Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

ODEN VON ANAKREON



Nachgedichtet von Josef Maria Mayer

EROS

Ich will Helden, Herren singen,
Starker Verse, große Dinge!
Auf, o Muse! Doch die Saiten
Tun so revolutionär,
Wollen nichts als Eros tönen!
Ich zerriss die Saiten alle,
Spannte neue Saiten auf,
Doch auch diese rebellieren.
Neue werden mir gehorchen,
Diese tönen sicher Helden.
Eben ich begann mit Zeus
Und den Göttern, aber Eros
Lachte! Aus der sanften Leier
Kam nur Süßes, inspiriert
Von der Liebe und Begierde.
Helden, Könige, Adieu!
Heldenverse, große Dinge,
Euch Adieu! Nur Eros-Oden
Tönt mein Herz zu meinen Saiten.


SCHÖNHEIT

Allen, die den Äther atmen,
Kraft hat die Natur gegeben.
Bei dem Bau des edlen Stieres
Gab Natur dem Haupte Hörner
Und dem Pferd gab sie die Hufe
Und Geschwindigkeit dem Hasen
Und dem Löwen scharfe Zähne,
Auf der Meeresoberfläche
Lehrte sie die Schuppenschar
Die Kristallsee zu durchjagen.
Und das schattenreiche Wäldchen
Zierte sie mit Tirilieren.
Männern gab sie, stolzen Männern,
Ihre geistige Vernunft.
Was, oh Frau, was blieb für dich
Über von den ganzen Schätzen?
Die Natur gab dir die Schönheit!
Mächtiger als all der Pomp
Und die böse Macht des Krieges!
Feuer hat wohl solche Macht
Wie die Frau, wenn sie erobert.
O sei schön! Die Menschheit liebt dich!
Lächle – und die Welt wird schwach!


AN EINEN MALER

Du, des Rosenfarbentöne
Schaffen können Form und Seele,
Bester Maler! Komm und zeige
Diese wunderschöne Jungfrau,
Welche lebt in weiter Ferne.
Male ihre Locken spielend,
Seidenlocken, irre Ranken,
Und, wenn Malerei das kann,
Ihren Balsam destilliere,
Lass das kleinste Löckchen atmen
Einen Seufzer des Parfüms,
Locken, die gekräuselt fließen
Rötlich auf der Stirne Schnee.
Lass der Stirne Strahlen leuchten
Glänzend weiß wie Elfenbein.
Mach die Brauen ebenmäßig
Steigend in gewölbten Bögen,
Je ein Halbmond zärtlich zitternd,
Nicht sich mischend, nur sich teilend.
Aber hast du warme Funken
Für die Blitze ihrer Augen?
Lass sie streuen blaue Strahlen
Wie in der Athene Blicken,
Süß gemischt mit Licht, das fließt
Hold in Aphrodites Augen.
Auf die Nase, auf die Wangen
Gieße schamhaft Weiß und Rot,
Mische sie, wie wenn es glüht.
Charme kann blicken, Farbe strahlen,
Überlass den Rest dem Traum!
Ja, sie ist es, die ich suche!
Ja, sie lodert, ja, sie lebt!
Gleich beginnt sie auch zu sprechen!


DIE TAUBE

Lieblicher Kurier des Himmels,
Woher und wohin denn willst du?
Streust du doch - dein Ritzel spielt –
Duftstoff auf den ganzen Weg.
Ist es Arbeit? Ist es Liebe?
Sags mir, sags mir, sanfte Taube!

„Mit Anakreons Gelübde
Komm ich, das er schwor Myrtale,
Darauf seines Herzens Charme,
Die errötende Natur
Und das Lächelnde der Kunst.
Aphrodite – er umwarb sie –
Schickte mich zu ihrem Barden.
Er, Anakreon, ist Meister,
Er regiert jetzt meinen Flug.
Da die Briefe, die du siehst,
Schwere Ladung sind auf mir,
Denke nicht, mein Dienst sei hart,
Freudlos Arbeit ohne Lohn.
Lächelnd an des Meisters Tor
Freiheit wartet, wenn ich heimkehr.
Wilde Freiheit nur vergeblich
Lockt mich, wieder wild zu sein.
Kann ein kluges Täubchen kommen
In ein seliger Gefängnis
Als die meinen Fesseln sind?
Über Wald und Feld zu streifen,
Glückes Gast, doch ohne Heimat,
Und das Untere verlassen,
Seinen Kopf stets zu verbergen,
Leicht geschürzt, grob zugeführt –
Ich hab jetzt ein bessres Los:
Leckre Mahlzeit! Weiche Ruhe!
Nun die Schale ist bereit,
Nämlich meines Dichters Mund!
Pflegeschützling, frei von Angst,
Brot schnapp ich von seinen Fingern!
Dann mit üppig vielen Knaben
Spiele ich in seinem Haus!
Wenn der Wein den Mut beflügelt,
Streift mein Flügel sein Gesicht,
Wenn dann Fest und Freude reifen,
Schlafe ich auf seiner Leier!
Das ist alles. Nun, ich eile,
Und wie du nicht wissen kannst,
Werd ich meinen Ritzel tragen!
Ach, ich schwatz wie eine Hausfrau.“


KUMMERBRECHER

Als ich voller Durst mich neigte,
War mein Leiden eingeschläfert!
Diskussionen der Monarchen!
Ich der Glücklichste und Reichste!
Erster ich von allen Männern!
Sorglos überm Becher sing ich,
Phantasie macht mich zum König.
Gib des reichen Krösus Gaben –
Hätte ich denn Lust auf mehr?
Auf dem samtnen Sofa liegend,
Efeu meine Stirn umschlingt,
Meine Seele ist begeistert!
Was sind Könige und Kronen?
Arm seid ihr, ihr Mächtigen,
Hastend zu dem Blut des Krieges.
Lasst mir, lasst mir meinen Weinstock!
Andres Blut vergieß ich nicht
Als das Blut, das Wein einst war.
Breite volle Becher sehen,
Das nur heißt, mich zu besiegen,
Denn ich glaube, es ist weiser,
Als im bösen Krieg zu fallen,
Trinkend untern Tisch zu fallen!


TRINKEN

Ist die Mutter Erde trocken,
Dann trinkt sie des Himmels Regen.
Dann der Tau gibt frisch und herzlich
Jedem Pflanzendurst zu trinken.
Dämpfe, die am Abend schweben,
Sind Getränk den tiefen Hügeln.
Wenn die rote Sonne scheint,
Dann trinkt sie des Meeres Tränen.
Luna auch in bleichen Strömen
Glanz saugt aus der Sonne Pfeil.
Fort mit deiner Nüchternheit,
Denker! Die Natur trinkt immer
Nach dem heiligen Gesetz.
Das Gesetz ist auch das meine.
Ich verpflichte selbst das Weltall
Aufs Gesetz des roten Weines.


GOLD

Lieben ist ein großer Schmerz!
Ungeliebt ist größrer Schmerz!
Aber ach, die schlimmsten Schmerzen:
Liebend nicht geliebt zu werden!
Die Empfindung floh die Erde,
Auch das Feuer des Genies,
Auch der Adel der Geburt.
Himmelstugend kann betören,
Schönheit gnädig ist dem Lächeln.
Ach die Frau will nur das Gold,
Gold ist, was die Frau nur träumt.
Ich vergeb der Dirne nicht!
Nicht vergib der Sünderin,
O gerecht-empörter Himmel!
Wer als Erster tat verehren,
Wessen Herz zuerst sich schmückte
Für den bösen Schmutz des Geldes?
Ach, seit dieser Durst begann,
Tot ist das Gemeinschaftsleben,
Tiefes Fühlen ist entschwunden!
War es die Natur denn selbst,
Die der Liebe Charme besudelt,
Um mit Gold zu provozieren
Alle Völker zu den Kriegen?
Oh das Schlimmste ist von allem:
Gold zerreißt des Minners Herz!


EROS UM MITTERNACHT

Mitternacht. Rund um den Pol
Ward der Kleine Bär gesehen.
Sterbliche, vom Tage müde,
Haben Sorgen weggeschlummert.
Kam ein Knabe zu der Zeit,
Weinend kam in meine Laube,
Weckte mich mit Klageliedern,
Bat, ihn vor der Nacht zu schützen.
Und wer bist du, rief ich laut,
Der mir die Visionen scheucht?
Sanfter Vater, sprach der Knabe,
Nimm mich unter deine Flügel.
Ich hab Angst, ein Knabe einsam,
Wandernd durch die düstre Wildnis.
Kalt der Regen und kein Strahl
Mir erleuchtet meinen Weg.

Ich vernahm des Knaben Leiden,
Hörte bittern Nachtwind wehen.
Seufzend über sein Geschick,
Steckte ich die Lampe an
Und ich öffnete das Tor.
Es war Eros! Dieser Wandrer,
In der Nacht sein Ritzel strahlte.
Ich erkannte ihn am Bogen,
Kannte ihn in meinem Herzen.
Lieb nahm ich ihn an und blies
Aus der Asche auf die Glut.
Drücke du aus deinem Haar
Die Kristalle nur der Frostluft.
In der Hand und an der Brust
Hielt ich seine kleinen Finger.
Jetzt die Glut des Genius
Blies mir alle Ängste weg.
Bitte, sprach der kleine Schelm,
(Als er lachte, bebte ich)
Lass den Bogen mich versuchen,
Durch den Regen ging ich lang,
Dass ich fürchte fast, der Schauer
Hat den Bogen mir verdorben.
Nun das Kind den Bogen spannte,
Von der Sehne flog der Pfeil.
Schnell der Pfeil wie eine Flamme,
Kam in meinen innern Geist.
Und der Knabe sprach: Adieu!
Und er lachte laut und wild,
Zog geflügelt seines Weges.
So Adieu denn, nun ich weiß,
Dass der Regenschauer nicht
Meinen Bogen schlaff gemacht.
Ja, ich kann noch immer schießen,
Wie ich dir dein Herz durchbohrt!



EPIKURÄER

Unter Myrten in dem Schatten
Liege ich im Blumenbett,
Salb mit Salböl mir mein Haupt,
Um mich wachsen rote Rosen.
Was soll ich nun tun als trinken,
Zu entfernen alle Mühen?
Ja, im königlichen Staat
König Eros mich erwartet!
Eros, fülle mir den Becher
Und vermisch Gesang dem Becher,
Voller Witz und Heiterkeit
Stimmen gib und edle Glut,
Gib Gesundheit, Knabenliebe!
Denn das Rad des Lebens flieht
Nicht nur auf robuste Weise,
Sondern auch auf sanfte Weise.
Muss das Rad des Lebens fliehen,
Möge die Bewegung sanft sein.
Warum nicht mit Salböl salben?
Warum nicht den Rotwein trinken?
Schöne Blumen, warum nicht
Sie auf lieben Gräbern pflanzen?
Nichts kann uns der Staub mehr geben
Des Gebeins, das ward zu Staub.
Nach dem Tod begehr ich nichts mehr,
Lass mich jetzt das Leben lieben!

Alle Stoiker sind tot.