Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

ZWEI GEDICHTE



Von Josef Maria Mayer



TANNHÄUSER BEIM SÄNGERWETTSTREIT

Romanze



Ritter suchten Ruhm und Reichtum,
Aber unser Mann Tannhäuser
War der Liebling schöner Frauen,
Manches Weibchen war ihm willig.

Der Tannhäuser war Rivale
Walters von der Vogelweide
Um die Liebe ihrer Fürstin,
Sankt Elisabeth, die Rose.

Der Tannhäuser sang das Liedchen:
Weibchen, hebe hoch das Röckchen,
Spreize deine weißen Schenkel,
Zeig den schwarzen Venushügel!

Sankt Elisabeth, die Rose,
Aber sprach zu dem Tannhäuser:
Solche Verse, hocherotisch,
Können dich dein Köpfchen kosten!

Wartburg in dem Sachsenlande,
Zeige du die Macht des Fürsten!
Um Zwölfhundertsechsundzwanzig
Ritter übten Ritterspiele.

Alle kamen zu dem Feste,
Zu verherrlichen den Fürsten,
Fürsten Ludwig von der Wartburg,
Der ein Günstling war des Kaisers.

Krieger dienten ihren Fürsten,
Dienten Christus auf dem Kreuzzug,
Zu befreien ihre Brüder
An dem Grabe ihres Gottes.

Um Zwölfhundertsechsundzwanzig
In dem Sommer auf der Wartburg
Trafen sich die Ritter, warben
Um die Gnade ihres Fürsten.

Der Tannhäuser war darunter,
Sagte: Statt der Burgen lieber
Ich erobre Frauenherzen!
O Elisabeth, du Rose!

Der Tannhäuser sang am liebsten
Hocherotisch von der Minne,
Von den Liebesabenteuern,
Von den Leibern schöner Weiber.

Der Tannhäuser, der berühmte,
War ein liebestoller Ritter,
Sang sich fast um Kopf und Kragen,
Kenner er der Frauenschönheit.

Lieder sang er, statt zu kämpfen.
Minnesänger auf der Wartburg
Haben Minnesang gedichtet
Für Elisabeth, die Rose.

Ludwig förderte die Künste,
War Mäzen der Minnesänger,
Wollte den Bereich der Herrschaft
In dem Sachsenland erweitern,

Schloss ein Bündnis mit dem Kaiser,
Mit dem Staufenkaiser Friedrich,
Half dem Kaiser auf dem Kreuzzug,
Herrschte in dem Lande Meißen,

Feiert das nun auf der Wartburg
Mit dem Wettstreit zweier Dichter.
Walter von der Vogelweide
War begünstigt von dem Fürsten.

Walter von der Vogelweide
War der Abendstern des Ruhmes,
Der Tannhäuser, sein Rivale,
War vulgär, frivol, erotisch.

Walter von der Vogelweide
Und auch sein Rival Tannhäuser
Waren nicht vom hohen Adel,
Sondern Fahrende und Bettler.

Walter von der Vogelweide,
Er war zwanzig Jahre älter,
Er war reich und angesehen
Durch die Gnade seines Fürsten.

Der Tannhäuser war aufstrebend,
Brauchte den Erfolg beim Wettstreit,
Musste Walter schlagen, aber
Ludwig war dem Alten günstig.

Des Tannhäusers Hoffnung also
War Elisabeth, die Rose,
Ausschlaggebend war ihr Urteil,
Sie war heilig und barmherzig.

Er will, dass die Fürstin aufmerkt.
Seine Lieder hocherotisch
Kommen gut an bei den Frauen,
Auch bei hohen Adelsdamen.

Also sang er vor der Fürstin:
Schön geknetet ihre Brüste,
Wohlgerundet auch ihr Popo,
Leise schreit sie bei der Liebe!

Sprach Elisabeth, die Rose:
Schön dein Liedchen, mein Tannhäuser,
Mit den Versen hocherotisch
Wirst du bei dem Wettstreit siegen!

Walter kam schon in die Jahre,
Sang für Jesus und die Jungfrau.
Ritter singen für die Weiber
Und die Heiligkeit der Fürstin.

Der Tannhäuser saß im Bade,
Ganz von Holz gemacht der Zuber.
Damals gab es gutes Essen,
Tanz, Musik, Genuss des Lebens.

Überschäumender Bedarf an
Lustbarkeit war auf der Wartburg.
Ein Magnet für alle Künstler
War der Hof des Fürsten Ludwig.

Gerne kamen Minnesänger
Und die allerbesten Köche
Und die schönsten Tänzerinnen
Und die Musiker der Lauten,

Denn das Ideal des Adels
War des Kriegers Mut und Stärke
Und das höfliche Benehmen
Und die Kunst des Minnesanges.

In Tannhausen war geboren
Der Tannhäuser um Zwölfhundert,
War die ersten sieben Jahre
Immer an dem Rock der Mutter,

Ward zum Kämpfer ausgebildet,
Ausgebildet auf der Wartburg,
Denn sein Vater war ein Krieger
Bei dem Staufenkaiser Friedrich.

Der Tannhäuser nun trainierte,
Wie man bleibt auf Rosses Rücken,
Rosse mit den Schenkeln lenkte,
Wie man splitterte die Lanze.

Ausgebildet in den feinen
Adelssitten an dem Hofe
Wurde er und im Benehmen
Und im Lesen und im Schreiben.

Ja, Tannhäuser konnte lesen!
Ja, Tannhäuser konnte schreiben!
Damen lehrte das Benehmen
Und die Sitten an der Tafel.

Und er lernte Redekünste,
Tanz, Gesang und Laute-Spielen,
Ward von Damen ausgebildet
Und bewundert von den Frauen.

Und mit fünfzehn Jahren wurde
Er zum Rittersmann geschlagen,
Ob er auch zum niedern Adel
Wie sein Vater nur gehörte.

Also ist er arm. Das Leben
Eines Ritters, ach, ist teuer!
Eine Ritterrüstung kostet
Fünfzig fette Mutterkühe!

Er benötigt auch drei Pferde,
Eines ist da nicht genügend!
Eines Ritters Schlachtross kostet
Dreißig Schweine und zwölf Ochsen.

Zwar Verpflegung hat der Ritter,
Unterkunft auch auf der Wartburg,
Doch er muß bezahlen einen
Knappen, den muß er bezahlen!

In dem Schlafsaal muß er liegen
Mit den andern Herren Rittern.
Und ein Kettenhemd, das kostet
Ein Vermögen unserm Ritter.

Nur wenn er im Wettstreit Sieger
Ist und Walter überwindet,
Kann er sich das gute Leben
Als ein Dichter weiter leisten.

Ein Duell, nicht mit dem Schwerte,
Ein Duell, mit Liebesversen
Gegen Walter, den berühmten
Veteranen und Rivalen!

Der Tannhäuser muß was wagen,
Zu besiegen diesen Alten.
Ungewöhnlich freche Texte
Schreibt Tannhäuser und tabulos.

Er riskiert damit am Hofe
Den Skandal beim hohen Adel.
Ist der Fürst ihm nicht mehr gnädig,
Muß er als ein Krieger leben.

Also, Lanze oder Laute!
Ich besinge nicht die Kriege,
Sondern singe Liebeskriege
Und im Bette Kissenschlachten!

Sieht denn Ludwig, dieser Landgraf,
Sankt Elisabeths, der Rose,
Frauenehre gar entwürdigt
Von Tannhäusers losen Liedern?

Denn der Ruf voraus ihm eilte
Eines singenden Rebellen,
Der die Minne parodierte
Durch die dreisteste Erotik.

Andre Minnesänger beten
Frauen an in schönen Versen,
Nur die fernsten Ideale
In der reinsten Verse Keuschheit.

Doch Tannhäuser singt von echten
Liebesabenteuern sinnlich.
Walter ist der brave Alte,
Schreibt nur sehr dezent vom Körper.

Doch Tannhäuser detaillierter
Sang vom Körper seiner Dame,
Von den Brüsten, von dem Popo,
Von des Venushügels Schamhaar.

Mädchen! Hebe hoch das Röckchen!
Mädchen! Spreize deine Beine!
Die Erotik bringt ihm Freunde,
Die Erotik bringt ihm Feinde.

Doch Tannhäuser ist beliebter
Bei den Frauen, weil sie nicht mehr
Nur abstrakte Ideale,
Unberührbar, Göttin-gleiche.

Der Tannhäuser ist Revolte
Einer lusterfüllten Jugend.
Walter von der Vogelweide
Ist die Religion der Alten.

Aber wenn Tannhäuser seine
Phantasieen hocherotisch
Projizierte auf die Frauen
Seiner Gönner, wird’s gefährlich!

Bei der Probe für den Wettstreit
Ward Tannhäuser schon gewürdigt
Von Elisabeth, der Rose:
Meiner Gnade bist du sicher!

Oh die festen jungen Brüste!
Oh der wohlgeformte Popo!
Oh betauter Venushügel
Mit gelocktem schwarzem Schamhaar!

Hundert Fässer roten Weines!
Kämmerer und Kellermeister
Und der junge Knabe Mundschenk
Mit den langen goldnen Locken!

Schwein und Lamm und Rind zu speisen,
Kranich und Fasan und Fische,
Hirsch und Hase, Obst und Wildschwein,
Kümmel, Pfeffer, Datteln, Feigen!

An der Tafel die Gespräche
Über Politik und Kaiser.
Auch Tannhäuser schrieb Gedichte
Über das Benimm zu Tische.

Das Duell! Nur Einer Sieger!
Doch es warnt die fromme Fürstin,
Sankt Elisabeth, die Rose:
Singe nicht vulgäre Verse!

An dem Ende dieses Gastmahls
Treten auf die Minnesänger.
Einst sang Walter Liebeslieder,
Religiös nun und moralisch.


WALTER VON DER VOGELWEIDE SINGT:

Nun bin ich alt geworden. Im Vertrauen
Zu euch gesagt, der Tod ist nicht mehr fern.
In meinem Barte seh ich schon die grauen
Und silberweißen Haare. Ach, der Stern
Des Lebens sinkt. Nun Unsrer Lieben Frauen
Sing ich mein Lied und meinem Gott, dem Herrn,
Der meiner Jugend Lieder mög verzeihen!
Ich will mich sterbend Unsrer Frauen weihen!


Nicht Anbetung hoher Damen
Sang Tannhäuser an der Tafel,
Ganz konkrete Liebeslüste
Von dem feuchten Aug des Mädchens!


TANNHÄUSER SINGT:

Geliebte, hebe hoch das Röckchen! Spreize
Die weißen Schenkel, mach die Beine breit!
Ich preise deine Brüste, deine Reize!
Erscheine mir in Evas schönem Kleid!
Den Venushügel schenke, fern vom Geize,
Laß beben deinen Popo allezeit!
Im Spiel der Liebe stöhne mit dem feuchten
Und heißen Mund und laß die Augen leuchten!


Alle schweigen an der Tafel.
Sankt Elisabeth, die Rose,
Applaudierte mit den Händen:
Der Tannhäuser hat gewonnen!

Diese liederlichen Lieder
Waren keine hohe Kunstform,
Doch an allen Adelshöfen
Sang man seine Liebeslieder.

Ein Jahr später zog Tannhäuser
Mit dem Kaiser und dem Fürsten
In die Ewge Rom zum Papste
Und zum Grabe seines Gottes.


ODE AN ANNA PERENNIS



ERSTE ODE


Anna, bist du eine Liebesgöttin?
Bist du etwa Anadyomene?
Eine Göttin will ich dich verehren,
Göttliche Anna!

Anna, oder bist du eine Nymphe?
Eine Nymphe aus der reinen Quelle?
Eine Nymphe gar des Mittelmeeres?
Bräutliche Nymphe?

Aber wir, die benedeiten Römer,
An dem Tag des Frühlingsanfangs jubeln
Über deinen wundervollen Festtag,
Feiern dich, Anna!

Feiern dich mit Orgien des Essens
Und mit Bacchanalien des Weines
Und mit stillem Totenangedenken
Und mit Gesängen,

Feiern dich auf den Familienfesten
Und auf den Versammlungen der Kinder
Und bei den Symposien der Freunde,
Redend von Weisheit.

An den Seen bei den heißen Fackeln
Und bei Rosen an den Wasserteichen
Und in dunkler Nacht mit unsrer Freundin
Denken wir deiner.

Sängerinnen singen zur Kitharra
Von den Frauen, von den lieben Frauen,
Männer reden von dem Weltenanfang
Und von den Göttern.

Götter, Götter, alle preisen Götter,
Aber ich lobpreise meine Göttin,
Göttin Anna Anadyomene,
Göttliche Anna!

Anna, was bedeutet uns dein Name?
Anna, du bist eine Gnade Gottes,
Und wir danken Gott für seine Gnade,
Danken für Anna.

Anna, die du lebst im dritten Himmel,
Heute hebe ich den reinen Becher
Voll des allerbesten roten Weines
Dir zur Verehrung!


ZWEITE ODE


Anna, deine schöne Schwester lieb ich,
Sie, die Königin des Reichs Karthago,
Deine Schwester ist die schöne Dido,
Glücklos Verliebte.

Weil Äneas ist von ihr gegangen,
Der in ihrem Arm und Schoß gelegen,
Nach des Götterboten strenger Weisung
Fort war gegangen,

Darum wollte Dido nicht mehr leben,
Sondern bat die liebe Schwester Anna,
Holz zu sammeln für den Scheiterhaufen,
Holz für das Feuer.

Anna, doch du dachtest an ein Opfer,
An das Feueropfer des Erbarmens,
Hast geschichtet diesen Scheiterhaufen
Nur für die Götter.

Aber als sich Dido warf ins Feuer
Und die Brust mit einem Schwert durchbohrte,
Da erkanntest du, wie elend jene
Glücklos Verliebte,

Die in ihrem Tode noch verfluchte
Den Geliebten, der so lieblos, herzlos
Handelte an deiner Schwester Dido,
Pius Äneas.

Tot war Dido, tot war deine Schwester,
Fortgegangen aus Karthagos Mauern
War Äneas nach Italiens Ufer.
Du warst alleine.

Stets hast du die Götter angebetet,
Daß der Totenrichter in dem Hades
Didos Seele lasse in Elysens
Himmelsgefilde.

Stets war um dich deine schöne Schwester,
In der Mitternacht war ihre Seele
Immer um dich, vielgeliebte Anna,
Schwester Elischas.

Gott erbarme sich der Seele Didos,
Die im Wahnsinn selber sich gemordet.
Gott erbarme sich des Elends, dieses
Wahnsinns der Liebe!


DRITTE ODE


Anna, nach dem Tod der Schwester Dido,
Kam der Gätuler Beherrscher Jabos,
Krieg zu führen gegen dein Karthago.
Fluch sei dem Kriege!

Alle Mauern von Karthago stürzten
Und der Gätuler Armee erobert
Dein Karthago und die Menschen fliehen.
Anna, du flohest,

Anna, mit dem Schiff des Mittelmeeres
Flohest du zu Wasser Richtung Malta
Und empfahlest deine Schiffahrt deiner
Schutzgöttin Kypris:

Anadyomene, Schutzpatronin
Meiner Seele, auf dem Mittelmeere
Laß die Schiffahrt ruhig sein und sicher,
Göttliche Kypris,

Die du weiland aus dem Schaum geboren
Dieses unsres schönen Mittelmeeres
Und die feuchten roten Locken trocknend
Nackt dich erhobest,

Blase guten Wind in meine Segel,
Glätte du des Mittelmeeres Wogen,
Daß ich als der großen Göttin Tochter
Wandle auf Wasser.

Anna, also kamest du nach Malta
Zu dem König Balthus, der in Malta
Herrschte im Malteser-Königreiche,
Falken sein Wappen.

König Balthus zeigte dir auf Malta
In der tiefverborgnen Erdengrotte
Schlafend eine Magna Mater, welche
Segnet den Heilschlaf.

Magna Mater, deine Therapeuten
Therapeutisch oft verordnen Heilschlaf.
Dichter auch und Seher schlafen träumend,
Träumen Visionen.

Also träumte ich in meinem Heilschlaf
Von der vielgeliebten Freundin Anna,
Meiner Liebesgöttin, meiner Nymphe,
Träumte von Liebe!


VIERTE ODE


Arme Anna, Königin von Malta,
Älter war als du dein großer Bruder,
Und Pygmalion, der Fürst von Tyrus,
Sprach von dem Kriege,

Daß Pygmalion, dein großer Bruder,
Malta wollte überziehn mit Heeren,
Anna, dich und Balthus zu vernichten,
Drohte mit Krieg er.

Harten Herzens war dein großer Bruder,
Seine böse Gattin war vergiftet,
Beide lebten nicht der schönen Liebe,
Sondern dem Golde.

Haben wollten sie, die Welt gewinnen,
Nahmen Schaden sie an ihrer Seele,
Waren sie vorherbestimmt dem Hades
Persephoneias.

Aber Anna, voll des warmen Herzens,
Flehte zu der göttlichen Cythere:
Schöne Liebe, meine große Gottheit,
Ruhende Gottheit,

Ach, erweiche meines Bruders hartes
Herz, nimm ihm aus seiner Brust das harte
Herz von Stein und gib ein Herz von Fleisch ihm,
Ändre sein Denken,

Daß er nicht, nach Gold und Silber gierig,
Im Verein mit seinem bösen Weibe,
Werde einst verdammt vom Totenrichter,
Ach, in den Hades!

Anadyomene hörte alle
Bitten ihrer Lieblingstochter Anna,
Doch Pygmalion, der große Bruder,
Blieb der Verstockte,

Drohte Maltas Königin und König,
Sie im Angriffskriege zu vernichten.
Anadyomene, Schutzpatronin,
Schutzgöttin Annas,

Sagte zu der vielgeliebten Anna:
Wahrhaft wie die Tauben, klug wie Schlangen
Sei und fliehe, Königin von Malta,
Flieh nach Italien!


FÜNFTE ODE


Anna, nach Italien du geflohen,
Kamest in die Ewigliche Roma,
In die Hauptstadt aller Ökumene,
Himmel auf Erden!

Freundlich wurdest du empfangen, Anna,
Von Äneas, von dem Vater Pius,
Der dich lud in seine goldne Halle,
Mit ihm zu speisen.

Und als ihr das Brot gebrochen hattet,
Hob Äneas hoch den breiten Becher
Mit dem besten Rotwein der Toskana,
Segnend den Becher,

Segnend dich, geliebte Schwester Anna,
Segnend auch im Totenangedenken
Dido, die er einst so sehr geliebt hat,
Segnend die Tote.

Anna, du erhobest deinen Busen,
Strecktest ihm die volle Brust entgegen,
Deine volle Brust mit warmem Herzen,
Pius zur Wonne,

Und du nahmst in deinen Mund den Löffel
Mit dem Honig, lecktest ab den Honig
Mit der Zunge von dem Silberlöffel,
Liebevoll lachend.

Und an deinem blauen Rocke zupfte
Des Äneas Sohn Ascan, der Knabe,
Setzte nieder sich auf deinem Schoße,
Sagte was Süßes.

Und du fühltest dich in Roms Palästen
So zu Haus wie einst in Palästina,
Als in Tyrus und in Sidon weiland
Du warst zuhause.

Aber jetzt nicht mehr in Palästina,
Nicht in Afrika und nicht auf Malta,
Sondern, Anna, jetzt war dein zuhaus die
Ewige Roma.

Also danktest du der Magna Mater,
Romas großer Liebesgöttin Venus,
Alles nämlich danken wir, o Anna,
Alles der Liebe!


SECHSTE ODE


Doch Äneas war vermählt mit seiner
Frau Lavinia, Italiens Jungfrau,
Der Latiner Jungfrau. Seine Gattin
Sah, wie Äneas

Immer nur an Schwester Anna dachte:
Anna hier und Anna dort und immer
Dachte er bei Didos Schwester Anna
Doch auch an Dido.

Ja, es schien ihm Anna Dido selber,
Aus Elysischem Gefilde wieder
Zum geliebten Mann gekommen, Seele
Droben vom Himmel.

Und Äneas liebte Schwester Anna,
Wie er einst geliebt die Fürstin Dido.
Doch Lavinia war eifersüchtig,
Eifersucht brannte

In der Galle der Latiner Jungfrau,
Und sie sprach von Anna immer schlechter,
Machte schlecht den Mann, den Ehegatten,
Öffentlich lästernd,

Plagte Vater Pius mit der Zunge
Voller Zank und Rage, voller Ingrimm,
War nicht mehr die Nymphe der Latiner,
Jugendlich reizend,

Sondern glich den Furien und Erinnyen,
Die den Sünder plagt als Rachegöttin.
Sie war nicht mehr eine Turteltaube,
Liebevoll girrend,

Sondern war ein schwarzes Pantherweibchen,
Das die hüpfende Gazelle Anna
Und den Hirsch Äneas reißen wollte,
Reißen und fressen.

Die Lavina war nicht mehr ein Himmel
Schon auf Erden, sondern eine Hölle,
Eine Hexe aus Thessaliens Nächten,
Hekates Hexe,

War nicht mehr ein Segen von den Göttern,
Sondern war ein Fluch, denn sie verfluchte
Anna und Äneas, diese beiden,
Aber auch Dido.


SIEBENTE ODE


Anna, in der Mitternacht, im Dunkel,
Saßest einsam du in deiner Zelle,
Nur die Lampe schien, der Rotwein glänzte,
Stürmische Winde

Sausten um dein Haus, die Fenster schlugen,
Zwölfmal schlugen an des Turmes Glocken,
Als die Schwester Dido dir erschienen:
Geistererscheinung!

Dido kam im weißen Linnenkleide
Und gegürtet mit dem goldnen Gürtel,
Auf dem Haupte einen Kranz von Myrten,
Myrten und Lorbeer.

Didos Stimme war ein leises Flüstern:
Anna, meine vielgeliebte Schwester,
Höre vom Elysischen Gefilde
Meine Ermahnung:

Hart Lavinia, von hartem Herzen!
Traue nicht des Weibes Schmeichelworten,
Trau ihr nicht, wenn sie verlockend redet!
Listige Schlange

Ist Lavinia, will dich ermorden,
Will dich martern, vor die Löwen werfen,
Dich verbrennen, mit dem Dolch durchbohren!
Wütende Hexe

Ist Lavinia. Ihr nicht zu trauen,
Ist nicht Sünde gegen Nächstenliebe,
Sondern Weisheit und Vernunft und Einsicht.
Komm in den Himmel,

Anna, komm zu deiner Schwester Dido!
Besser als den Lebenden geht’s Toten!
Besser als die Stunde der Geburt die
Stunde des Todes!

Anna, im Elysischen Gefilde
Wartet dein die treue Schwester Dido,
Dich erwartet unser beider Mutter,
Mutter der Mutter,

Dich erwartet in dem dritten Himmel
Venus, Asiens geliebte Göttin,
Die Urania des dritten Himmels
Wartet auf Anna!


ACHTE ODE


Anna legte ab das rote Kleidchen,
Warf den weißen Leib ins klare Wasser:
Magna Mater, ihre großen Mammas
Tauchten ins Wasser.

Venus, Dichter haben oft gesungen,
Wie du tauchtest aus dem Mittelmeere,
Weiß und schlank, mit langen roten Locken,
Feurigen Locken.

Aber ich hab dich geschaut, o Venus,
Wie du wieder in das Wasser gingest,
Wie du dieses Land verließt, die Erde,
Tauchtest ins Meer ein.

Anna hat ihr Leben hingeopfert
Und den Körper dargebracht dem Meere.
Treiben sehe ich die bleiche Leiche
Gelblicher Blässe.

Wasserleiche, unter Wasserrosen,
Unter Wasserlotosblumen treibend,
Keusche Fische sind durch dich geschwommen,
Aale geschlängelt.

Immer blasser wurde uns dein Antlitz,
Deine gelbe Maske, wächsern bleiche,
Tropfen Wasser auf der blanken Stirne,
Weihwasser-Tropfen.

Aber deine gottgeliebten Römer
Standen an dem Flusse deines Scheidens
Und sie bauten einen weißen Tempel
Dort deinem Leibe.

Die Reliquien der toten Anna
Haben wir verehrt im Annen-Tempel
Und verehrt am Ufer unsre liebe
Flussnymphe Anna.

Anna, Anna, göttliche Najade,
Nymphe du des großen Himmelsgottes,
Unsre kleine Venus, Göttin Anna,
Nymphe des Meeres,

Wenn wir trinken Wasser, Milch und Rotwein,
Denken wir an unsre kleine Venus,
Preisen dieses Scheideflusses Nymphe,
Weihwasser-Anna!


NEUNTE ODE


Als die Römer einmal fliehen mussten
Vor der mächtigen Armee der Feinde,
Flohn sie auf die Felsenhöhe eines
Heiligen Berges.

Dort verschanzten sie sich in der Festung
Und sie sagten: Gott ist unsre Festung,
Unser Zufluchtsort und unsre Stärke,
Gott ist der Retter!

Aber sie erlitten großen Hunger
In der Hungersnot des langen Krieges
Und es mangelte das Brot den Römern.
Also erflehten

Brot die Römer von dem Gott der Götter,
Daß er in der Hungersnot ein Retter
Sei, vorm Hungerstode sie bewahre,
Helfer in Nöten.

Siehe, da kam aus dem nächsten Dorfe
Eine Greisin silberweißer Haare,
Die in ihrer Jugend schön gewesen,
Anmutig heut noch,

Einen Himmel in den blauen Augen,
Ihre Wangen weiche Pfirsichwangen.
Und sie sagte zu den Römern: Ich bin
Großmutter Anna

Und ich bringe euch das Brot des Himmels,
In der Hungersnot genügend Speise.
Jedem schmeckt das Himmelsbrot nach seinem
Eignen Geschmacke.

Also wurden satt die frommen Römer,
Auch die Feinde wichen von den Römern,
Und sie kehrten in die Mauern ihrer
Ewigen Roma.

Dort erbauten sie dem Engel Anna
Einen Tempel, stellten in den Tempel
Ihre Statue und nannten Anna
Mutter des Brotes.

Und sie dankten jedes Jahr dem Engel
Anna für die Rettung vor dem Tode,
Sangen Hymnen Anna, dieser großen
Mutter des Brotes.


ZEHNTE ODE


Heute ging ich durch die Straßen Romas,
Hatte eben eingekauft mein Essen,
Brot und Wein und ein paar süße Feigen,
Schon war es dunkel

Und ich schaute über den Zypressen,
Über marmorner Paläste Kuppeln
An dem Horizont im fernen Osten
Mondgöttin Anna!

Göttin Anna, o du Große Runde,
Prall und reif, du glühende Orange,
Leuchtend wie die Glut am schwarzen Himmel,
Mondgöttin Anna!

O, ich sah des Mondes Göttin weiland
Als ein junges Mädchen, vierzehn Jahre,
Saß sie nackend in der Badewanne,
Fest ihre Brüste,

Da war Anna makellose Jungfrau
Und erschien als Halbmond an dem Himmel,
Pfeil und Bogen um die weißen Schultern,
Jägerin Anna!

O, ich sah des Mondes Göttin weiland
Als ein Wonneweib, als Liebesgöttin,
Lüstern war ihr Leib, der Busen mächtig,
Willig zur Wollust,

Da war Anna eheliche Gattin
Wie die Bienenkönigin im Stocke,
Hochzeit feiernd auf der roten Heide,
Göttin des Vollmonds!

O, ich sah des Mondes Göttin weiland
Als gedankenvolle graue Greisin,
Zauberin von weisen Zaubersprüchen,
Herrin der Toten,

Da war Anna greise Neumond-Göttin,
Kündete den Tod, die Auferstehung
Und verhieß mir nach dem Gnaden-Tod das
Ewige Leben!

Anna, Anna, Königin des Himmels,
Komm herab, du Göttin prallen Mondes,
Küss mich, wie Endymion du küsstest,
Mondgöttin Anna!


ELFTE ODE


Die Sibylle hatte einst Visionen
Von der wunderschönen Nymphe Anna,
Die aus ihrem eignen Leib den kleinen
Jove geboren!

Diese Nymphe Anna hat jungfräulich
In die Welt gebracht den Gott der Götter,
Jove ward, der Allerhöchste ward von
Anna geboren.

Oben auf des Mondes Sichel sitzend,
Schaute die Sibylle Nymphe Anna,
Auf dem Schoß den kleinen Knaben Jove,
Juppiter-Knaben!

In den Händen hielt die Nymphe Anna
Einen Rebenzweig mit prallen Trauben,
Eine goldne Ähre, reich an Körnern,
Segnend die Menschheit.

Diese Nymphe Anna war ein Tempel
Gottes, darin Zeus der Höchste wohnte,
Sie war Wohnung und war Tempel Gottes,
Juppiters Thronstuhl!

Die Sibyllen fielen alle nieder
Vor der gotterkornen Nymphe Anna:
Göttin aller Göttinnen ist Anna,
Nymphe des Vaters!

O du gotterkorne Nymphe Anna,
Alle fliehn wir unter deinen Mantel,
Unter deinen Schutz und Schirm, o große
Mutter des Schöpfers!

Anna, Anna, Große Gottesmutter,
Unsre Mutter bist du, Nymphe Anna,
Weil wir Göttinnen und Götter, bist du
Mutter der Götter!

Führe uns zur Burg des Allerhöchsten,
Zu der Götterburg auf dem Olympus,
Daß wir im Elysischen Gefilde
Juppiter schauen!

Große Mutter du des Allerhöchsten,
Dir vermählen sich die Dichter Romas,
Wollen im Elysischen Gefilde
Heiraten Anna!