jedem Vaterunser,
Wenn du es in der Messe betest,
Verzeihe denen, die dich kränkten
Und dich verletzt fürs ganze Leben,
Verzeihe bis zu ihrem Tod
Und über ihren Tod hinaus!

Und wenn die liebste Mutter Gottes
Dir auferlegt ein schweres Kreuz,
Tief wie das Meer, schwer wie ein Berg,
Verzeihe du der Vielgeliebten!


WIE MAN WEISHEIT SUCHEN SOLL

Mein Milan, willst du weise werden,
So bitte Gott um diese Gabe.
Denn nicht in großen Büchereien,
Vielmehr im Beten wirst du finden
Den ewiglichen Quell der Weisheit.

Wenn Weisheit du begehrst von Gott,
So mache dich bereit, mein Sohn,
Zu gehen in die dunkle Nacht,
Denn Weisheit wird dir eingegossen,
Wenn du mit Jesus hängst am Kreuz!

Wenn du nach einem Buche fragst
Und einem Lehrer zuverlässig,
Mein Milan so verweis ich dich
Auf das geliebte Buch der Bücher,
Denn in dem Studium der Schrift
Und in dem steten Wiederkäuen
Der wahren Offenbarung Gottes
Und im Beschaun und Meditieren
Der Lehren unsres Meisters Jesus
Ist Gottes Weisheit tief verborgen.

Und wie die Bibel zu verstehen
Frag nicht den Widerstreit der Sekten,
Nein, frag den Lehrstuhl des Apostels.
Frag Augustinus, frage Thomas
Und lies Enzykliken der Päpste.

Wenn so du dann ein Fundament
Errichtet hast, so baue drauf,
In dem du Philosophen liest.
Lies Platon, Aristoteles,
Die Vorsokratiker und Plotin,
Die Stoa und den Epikur.

Und frag die weisen Männer Chinas
Und Theosophen Hindostans,
Die Weisheitslehrer der Ägypter
Und deutsche Denker, deutsche Dichter.

Und lass dich nicht verwirren, Milan,
Von all der wirren Meinungsvielfalt
Und glaube nicht wie eitler Toren,
Dass alle Meinungen gleich wahr,
Nein, messe du der Lehrer Lehren
An Gottes Wort und Offenbarung
Und an dem Geist der Kirche Gottes.


VON DER KUNST DER ÄRZTE

Mein Milan, wenn du einmal krank bist,
Wirst du der Ärzte Heilkunst schätzen.
Doch überschätze du den Arzt nicht
Und unterschätze nicht den Arzt.

Und mach es nicht wie eitle Toren,
Die meinen, leibliche Gesundheit,
Das sei das Höchste Gut des Lebens.
Gesundheit ist ein hohes Gut,
Das Höchste Gut des Lebens aber
Ist die Glückseligkeit der Seele.

Und bete du den Arzt nicht an
Als einen Gott im weißen Kleid
Und opfre nicht dein ganzes Leben
Nur für die leibliche Gesundheit.

Und glaube nicht der Religion
Der leiblichen Gesundheit, an
Die Prozessionen der Doktoren
Und Krankenpfleger-Ministranten
Und an den dunklen Hokuspokus
Der unerklärten Fachbegriffe.

Und mach es nicht wie jene Toren,
Die lehnen ab die Wissenschaft
Und Heilkunst westlicher Doktoren
Und wenden sich allein an Geister,
An überfeine Blumendüfte,
An Energieen aus dem Kosmos,
An dunkle Zauberei von Hexen
An Scharlatane und Schamanen
Und an die Kraft der Edelsteine
Und Aberglauben und Magie.

Gott gibt den Ärzten ihre Klugheit
Und die Natur dazu die Stoffe
Für Medizin zum Heil des Körpers.

Du bitte Gott um deine Heilung
Und bitte Gott um seinen Segen,
Dass er die Medizin dir segne,
Und danke Gott für deine Heilung.

Doch wenn du leiden musst, mein Sohn,
Und Jesus dein Gebet um Heilung
Nicht hört, verzweifle nicht an Gott,
Vereine alle deine Leiden
Mit Christi Leiden an dem Kreuz,
So wirst du arme Seelen retten,
Bekehren die verstockten Sünder!


VON DER ASTROLOGIE

Mein Milan, sei an Jesus gläubig,
Nicht abergläubisch wie die Heiden!

Der Sternenglaube ward erfunden
Einst von den heidnischen Chaldäern,
Sie definierten Sternenbilder,
Die heute doch ganz anders stehen.
Die Sterne hielten sie für Götter
Und Herren über unser Schicksal.

Doch einmal folgten Magier
Dem Jupiter in dem Saturn
Und kamen zu dem Jesuskind,
Der menschgewordnen Weisheit Gottes,
Sie beteten das Kindlein an
Als Ewigvater aller Lichter
Und beteten die Vorsicht an.

Die eitlen Toren aber sagen,
Der weise Thomas von Aquin
Hätt auch gesprochen von dem Einfluss
Der Sterne auf des Menschen Herz.
Jedoch die Wissenschaft vom Weltall
Im christlich-frommen Mittelalter
Hat sich den Himmel vorgestellt
Als Kuppel über Mutter Erde.
Die Sterne dort an Sphärenschalen
Befestigt seien erdennah.
Und wie die Heiterkeit des Wetters
Dem Menschen gute Laune macht
Und wie das triste Winterwetter
Den Menschen melancholisch macht,
So dachte sich der weise Thomas
Der Himmelssterne Einfluss auf
Die Neigungen des Menschenherzens.

Jedoch das Universum heute
Den Astronomen ist vertrauter,
Der Sternenglaube ist veraltet,
Ist alter Hausfraun Aberglaube.

Du schaue in das Buch der Bücher,
Du findest darin Hohn und Spott
Für Zauberei und Aberglauben
An eine Schicksalsmacht der Sterne.

Du geh nicht zu Wahrsagerinnen,
Geh nicht zu Magiern und Hexen.
Frag nicht die Sterne um dein Schicksal,
Befrage keine Zauberkarten.
Vielmehr sollst du dein Leben legen
Und all dein ewiges Geschick
In Gottes Hände, sage so:
Ich, Jesus voll Barmherzigkeit,
Bin dein für Zeit und Ewigkeit!


VON DER MUSIK

Mein Sohn, was die Musik betrifft,
So will ich dir hier nicht erzählen,
Was meine Mutter sagen würde
Vom Oratorium der Weihnacht
Von Bach, von Mozarts Requiem.

Als deine Mutter schwanger war,
Da ging sie stets zum Afrikaner,
Von ihm das Trommelspiel zu lernen.

Du lerntest mit der Mutter Herzschlag
Der Afrikaner Trommeln kennen.

Als deine Mutter war gestorben,
Ihr Leichnam wurde aufgebahrt
In der Kapelle bei der Feier,
Da ihr zu Ehren Afrikaner
Die Trommeln schlugen in der Kirche
Der Königin von Afrika.

Beschweren sich Bigotte doch,
Wenn in der Kirche wird getrommelt.
Doch weiß ich, dass in Afrika
Getrommelt wird beim Gottesdienst
Zu Kyrie und Gloria,
Zu Sanctus und zu Agnus Dei.
Der Bischof mit dem Weihrauchfass
Kommt schwarz und tanzend in die Kirche,
Kommt tanzend zu dem Spiel der Trommeln.

Und wenn du Liebeskummer hast,
Mein Sohn, dann tröste dich Musik,
Es sei nun Händels Halleluja,
Es sei nun Schuberts Gruß Mariens.

Nur weise die Barbaren ab,
Die lieben eine Unmusik,
Den Höllenlärm zu Ehren Satans.

Wenn nämlich Engel musizieren
Zur heitern Seligkeit der Engel,
Dann spielen sie Musik von Mozart,
Und wenn die Engel musizieren
Zu Ehren Gottes, unsres Vaters,
Dann spielen sie Musik von Bach.


KAISER VON GOTTES GNADEN

Mein lieber Milan, unser Kaiser,
Der alte Kaiser ist nun tot!
Ja, seine kaiserliche Hoheit,
Den Otto meine ich von Habsburg,
Er hatte auf den Thron verzichtet
Und blieb von Gottes Gnaden Kaiser.

Glückselig sind, die Frieden stiften,
So sagte da der Kardinal
Im Dom des frommen Königs Stephan.
Denn seine kaiserliche Hoheit
War Kämpfer in der Politik
Und kämpfte für den Menschheitsfrieden
Und für den Frieden in Europa.

Er freute froh sich wie ein König,
Als einst aus Österreich und Ungarn
Und von der Donau Ufern alle
Die frommen Katholiken kamen
Zur Magna Mater Austriae.

Er kämpfte in der Politik,
Dass all die Staaten von Europa
In der gemeinsamen Verfassung
Bekennen sich zu Gott dem Herrn.

Europa! Ach, das Abendland
Ist gar nichts ohne seine Seele,
Die Seele ist das Christentum.

Und dazu schloss der fromme Kaiser
Demütig einen Freundschaftsbund
Auch mit den Staaten der Muslime,
Der fromme Kaiser war ein Mitglied
Des Lehrstuhls auch der Sklaven Allahs.
Dieweil die eitlen Atheisten
Im Abendlande leugnen die
Verantwortung vor Gott dem Herrn,
Muslime kämpfen noch dafür
Und Christen Südamerikas.

Nun unser alter Kaiser tot,
Gott segne unsern alten Kaiser!
Die Magna Mater Austriae,
Sie schützt das Haus von Österreich!
Ja, Unsre Frau von Medjugorje,
Sie liebt des Kaisers Enkelin,
Liebt Ihre Kaiserliche Hoheit
Milona, die die Armen füttert!


DIE DEMOKRATIE

Mein Sohn, die Jungfraumutter Kirche,
Sie kann in jeder Staatsform wirken,
Die Freiheit in der Religion
Gewähren muss die Obrigkeit.

Doch unvereinbar ist die Freiheit
Mit Diktatur, totaler Herrschaft,
Mit Nationalem Sozialismus
Und militantem Kommunismus.

Der zwölfte Pius sprach, der Papst:
Des Volkes Herrschaft ist so gut,
Wie gut und tugendreich das Volk.
Ein Volk hat in des Volkes Herrschaft
Die Obrigkeit, die es verdient.

Jedoch in dieser finstern Endzeit,
Der Zeit des großen Glaubensabfalls,
Ist ruiniert des Volkes Tugend
Durch Hedonismus, Nihilismus,
Durch Atheismus, Spiritismus.

So sind auch die Regierungen
Der bürgerlichen Demokraten
Im alten Abendland des Westens
Die Förderer des Atheismus,
Des Götzendiensts am Götzen Geld
Und des okkulten Spiritismus.

Erneuerung der Volkesherrschaft
Kann komme nur von Jesus Christus,
Der Völker Evangelisierung,
Von neuer Evangelisierung
Der abgefallnen Christenheit.

Doch prophezeit die Makellose:
In Zukunft werden Könige
Die heilig-frommen Diener sein
Der wahren Jungfraumutter Kirche!

Die Wahrheit allerdings,mein Sohn,
Wird offenbart von Gott dem Herrn
Und unterworfen ist sie nicht
Den wirren Meinungen der Masse.
Und über das Gesetz der Wahrheit
Wird auch nicht abgestimmt von Menschen.
Denn Christus ist von Gott gesetzt
Zum Himmelskönig aller Völker.


DIE ARMEN

Mein Sohn, wo sind die Kirchenschätze?
Die Kirchenschätze sind die Armen!

Das sind die Ärmsten aller Armen,
Die hungrig leben auf dem Müllplatz,
Sich nähren von der Reichen Abfall,
Die in den Straßengossen liegen,
Die sich mit Dreck die Zähne putzen,
Die in den Blechbaracken hausen,
Die wissen nicht: Was ess ich morgen?

Das sind die Sterbenden, die Kranken,
Die sind befallen von der Lepra,
Die sind erkrankt an Krebs, an Seuchen.

Das sind die armen kleinen Kinder,
Die müssen Arbeit tun im Steinbruch,
Die Kinder, die erwachsen werden
Im Schlamm und Dreck der Hurenviertel.

Das sind die ungebornen Kinder,
Die werden von dem Tod bedroht
Von Kindermördern, Satansfreunden,
Das sind die armen Embryone,
Die ausgeschlachtet werden sollen
Zum Zweck der Medizin und auch
Zur Züchtung reiner Übermenschen.

Das sind die Trinker, die verdurstend
Inmitten leerer Flaschen leben,
Das sind die Drogensüchtigen,
Die ruinieren ihr Gehirn,
Das sind die Huren und die Sklaven.

Mein Sohn, wenn Jesus wiederkommt,
Steht er nicht bei den Unterdrückern,
Dann steht er bei den Unterdrückten,
Der Kleinen, Armen, Kranken, Sklaven.

Du folge nicht den bösen Burschen,
Die geben Armen nicht das Brot,
Stattdessen Waffen in die Hände.
Nicht revolutionärer Hass
Ist Gottes Antwort auf die Armut,
Nein, tätige Barmherzigkeit,
Die revolutionäre Liebe!




ZWEITER GESANG
DIE KOMMUNISTISCHE JUGEND


KINDLICHE REBELLION

Ich schrieb als Dichter ein Gedicht
Des Aufstands gegen meine Eltern,
Autorität und Hierarchie,
Es war ein wilder Schrei nach Freiheit,
Nach meinem eignen Menschenrecht,
Nach Selbstbestimmung der Person
Und Selbstverwirklichung der Seele.

Es war naiver Anarchismus,
Da ich verteidigte die Rechte
Der Schnecken und der Gänseblümchen.

Da war ich gegen jede Herrschaft,
Doch eigentlich ich protestierte
Nur gegen meines Vaters Macht,
Des Angestellten bei der Bank,
Der war ein kalter strenger Mann,
Autoritär, mit hartem Herzen.

In Omas Namen protestierte
Ich gegen meinen toten Opa,
Den Haustyrannen der Familie,
Den Nationalen Sozialisten.

Mein Vater war ein Sozialist
Der bürgerlichen Demokraten,
Kein revolutionärer Geist,
Ein Kleingeist und ein Pfennigfuchser,
Im Götzendienst des Gelds befangen,
Genussmensch, ganz verliebt ins Diesseits.

Ich wollte alle Fesseln sprengen,
Die Fesseln der Familienbande,
Des Staates und der Väterherrschaft.

Als meine Weggefährten wählte
In dem persönlichen Gefecht
Und Kriege gegen alle Väter
Ich Marx und Engels, Philosophen,
Dem Namen nach bekannt allein.

Ich wusste nur: Ihr Ideal
War revolutionärer Krieg,
Der Aufstand und die Rebellion,
Der Kampf für die Gerechtigkeit,
Für Freiheit und für Völkerfrieden.

Doch sonst war ich ein Anarchist,
Ich lehnte jede Herrschaft ab
Und lehnte auch die Herrschaft ab
Des Menschen über die Natur.


DER KURZE SOMMER DER ANARCHIE

Ich hörte in dem Radio
Die Nachricht, dass im linken Polen
Ward die Gewerkschaft Solidarnosc
Durchs Militärregime bekämpft.

Und da empörte sich mein Sinn
Für Freiheit und Gerechtigkeit
Und ich war gegen die Armee
Und ihren Oberst Jaruselzki
Mit seiner schwarzen Sonnenbrille.

Ich schrieb dann im Gymnasium
Im Unterricht der Politik
Ein Schreiben, das ich unterzeichnet
Mit dem Symbol der Anarchisten.
Der linke Lehrer sprach mich an:
Weißt du, was Anarchie ist?
Da gab er mir ein Buch zu lesen,
Hans Magnus Enzensberger schrieb
Darin von Spaniens Anarchisten.

Der Lehrer selbst war ein Rebell,
Ein Anarchist, ein linker Denker.
Mit meiner ersten Freundin Hedda
Besuchte ich den linken Lehrer
In seinem alten Bauernhaus.

Ich hatte einen Text geschrieben
Von der Gewissensüberprüfung
Des der sich zu dem Kriegsdienst meldet,
Mit dem satirischen Gespräch
Ging ich zum linken Lehrer, der
Verwies mich gleich an eine Zeitung,
Die ward geführt von linken Lehrern.

Ein andrer Lehrer war erschienen
An dem Gymnasium, ihm drohte
Berufsverbot, weil nicht gewiss war,
Dass er das Grundgesetz bejahte
Als ein Berliner Maoist.

Es gab Proteste gegen das
Berufsverbot, er wurde Lehrer,
Mein Lehrer in der Politik.


FRIEDENSBEWEGUNG

Bei meiner Freundin Hedda fand
Ich Maxim Gorkis Buch die Mutter.

Romantische Begriffe hatt ich
Von Russlands Revolutionären.
Die Kommunisten waren Kämpfer
Für die Gerechtigkeit und Freiheit.
Hier herrschte Solidarität
Und Tapferkeit und Heldenmut,
Der heiße Durst nach großer Freiheit
Und nach Gerechtigkeit auf Erden.

Doch einmal nahm vor Heddas Mutter
Ich Lenins Namen in den Mund
Und pries ihn hoch als Weltbefreier,
Sie aber sprach, und ich erstaunte:
Was war so schlecht denn an dem Zaren?
Das schien mir ganz absurd gefragt.
Der Zar und alle Monarchie
Erschien mir nur als Despotismus,
Als Tyrannei und Sklaverei.

Es fand ein Treffen statt der Leute,
Die gegen atomare Rüstung
Der Nordamerikaner in
Der Bundesrepublik von Deutschland
Erhoben deutlich ihre Stimme.

Ich ging mit Hedda zu dem Treffen.
So kam ich zu den Friedensfreunden.
Dort trafen sich die Sozialisten,
Die Kommunisten, Pazifisten,
Die linken Freunde der Natur
Und auch die liberalen Christen.
Sie protestierten gegen Rüstung,
Sie fürchteten den dritten Weltkrieg,
Den atomaren dritten Weltkrieg.

Wir sahen in der Schule damals
Mit großem Schrecken einen Film,
Der stellte dar die schlimmen Folgen
Des Abwurfs atomarer Bomben,
Und das entsetze mich so sehr,
Ich widmete die Jugendkraft
Dem Kampfe gegen den Atomkrieg.

Amerika, Sowjetunion!
Im Wettstreit atomarer Rüstung!
Ich war doch gegen alle Waffen
Und noch war ich ein Pazifist.


DAS KOMMUNISTISCHE MANIFEST

Und bei den linken Friedensfreunden
Ich lernte dann den Martin kennen,
Er war Trotzkist, er war Marxist,
Er lud mich ein zu sich nach Hause.

Er hatte eine schöne Schwester,
Die trug den Namen Ursula,
Mit langen glatten schwarzen Haaren
Und schwarzen Augen, weißen Zähnen.
Und ich verließ die fromme Hedda,
Die linke Ursula zu lieben.

Die Mutter Ursulas war Christin,
Sie sagte: Jesus sagte einmal:
Schlägt einer dir die rechte Wange,
Halt du ihm auch die linke hin!
Drum ist der atomare Wettkampf
Amerikas und Russlands gottlos.

Der linke Martin mir erklärte,
Amerika sei aggressiv,
Doch Sowjetrussland defensiv.

Amerikas Atomraketen
Bekämpften nur den Völkerfrieden,
Die russischen Atomraketen
Verteidigten den Völkerfrieden.

Und Martin gab mir dann zu lesen
Das Manifest des Kommunismus,
Des Stalinisten Dimitroff
Proteste gegen den Faschismus
Und Lenins ökonomische
Betrachtungen des Kapitals.

Und als ich Lenins Worte las
Im Jugendzimmer Ursulas,
Verstand ich nicht die Analyse
Der ökonomischen Betrachtung,
Sah nur die Augen Ursulas
In närrischer Verliebtheit an.

Dann sagte Martin eines Tages,
Es werde jetzt gegründet ein
Verein der Sozialistenjugend,
Er lud mich ein zum ersten Treffen
Des Jugendbunds der Kommunisten.


DIE SOZIALISTISCHE JUGENDGRUPPE

Da saßen wir im Jugendzentrum
Und gründeten den Ortsverein
Der deutschen Kommunistenjugend
Als Vorhut der Proletenklasse,
Wir Schüler vom Gymnasium.

Der Thomas liebte die Armee,
Das rote Militär der Russen
Im großen Krieg des Vaterlands.

Der Werner war der Sohn der Arbeit,
Sein Vater schuf in der Fabrik.

Der Volker war der wilde Sohn
Der Mutter, die katholisch war,
Pax Christi war ihr Lebensmotto,
Er stritt sich oft mit seiner Mutter.

Aus Bremen kam ein Funktionär
Und der erklärt uns das Bekenntnis
Der deutschen Kommunistenjugend.

Die Jugendgruppe zählte zur
Partei der deutschen Kommunisten.

Und der Partei der deutschen Kommunisten
Vor Orte stand Regina vor,
Sie schimpfte sehr auf die Polacken,
Die frommen Katholiken Polens,
Die einst der große Vater Stalin
Zurück verwies in ihre Grenzen.

Jedoch die Sozialistenjugend
Trat offen ein für Jugendrechte,
Und für gerechten Lohn der Arbeit,
Für Solidarität mit Armen
Und Kämpfern in der Dritten Welt,
Für Frieden, gegen den Atomkrieg,
Und für das Menschenrecht der Frau.

Wir gründeten den Ortsverein
Und teilten die Funktionen auf,
Der eine nahm den Vorsitz ein,
Der zweite war Parteikassierer,
Ich Dichter schrieb das Protokoll.


DIE GENOSSEN

Wir waren stets nur drei, vier Leute.

Der Thomas kochte schwarzen Tee
Und bot uns Butterkekse an.
Bevor er Kommunist geworden
Er ritze in die Schulbank ein
Das Hakenkreuz der Nazi-Bande.
Er liebte sehr das Militär
Der kommunistischen Partei.
Er war von keiner großen Klugheit.

Der Werner, ein Proletensohn,
Er war Kassierer der Partei.
Doch keiner zahlte gern den Beitrag.
Und Werner lernte Ute kennen,
Die kam aus christlicher Familie,
Sie kam nicht zu den Kommunisten.
Der Werner wurde später Lehrer
Für praktische Berufe. Ute
Gab mir des jungen Werther Leiden
Zu lesen einst in Oldenburg.

Der Volker nahm den Vorsitz ein,
Ein intellektueller Mensch,
War rational und logisch denkend.
Wir liebten sehr die Theorie,
Die Wissenschaft der Weltanschauung,
Da wurde Hegels Dialektik
Vom Kopfe auf den Fuß gestellt.
Mit Volker kam zu uns auch Sonja,
Ein revolutionäres Weib
Mit engem Mund und großen Brüsten.
Und Volker ging dereinst nach Bremen
Und wurde Doktor der Physik.
Und er verspottete die Christen,
Die aussehn wie das Leiden Christi
Und immer Halleluja singen.

Ich schrieb vor allem manches Flugblatt,
Propagandistische Pamphlete
Und pseudowissenschaftliche
Essays marxistischer Ideen.


SEXUALKOMMUNISMUS

Und einmal in der Diskothek
Traf ich die blondgelockte Sonja.
Wir waren beide sehr betrunken
Und tauschten unsern Tabak aus.
Wir gingen in die dunkle Nacht
Und standen auf dem Deich der Nordsee
Und küssten uns mit unsern Zungen.

So wurden wir ein Liebespaar,
Uns liebend einen Winter lang.
Ich liebte ihre großen Glocken
Und liebte ihren engen Mund
Und sie bekam von mir geschrieben
Die Schularbeit in deutscher Dichtkunst.

In diesem Sonja-Winter las ich
Tierfabeln aus dem Land der Russen.
Zusammen gingen wir spazieren
Im klaren Frost, im weißen Schnee.

Sie war die Tochter eines Schankwirts
Und war dem Wodka Russlands hold,
Wie ich auch war dem Wodka hold.

O Sonja, schöne Seele Russlands,
Du revolutionäres Weib!

Doch eines Tages ich besuchte
Den Freund und Weggenossen Volker,
Ich fand ihn nackt auf seinem Bette
Im Arm der nackten schönen Sonja.

Das war die Tiergeschichte Russlands
In einem kalten Winter Russlands:
Ich war der wilde Steppenwolf,
Ich heulte an den Mond im Osten.
Und ich ersäufte meine Seele
In Russlands Seele und im Wodka.

Die Weiber doch gehören allen,
In Platons idealem Staat,
Im sexuellen Kommunismus.

Doch Volker blieb mein Weggenosse
Und Sonja blieb Genossin, Freundin,
Doch fortan es gelang mir nicht,
Sie auf mein Bett herab zu ziehen.


LENIN

Ich las den Lebenslauf von Lenin,
Wladimir Iljitsch Uljanow.
Er hatte einen ältern Bruder,
Der war Rebell und Terrorist,
Schoss auf den Zaren Alexander
Und wurde drum zum Tod verurteilt.

Wladimir Iljitsch Uljanow
Drum dachte, dass der Terrorismus
Allein sei nicht der rechte Weg
Zum Sturz der Tyrannei des Zaren,
Es brauche dazu die Partei
Und eine Führung der Proleten.

Und Lenin lebte in der Schweiz
Und sammelte im Walde Pilze.

Und Lenin traf Inès Amand,
Die Kommunistin war aus Frankreich,
Die von der freien Liebe sprach.
Doch Lenin meinte, freie Liebe
Sei bürgerlich, die freien Bauern
Und freie Klasse der Proleten
Sich liebte in der treuen Ehe.

Man fällte einen Baum. Sprach Lenin,
Man solle einen Baum nicht fällen.

Und Lenin kam stets pünktlich zur
Versammlung der Parteigenossen.
Doch Stalin staunte sehr darüber,
Denn Stalin dachte voller Stolz:
Ein großer Mann kommt stets zu spät.

So warnte Lenin die Partei
Zuletzt noch auf dem Sterbebett
Vor Stalins grober Grausamkeit.

So sehen es die Linken gerne:
Nur Stalin war ein böser Mann,
Doch Lenin war ein Weltbefreier,
War Russlands weltlicher Messias!


STALINISMUS

Die deutschen Kommunisten waren
Im Westen Deutschlands eine Sekte,
Politisch völlig unbedeutend.
Der Ortsverein im Osten Frieslands
Geleitet wurde von Regina.

Sie war ein kleines altes Weib,
Ein altes Weiblein krumm und bucklig,
Mit grauen Augen, stechend scharf,
Und einer Warze auf der Nase
Und einer schrillen Elster-Stimme,
So war wie jene ekle Hexe
In bösen Träumen meiner Kindheit.

Sie hielt nichts von den jungen Wilden,
Der revolutionären Jugend,
Die liebten Wein, Gesang und Weib
Und kannten keine Disziplin.

Oft sprach sie von der alten Zeit
Der kommunistischen Partei,
Und als begann der Terrorismus
Der Nationalen Sozialisten,
Versteckten Kommunisten heimlich
Die Werke Stalins in der Erde.

Nach der Befreiung vom Faschismus
Im Siege der Sowjetarmee,
Geführt vom Generalissimus
Des roten Heeres, Vater Stalin,

Da wurden wieder Stalins Werke
Hervor geholt, und die besaß nun
Regina, alte Lederbände,
Die Bücher voll der Dummheit Stalins.

Denn Stalin war als Mönch erzogen
Im herrlichen Georgien,
Doch er verließ das Seminar
Und wurde roter Terrorist
Und sorgte bei den Bolschewiki
Fürs Geld durch Banken-Überfälle.

Anbeten ließ er sich als Gott,
Als einen Vatergott auf Erden,
Und machte so den Kommunismus
Zu einer Gegen-Religion,
Zu einem Glauben ohne Gott,
Mit einem Mann als ihrem Herrgott,
Zum Heilssystem des Antichristen,

Mit einem höllisch-heißen Hass
Auf den besondren Christus Russlands.


PHILOSOPHIE

Ja, ich erinnre mich noch gut,
Wir saßen einst in einer Schenke,
Proleten saßen dort beim Bier,
Wir schwatzten töricht-jugendlich
Nur pseudophilosophisches Geschwätz.

Der eine sprach: Urkommunismus
Erscheint bei vielen alten Denkern,
In Platons idealem Staat,
In Thomas Morus' goldner Insel
Utopia und in Atlantis
Und im gerechten Sonnenstaat.

Da waren Utopisten einst
Des religiösen Sozialismus,
Sanit-Simonisten, und in Frankreich
Die revolutionären Köpfe
Und die Kommune von Paris.

Sprach einer: Das ist alles Unsinn!
Vor Marx gabs keinen Kommunisten.
All diese Denker sind ja bloß
Poeten, bürgerliche Träumer,
Sind Utopisten. Erst Karl Marx
Entdeckte die historischen
Gesetze und die Macht der Arbeit.

Nun Hegel und die Dialektik
Vom Kopfe auf den Fuß gestellt
Von Lenins Materialismus.
Das Mutterrecht der Indianer
Von Friedrich Engels ausgelegt
Als Urbeginn des Kommunismus.
Und auch die Religionskritik
Von Feuerbach von Marx vollendet
Zur Wissenschaft des Atheismus.

Und Platon und sein Idealstaat?
Und Morus und die Utopie?

Das alles ist der alte Bund
Der unvollkommenen Propheten.
Doch mit Karl Marx und Friedrich Engels,
Dem Manifest des Kommunismus,
Beginnt die neue Zeit des Heils,
Da nun die Klasse der Proleten
Wird unter Führung der Partei
Das Paradies auf Erden schaffen.


DIE GEISTIG-MORALISCHE WENDE

Wir saßen einst in einer Stube,
Regina und die jungen Wilden.

Denn in der Bundesrepublik
Von Deutschland kamen an die Macht
Christ-Demokraten bürgerlich,
Geführt von einem Katholiken
Vom Rhein, der wegen seiner Form
Von uns nur Birne ward genannt.

Die Bäume dieser Demokraten,
Sie wachsen nicht bis in den Himmel.

Die bürgerlichen Demokraten,
Begehrten die Atomraketen
Amerikas auf deutschem Boden.
Kriegstreiber sie und Aggressoren
Und Knechte sie des Kapitals!

Wir jungen Wilden traten ein
In die Partei der Kommunisten.

Mein Vater fand einst mein Parteibuch
Und sagte: Das bezahlst du selbst,
Das werde ich nicht finanzieren.

Am familiären Mittagstisch
Der atheistischen Familie
Der Vater stritt sich mit dem Sohn
Und Streitpunkt war die Politik.

Doch meine arme Mutter sagte:
Ach, diese schreckliche Regina,
Die Hexe mit der schrillen Stimme,
Will sprechen dich am Telefon!

Und meine liebe Oma sagte:
Mein Kind, bist du ein Jünger Jesu?
Ich sprach: Ich bin ein Kommunist.
Und Oma sagte: Pfui, mein Kind!
Lies du den Psalm vom guten Hirten!


ISKRA

Einst Lenin und die Bolschewiki
In einer Zeitung schrieben, die
Hieß Iskra, das bedeutet Funke.

Und wir auch machten eine Zeitung
Und nannten sie der Funke und
Als Motto wählten wir ein Wort
Von Lenin: Hier von diesem Funken
Wird noch ein großes Feuer ausgehn,
Das wird die ganze Welt verändern.

So sprach der kluge Archimedes:
Gib mir nur einen kleinen Punkt
Und ich beweg die ganze Welt.

Und dieser eine kleine Punkt
Und dieser winzig kleine Funke
Das waren drei Gymnasiasten
In Friesland an der Nordseeküste.

Von Norden an der Nordsee würde
Die große Weltumwälzung ausgehn.

Die Weltumwälzung hatte schon
Begonnen. Lenin, mein Idol,
Und seine Bolschewisten-Bande
Schon hatte Russlands Häresie
Verbreitet in der ganzen Welt,
Von Russland bis Äthiopien,
Von China bis zur Insel Kuba
Schon herrschte streng der Kommunismus.

Und in der Schule sollten wir
Als Künstler einen Holzschnitt machen
Von einem Mitglied der Familie.
Ich schuf die weltliche Ikone
Vom Antlitz Lenins, nannte ihn
Großvater Jan. Der Lehrer sprach:
Das ist doch nicht dein Opa,
Das ist doch Lenins Angesicht.

Ein niederdeutscher Heimatdichter
Der platten Lyrik nannte mich
Verächtlich einen Pseudo-Lenin.

Wladimir Iljitsch Uljanow
War ein Idol und war ein Götze,
Ein Antichrist und Welt-Messias.


DER OSTERMARSCH

Das Fest von Ostern ist gekommen!
Was aber macht ein Kommunist
Zum Fest am Ostersonntag?
Er wird marschieren, wird marschieren
Mit andern auf dem Ostermarsch,
Dem Ostermarsch der Friedensfreunde:
Fort mit den atomaren Waffen!

Am Ostersonntag so marschierten
Zehntausende, ja, Hunderttausend,
Die Sozialisten-Demokraten,
Die Funktionäre der Gewerkschaft,
Die Kommunisten, Sozialisten,
Die Leninisten und Trotzkisten,
Die Umweltschützer, Pazifisten,
Linkskatholiken, Protestanten.

Sie alle einig in dem Wunsch,
Amerikas Atomraketen
Zu sehen nicht auf deutschem Boden.
Doch uneins in der Frage, ob
Die russischen Atomraketen
Auf deutschem Boden in dem Osten
Gerechte Friedensstifter seien.

Auch in dem roten Osten Deutschlands
Gabs Friedensfreunde, deren Motto
Jesajas Wort war: Schwerter werden
Pflugscharen, Säbel Winzermesser!

Jedoch erinnre ich mich noch
Ans Treffen deutscher Kommunisten
In Bremen, da ich hörte, dass
Die Friedensfreunde in dem Westen
Zu stärken seien, die im Osten
Jedoch sein antikommunistisch,
Reaktionäre Propaganda.

Die wichtigste Bewegung für
Den Frieden auf der ganzen Welt
Sei jedenfalls das rote Heer
Der siegreichen Sowjetunion.


ANTI-APARTHEID

Ein Hoch der Solidarität,
Der internationalen Freundschaft!

Im Süden Afrikas am Kap
Der guten Hoffnung herrschten Weiße,
Und die versklavten alle Schwarzen.
Apartheid nannten das die Weißen,
Die Grausamkeit der Rassentrennung.

Und gegen die Apartheid kämpfte
Der Afrikaner Nationaler
Kongress, geführt vom Rechtsanwalt
Mandela, der war im Gefängnis.

Und gegen den Apartheid-Wahn
Erhob das Wort der schwarze Bischof
Der Anglikaner, Desmond Tutu.

Und auch in Deutschland gab es Freunde
Der Afrikaner, solidarisch
Mit dem Befreiungskampf der Schwarzen.

Soll keiner die Orangen kaufen
Der weißen Herren Afrikas!
Rassisten werden boykottiert!

Und große schwarze Chöre kamen
Und sangen den harmonischen
Melodischen Gesang der Schwarzen,
In Deutschland sangen Freiheitshymnen.

Und ich schrieb ein Theaterstück
Und mit den jungen weißen Frauen
Und Tanja führten wir es auf,
Das Stück hieß: Tanze die Orange!

Ich schrieb auch ein Gedicht für Nelson
Mandela, Hymne an die Freiheit,
Ich schrieb es an das deutsche Bankhaus.


NICARAGUA

Ein Hoch der Solidarität,
Der internationalen Freundschaft!

In Nicaragua war Herrscher
Somoza, schrecklicher Diktator.
Dagegen kämpften Sandinisten,
Die revolutionären Truppen,
Die Söhne von Sandino waren,
Mit revolutionären Waffen
Im listigen Guerilla-Krieg.

Ernesto Cardenal, der Priester,
Und die Befreiungstheologen
Die revolutionären Waffen
Mit Priestersegen segneten.
Für diese Leute war es eins
Nur: Kommunismus, Kommunion.

Das revolutionäre Weib
Gioconda Belli schrieb die Lyrik
Des revolutionären Eros.

Und ich und meine Weggenossen,
Wir inspiriert vom Geiste Moskaus,
Wir sammelten viel Gelder ein
Für Waffen für die Sandinisten.

Ernesto Cardenal war Christ,
Den auch die Kommunisten schätzten,
Nicht wegen seines Christentums,
Das Paradies, das war ihm Kuba,
Das Himmelreich die Zuckerinsel.

Denn Jesus und Sandino waren
Gleich revolutionäre Männer,
Der Indianer alte Götter
Auch waren subversive Krieger
In dem Guerilla-Krieg der Freiheit.

Und kommunistisch schrieb auch Pablo
Neruda episch seinen Großen
Gesang der Südamerikaner
Im revolutionären Geist.

Ein Kommunist und Grieche, Mikis
Theodorakis komponierte
Den epischen Gesang Nerudas
Zur revolutionären Oper.


DIE RUSSISCHE REVOLUTION

Der revolutionäre Traum
War hochromantisch und poetisch.
O Robin Hood! O Störtebecker!
O Robespierre! O Marx! O Lenin!

Der Vater Kaiser aller Russen
War uns ein schrecklicher Despot.
Sankt Nikolaus der Zweite, Zar,
Uns ein brutaler Sklavenhalter.

Kerensky hatte ihn gestürzt.
Und darum hat die Kirche auch
Verweigert das Begräbnis dem
Ministerpräsident Kerensky.

Soziale Revolutionäre und
Soziale Demokraten und
Die Menschiwiki, Anarchisten,
Und bürgerliche Demokraten,
Sie alle fegte Lenin weg.

Die revolutionäre Klasse
Der revolutionären Arbeit,
In Lenin ist sie Mensch geworden.

Am siebenten November, siehe,
Da machte Lenin seinen Putsch.

Der Zar und Vater ward erschossen.

Und Lenin rief die Sowjets aus,
Kriegskommissar war Leo Trotzki.

Und Leo Trotzki dann bekämpfte
In Kronstadt den Matrosen-Aufstand.

Der rote Terror ward begründet
Von Lenin und von Trotzki und
Von Stalin. Und die Weiße Garde
Des Zaren ward besiegt von Trotzki.

Der Zarenthron war nun gestürzt,
Nun wurde der Altar gestürzt.
Und Lenin nahm das reine Gold
Der heiligen Ikonen und
Der Kelche und der Priesterröcke
Und gab das Kirchengold der Kasse
Des revolutionären Heeres.

O Wehen einer neuen Zeit!
Wladimir Majakowski predigt
Das Himmelsparadies auf Erden
Für die Proleten aller Völker.


CHINESISCHER KOMMUNISMUS

Ich las chinesische Gedichte
Von Mao Tse-Tung. O Lyrik Chinas!

Sind die Ideen Mao Tse-Tungs
Doch eine atomare Bombe!

Mein Lehrer in der Politik
Lud mich in seine Bücherei,
Da fand ich Schriften Mao Tse-Tungs,
Des Philosophen Dialektik
Und taoistischen Marxismus.

O all ihr Philosophen Chinas!

In China trugen die Chinesen
Den blauen Kittel armer Bauern,
Auch ich trug einen solchen Kittel
Mit rotem Sterne an dem Kragen.

Und Mao Tse-Tung schwamm durch den Strom,
Schwamm durch den Blauen Strom, den Yang-tse.

Und Mao Tse-Tung besiegte auch
Die Hungersnot im armen China.
Chinesen machten Lärm mit Töpfen
Und scheuchten so die Spatzen auf,
Die Spatzen ließen sich aus Angst
Nicht mehr auf ihren Zweigen nieder,
Die Spatzen fielen dann vor Schwäche
Vom hohen Himmel in die Pfannen.

O Mao Tse-Tung, ein Lyriker,
Ein Philosoph der Dialektik,
Ein Terrorist, ein Massenmörder!

Und so zur Zeit der Roten Garden
Die Bauern fraßen tote Ratten
Und Mütter ihre toten Babys!

O revolutionäre Zeit,
Der roten Garden roter Terror!
O revolutionäre Zeit,
Da in Berlin Studenten brüllten:
O Mao, Mao, Mao Tse-Tung!

Die blutig-rote Mao-Bibel
Den Blinden gab das Augenlicht
Und ließ die lahmen Krüppel hüpfen,
Wie Hirsche hüpfen auf den Höhen.


FESTIVAL DER JUGEND

Auch ich war auf dem Festival
Der Jugend! Moskau finanzierte
Das internationale Fest.

Die revolutionäre Jugend
Aus aller Herren Länder waren
Versammelt in dem Westen Deutschlands.

Die jungen Sängerinnen sangen:
Das deutsche Land braucht neue Männer!

Die Kurden grillten leckres Fleisch.

Die russischen Folkloregruppen
Froh tanzten zu der Balalaika.

Sandinos Jugend war da auch
Mit priesterlich geweihten Waffen.

Aus der Ukraine kam die Nachricht,
Ein russisches Atomkraftwerk
Die radioaktive Strahlen
Nun strahlt in alle Nachbarländer.

Und Volker trank und Werner trank
Und ich in revolutionären
Geweihten Bacchanalien Wodka.

Und nachts trank ich an Karins Brüsten.

Und Lehrvorträge überall
Von Politik und von der Wirtschaft
Und Wissenschaft und Propaganda
Und Dialektik der Materie
Und der Geschichte Dialektik.

Und Inder brieten Kichererbsen.

Und Lenins Jugend von Angola
War da und auch der Afrikaner
National-Congress vom Kap
Der guten Hoffnung, Sängerchöre.

Denn Marx dereinstmals prophezeite:
Wenn einst bei allen Völkern herrscht
Das tätige Prinzip der Arbeit,
Dann wird auf Erden Friede sein.

Und die Familie aller Menschen
Wird kommunistische Union.


CHE GUEVARRA

Ich hab von meinem Freund geträumt,
Von Erich mit dem roten Bart,
Vielleicht vom Kaiser Barbarossa.

Zusammen flohen wir die Schule,
Um frei der Phantasie zu leben.
Und er sang niederdeutschen Blues
Und ich las Lenins Dialektik.

Der Erich war ein Anarchist,
Er sprach sehr viel von Bakunin
Und liebte Erich Mühsams Lyrik
Und Che Guevarra war sein Abgott.

Wie Che Guevarra mit Zigarre,
Mit der Havanna in dem Mund,
So Erich auch mit seiner Pfeife,
Mit seiner langen Haschisch-Pfeife.

Und Erich sagte: Ich bin zwei,
Bin Erich, ich bin Er und Ich.

In Che Guevarras Tagebuch
Las er sehr gern, das Fidel Castro
Zensiert und umgeschrieben hat.

Denn so sprach weiland Che Guevarra:
Wir müssen aber unsrer Jugend,
Der revolutionären Jugend
So abgrundtiefen Klassenhass
Und Kampfgeist geben, dass die Jugend
Zur tödlichen Maschine wird!

Darüber sagte Rudi Dutschke,
Der Führer des Studentenbundes:
Das kann man so nicht stehen lassen,
Das müssen wir wohl kommentieren.

Ich träumte, Erich wär gestorben,
Mit dem ich oft den Blues gesungen.


URLAUB DES PARTEIVETERANEN

Als Veterane der Partei
Und Krieger aus dem kalten Krieg
Ich durfte Urlaub machen auch
In einem Dorfe bei Berlin.

Da war ich jung allein im Kreis
Von Veteranen der Partei,
Die hatten noch erlebt die Zeit,
Da war die kommunistische
Partei im Untergrund in Deutschland,
Da Adenauer sie verboten,
Vom Rhein der gute Katholik.

Ich spielte Schach mit alten Männern.

Wir gingen in dem Wald spazieren,
Da roch es herrlich nach Maronen.

Im Kindergarten Jenny Marx
Ich schaute leider keine Kinder.

Dort ging ich in die Bücherei
Und fand die Hymnen Hölderlins
Und Salomonis Hohelied.

Und Hölderlin schwor treue Liebe
Dem Genius der reinen Wahrheit!
Fault, Knechte, über euren Gräbern
Geht lächelnd einst der Friede auf!
Sei mir gegrüßt, o Göttin Muße!
Geschworen sei der Treueeid
Der unbefleckten Weisheit Fahne!

Und Salomonis Hohelied
Las ich zum ersten Mal, es war
Ein typographisch schönes Buch,
In Bücherkunst des Mittelalters.

Was für ein schönes Liebeslied!
Was für ein Hirtenlied der Liebe
Und was für eine Schäferin!

Im Restaurant bediente nämlich
Die wunderschöne Kellnerin,
Die schlank wie eine Palme war
Und jung und reizend und charmant.


PRAG

Auch ich war in Arkadien!
Ich hab das schöne Prag gesehen!

Libussa, meine junge Liebe,
Libussa, o Libussa, tanze!
O tanze, o Laurentia,
Laurentia, Geliebte, tanze!

Sankt Wenzel und die heilige
Großmutter Wenzels, segnet mich!

Sankt Nepomucken auf der Brucken
Vertrau ich meine Jugend-Torheit.

Den Theyn-Dom sah ich und ich stand
Vorm heiligen Altar und sah
Maria in dem Schnee! Wie schön!

Im Goldnen Gässchen sah ich Kafka
Und sah wie Gold geschaffen Tycho
De Brahe für den Habsburg-Kaiser.

Den stolzen Hradschin sah ich auch,
Doch leider keinen Habsburg-Kaiser.

Mit Prager Dichtern trank ich Weißwein
Und sah den jungen Mädchen nach.

Ich sah den jungen Mädchen nach,
Den heiter reinen Schmetterlingen,
Denn ich war selber eine Blume,
Von Falter froh zu Falter flatternd.

Und nun erhebe ich den Kelch
Voll Wein der Sorte Poesie
Und grüß Maria in dem Schnee!

Maria in dem Schnee, du Schönste,
O segne alle schönen Mädchen,
Die Grazien von der Grazie Gottes!

Zuletzt nun beuge ich mein Knie
Vor dir, o Prager Jesulein,
Geheimer Kaiser der Geschichte!




DRITTER GESANG
MEINE GELIEBTEN


DÖRTE

O meine erste Kindheitsfreundin,
Dein Vater war ein Architekt
Und meine Mutter Sekretärin
In dem Büro des Architekten.

Ich spielte gern und oft mit dir
Im großen Garten deines Vaters,
Wir spielten der Chinesen Ping-Pong.

Und einmal nahm dein Vater mich
Im Segelboot zum Segeln mit,
Wir schifften auf dem Großen Meer.

Du hattest einen Kaufmannsladen,
Da spielte ich mit dir am Markt,
Ich spielte mit den kleinen Püppchen.

Und deine große Schwester nahm
Mich mit zur Kinder-Bibelstunde.
Dort hörte ich vom Baby Mose,
Vom keuschen Josef in dem Brunnen,
Von Josefs Brüdern, den Verrätern,
Von Davids Kampf mit Goliath.

Und später gabst du mal ein Fest,
Es war zu deinem Wiegenfest,
Da hörte ich von deiner Feier
Und kam zu dir ins Elternhaus
Mit einem Püppchen Kasperle
Und sagte ein Gedicht dir auf.

Im Keller deines Elternhauses
War eine kleine Discothek,
Wir tranken herbes Bier aus Jever
Und tanzten zur Musik aus Schweden.

Ich hörte einst von meiner Mutter,
Dass du Juristin warst geworden
Und eine Ehefrau und Mutter.
Ich hoffe, du bist anders als
Des Teufels Winkeladvokaten,
Die auf den menschlichen Gefühlen
Nur trampeln wie die Elefanten.

Nein, du bist wahrhaft Advokatin,
Des großen Architekten Tochter.
Gott ist der Architekt des Kosmos,
Maria meine Advokatin!


KARIN

O Karin, einst mein Vater sagte,
Dein Vater sei ein schwerer Trinker,
Ein trockner Alkoholiker,
Er darf nicht einmal Schokoladen-
Pralinen essen, wenn darin
Ein kleiner Tropfen Alkohol.

Du hattest seidenschwarze Haare
Und seidenschwarze Haare hatte
Andreas auch, mein Freund und Bruder.
Und auf dem Abenteuerspielplatz
Wir spielten Cowboy und Indianer.

Andreas mit den schwarzen Haaren
War Sohn von Katholiken, er
War unser Indianerhäuptling,
Du, Karin mit den schwarzen Haaren,
Du warest seine junge Schwester,
Die schöne Indianersquaw,
Du trugst den Namen Schöner Tag.
Ich war der deutsche blonde Cowboy,
Blutsbruder ich des guten Häuptlings,
Und ich, der blonde deutsche Cowboy,
Und du, die Indianersquaw,
Wir liebten uns mit reiner Liebe.
Da küsste ich dich auf den Mund,
O Karin, in dem wilden Westen.

Noch heute, Karin, liebe ich
Die schöne Indianerin
Mit seidenglatten schwarzen Haaren,
Doch nicht die Tochter der Apachen,
Nein, sie, die Mutter der Azteken.

Sankt Monika mag deinem Vater,
Dem Trinker, beistehn, weiter ohne
Den König Alkohol zu leben.
Ich möchte auf den roten Wein
Doch lieber nicht verzichten. Auch
Sankt Monika, die Beterin
Von flüssigen Gebeten, liebte
Das flüssige Gebet des Weines.

Doch mir gewähr die Kaiserin
Amerikas die schöne Gnade,
Die Mutter aller Indianer,
Mein braunes Mädchen Morenita,
Maria, ihren Mund zu küssen!


SONJA

O meine liebe Freundin Sonja,
Im Garten meiner lieben Oma
Ein lila Falter-Flieder stand,
Da saßen auf den lila Blüten
Sehr viele bunte Schmetterlinge,
Die wollt ich Knabe alle fangen.

Doch Oma sagte: Lieber Junge,
Wenn du so einen schönen Falter
Berührst, verliert er seine Farbe
Und sterben muss der Schmetterling.

Und Frauen sind wie schöne Falter,
Man darf die Frauen nicht berühren.

In deinem Garten, liebe Sonja,
Stand auch ein lila Falter-Flieder.
Im Sommer immer, liebe Sonja,
Da fingen wir die Schmetterlinge
Vereint in einem großen Glas.

O schöne Sonja, dein Gesicht
War licht wie eine Sommersonne
Und deine beiden Augen lachten
Wie leuchtend blaue Sommerhimmel.

Ich war einmal in deinem Zimmer,
Du saßest auf dem Mädchenbett,
Ich auf dem Bett saß neben dir.

Und da war zwischen uns so ein
Elektrisch spannungsreiches Knistern,
Das war so eine schwüle Aura.

Ich glaube, das war Eros' Kraft.

Dein Name, wundervolle Sonja,
Ist Kosename von Sophia.

Die Hagia Sophia ist
Die mystische Erotik Gottes.

So knisterts auch von Gottes Eros,
Wenn der geschaffenen Sophia
Maria betend ich begegne!


ANGELA

O Angela, geliebte Freundin,
Du kamest aus dem Armenviertel.
Ich war der Sohn von einem Bankmann,
Der glaubte an den Gott des Geldes.

Wir gingen einmal in das Schwimmbad,
Und da sah ich dich im Bikini,
Da musst ich gehen eilig unter
Die kalte Dusche, keusch zu bleiben.

Du warst in einem andern Leben
Gewiss die Monroe Marilyn.

Und einmal spielten wir ein Spiel,
Da drehten wir die leere Flasche,
Auf wen dann wies der Flaschenhals,
Den muss man küssen auf den Mund.

Da küsstest du den Flaschenhals,
Da küsste ich der Flasche Bauch,
Wir küssten uns nicht auf den Mund.

Da habe ich gelernt fürs Leben:
Wer nicht ein schönes Mädchen küsst,
Der muss die Flasche eben küssen.

O Angela, o Angela,
Du Engel meiner Pubertät,
Du blonder Engel, immer wenn
Ich Mädchen seh mit blonden Haaren,
Mit langen blonden Haaren, denk ich,
Da seh ich meine Engelin!

Du engelgleiche Angela,
Der Engel Schwester ist Maria
Von Magdala, ist Magdalena,
Und hohe Königin der Engel
Ist die Madonna, ist die Jungfrau,
Sie ist Regina Angelorum.

Ich liebe meine Engelin,
Mahanajim vom Wildbachtale,
Und lieb die Himmelskönigin
Maria, Königin der Engel!


KISSI

O Kissi, schlanke Meerjungfrau
Der Nordseeinsel Norderney!

Die Eltern nannten Kerstin dich,
Gesalbte heißt das oder Christin,
Und deine Eltern tauften dich
Im Wasserbad der Mordsee Nordsee.

Doch deine Freunde nannten dich
Liebkosend Kissi. Hier ein Reim:
Was wäre das doch für ein bliss,
Dürft sterben ich durch deinen kiss.
Denn Kissi, das heißt Küsserin,
O große Küsserrin vorm Herrn!

Ich hätte gerne dich geküsst,
Jedoch im humanistischen
Gymnasium mit einem Jüngling
Du standest küssend auf dem Flur
In diese Schule junger Liebe.

Der Lehrer lehrte uns Latein.
Ich lernte das Latein vom Krieg
Des Vercingetorix mit Cäsar.
Und Cäsar – veni, vidi, vici!

Der alte Lehrer des Latein,
Er sprach zur großen Küsserin:
Man küsst sich nicht vor allen Leuten.
Und vor der Ehe ist das Küssen
Und außerhalb der Ehe Sünde.

O Christenbrüder, Christenschwestern,
O grüßt euch mit dem Kuss der Liebe!
So gebt einander in der Kirche
Den heilig-keuschen Kuss des Friedens!
Die Kirchenväter warnen nur
Vor solchen Christenbrüdern, die
Die Christenschwestern in der Messe
Gleich zweimal, dreimal küssen wollen.

Die Seher fragten einst Maria,
Ob sie Maria küssen dürfen?
Ja! sagte Unsre Liebe Frau.


HEDDA

Als ich dich kennen lernte, Hedda,
Als ich dich lieben lernte, Hedda,
Da gaben sich in Großbritannien
Prinz Charles und die Prinzess Diana
Gerad das eheliche Ja-Wort.

Prinz Charles war ja ein kleiner Mann,
Es war Prinzess Diana größer,
So musste Charles zum Hochzeitsfoto
Auf einen kleinen Schemel steigen.
Es muss doch immerhin der Mann
Erhabnes Haupt des Weibes sein.

Wir maßen uns auch an der Tür,
Da warst du einen Fingerbreit
Gewachsen größer als ich war,
Drum wolltest du auch nicht mit mir
Zusammen sein als Liebespaar.

Doch meine Leidenschaft für dich,
Sie machte zum Autoren mich,
Ich schrieb dir seitenlange Briefe.

Wem darf ich heute Briefe schreiben?
Ach, niemand möchte von mir Briefe
Aus purer Poesie bekommen.

Dein Kuss und lieblicher Genuss,
Sie machten mich zum Liebesdichter.
Ich hatte da ein leeres Buch
Und schrieb hinein die ersten Verse,
Die freien Verse freier Liebe,
Dies war der Titel jenes Buches:
Verkannten Geniusses Verse.

Ich trug ein Kettchen um den Hals
Mit einem Silbermedaillon,
Drauf war dein Name eingraviert.

Doch heute trage ich ein Kettchen
Mit jenem Wundermedaillon
Der Makellosen Konzeption
Maria, meiner Seelenbraut.


URSULA

Ihr jungen Mädchen, schönen Frauen,
Ihr dürft mich nie und nimmer lieben.
Denn unsichtbar steht eine Schrift
Geschrieben mir auf meine Stirn:
Weicht von ihm, Mädchen ihr und Frauen,
Denn dieser Mann gehört dem Herrn.

Und wenn mich eine lieben wollte
Und wollte eine schenken mir
Die schönen festen vollen Brüste,
Entsetzt entwich ich immer wieder
Und floh zu einer andern Frau,
Die fern und unerreichbar war.

Und so kam ich zu Ursula.

O deine Zähne waren weiß,
Von ebenmäßigem Perlmutt,
Gereiht in einer Perlenschnur.

Die schönen Haare waren schwarz
Und flossen lang und glatt wie Seide
Und fielen auf die jungen Brüste.

Und wenn vorher ein Mädchen mir
Privates Glücklichsein bescherte,
Du, Ursula, du warest mir
Die Menschheit, meine Vielgeliebte.

Du wolltest ja den Völkerfrieden
In Russland und Amerika,
Du wolltest ja den Bruderfrieden
In dem geteilten Deutschland wie
In Nord- und Süd-Korea auch.

Heut liebe ich die Frau der Völker.
Und ihre langen schwarzen Haare
Wie eine Herde schwarzer Ziegen
Herunter wallen an dem Berghang
Und ihre weiße Zähne sind
Wie frisch gewaschne Mutterschafe,
Und jedes weiße Mutterschaf
Hat Zwillinge zur Welt gebracht.

Und diese Mutter aller Völker
Ist auch die Königin der Erde
Und schöne Königin der Liebe,
Die triumphierende Maria!


ANNABELLA

Du warest Christin, Annabella,
Nach deiner Muttersmutter Anna,
Du aber nanntest dich nur Bella,
Du warst ja auch die Schöne, Bella.

Ich sah dich tanzen in der Disco,
Zwei-Schritte-Walzer tanztest du,
So schlank warst du, so schlank die Beine,
So schlank die Beine bei dem Tanz.

Ich habe einmal dich besucht
In deinem Elternhaus am Deich,
Da lasest du mir die Leviten
Und sprachst vom Evangelium.

Ein Jahr lang hatte ich versucht,
Dich einzuladen, aber du
Bist immer ausgewichen, Bella.

Dann feierte ich den Geburtstag,
Es war an dem Geburtstag Platons,
Ich lud dich ein zu meinem Fest.

Die Freunde waren zwar schon da,
Doch stand ich sehnend in dem Keller
Und fieberte nur dir entgegen.

Tatsächlich kamest du dann auch,
Nur einmal und nie wieder mehr.

Die Liebe ist ein Ring aus Feuer,
Durch den ein starker Tiger springt.

Denn auch die christlichen Geliebten
Und Schwestern liebten mich doch nie.
So weit reicht nicht die Nächstenliebe,
So weit geht nicht die Feindesliebe.

Doch eine Christin kenn ich gut,
Madonna oder Belladonna,
Die Tochter sie von Santa Anna.
So sehr die Frauen mich verachten,
So brennend liebt mich Sankt Maria.


MAIKE

Gestorben war dir deine Mutter,
Dein Vater war in weiter Ferne,
Ich meine in Brasilien.
Und du, o junge schöne Maike,
Mit deinen frischen dreizehn Jahren,
Du lebtest ganz allein in Deutschland.

Da wohntest du bei einem Künstler,
Der warmes Bier mit Zucker trank,
In einem Bauernhaus romantisch
In der Allee der roten Rosen.

Mein Freund, der Erich Barbarossa,
Der hatte dich erwählt zur Freundin.

Ich sagte: Ach, geliebte Maike,
Ich hab das Rätsel deiner Seele
Zu spät gesehen, schon ein andrer
Hat dieses Rätsel aufgelöst.

Da sagtest du: Ich bin kein Rätsel,
Ich bin ein mystisches Geheimnis.

Zehn Jahre später sehnte ich
Mich sehr nach einem frühen Tod,
Nach meinem Tod als meinem Heiland.

Da sah ich dich noch einmal tanzen,
Wir fielen uns in unsre Arme
Und so wie Überlebende
Nach einer schlimmen Katastrophe
Und so wie Todgeweihte an
Dem Rand des nahen sichern Grabes
Umarmten wir uns leidenschaftlich
Und stöhnend sagte ich wie sterbend:
Wie schön, dass du noch lebst, o Maike!

Am Rand des Grabs, mit einem Bein
Im Grabe schon, umarmte ich
In der Passion, der Agonie
Ein Mädchen, vierzehn Jahre jung,
Die reine Jungfrau Sankt Maria!


SONJA

Wir trafen uns beim wilden Tanz.
Du batest mich um Tabak und
Dann botest du mir Tabak an.

Wir gingen auf den Deich am Meer,
Da war es dunkle Mitternacht,
Da rauschte ruhelos das Meer,
Da küssten wir uns auf den Mund.
Wie eng und feucht war doch dein Mund!

Du warst nicht sehr gebildet in
Der deutschen Dichtkunst, darum ich
Schrieb dir den Aufsatz für die Schule.
Wir lasen im Gymnasium
Das Drama von den Räubern Schillers.

Da schrieb ich dir die Schularbeit
Zum Thema: Was, um Gottes Willen,
Hat Schiller heute uns zu sagen?

Zum Lohn für diese kleine Schrift
Ich durfte deine Brüste sehen,
Die silberweißen Kirchenglocken
Im Heiligtum der schönen Liebe.

Und immer wieder durft ich küssen
Den engen feuchten Mund des Weibes.

Wir liebten uns, berauscht vom Wodka,
Berauscht noch mehr von Russlands Seele.

Spazieren gingen wir zur Nacht
Zu zweit allein als Mondscheinmenschen
In sternenklarem Winterfrost.

Ich war ein Steppenwolf Sibiriens
Und heulte an die kalte Luna,
Gleichgültig glänzte sie am Himmel.

Wenn aber Russland sich bekehrt,
So wird das fromme Volk der Russen
Das Volk der Erde sein, das Gott
Am allerheiligsten verherrlicht,
So sagt Maria, Gottes Mutter.


KATI

Ich hab für dich geschrieben das
Theaterstück Antigone,
Das Lied der heldenhaften Frau,
Die rebellierte gegen das
Gesetz des ungerechten Staates
Im Namen göttlicher Gesetze.

Ich wusste auch nicht ganz genau,
Ob ich die kleine Kati liebte,
Ob ich geliebt Antigone.

Wir waren im Theater und
Da scholls von der Theaterbühne:
Und er verherrlicht seine Freundin
Als heilige Antigone.
Da hörte ich im Publikum
Die Kati-Freundin Britta lachen.

Auch Britta war ein schönes Mädchen.
Ich las in ihrem Haus vom Schatten
Des Pferds des Kutschers und vom Abschied
Vom Elternhaus, vom Hölderlin
Des revolutionären Dichters.

Doch du warst zart und fein, sensibel,
Voll femininer Lieblichkeit.

Ich war ja schon kein Kämpfer mehr,
Ich war zu einem Clown geworden,
Der melancholisch lächelte,
Zu einem Rokoko-Pierrot
Aus lieblichen galanten Festen.

Du warst die Taube, warst die Schwester,
Die gute Frau, des Friedens Hoffnung,
Die Kämpferin für Bruderliebe.

Du warst Antigone, die Jungfrau,
Das Mädchen im Gesetze Gottes,
Und darum weihe ich dich, Kati,
Der makellosen Immer-Jungfrau,
Dem Spiegel der Gerechtigkeit,
Der Frau in Ewigkeit, Maria.


ANNEGRET

Schriftsteller war ich damals kaum,
Schriftsetzer war ich und Prolet.
Du, Anne, hast mich eingeladen
Ins Rotlicht deiner Dunkelkammer.

Wir haben uns umarmt, ich brummte,
Wir haben uns umarmt, ich gurrte,
Ich war der Bär und war die Taube.
Du sagtest, dass du gerne mochtest
Die Töne, die ich von mir gab,
Als ich in deinen Armen lag.

Da habe ich für dich geschrieben
Das Weihnachtsevangelium,
Doch nicht der Christus ward geboren,
Nein, Annegret ward da geboren,
Und das war nicht in Bethlehem,
Das war im Stall von Siegelsum,
Da kamen nicht Judäas Hirten,
Da kamen Bauern der Ostfriesen.

Ich schrieb das Evangelium
Auf eine Rolle Pergament.

Das zeichnete ich Bilder auch
Zu Goethes Faust, dem Ersten Teil,
Da warst du, liebe Annegret,
Mein Gretchen, warst mein blondes Gretchen.

Und Gretchen saß in ihrer Kammer,
Mein Gretchen in der Dunkelkammer,
Und sang der schmerzensreichen Mutter
Und sang der Jungfrau ohnegleichen.

Und schließlich starb das blonde Gretchen
Und war im Himmel bei den drei
Marien, schönen Büßerinnen.

Sie grüßte ihre Retterin,
Die Jungfrau, Mutter, Königin,
Ja, Gnaden-Göttin Sankt Maria.


MARION

Ich hab gesehn dich in der Schenke,
Gesehen deine großen Augen,
Ikonen sie der Mutter Gottes.

Da sagt ich dir: Wer da gebraucht wird,
Ist länger nicht mehr frei geboren.
Ich aber brauch dich, Marion.
Du sagtest: Ich will nicht gebraucht sein.

Dann machten Puppen wir und Masken
Von biologischen Mutanten.

Zusammen schrieben wir ein Flugblatt:
Ein Engel kam der Offenbarung
Und hielt die helle Himmelssonne
Wie eine Schale voll von Löchern,
Durch diese strömte zu der Erde
Die Feuersglut des Zorns des Herrn.

Da sagten uns die Kommunisten:
Was soll uns dieser Pfaffenkram?

Da sah ich Melencolia.
O melancholische Madonna!

Dann tratest du in mein Gemach
Und sagtest: Schau, ich hab Visionen,
Jetzt muss ich aber schnell nach Hause,
Mit Kunst zu malen die Visionen.
Ich sagte: Lege deine Hände
Mir auf das Haupt und segne mich!

O Marion, in dir geliebt
Hab ich die Frau der Offenbarung,
Maria in dem Licht der Sonne.


KARINE

Ach als du eintratst ins Gemach
Mit Aphrodites Marmorbüste,
Da war es mir, als sei erschienen
Die fleischgewordne Aphrodite
In dir, du Priesterin der Venus.

Dann zeigtest du mir die Provence,
Dort sah ich im Gesicht die Jungfrau,
Die sprach zu mir: Gott ist in dir!

Du aber warst mir Magna Mater,
In Üppigkeit die Liebesgöttin.

Du zeigtest mir die Pyrenäen,
Ich sah die Seelen meiner Toten
Und Schönheit femininer Engel
Und betete zur großen Gottheit
Der Schönen Liebe: Iahu!

Du zeigtest mir das fromme Polen,
Wir sahen Krakau, die Karpaten,
Ich las im Evangelium
Von Martha und von Magdalena.

Dann schenktest du mir deine Kinder,
Die liebten mich als einen Vater.

Und als du gingest, um zu sterben,
Da sagtest du zum Abschied immer:
Verlier nicht die Geduld, mein Schatz,
Denn bald bist du im Paradies
Bei Unsrer Lieben Frau Maria!

Ich hab gelernt von dir und von
Der orthodoxen Kirche Zypern:
Mich liebt die Neue Aphrodite,
Maria, meine Magna Mater!


IRINA

Ich sah dich in dem Blumengarten
Der Freundin, und ihr sprachet russisch.

Du nämlich warest aus Sibirien,
Irina, warest aus Irkusk.

Da sagte ich zu dir: Ich liebe
Die tiefe Poesie der Russen,
Ich liebe Fjodor Dostojewski
Und Puschkin allermeist, den Meister,
Und Alexander Blok und auch
Die fromme Anna Achmatowa,
Und auch Marina Zwetajewa.

Du sagtest, dass du liebtest die
Romane der Franzosen, etwa
Flaubert, Balzac und Maupassant
Und Marcel Proust und Victor Hugo.

Ich schrieb dir reimlos ein Poem:
Jerusalem, Jerusalem.
Die himmlische Jerusalem
Warst du für mich, des Lammes Nymphe,
Die Braut des Herrn, denn du warst Christin.

Ich sah dich auf dem schönen Bilde
Von Leonhard da Vinci, zeigend
Die Dame mit dem Hermelin.

Du sagtest: Vor der Ehe und
Auch außerhalb der Ehe soll
Enthaltsam leben, keusch der Mensch,
So lehrt es uns der Christus Jesus.

Du warest bei der Pfingstler Sekte
Und sangest Lobpreis zur Musik
Und redetest in Zungensprache.

Und wegen deiner Zungenrede
Auf deinem rötlichblonden Haar
Bewegten sich die Feuerzungen.

Ich liebe sehr die Braut des Lammes,
Die himmlische Jerusalem,
Die keusche Braut des Geistes Gottes,
Ikone der Ecclesia,
Ihr weihe ich das fromme Russland,
Der Jungfrau makellosem Herzen,
Der triumphierenden Maria.


INKA

Als ich das erste Mal dich sah
Im evangelischen Gebetskreis,
Da sagte ich: O Herr, der Eifer
Verzehrt mich um das Haus des Herrn!
Und du, o Inka, lächeltest.

Da sang ich dir ein Liebeslied
Und schrieb es auf chinesisch nieder,
Verdolmetscht ging das Liedchen so:
O Schwesterchen, o Schwesterchen,
O reine Jade, weiße Schwanin,
Der Meister Jesus Christus liebt dich
Und ich, ich lieb dich ebenfalls!

Da sagtest du zu mir: Dein Lied
Hat Jesus Christus mir gesungen.

Und einmal lasen wir in Frankfurt
In der Geheimen Offenbarung.
Ich sagte zu dem Bibellehrer:
Was hat die Gattin des Pilatus
Geträumt wohl über Jesus Christus?
Sie sah im Traum den Sokrates,
Der sprach zu ihr von dem Gerechten,
Der Gottmensch sei und ohne Sünde.

Du aber warst, o keusche Inka,
Für mich die siebte Königin
Aus der Geheimen Offenbarung.

Und einmal träumtest du von Gott.
Die weiße Taube Elohims
Hat in die Augen dir geschaut.

Dann träumtest einmal du von Gott:
Der Herr nimmt bald mich bei sich auf!

Dann schwandest du geheimnisvoll
Wie weiland Henoch von der Erde.

Da sang ich trauernd eine Hymne:
O Schwester aller Christen du,
O Schwester aller Menschen du,
O Schwester aller Jungfraun du,
O Schwester aller Seher du,
O meine Schwester-Braut Maria!



MIRJAM

Ich ging spazieren in dem Schwarzwald,
Ging Gott zu suchen vor mich hin,
Das evangelische Gesangbuch
Hielt betend ich in meinen Händen.

Da sahst du mich, o fromme Mirjam,
Da nanntest du mich Bruder Mönch,
Du warst gekreuzigte Novizin.

Für dich versetzte ich als Dichter
Das Lied der Lieder Salomonis
Von Galiläa in den Schwarzwald.

Dann hast du mir ein Lied gesungen
An Unsre Liebe Frau Maria:
Olive du und Balsamstaude!

Da war so traute Mutterheimat
In deinem warmen Liebeslied.

Da habe ich für dich geschrieben
Die Abschiedshymne des Johannes,
Als Jungfrau Mirjam fuhr gen Himmel.

Du aber nahmest meine Hand
Und führtest mich zum Quell von Lourdes,
Zur Makellosen Konzeption.

Verlobte Jesu warest du
Und lächeltest, als ich bekannte,
Verlobter bin ich nun der Jungfrau,
Der Makellosen Konzeption.



VIERTER GESANG
DER MENSCH


PROLOG

Ich sah im Weltall eine Nacht
Der absoluten Einsamkeit.

Die Sterne auf der Bahn verließen
Die Geistersonne, die allein
In schwarzer Einsamkeit versank.

Die große Geistersonne schwitzte
Inmitten schwarzer Finsternis
Zehntausend Tränen blutig rot.

Die jungen Götter Griechenlands
Mit Skorpionengeißeln peitschten
Die Sonne aus in ihrem Elend.

Zehntausend Tränen weinte blutig
Die hohepriesterliche Sonne
Im kaiserlichen Purpurmantel.

Und alle brüllten voller Spott
Wie Ozeane aufgewühlt:
Und du willst Geistersonne sein?

Die Geistersonne aber tauchte
Ihr blutbedecktes wundes Haupt
In einen Ozean der Trauer.

In absoluter Traurigkeit
Zu Tod betrübt in Einsamkeit
Verblutete die Geistersonne.

Da schrie mit letzter Kraft die Sonne:
O Kaiser du des Universums
Im Reiche deines Empyreums,

Lass diesen Kelch der Bitterkeit
Mit blutig rotem Wein der Tränen
Vorübergehen an der Sonne!

Und wunderschön die Sonne sang
In reiner Sphärenharmonie
Wie eine goldene Sirene:

Du schreibe alle Worte auf,
Die ich dir flüstere ins Ohr,
Schreib sie der Nachwelt in ein Buch.

Ich sah, und siehe, was ich sah,
War eine schöne Klosterfrau
In ihrer dunklen Nacht des Geistes.

Sie hatte lange schwarze Haare,
Ihr Haar war wie ein Wasserfall,
Sie kämmte ihre schönen Haare,

Dann schnitt sie sich die Haare ab
Und ihre nackte Glatze glänzte
Wie Luna silbern in der Nacht.

Doch ihre Mutter war das Meer,
Die zerrte an der dunklen Nacht:
Komm zur Familie doch zurück!

Du bist die makellose Luna,
Du bist von Silber, glaube du
Doch an die dreißig Silberlinge!

Jedoch die kluge dunkle Nacht
Geflohen ist durch einen Spalt,
Durch einen Riss im Universum.

Die dunkle Nacht des Geistes hatte
Auch eine treue Busenfreundin,
Das war die dunkle Nacht des Nichts.

Und beide dunklen Nächte flohen
Vorm hellen Gold der reichen Sterne
Und vor dem Gold des Firmaments

Und schlossen beide fest sich ein
Und jede war für sich Reklusin
In tiefer Einsamkeit des Alls.

Da aber die gebackne Gottheit,
Die Gottheit, die gekeltert ward,
Versüßte ihre Einsamkeit.

Die schwarze Klosterjungfrau Nacht
Nun trat zu ihrem Freund und Bruder,
Der predigte den Schleiereulen,

Und fest sog sie an seinem Busen
Und trank die Milch der Galaxie
Und sang in trunkner Nüchternheit:

Du selber hast ja nichts zu sagen,
Denn es sind alles meine Worte
Und meines Sohns, der Geistersonne.

Vom Himmel hoch da komm ich her,
Ich bring euch eine neue Botschaft,
Ein bessres Lied will ich euch singen.

Das Thema meines Liedes ist:
Die frohe Botschaft meiner Liebe.

Ihr singt ja alle von der Liebe,
Doch gar nichts wisst ihr von der Liebe!
Denn meine Liebe ward gekreuzigt!

Doch eure Lieder von der Liebe
Nur immer wieder kreuzigen
Die Liebe, die gekreuzigt wird!

Die Liebe war im Anbeginn
So wie die Wehen einer Frau
Und wie das Weinen der Geburt.

Die Liebe schreiend kam zur Welt
Und Heulen war ihr erster Laut,
Kein Sultan anders kommt zur Welt.

Doch seit gekreuzigt ward die Liebe,
Der Liebe steckt ein Schwert im Herzen!

Doch eure Liebe ist die Lust,
Doch eure Liebe ist der Spaß,
Doch eure Liebe ist der Hunger.

Doch ich verkünde euch die Liebe,
Die heiß vor Pein und Weh verblutet,
Die Liebe, die verlöscht im Nichts!

Die Liebe, die zu reinem Nichts wird,
Dass die Geliebte Alles wird,
Das nenne ich der Liebe Demut.

O Demut, Demut, Demut, Demut,
Die Liebe ist nur in der Demut!
Ich Staub, ich bin nicht Gott der Herr!

Doch Gott der Herr ist lauter Liebe
Und ich bin Gottes Ebenbild
Und darum bin auch ich die Liebe.

Und so verkünde ich der Nachwelt
Die frohe Botschaft meiner Liebe,
Der Liebe, die gekreuzigt ward!


GEBURT JOSEF MARIA MAYERS

Dass meine Eltern, Mann und Frau,
Geschlossen liebend ihre Ehe,
Erregte eine hohe Sturmflut.

Mein Vater ist der Wettersturm
Und meine Mutter ist das Meer
Und ihre Hochzeit ist die Sturmflut.

Ja, meine Mutter ist die See.
Und also lasst um Sankt Maria
Uns immerdar den Ozean.

Ja, meine Mutter ist die See,
Sie ist die Nordsee, ist die Mordsee,
Man nennt sie auch den Blanken Hans.

Jedoch mein Vater ist der Sturm,
Der Geistbraus überm Ozean,
Der Geistbraus Gottes, sausend, brausend.

Mein Vater und mein Zeuger ist
Der Atem und der Odem Gottes,
Der Wind, der Geist der Heiligkeit.

Ja, meine schöne Mutter ist
Das Meer, Materia, die Mater,
Ist Unsre Liebe Frau Maria.

Und als der Sturm des Geistes Gottes
Kam nieder auf das Meer Mariens,
Da kam die Sturmflut meiner Seele.

Da kam die Sturmflut meiner Seele
Und brach die Deiche an der Küste
Und schoss hinauf den Strom der Elbe

Und Hamburg wurde überflutet,
Zehntausend Menschen saßen weinend
Und bang auf ihren Häuserdächern.

Jedoch in Geisteskraft mein Vater
Und rauschend meine schöne Mutter
Den Reigen ihrer Hochzeit tanzten.

Und das war auf der Insel Baltrum
In der Ostfriesen Archipel,
War mitten in der hohen Sturmflut.

Da brüllte laut der Wettersturm
Und zeugte in dem Schaum des Meeres
Die unbefleckte Seele Josefs.

So lag ich an dem weißen Strand
Der Heckenrosen-Insel Baltrum
Als kleines Findelkind im Weltall.

Da fand mich an dem Strand von Baltrum
Die Große Mutter meiner Seele,
Sankt Paula Margarethe Mayer.

Sie war gewesen eine Witwe
Von hundert weisen Lebensjahren,
Die Witwe war zu Ehren Gottes.

War sieben Jahr vermählt gewesen
Und war seit langer Zeit allein
Und liebte ihre Einsamkeit.

Sie war allein in dieser Welt,
Sie war allein, doch nicht verlassen,
Wer glaubt an Gott, ist nie allein.

Sie legte mich auf ihren Schoß
Wie es Naomi tat mit Obed
Und nahm mich als ihr eignes Kind an.

Sie gab mir süße Milch des Trostes
Und kochte mir den süßen Milchbrei
Mit süßen Mandarinen Chinas.

Sie sang mir Wiegenlieder vor
Und lehrte kindliche Gebete,
Der Glaube kommt ja von den Frauen.

O mein geliebter Engel mein,
So lass mich dir befohlen sein
Und führ mich in das Paradies!

Ich bin ja nur ein kleines Kind,
Mein Herz ist rein von großer Schuld,
In meinem Herzen wohne Jesus!

O lieber Gott im Himmelreich,
Mach mich zu einem frommen Kind,
Auf dass ich in den Himmel komme!

Maria, breit den Mantel aus,
Lass mich darunter sicher sein,
Bis aller Sturm vorübergeht.

Dann küsste mich die Große Mutter
Und nannte stets mich ihren Liebling:
Wie schön, dass du geboren bist!

Gott kannte mich bereits im Geist,
Bevor ich ward empfangen in
Dem Mutterschoße meines Leibes.

Bevor des Vaters Samenzelle,
Der Mutter Ei im Uterus
Verschmolzen sich zu meinem Leib,

Bevor mein Gott und Schöpfer hauchte
Die Seele meiner Geist-Person
In jenen kleinen Keim des Körpers,

Da existierte ich noch nicht,
Doch Gottes Weisheit kannte mich
Bereits und rief mich schon beim Namen.

Und als ich dann gewoben wurde
Im Schoße der Materia
Und in der Mutter Erde Dunkel,

Berief mich Gott der Vater schon,
Ich solle Jesu Jünger sein
Und ein Prophet erfüllt vom Geist.

Gott gab mir eine flinke Zunge,
Scharf wie ein Pfeil die rasche Zunge,
Die Wahrheit wissend zu verkünden.

Und Gott der Schöpfer sandte mich
Auf den Planeten in der Bläue,
Herab zur schwarzen Mutter Erde.

Gott sandte mich mit einem Auftrag:
Geh, Liebling, geh als Missionar
Und künde allen Menschenkindern,

Dass Gott der Vater in den Himmeln
Liebt alle kleinen Menschenkinder
Wie eine Mutter ihren Sohn!

Und darum hat der Schöpfergott,
Seit einst Columbus hat entdeckt
Das braune Mädchen Morenita,

Viel kluge Männer, schöne Frauen,
Vermählt im treuen Bund der Ehe
Mit Offenheit für neues Leben,

Auf dass ich komme in die Welt,
Frucht tausender Vermählungen,
Ich, Josef, Dichter und Prophet,

Zu künden allen Menschenkindern
Die Große Mutterliebe Gottes
Des Vaters, der da ist im Himmel.


LEBEN JOSEF MARIA MAYERS

Ich bin gekommen in die Welt,
Den Frieden in die Welt zu bringen,
Nicht Frieden, nein, vielmehr das Schwert!

Laut rief ich: Friede sei mit euch!
Jedoch des Menschen schlimmste Feinde
Sind seine eignen Hausgenossen.

Der Vater wird den eignen Sohn
Dem schlimmen Richter übergeben,
Der Bruder noch verrät den Bruder.

Ihr ruft zwar alle lauter Stimme:
O Friede, Friede in der Welt!
Doch ist kein Frieden in den Herzen.

Der Friede nämlich wird nicht kommen
Von dem Geschick der Präsidenten
Und nicht von der Gewalt der Heere.

Es gibt auf Erden keinen Frieden,
Herrscht nicht zugleich Gerechtigkeit
Für all die Armen aller Völker.

Hört meine Rede, all ihr Armen:
Der Arme ist der Liebling Gottes,
Ihr alle seid die Armen Jahwes!

Doch wehe euch, ihr stolzen Reichen,
Denn euer Bauch ist schon gesättigt,
Ihr habt den Lohn ja schon erhalten!

Doch dreimal selig sind die Armen,
Die nur vom Schöpfer noch erbitten
Das substanzielle Brot des Tages!

Und selig seid ihr, die ihr hungert
Und dürstet nach Gerechtigkeit,
Und selig sind die Friedensstifter!

Zwei Herren könnt ihr ja nicht dienen,
Ihr könnt ja nicht dem Mammon dienen
Und auch zu gleicher Zeit dem Herrn.

Entweder liebt ihr nur den Mammon,
Dann werdet ihr die Liebe Gottes
Verschmähn, verhöhnen und verspotten,

Nun, oder ihr liebt Gott den Herrn
Und liebt den Nächsten wie euch selbst,
Dann ist euch Mammon nichts als Kot.

Und Gott der Herr allein ist Richter
In der versammelten Gemeinde
Der jungen Göttinnen und Götter.

Denn ich bin Jahwe, bin dein Gott,
Und du sollst keine andern Götter
Und Göttinnen vor Jahwe haben!

Sag, Ephraim, was sollen mir
Denn weiter deine Götzenbilder,
Die nackten Göttinnen aus Stein?

Schau dir die Venus an von Milo,
Aus kaltem Stein ist Aphrodite,
Hat keine Arme, dich zu retten.

Hat keine Arme dich zu retten,
Sie kann dir nicht zu Hilfe eilen
Und kann dir reichen nicht die Hand.

Die Marmor-Aphrodite hat
Auch keinen Odem in dem Mund,
Nie wird die Venus zu dir sprechen.

Und schau dir an das wilde Treiben
Der Aphrodite-Dienerinnen,
Wie spreizen allen sie die Beine,

Sie treiben in der Jugend Unzucht
Und nennen ihre Hurerei
Verschönernd auch noch freie Liebe,

Sie sind die Sklavinnen der Triebe,
Sie sind die Sklavinnen des Fleisches,
Sie sind die Sklavinnen der Sünde.

Und Buddha auch und Sokrates,
Konfuzius und Mohammed
Sind nichts als Menschen, Staub vom Staube.

Und eine Scham verhindert mich,
Die Männer dieser Erde zu
Vergleichen mit dem Christus Jesus.

Denn plötzlich stand der Herr vor mir,
Der wahre Gott und wahre Mensch,
Und ging im Geiste in mich ein.

Wie haben sie mein Herz zerrissen,
Die Bibelfundamentalisten
Zerrissen meinen Leib, ah weh!

Da stand ich ganz allein in Prag
Und rief vorm Denkmal von Jan Hus:
Sein oder Nichtsein ist die Frage!

Dann aber warfen sie in Prag
Beim Fenstersturz mich aus dem Fenster.
Da bat um Hilfe ich den Tilly.

Und auf dem Boden meines Leibes
Die Sekten haben Krieg geführt,
Ja, dreißig Jahre Glaubenskrieg!

Und an die Pforte meines Herzens
Und an die Kirche meiner Seele
Sie schlugen ihre falschen Thesen!

Den Ablass haben sie gestohlen,
Das Fegefeuer stahlen sie,
Dann nahmen sie mir auch die Beichte,

Sie wollten an den Corpus Christi
Und an des Geistes Kommunion,
Das Opfer auf dem Hochaltar,

Ich floh und trat in Ludgers Kirche
Und in die Kirche seines Schwanes
Und speiste meinen Gott und Herrn

Und schwebte nach der Kommunion
Verklärt wie Gottes Engel über
Der Erde, schwebte in dem Äther.

Da hauchte mich der Satan an
Mit dem Gestanke seines Rachens
Und hauchte schwarze Pest und Schwefel.

Aus Satans aufgerissnem Schlund
Sah schlüpfen ich die Ratte Satans,
Die stank wie Pest und Stank der Hölle!

Und Satan reichte mir voll Hohn
Ein goldnes Schwert und sagte spöttisch:
Nun bringe du dich selber um!

Jedoch die göttliche Sixtina
Mit ihrem Kindchen sprach: Du lebe!
Blüh wie die Lilie auf dem Felde!


DIE PASSION JOSEF MARA MAYERS

Von einem schreckensvollen Winter
Und einer sternlos dunklen Nacht
Ich will nun singen unde sagen.

Ein Winter war es, einer nur,
Nein, nicht ein Winter nur allein,
Drei Winter waren es wie einer.

Und doch, die Wahrheit zu berichten,
Nicht nur drei Winter waren es,
Vielmehr zehn lange Winterjahre.

Vielmehr, ich muss die Wahrheit sagen,
Nicht nur zehn lange Winterjahre,
Nein, vierzig Jahre war es finster.

Ich schaute in mein Innenleben
Und sah im Innern meine Seele,
Sah lebend meinen innern Menschen.

Da sah ich meinen innern Menschen,
Die Psyche männlicher Gestalt,
Und die Gestalt hing da am Kreuz!

Und meine Psyche blutete!
Fünf Wunden hatte meine Psyche
Und sieben Schmerzen in dem Herzen!

Und meine Psyche war verwundet
Und alle Wunden meiner Seele
Wie offne Quellen sprudelten

Und aus den Wunden meiner Seele
Die Quellen brachen weh hervor
Und sprudelten von Strömen Blutes!

Aus der verletzten Psyche Leib
Es spritzte Blut aus allen Wunden,
Das Blut der Wunden der Erlösung!

Oh, meine liebe Jugendfreundin
Lag schlummernd in dem Sterbebett,
Der Krebs fraß ihren Busen auf.

Und ich benetzte ihre Stirn
Mit eines Bruderkusses Segen
Und mit dem Blute meiner Seele.

Sie schaute auf mit lichten Augen
Und sagte mit gebrochner Stimme:
Ich sehe Christus an dem Kreuz!

Da war ich einsam und allein
Mit meinem treuen Kreuz, allein
In dieser finstern Nacht der Seele.

Denn meine beiden Ehefrauen
Und meine sieben Söhne hatten
Verlassen meine dunkle Seele.

Und meine beiden Geistesfreunde
Und auch die Katholiken hatten
Verlassen meine dunkle Seele.

Der Priester, der mein Beichtiger,
Er jagte mich aus seinem Haus
Als einen hoffnungslosen Fall.

Jetzt war ich von der Welt verlassen!
Ich war von meinem Gott verlassen!
Ach Eli, lama asabthani?

Das war die dunkle Nacht der Sinne
Und war die dunkle Nacht der Seele
Und war die dunkle Nacht des Geistes!

Und alle feierten Advent
Und Kinder-Weihnacht fröhlich, selig,
Mir aber war es mein Karfreitag!

Da schrie ich zu dem hohen Himmel,
Gott stopfte sich die Ohren zu
Mit finstern Wolken undurchdringlich.

Da weinte ich in meinem Jammer,
Da flehte ich um die Erlösung,
Da schrie ich auf in wehen Schmerzen!

Man schlug mir Nägel in die Hände,
Man schlug mir Nägel in die Füße,
Stach eine Lanze mir ins Herz!

Mein Gott, mein Gott, mein Eli, Eli,
Was hast du mich allein gelassen?

In einer mystischen Vision
Tat da sich mir der Himmel auf,
Ich sah, ich schaute Jesus Christus!

Mein Christus starb an seinem Kreuz:
In deine Hände ich befehle
Dir meinen Geist, mein ganzes Leben!

Und meinst du etwa, dieser Tod
Sei auf der Stelle die Erlösung
Von aller Peinigung gewesen?

Denn da ich nun gestorben war
Geheimnisvollen Tod am Kreuz
Mit meinem Bruder Jesus Christus,

Da musste ich auch noch hinab
Zum Schlund der Gottverlassenheit
Der Toten in dem Schattenreich!

Da schritt ich hin durch Feuerflammen
Und schritt ich barfuß über Scherben
Von scharfem Glas im Frost der Hölle,

Da ging ich barfuß durch die Hölle!
Und das ist Christi Freudenbotschaft?
Und darum bin ich Christ geworden?

Was hat mich Christus denn erwählt,
Dass ich allein und einsam muss
Nun pilgern durch die finstre Hölle?

Die Totengeister blieben stumm,
Die Seelenschatten winkten stumm.
Die Toten warteten auf Rettung.

Ich aber musste Asche essen,
Ich aber musste Tränen trinken,
Ich aber musste schwitzen Blut.

Für welche der verlornen Seelen
Hat der Erlöser Jesus Christus
Mich denn geschickt in diese Hölle?

Ich wollte endlich nur noch sterben,
Nur um nicht sterben mehr zu müssen
All diese tausendfachen Tode!

Gott! Schlag mich tot wie einen Hund!

O Gott in deiner Schrecklichkeit,
Gib meiner Seele Morphium,
Gott, schläfre meine Seele ein!

O de profundis, domine!
So schrie ich aus der Nacht der Hölle
Zu dem Erlöser auf dem Blut!


HIMMELFAHRT JOSEF MARIA MAYERS

Ich lag allein auf meinem Bett
Und schaute an die Grabeskerze
Und da verließ ich meinen Leib
Und schwebte in die Dunkelheit.

Und meine schmerzensvolle Seele
Ward aus dem Leib heraus gesogen,
Es war ein schmerzlich-süßer Sog.

Da schwebte ich nun in der Nacht,
Im Reich des schwarzen Universums,
Und Schatten sich gesellten mir
Zur rechten und zur linken Seite.

Und alle diese Seelenschatten
Wie holde Damen, liebe Herren
In einer schwarzen Trauerkleidung,
Sie sind mir als Allee erschienen.

Und die Allee von Grabzypressen
War ähnlich einer Prozession
Von tiefbetrübten Trauergästen,
Die pilgern in die Dämmerung.

Da irrte ziellos ich umher,
Auf einmal jäh heraus gerissen
Aus meinem lüstevollen Leib,
In jungen Jahren schon gestorben,

Ich irrte unter jenen Schatten
So wie in einem Labyrinth
Von immergrünen Lebensbäumen
Und blassen bleichen Grabzypressen,

Doch keinen hab ich da erkannt.
Zwar sucht ich unter jenen Schatten
Die Geister meiner Seelenbrüder,
Die Geister meiner Seelenschwestern,

Ich suchte, ob Ben Jonson da sei
Und Scardanelli Hölderlin,
Vielleicht Marina Zwetajewa,
Vielleicht auch gar die schöne Sappho?

Es machte aber mich sehr bange,
In dieser mystischen Gesellschaft
Von stummen Schatten in der Nacht
So ratlos und allein zu sein.

Da schwebte sanft zu mir heran
Der schöne Engel meiner Seele,
So strahlend schön wie eine Frau,
Wie meine Seelen-Zwillingsschwester.

Wie passend doch von Gott gehaucht
Für einen irren Minnesänger
Die wunderschöne Engelin
Wie eine Göttin oder Muse!

Da flüsterte die Engelin
So süß wie ein Pirol im Lenz,
Wenn Zaubervögelin und Phönix
Vereint im Wu-tung-Baume ruhn.

Die Stimme meiner Engelin
War rauschend wie ein Wasserfall,
Als ob da unterm Wasserfall
Sich eine schöne Nymphe duschte.

Leis flüsterte die Engelin:
Ich bin dein Engel Mahanajim,
Die Engelin vom Wildbachtal
Des Jabbok im dem Jordan-Dickicht.

Ich sagte zu der Engelin,
Wie sehr verwirrt mein Geist doch sei,
Verwirrt, verstört und wie im Wahnsinn
Sich mir verrückten alle Sinne.

Da sagte meine Engelin:
Du halte dich nur immer fest
Am allerhöchsten Namen Jesus,
Denn Jesus wird allein dich retten.

Ich nahm in meiner Todesstunde
Den Namen Jesus dreimal heilig
Mit letztem Atem in den Mund:
Erbarmen, Jesus, Jesus, Jesus!

Da tanzte meine Himmelsschwester,
Die schöne Dame Mahanahim,
Die tanzte wie ein Doppellager
Des Himmelreiches Hochzeitstanz.

Dann salbte sie mein Haupt mit Öl,
Sie spendete die Letzte Ölung,
Und nun war auch mein Geist bereit,
Dem Herrn im Himmel zu begegnen.


JOSEF MARIA MAYER IM HIMMEL

Da stand ich vor der Himmelstür,
Vor ihrer uralt ehrnen Pforte,
Zwei kupferfarbnen Doppelflügel.

Da tat sich auf die Himmelstür,
Es tat sich auf ein schmaler Spalt.

Ich sah, und siehe, was ich sah,
Das war mein Herr und war mein Gott
In einem blendend hellen Lichtreich.

Was meint ihr wohl, ihr lieben Brüder
Und frommen Schwestern auf der Erde,
Wie ich den lieben Gott gesehen?

Sah ich vielleicht den alten Vater
Mit langem weißen Haar des Hauptes
Und langem weißen Haar des Bartes?

Sah ich vielleicht den strengen Richter,
Gerechten Zorn in seinen Augen
Und in der Hand der Strafe Rute?

Sah ich vielleicht die Große Mutter
Mit benedeiten Mutterbrüsten
Und Schößen der Barmherzigkeit?

Sah ich vielleicht den jungen Papa,
Der voller Freude spielen wollte
Und kuscheln mit den kleinen Kindern?

Nein, nein, ihr Brüder und ihr Schwestern,
Ich sah ein Licht, das blendend grell,
Zu grell für meine Menschenaugen,

Und in dem blendend grellen Licht
Sah ich das Antlitz voll Erbarmen
Des Christus Jesus an dem Kreuz!

Denkt euch das Grabtuch von Turin,
Doch ganz aus reinem Licht gewoben.

Und dieser Christus an dem Kreuz
War Jesus voll Barmherzigkeit
Und mein gerechter Totenrichter.

Dann sah ich mystisch eine Sonne,
Die war wie eine weiße Hostie
In einer goldenen Monstranz.

Und in der weißen Hostiensonne
Sah ich die Stadt Jerusalem
Und den Palast des Himmelskönigs.

Und dort in dem Palaste Gottes
Sechs Räume sah ich ganz aus Gold
Und sah ein siebentes Gemach

Und dieses siebente Gemach
War das intime Brautgemach
Der Himmelskönigin Frau Weisheit.

Und dort sah ich ein Himmelsbett
Gebaut aus lauter Gold und Licht
Und voll von purpurroten Kissen.

Und in dem siebenten Gemach
Aus Gold und buntem Glas und Marmor
War es so klar wie ein Kristall.

Und in dem goldnen Himmelsbett
Frau Weisheit lag, die schöne Dame,
Im transparenten Lichtgewand.

Und nun ich kniete vor dem Bett
Der Weisheit und entzündete
Das weiße Feuer meiner Liebe.

Und also sprach ich zu Frau Weisheit:
Ich bin ganz dein, o Vielgeliebte,
Von Ewigkeit zu Ewigkeit!

Und da ich also ganz nun dein bin,
So sollst du jetzt auch völlig mein sein
Von Ewigkeit zu Ewigkeit!

Und da ich gänzlich dein, Geliebte,
Und da du gänzlich mein, Geliebte,
Umarm ich dich voll Zärtlichkeit

Und so verein ich mich mit dir!
Von nun an kannst du mit mir machen,
Was immer du begehrst, Geliebte!

Und da ich sie voll Lust umarmte
Und mich mit ihr vereinigte,
Da wurden wir in Liebe eins!

Und nun, ihr treuen Christenbrüder,
Die mit der Mystik nicht vertraut seid,
Ich leider muss euch nun enttäuschen.

Ich habe nicht mit Jesus Christus
Und Petrus und den elf Aposteln
Getrunken uralt schweren Wein.

Ich war ja selber nur ein Tropfen
Von saurem Essig bitter scharf
In einem Meer von Süßigkeit.

Ich war ja selber nur ein Tropfen
In einem Ozean des Lichts,
Im Ozean der Schönen Liebe!

Da war ich endlich aufgelöst,
Erloschen meine Leidenschaft
Im Ozean der Schönen Liebe!

Was sollen mir da weiter noch
Als Zechkumpanen die Apostel
Und was der junge Weinschenk Jesus?

Nein, Jesus Christus war der Wein
Und ich war nur ein Wassertropfen
Und war im Weine aufgelöst!

Den Tropfen Wasser, der ich bin,
Im Wein gelöst, der Jesus ist,
Das, Brüder, könnt ihr nicht mehr trennen!

Ich trank ja nicht mit Jesus Wein,
Denn Jesus selber war der Wein
Und ich war ganz berauscht von Jesus!

Ich war in Nüchternheit betrunken
Vom Weine Gottes, Jesu Blut,
Berauscht von Gottes Trunkenheit!

Was soll mir denn da noch ein Becher
Von dem geliebten Weinschenk Jesus
In der Apostel Himmels-Schenke,

Wenn ich von Gott betrunken bin
Und selber ward zu Trunkenheit
Im Rausch von Gottes Trunkenheit?

Und dann in Gottes Trunkenheit
Ich schwankte weiter wie im Wahnsinn
Und sank in meines Gottes Schlaf.