Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

Hiob




Deutsch von Josef Maria Mayer


ERSTER AKT



HIOB
Fort mit dem Tag, an dem ich ward geboren,
Der Nacht, die sprach: Ein Knabe ist empfangen!
Der Tag soll Finsternis und Dunkel sein,
Nicht frage in der Höhe Gott nach ihm,
Nicht glänze über ihm die Tageshelle!
Die Finsternis soll fordern ihn zurück,
Die Tagverdüsterung erschrecke ihn!
Die Finsternis sich raube jene Nacht,
Sie sei nicht bei den Tagen eines Jahres
Und trete in die Zahl der Monde nicht!
Ja, diese Nacht sei unfruchtbare Nacht,
Kein Jubelruf soll diese Nacht durchdringen!
Die Tagverflucher sollen sie verwünschen,
Sie, die beschwören können Leviathan,
Der Dämmrung Sterne sollen sich verfinstern,
Es harre diese Nacht auf Licht umsonst!
Nie schaue sie der Morgenröte Wimpern,
Weil sie verschloss nicht meiner Mutter Schoß
Und nicht das Elend barg vor meinen Augen!
Was starb ich nicht vom Mutterschoße weg,
Verschied nicht, als ich kam aus Mutterschoß?
Weshalb empfingen mich der Mutter Schenkel
Und warum lag ich an den vollen Brüsten?
So läge ich nun da und ruhte aus,
Ich schliefe still und hätte meine Ruhe
Mit Königen und Herren dieser Erde,
Die Mausoleen für sich selber bauten,
Mit Fürsten, welche rein an Golde waren
Und ihre Häuser füllten an mit Silber.
Wie eine Fehlgeburt wär ich verscharrt,
Wie Kinder, welche nie das Licht geschaut.
Dort hörten Frevler auf mit ihrem Toben,
Dort haben Ruhe, deren Kraft erschöpft ist.
Es rasten die Gefangnen allzumal,
Dort hören sie nicht ihres Fronvogts Ruf,
Dort gelten gleich die Kleinen und die Großen,
Und frei ist dort der Knecht von seinem Herrn.
Warum schenkt Er denn dem Geplagten Licht
Und Leben einer tiefbetrübten Seele?
Die harren auf den Tod, doch kommt er nicht,
Die graben nach dem Tod als wie nach Schätzen,
Die würden freuen sich und würden jubeln
Und jauchzen, wenn sie fänden bald ihr Grab!
Dem Manne sind verborgen seine Wege,
Gott hat ihn eingemauert ringsumher.
Mein Brot des Tages, das sind meine Seufzer,
Und gleich dem Wasser strömen meine Klagen.
Wenn mir vor etwas graute, traf es ein,
Wovor mir bangte, das ward mir zuteil.
Noch fand ich nicht Erholung und nicht Ruhe,
Nicht Muße, da kam schon ein neues Wüten!

ELIPHAS
Wird’s dich verdrießen, wenn man zu dir spricht?
Doch wer vermag der Worte Laut zu kennen?
Hast du doch viele Menschen selbst ermahnt
Und viele schlaffe Hände neu gestärkt.
Wer fiel, den hielten deine Worte aufrecht,
Und schwachen Knieen gabst du neue Kraft.
Nun, da es selbst dich trifft, wirst du verdrießlich,
Da es dich jetzt erfasst, bist du bestürzt.
Ist deine Gottesfurcht nicht dein Vertrauen
Und deine Hoffnung dein gerechter Wandel?
Bedenke doch, wer kam je schuldlos um,
Wo wurden je vernichtet die Gerechten?
Soviel ich sah, die Unheil eingesät
Und Elend pflügten, ernteten auch Leid.
Durch Gottes Atem gingen sie zugrunde,
Durch seinen Zornhauch schwanden sie dahin.
Des Löwen Brüllen wird gebracht zum Schweigen,
Der jungen Löwen Zähne sind zerbrochen!
Der Löwe stirbt, weil ihm die Beute fehlt,
Zerstreuen müssen sich der Löwin Kinder.
Zu mir gedrungen ein geheimes Wort,
Mein Ohr vernahm davon ein leises Flüstern
Bei der Gedanken Spiel und Nachtvisionen,
Als tiefer Schlaf sich auf die Menschen senkte.
Ein Beben überkam mich und ein Zittern
Und mein Gebein versetzte es ins Zittern.
Ein Wehen leise zieht an mir vorüber,
Es sträubten sich die Haare meines Hauptes.
Da steht – sein Aussehn kann ich nicht erkennen –
Ein Traumgebilde mir vor meinen Augen
Und ich vernahm Gesäusel einer Stimme:
Ist wohl ein Menschenkind gerecht vor Gott,
Vor seinem Schöpfer jemals rein ein Mann?
Fürwahr, selbst seinen Dienern traut er nicht,
Geschweige denn Bewohnern dieses Lehms,
Es liegt ihr Fundament im Erdenstaub,
Die man zermalmen kann wie eine Motte,
Zerschmettern zwischen Morgenrot und Abend,
Die ewig unbeachtet gehn zugrunde.
Reißt man heraus die Pflöcke ihres Zeltes,
So sterben sie und wissen nicht warum.
Auf! Gibt es einen, der dir Antwort gibt?
An welchen Heiligen willst du dich wenden?
Vielmehr, den Toren mordet nur sein Unmut,
Den Narren tötet seine Leidenschaft.
Ich schaute einen Toren Wurzeln schlagen,
Doch jäh verfaulte er auf seiner Aue
Und seinen Kindern bleibt die Hilfe fern,
Sie lassen sich zertreten auf dem Marktplatz,
Und keiner rettet eines Toren Kinder,
Was sie geerntet haben, das verzehrt
Ein Mensch, der Hunger hat, und der, der Durst hat,
Schnappt nach dem Gut der Kinder eines Toren.
Es wächst das Unheil nicht aus Staub hervor,
Nicht sprießt das Elend einfach aus dem Boden,
Vielmehr der Mensch erzeugt sich selbst das Elend,
Die Kinder wachsen über Kopf dem Vater.
Ich aber würde wenden mich an Gott,
Vorlegen meine Sache meiner Gottheit,
Der große Dinge tut, die unerforschlich,
Der Wunder tut, die nicht zu zählen sind,
Der schenkt der trocknen Erde Himmelsregen
Und sendet Wasser auf die dürren Fluren,
Der Niedrige emporhebt in die Höhe
Und lässt die Trauernden das Heil erfahren
Und der vereitelt der Betrüger Pläne,
Daß ihre Hände nichts Gewisses schaffen,
Der fängt die Klugen in der eignen List
Und macht, dass der Verschlagnen Anschlag fehlschlägt,
Daß sie am lichten Tag auf Dunkel stoßen,
Am Mittag tappen blind umher wie nachts.
So rettet er vor ihrem Streit den Armen,
Den Elenden aus der Gewalt der Starken,
So geht den Schwachen neue Hoffnung auf,
Der Böse aber muß die Lippen schließen.
O wohl dem Menschensohn, den Gott zurechtweist!
Und so verschmähe nicht die Zucht El Shaddais!
Denn er verwundet, er verbindet auch,
Zwar er zerschlägt, doch seine Hände heilen,
Aus sieben Nöten Gott errettet dich,
In sieben Nöten trifft kein Unheil dich.
Bei Hungersnot er rettet dich vorm Tode,
Im Kriege rettet er dich vor dem Schwert.
Geborgen bist du vor der Zungen Geißel,
Hast nichts zu fürchten, wenn das Unglück naht.
Verlachen kannst du selbst die Teurung noch,
Die wilden Tiere brauchst du nicht zu fürchten,
Im Bunde bist du mit des Feldes Steinen,
Die wilden Tiere sind mit dir befreundet.
So merkst du, wohlbehalten ist dein Zelt
Und deine Sprossen sind wie Kraut der Erde.
Vollreif gehst du dereinst zum Grabe ein,
Rechtzeitig wie die Garben zu der Tenne.
Das ists, was ich erforscht, so ist es auch,
Ich habe es gehört, nimms dir zu Herzen!

HIOB
Oh dass mein Kummer doch gewogen würde
Und man mein Leiden auf die Waage legte,
So wär es schwerer als der Sand am Meer,
Drum waren meine Worte unbedacht.
El Shaddais Pfeile stecken tief in mir,
Mein Geist hat heiße Gifte eingesogen,
Die Schrecken Gottes, sie verstören mich!
Schreit etwa auch der Esel auf der Weide
Und brüllt der Stier bei dem gemengten Futter?
Kann man genießen, was ganz salzlos ist
Und hat der Dotter etwa Wohlgeschmack?
Es sträubt mein Geist sich, Dotter anzurühren,
Er ekelt sich vor solcher schlechten Speise.
Oh dass sich meine Wünsche doch erfüllten
Und Gott gewährte meine Hoffnung mir!
Gefiele Gott es doch, mich zu zermalmen
Und meinen Lebensfaden abzuschneiden!
So wäre das doch noch mein bester Trost
Und hüpfen wollte ich in meinen Schmerzen,
Daß ich den Heiligen doch nie verleugnet.
Was ist denn meine Kraft, dass ich noch warten,
Mein Ende was, dass ich noch leben sollte?
Ist meine Kraft denn eine Felsenhärte
Und ist mein Leib vielleicht aus hartem Erz?
Es gibt doch keine Hilfe mehr für mich
Und aller Ratschlag ist von mir verscheucht.
Dem Bangen sei das Mitleid seines Nächsten,
Selbst wenn er von der Furcht El Shaddais ablässt.
Doch meine Freunde ähneln einem Bach,
Dem Rinnsal gleich, zu Zeiten überschwellend,
Die aber trübe sind von Eises Schollen,
In denen sich der weiße Schnee verbirgt.
Kommt Sonnenhitze, sind sie hingeschwunden,
Wenns heiß wird, sind sie weggelöscht vom Ort.
Es winden sich die Pfade ihres Laufes,
Sie steigen in die Leere und verschwinden.
Die Karawanen Temas schauten aus,
Die Reisezüge Sabas hatten Hoffnung,
Zuschanden aber wurde ihr Vertrauen,
Sie kamen hin und wurden schwer enttäuscht.
So seid ihr nun für mich zum Trug geworden,
Ihr schautet Schrecken und ihr seid voll Furcht.
Hab etwa ich gesagt: Schafft etwas her,
Zahlt mir von eurem Geld Bestechungsgelder
Und rettet mich aus der Gewalt des Feindes,
Erlöst mich aus den Händen des Tyrannen?
Belehrt mich doch, so will ich gerne schweigen,
Worin ich irrte, gebt mir davon Kunde.
Wie eindrucksvoll sind doch der Wahrheit Worte!
Was denn beweisen eure Theorien?
Gedenkt ihr, meine Worte streng zu rügen,
Obwohl das Wort des Elenden verhallt?
Selbst über Waisenkinder werft ihr Würfel
Und euren eignen Freund verklagt ihr noch.
Nun aber, schaut mir bitte in die Augen,
Ich lüg euch wahrlich nicht ins Angesicht.
Kehrt um und lasst das Unrecht nicht geschehen,
Kehrt um, noch hab ich Recht in meiner Sache.
Sind denn auf meiner Zunge Frevelworte?
Mein Gaumen unterscheidet doch das Unglück.
Des Menschen Los auf Erden ist ein Kriegsdienst,
Sein Leben gleicht den Tagen eines Knechtes,
Gleich einem Sklaven, der nach Schatten lechzt,
Ein Tagelöhner, der des Lohnes wartet.
Beschert erhielt ich Monde voller Qualen
Und Schmerzensnächte sind mir zugezählt.
Wenn ich mich niederlege, denke ich:
Wann werd ich wieder mich erheben können?
Und dann am Abend messe ich die Zeit
Und ruhlos bin ich bis zur Dämmerung.
Mein Leib umkleidet sich mit Würmerkot
Und meine Haut ist voller Wundennarben.
Mein Tag fliegt schneller als ein Weberschiffchen,
Die Tage schwinden hoffnungslos dahin!
Bedenke, dass mein Leben nur ein Hauch ist!
Nie wieder schaut mein Auge süßes Glück.
Der nach mir sieht, der wird mich nicht erblicken,
Nicht wieder kommt, wer stieg zur Unterwelt.
Nie wieder kehrt er in sein Haus zurück,
Nie wieder sieht den Toten seine Stätte.
So will ich meinem Munde auch nicht wehren,
Nein, reden will ich in des Herzens Trübsal
Und klagen meiner Seele Kümmernisse.
Bin ich ein Meer denn oder gar ein Drache,
Musst du denn Wachen stellen gegen mich?
Ich dachte: Ach, mein Bett, das soll mich trösten,
Mein Bett soll meinen Jammer tragen helfen,
So schrecktest du mich jedes Mal durch Träume
Und mit Gesichten machtest du mir Angst,
So dass ich die Erwürgung lieber hätte
Und lieber noch den Tod als solche Schmerzen!
Nicht ewig werde ich am Leben sein,
Laß ab von mir, ein Hauch sind meine Tage.
Wer ist der Mensch, dass du so groß ihn achtest
Und dass du auf ihn richtest deinen Sinn?
Daß du ihn heimsuchst jeden neuen Morgen
Und jeden Augenblick ihn wieder prüfst?
Wann wirst du deine Augen von mir wenden,
Mir Ruhe lassen, bis ich einmal schlucke?
Hab ich gesündigt, was kann ich dir antun,
Du Hüter, der du kennst den Sinn der Menschen?
Was machst du mich zur Scheibe deiner Pfeile,
Daß ich mir selber eine Last nur bin?
Und warum nicht vergibst du meine Sünde
Und warum nicht verzeihst du meine Schuld?
Schon lege ich mich nieder in den Staub,
Und suchst du mich, so bin ich nicht mehr da.

BILDAD
Wie lange willst du solcherlei noch reden
Und sollen deines Mundes Worte strömen?
Beugt denn die Gottheit die Gerechtigkeit,
Beugt denn El Shaddai die gerechte Sache?
Weil deine Kinder gegen ihn gesündigt,
Drum lieferte er sie dem Frevel aus.
Du aber musst dich wenden ernst an Gott
Und zu El Shaddai flehen um Erbarmen,
Denn wenn du lauter bist und redlich bist,
So wird er alsobald für dich erwachen,
So stellt er deine Wohnung wieder her.
Dann wird dein frühres Los dir arm erscheinen
Und groß und herrlich wird die Zukunft sein.
Befrage nur die früheren Geschlechter
Und schau, was da erforscht die Väter haben.
Wir sind von gestern und wir wissen nichts,
Weil unsre Tage nur ein Schatten sind.
Sie werden dich belehren, dir es sagen,
Dir Kunde geben von dem Schatz der Einsicht.
Wächst, wo kein Sumpf ist, wächst denn da Papyrus?
Und schießt denn Schilfrohr ohne Wasser auf?
Noch stehts im Trieb, ist noch nicht reif zum Schnitt
Und schneller als das Gras verdorrt es doch.
So ist das Ende aller Gottvergessnen,
Zunichte wird der Ungerechten Hoffnung,
Da ihr Vertrauen ist ein Spinngewebe.
Er stützt sich auf sein Haus, es hält nicht stand,
Er hält sich daran fest, es bleibt nicht stehen.
Frisch grünt er angesichts der lichten Sonne,
Die Ranken ziehn durch seinen Garten hin,
Um das Geröll verflechten sich die Wurzeln.
Wenn Er ihn aber tilgt von seinem Ort,
Verleugnet der ihn: Ach, ich sah dich nie!
Das ist die Wonne seines Lebensweges,
Und aus dem Staube sprosst ein andrer auf.
Doch Gott verschmäht den frommen Menschen nicht,
Gott hält der Missetäter Hand nicht fest.
Bald füllt er deinen Mund mit frohem Lachen,
Bald füllt er deine Lippen mit Frohlocken!
Mit Schmach bedeckt sein werden deine Feinde,
Das Zelt der Frevler wird verschwunden sein.

HIOB
Jawohl, ich weiß, es ist so, wie ihr redet,
Kann keiner Recht behalten gegen Gott,
Wenn er begehrte, mit dem Herrn zu streiten,
Auf eins von Tausend kann er nichts erwidern.
Ist einer weise und von großer Kraft,
Wer hat ihm je getrotzt und blieb doch heil?
Der unbemerkt versetzt die großen Berge
Und der in seinem Grimm die Berge umstürzt,
Der lässt an ihrem Ort die Erde beben,
So dass die Säulen wanken dieser Erde,
Verbietet er der Sonne, aufzustrahlen,
Und legt die vielen Sterne unter Siegel,
Der er den Himmel ausspannt ganz allein
Und schreitet siegreich auf des Meeres Höhen,
Er schuf den Bären und schuf den Orion,
Plejaden schuf er und das Kreuz des Südens,
Der große Dinge tut, die unerforschlich,
Und Wunder, die nicht aufzuzählen sind.
Wenn er vorübergeht, seh ich ihn nicht,
Schwebt er dahin, gewahre ich ihn nicht,
Rafft er hinweg, wer will es ihm verwehren?
Wer darf ihm sagen: Was denn tust du da?
Gott wehrt nicht seinem Zorn und seinem Grimm,
Selbst Rahabs Helfer mussten sich verneigen,
Geschweige, dass ich ihm erwidern dürfte,
Ihm gegenüber meine Worte wählen!
Hab ich auch Recht, darf ich nicht Antwort geben,
Zum Widerpart muß ich um Gnade flehen.
Und rief ich auch und gäbe er mir Antwort,
Ich glaub nicht, dass er meine Stimme hört,
Er, der im Sturmwind mich zermalmen würde
Und meine Wunden ohne Ursach mehren
Und nimmer mich aufatmen lassen würde,
Vielmehr mit bitterm Weh mich sättigen!
Gibt’s eine Kraft des Starken, ist er da,
Doch gibt’s den Rechtsweg: Wer darf Gott vorladen?
Wär ich im Recht, er würde mich verdammen,
Trotz meiner Unschuld macht er mich zum Lügner.
Ja, Unschuld, doch mich kümmert nicht mein Leben,
Ja, ich verachte mein Gewordensein!
Es ist ganz gleich, drum spreche ich es aus:
Er bringt den Frommen wie den Frevler um!
Wenn plötzlich einen töten wird die Geißel,
So lacht er über die Verzweiflung Frommer.
Die Erde ist in eines Frevlers Hand,
Das Antlitz ihrer Könige verhüllt er.
Wenn er’s nicht ist, wer sollte sonst es tun?
Mein Tag läuft schneller als ein Läufer hin,
Entflohen, ohne Glück gesehn zu haben,
Die Tage fuhren hin wie Binsenkähne,
Wie Adler, der auf Nahrung niederstößt,
Und wollte ich vergessen meinen Jammer,
Will meine Trübsal lassen, heiter sein,
Erfasst mich doch das Grauen vor den Schmerzen,
Ich weiß, dass du mich nicht freisprechen wirst.
Ja, ja, ich soll nun einmal schuldig sein,
Wozu mich da vergeblich noch bemühen?
Wenn ich mich waschen würde auch mit Schnee
Und meine Hände reinigte mit Seife,
So würdest du mich tauchen in den Pfuhl,
Daß meine Kleider vor mir Abscheu hätten.
Er ist kein Mensch, dass ich ihm Antwort gebe,
Daß wir gemeinsam treten vor Gericht.
Kein Schiedsmann könnte treten zwischen uns,
Der auf uns beide legte seine Hand.
Er nehme seinen Stock von mir hinweg
Und lasse seine Schrecken mich nicht schrecken,
So will ich reden, ohne ihn zu fürchten,
So steht es doch in meinem Innern nicht.
Wie ekelt mich mein Erdenleben an!
So lass ich meiner Klage freien Lauf
Und rede in dem Kummer meiner Seele.
Ich sag zu Gott: Verdamme mich doch nicht!
Lass mich erfahren, warum du mich jagst!
Bringts dir Gewinn, wenn du mich unterdrückst,
Du deiner Hände Meisterwerk verwirfst?
Doch zu dem Plan der Frevler leuchtest du.
Hast du denn Augen eines Menschenkindes,
Schaust du denn etwa so, wie Menschen schauen?
Sind deine Tage wie der Menschen Tage
Und deine Jahre eines Mannes Jahre,
Daß du nach einer Sünde suchst bei mir
Und dass du forschst bei mir nach einer Schuld?
Du weißt, für mich gibt’s keine Rettung mehr,
Kann keiner reißen mich aus deiner Hand!
Du selbst hast sorgsam meinen Leib gebildet,
Dann wandtest du dich um, mich zu verderben!
Gedenke doch, du formtest mich wie Ton,
Willst du mich wieder machen nun zum Staube?
Du hast mich hingegossen doch wie Milch
Und mich wie Käse dann gerinnen lassen,
Mit Fleisch und Haut hast du mich dann bekleidet
Und mich durchwebt mit Knochen und Sehnen.
Das Leben legtest du in mich, die Kraft,
Dein Schutz bewahrte meinen Lebensatem.
Doch dabei bargst du dies in deinem Herzen,
Ich weiß wohl, dass du solches hast geplant:
Mach einen Fehler ich, verlässt du mich
Und sprichst mich nicht mehr frei von meiner Schuld.
Ach wenn ich schuldig werde – wehe mir!
Wär ich gerecht, darf ich mein Haupt nicht heben,
Du sättigst mich mit Schande und mit Elend!
Erheb ich mich, du jagst mich wie ein Löwe
Und würdest deine Macht an mir erweisen.
Stets neue Zeugen hast du gegen mich
Und deinen Grimm vermehrst du gegen mich.
Was zogst du mich aus Mutterschoß hervor?
Wär ich gestorben, dass mich keiner sieht!
Ach wär ich nie gewesen, nie geworden,
Vom Mutterschoß zum Grab hinweggetragen!
Nur wenig sind der Tage meines Lebens,
Oh laß mich doch ein wenig mich erheitern,
Bevor ich gehe ohne Wiederkehr
Ins Land der Finsternis, des Todesschattens,
Ins Land der Mitternacht, des dichten Dunkels,
Ins Land der Todesschatten und des Chaos,
Und ward es hell, so ists wie Mitternacht!

SOPHAR
Soll deinem Wortschwall keine Antwort werden
Und soll der Maulheld etwa Recht behalten?
Dein Schwatzen soll ein Mann zum Schweigen bringen!
Du solltest scharfer Zunge spotten dürfen,
Doch kein Gerechter dürfe dich beschämen?
Du sagst: Mein Wandel ist ganz fehlerfrei
Und du beurteilst dich als makellos?
Fürwahr, es möchte reden nur die Gottheit
Und ihre Lippen öffnen gegen dich
Und dir der Weisheit Tiefe offenbaren!
Vielfältig ist an gutem Rat die Weisheit,
Erkenn, wie dir zugute übersieht
Der Herr doch einen Großteil deiner Schuld!
Kannst du den tiefsten Grund in Gott erreichen
Und bis zum Ende Shaddais hingelangen?
Die Weisheit ist doch höher als der Himmel,
Was kannst du denn ausrichten gegen sie?
Die Weisheit, tiefer als die Unterwelt,
Was kannst du von der Weisheit denn erkennen?
Die Weisheit, weiter als der Erde Umkreis
Und breiter als der große Ozean!
Wenn Gott einher fährt und den Mann verhaftet
Und die Gerichtsversammlung einberuft,
Wer kann das dem Allmächtigen verwehren?
Er kennt das Nichts der ungerechten Seele
Und schaut die Schuld, doch achtet er nicht drauf.
Ein Dummkopf kann doch auch noch weise werden
So wie ein Esel noch zum Menschen wird.
Wenn du dein Herz bereitest für den Herrn
Und deine Hände breitest aus zu Gott –
Klebt Schuld an deiner Hand, entfern die Schuld
Und laß in deinem Zelt kein Unheil wohnen!
Du wirst dein Antlitz frei von Fehl erheben,
Wirst wie aus hartem Erz gegossen sein
Und dich nicht fürchten vor den Ungerechten.
Ja, dann wirst du dein Ungemach vergessen,
Vergessen wie die Tage, die vergangen,
Und lichter als der Mittag wird dein Leben,
Das Dunkel wird wie Morgenröte sein.
Vertrauen hast du, weil noch Hoffnung ist,
Und sorglos wirst du dich zu Bette legen,
Kannst ruhen, ohne dass dich jemand schreckt.
Um deine Gunst bemühen dann sich viele,
Der Frevler Augen aber werdet matt,
Für sie ist jede Zuflucht ja verloren,
Was sie zu hoffen haben, ist ein Seufzen!

HIOB
Ja, wahrlich, wahrlich, ihr, ihr seid die Menschheit,
Aussterben wird mit euch die Weisheit Gottes!
Ich habe aber auch Verstand wie ihr
Und falle gegen euch fürwahr nicht ab!
Wem wäre denn dergleichen nicht bekannt?
Verspottet wird von seinen Freunden nur,
Wer Gott anruft, bei Gott Erhörung findet!
Ein Spott wird der Gerechte und der Fromme!
Dem Unglück Schmähung nur nach eurer Meinung,
Den Stoß für den, der nahe schon am Abgrund!
Im Frieden bleibt das Zelt der Streiterreger
Und sorglos leben sie, des Zornes Kinder,
Die ihren Gott in ihren Fäusten halten!
Doch frage nur die Tiere auf der Erde,
Des Himmels Vögel geben Auskunft dir,
Die wilden Tiere werden dich es lehren,
Des Meeres Fische werden dir’s erzählen.
Wer unter diesen allen wüsste nicht,
Daß Jahwes Hand gemacht die ganze Schöpfung,
In seiner Macht der Geist ist alles Lebens
Und auch der Atem jedes Menschenkindes?
Die Ohren dürfen doch die Worte prüfen,
Der Gaumen kostet doch für sich die Speise.
Bei Männern grauen Haares nur ist Weisheit?
Und langes Leben ist so gut wie Einsicht?
Bei Gott allein ist wahre Kraft und Weisheit,
Nur Gottes ist der Ratschlag und die Einsicht!
Wenn einreißt Gott, wird nicht mehr aufgebaut,
Wenn Gott einkerkert, wird nicht aufgeschlossen.
Wenn Gott die Wasser hemmt, versiegen sie,
Lässt Gott sie los, zerwühlen sie die Erde.
Bei Gott alleine ist die Macht und Umsicht,
Sein ist der Irrende und der Verführer.
Er führt die Herren ausgeplündert fort
Und er betört die Richter des Gerichts.
Er löst den Königen die Fesselstricke
Und schlingt um ihre Hüften einen Strick.
Er führt die Priester ausgeplündert fort,
Er stürzt die haben ewigen Bestand.
Dem Wohlbewährten er entzieht die Rede
Und Greise er beraubt gesunden Urteils.
Er gießt Verachtung über Edle aus
Und lockert den Gewaltigen den Gürtel.
Verborgenes enthüllt er aus dem Dunkel
Und zieht die Finsternis hervor ans Licht.
Die Völker lässt er wachsen, stürzt sie dann,
Er breitet Völker aus, führt sie hinweg.
Er raubt den Oberhäuptern den Verstand
Und lässt sie irren in der leeren Ödnis.
Sie tappen in dem unerhellten Dunkel,
Er lässt wie taumeln wie Betrunkene.
Sieh her, all dieses schauten meine Augen,
Mein Ohr hat es gehört und sich gemerkt.
So klug ihr seid, so weise bin ich auch!
Ich brauche gegen euch nicht abzufallen.
Ich aber möchte mit El Shaddai reden,
Zu rechten mit dem Herrgott hab ich Lust.
Ihr aber seid nur eitle Lügentüncher
Und nichtige Doktoren allesamt.
O dass ihr doch ganz stille, stille bliebet,
So könnte das als eure Weisheit gelten.
So hört denn meines Mundes ernste Rüge
Und merket auf das Streitwort meiner Lippen.
Wollt ihr denn Gott zuliebe Unrecht reden
Und Gott zuliebe reden Lug und Trug?
Wollt ihr Partei ergreifen für den Herrn
Und streiten oder zanken für den Herrn?
Das geht nicht gut ab, wenn er euch verhört,
Ihr werdet ihn doch nicht betören können
So wie ein Mensch betören kann den Menschen.
Nein! Strafen, strafen wird euch Gott der Herr,
Wenn insgeheim ihr auch Partei ergreift.
Wird seine Hoheit denn euch nicht betäuben?
Sein Schrecken wird doch auf euch niederfallen!
Was ihr so sagt, das sind nur Aschensprüche,
Lehmschanzen werden alle eure Schanzen.
Lasst mich in Ruhe! Ich, ich will jetzt reden!
Mag über mich ergehen, was da will,
Ich will mein Fleisch in meine Zähne nehmen
Und will mein Leben legen auf die Hand.
Er wird mich töten! Ja, da ist kein Ausweg!
Nur will ich mich vor ihm rechtfertigen.
Schon das gereicht mir ja zum Seelenheil,
Kein Heuchler tritt ja vor sein Angesicht.
So hört denn aufmerksam auf meine Rede
Und last darlegen meine Sache euch.
Wohlan, ich hab den Handel eingeleitet,
Ich weiß, dass ich es bin, der Recht bekommt,
Wer ist es denn, der mit mir streiten könnte?
Dann wollte schweigen ich und still verscheiden.
Nur zweierlei tu mir nicht an, mein Herr,
Dann will ich mich vor dir auch nicht verbergen,
Zieh deine harte Hand von mir zurück
Und lass mich deine Schrecken nicht erschrecken,
Dann rufe und ich will dir Antwort geben,
Ich werde reden, du gib mir auch Antwort!
Wie viele Sünden hab ich denn begangen?
Lass meine Übeltaten mich doch wissen.
Warum verhüllst du denn dein Angesicht,
Warum behandelst du mich denn als Feind?
Willst du denn ein verwelktes Blatt noch schrecken
Und willst du dürre Stoppeln noch verfolgen,
Daß du mir Bitterkeiten zudiktierst
Und mich die Jugendsünde erben lässt?
Und dass du meine Füße in den Block legst
Und alle meine Wege streng bewachst
Und einen Kreis um meine Sohlen ziehst?
Und ich zerfalle wie ein Fraß von Würmern
Und wie ein Kleid, zerfressen von der Motte!
Der Menschensohn, geboren von der Frau,
Wie kurz an Tagen und von Unruh satt,
Wie eine Blume blüht er und verwelkt
Und flieht dahin wie Schatten ohne Dauer.
Doch du hältst über ihm die Augen offen
Und ihn ziehst du zuletzt vor dein Gericht!
Wie kann ein Reiner denn von Sündern kommen?
Nicht Einer ist doch rein in deinen Augen!
Wenn dann bestimmt ist seine Lebenszeit,
Die Zahl der Monde feststeht schon bei dir
Und du gesetzt ihm die gewisse Grenze,
Die er gewiss nicht überschreiten kann,
Dann blicke von ihm weg und lass doch ab,
Daß er zumindest wie ein Tagelöhner
Am Abend sich noch seines Lohnes freue!
Denn für den Baum gibt’s immer eine Hoffnung,
Selbst abgehauen, treibt er neue Sprossen
Und aus dem Stumpf bleibt nicht der Schössling aus.
Ob seine Wurzel in der Erde altert,
Ob auch sein Stumpf im Erdenstaube abstirbt,
Er wittert Wasser, wieder schlägt er aus,
Treibt Zweige wie ein frischgepflanztes Reis.
Doch stirbt ein Mann, so liegt er hingestreckt,
Verscheidet er, der Mensch, wo ist er dann?
Wie die Gewässer schwinden aus dem Meer,
Der Strom versiegt, der Wasserstrom vertrocknet,
So legt der Mensch sind und steht nicht mehr auf.
Und stirbt ein Mann, er wird nicht mehr lebendig.
Solang der Himmel währt, erwacht er nicht
Und wird nicht aus dem Schlafe aufgerüttelt.
O Herr, verwahr mich in der Unterwelt
Und berge mich, bis sich dein Zürnen legt,
Setz mir ein Ziel und dann gedenke meiner!
Dann wollt ich alle Kampfestage harren,
Bis die befreiende Ablösung kommt!
Du würdest rufen und ich gäbe Antwort,
Nach deiner Hände Werk du sehntest dich,
Du würdest alle meine Schritte zählen
Und würdest achten nicht auf meinen Fehltritt,
Versiegelt wäre mein Vergehn im Beutel,
Und meine Sünde hättest du verklebt.
Wie wenn ein Berg hinabstürzt aber ists,
Wie wenn ein Fels von seiner Stelle rückt,
Wie wenn das Wasser weich zerreibt die Steine,
Sturzregen schwemmen fort der Erde Boden,
So du vernichtest auch des Menschen Hoffnung!
Du tust ihm an Gewalt für alle Zeit
Und vergewaltigt geht der Mensch zugrunde!
Ob seine Kinderlein zu Ehren kommen?
Er weiß nicht! Oder sinken sie hinab?
Er hat nicht acht mehr auf die Kinderlein!
Nur über seinen Körper fühlt er Schmerzen!
Nur über seine Seele trauert er!



ZWEITER AKT



ELIPHAS
Wird wohl ein Weiser Wind zur Antwort geben,
Sein Inneres mit bloßem Ostwind füllen,
Mit Worten streiten, die so gar nichts taugen,
Und Worte sagen, die selbst gar nichts fördern?
Dazu zerstörst du auch die Gottesfurcht,
Verminderst Frömmigkeit, die Gott gebührt.
Denn deine Schuld allein lehrt deinen Mund
Und du erwählst die Sprache der Betrüger.
Dein eigner Mund verurteilt dich, nicht ich,
Die eignen Lippen zeugen wider dich.
Bist du als erster Mensch der Welt geboren
Und vor den Hügeln noch hervorgebracht?
Hörst du in Gottes Ratsversammlung zu
Und reißest du an dich die Weisheit Gottes?
Was weißt du denn, was wir nicht wissen würden,
Und was verstehst du, das uns nicht bewusst?
Ergraute Greise sind doch unter uns,
Die länger leben als dein Vater lebte.
Sind Gottes Tröstungen dir zu gering,
Ein Wort des Herrn, das sanft mit dir verfuhr?
Was reißt dein Herz dich denn so stürmisch fort,
Was rollen deine Augen denn so wild?
Du wendest gegen Gott dein Zornesschnauben
Und lässt dem Munde Reden frech entfahren.
Was ist der Mensch, dass er könnt schuldlos sein
Und dass gerecht da stünd der Weibgeborne?
Selbst seinen Heiligen vertraut er nicht,
Der Himmel ist nicht rein in seinen Augen,
Geschweige der Abscheuliche, Verderbte,
Der Mensch, der doch das Unheil trinkt wie Wasser.
Ich will dich unterweisen, hör mir zu,
Was ich geschaut hab, will ich dir erzählen,
Und was die alten Weisen uns berichten
Und ihre Väter nicht verschwiegen haben.
Das Land war ihnen noch allein gegeben,
Kein Fremdling unter ihnen zog umher.
Sein Leben lang verängstigt ist der Frevler
Und alle Jahre seiner Lebenszeit,
So viel dem Wüterich sind aufgespart.
In seinen Ohren tönen Schreckenslaute,
Im Frieden überfällt ihn der Verwüster,
Er hofft nicht mehr, dem Dunkel zu entrinnen,
Und aufgespart ist er nur für das Schwert.
Er ist bestimmt zur Speise für die Geier,
Er weiß, dass sein Verderben schon bereit steht.
Ihn schreckt die Not und ihn erschreckt die Angst,
Sie ist ein König, der zum Sturm bereit,
Weil er die Hand hat gegen Gott erhoben
Und weil er Trotz geboten hat El Shaddai
Und anstürmt gegen Gott mit steifem Hass
Und mit den harten Buckeln seiner Schilde,
Weil er sein Angesicht mit Fett bedeckte
Und Fett hat angesetzt an seinen Hüften,
Sich angesiedelt hat in öden Städten,
In Häusern, darin man nicht wohnen durfte,
Die da bestimmt zu Trümmerhaufen waren.
Er wird nicht reich und seine Habe bleibt nicht
Und er entrinnt nicht aus der Finsternis.
Die Flamme dörrt ihm seinen Trieb aus
Und seine Frucht wird von dem Wind verweht.
Er traue nicht auf Trügerei, er irrt sich,
Denn Lug und Trug wird er eintauschen nur.
Eh noch sein Tag kommt, schon erfüllt es sich,
Sein Zweig der Palme wird nicht grünen mehr,
Dem Weinstock gleich stößt er die Trauben ab
Und wie der Ölbaum wirft er ab die Blüte.
Denn unfruchtbar die Rotte ist des Sünders
Und Glut verzehrt die Zelte der Bestechung.
Mit Mühsal schwanger, sie gebären Unheil,
Ihr Schoß bereitet nichts als Lug und Trug.

HIOB
Dergleichen habe ich schon oft gehört,
Elende Tröster seid ihr allesamt!
Ist jetzt dein Reden wie ein Wind zuende?
Was reizt dich weiter denn noch zum Erwidern?
Ich könnte reden auch so klug wie ihr,
Wenn ihr an meiner Stelle elend wäret,
Könnt Worte gegen euch zusammendrechseln
Und höhnisch schütteln über euch den Kopf!
Ich könnte stärken euch mit meinem Mund
Und meiner Lippen Beileid euch nicht sparen.
Und red ich auch, mein Schmerz wird nicht gelindert,
Und schweige ich, was wird dann von mir weichen?
Nun aber, Er hat meine Kraft erschöpft,
Verödet hast du meinen ganzen Kreis.
Mein Leid hat mich gepackt und ward zum Zeugen
Und gegen mich zeugt meine Magerkeit,
Die Magerkeit spuckt mir ins Angesicht.
Sein Grimm zerfleischte und bekriegte mich,
Er fletschte gegen mich die scharfen Zähne.
Und meine Widersacher wetzen gleich
Die Augen und sie reißen auf ihr Maul,
Sie schlagen schmählich mich auf meine Wangen
Und rotten groß sich gegen mich zusammen.
Gott gibt mich preis den ungerechten Frevlern
Und in der Sünder Hände stürzt er mich.
Ich lebte ruhig, er zerschmettert mich,
Er packte mich am Nacken und zerschmiss mich!
Er stellte mich als Scheibe für sich auf
Und es umschwirrten seine Pfeile mich.
Erbarmungslos er spaltet meine Nieren
Und auf die Erde gießt er meine Galle.
Und in mich schlägt er Bresche über Bresche,
Stürmt gegen mich dann wie ein Krieger an,
Den Sack hab ich mir auf mein Haupt genäht
Und habe in den Staub gebohrt mein Horn,
Mein Antlitz ist gerötet von den Tränen
Und tiefes Dunkel ruht auf meinen Wimpern.
Kein Frevel aber ist in meinen Händen
Und mein Gebet ist rein und ohne Makel.
O Erde, du bedecke nicht mein Blut,
Mein Wehruf finde keine Ruhestätte!
Doch jetzt – im Himmel ist mein Zeuge, siehe,
Der für mich zeugt, ist Herrscher in der Höhe.
Doch meine Freunde spotten böse meiner,
Zu Gott blickt tränenvoll mein Auge auf,
Daß Er dem Manne wieder Recht verschaffe
Und zwischen ihm und seinem Freund entscheide.
Denn nur noch wenig Lebensjahre kommen,
Die Straße ohne Rückkehr muß ich wandeln,
Mein Lebensgeist in mir ist ganz zerstört
Und nur die Stätte meines Grabes bleibt mir.
Fürwahr, mir wird ein bittrer Spott zuteil,
Auf Bitterkeiten muß mein Auge weilen.
Leg mir doch eine Bürgschaft bei dir nieder!
Wer anders sollte mir den Handschlag geben?
Ihr Herz hast du der Einsicht ja verschlossen
Und darum wirst du sie nicht siegen lassen.
Für den Gewinn verrät er seinen Freund,
Doch seiner Kinder Augen werden schmachten.
Zu einem Sprichwort hast du mich gemacht,
Zu einem Spottvers für die ganze Welt,
Ein Zeichen bin ich für die bösen Spötter.
Mein Auge ist ganz trüb vor Kummer schon
Und meine Glieder ähneln einem Schatten.
Deshalb entsetzen sich die guten Menschen,
Doch Frevler triumphieren über Fromme.
Wer reine Hände hat, gewinnt an Kraft.
Ihr alle aber kommt doch nur heran!
Ich werde keinen Weisen bei euch finden!
Die Tage mir verrannen rasch zum Tod,
Die Seile meines Herzens sind zerrissen!
Nacht wollen sie zum hellen Tage machen,
Licht soll mir näher sein als Finsternis.
Doch wenn ich auf das Reich der Toten hoffe
Als meiner Wohnung in der Unterwelt
Und in der Nacht mein Lager mir bereite,
Wenn ich zum Grabe sage: Meine Mutter!
Und sag ich zu den Würmern: Meine Schwestern!
Wo bleibt denn meine Hoffnung da, mein Glück?
Die Freuden, fahren sie mit mir hinunter?
Und meine Hoffnung, meine Seligkeit,
Gehn sie mit mir hinunter zu den Schatten?

BILDAD
Wie lange willst du diese Wortjagd treiben?
Komm zu Verstand, wir wollen danach reden!
Weswegen werden wir den Tieren gleich
Und gelten als vernagelt für dein Klugsein?
Du, der in seinem Grimm sich selbst zerfleischt,
Um deinetwillen soll die Erde leer sein
Und soll der Fels von seiner Stelle weichen?
Ja, es erlischt des Übeltäters Licht
Und seines Feuers Flamme leuchtet nicht.
Das Licht verfinstert sich in seinem Zelt
Und seine Lampe vor ihm wird erlöschen
Und seine schnellen Schritte werden kurz,
Sein eignes Treiben bringt ihn ins Verderben.
Ins Netz ihn treiben seine eignen Füße,
Er wandelt auf geflochtnem Werk von Fallen,
Der Fangstrick wird ihn packen an der Ferse,
Es wird die Schlinge ihn umwunden halten.
Auf Erden ist der Strick für ihn versteckt,
Versteckt die Falle ist auf seinem Weg.
Und ringsumher verängstigen ihn Schrecken
Und scheuchen ihn bei jedem Schritt und Tritt.
Das über ihn verhängte Unheil hungert,
Verderben wartet schon auf seinen Fall.
Verderben frisst die Glieder seines Leibes,
Die Krankheit frisst ihm seine Glieder auf.
Herausgerissen wird aus seinem Zelt er,
Es treibt ihn zu dem Könige der Schrecken.
In seinem Zelt nimmt Wohnung etwas Fremdes,
Auf seine Hütte wird gestreut der Frevel.
Verdorren werden unten seine Wurzeln
Und oben wird verwelken sein Gezweig.
Sein Angedenken schwindet von der Erde,
Kein Name bleibt ihm auf der Flur zurück.
Man stößt ihn aus dem Licht in Finsternis
Und treibt ihn weg vom runden Erdenkreis.
Nicht Sproß bleibt ihm noch Schoß in seinem Volk
Und kein Entflohner ist in seinen Dörfern.
An seinem Tag erstarren die im Westen,
Ein Schauder packt, die da im Osten wohnen.
Ja, so ergehts der Wohnung eines Frevlers
Und so der Stätte eines Gottvergessnen.

HIOB
Wie lange wollt ihr mich noch bitter kränken
Und mich zermalmen mit gemeinen Reden?
Schon zehnmal nun beschimpftet ihr mein Herz
Und schämt euch nicht, mich grausam zu misshandeln!
Hab ich denn etwa wirklich mich vergangen,
Hat denn bei mir die Sünde ihre Wohnung?
Könnt ihr euch wirklich über mich erheben
Und gegen mich beweisen meine Schande?
Erkennt doch, dass der Herr mein Recht gebeugt,
Sein Fangnetz aufgestellt hat rings um mich.
Ich schrei: Gewalt! Doch find ich nicht Erhörung.
Ich ruf um Hilfe, doch da gibt’s kein Recht,
Vermauert hat der Herr mir meinen Weg,
So dass ich nicht hinüber springen kann,
Auf meinen Weg er breitet Finsternis,
Entkleidet hat er meiner Ehre mich
Und mir vom Haupt genommen meine Krone.
Er riß in Stücke mich auf allen Seiten,
Wie einen Baum riß er die Hoffnung aus.
Er ließ den Zorn entbrennen wider mich
Und achtete mich seinen Feinden gleich.
Stets rückte seine Schar an mich heran,
Um gegen mich die Wege aufzuschütten,
Und lagerten sich rings um meine Wohnung.
Auch meine Brüder haben sich entfernt
Und meine Freunde sind mir ganz entfremdet,
Verwandte und Bekannte blieben aus,
Vergessen haben mich des Hauses Gäste,
Die Mägde halten mich für einen Fremden,
Zum Fremdling wurde ich in ihren Augen.
Ruf ich den Schlaf an, gibt er keine Antwort,
Mit meinem Munde muß ich vor ihm flehen.
Mein Atem ist zuwider meiner Frau
Und übel riech ich meinen eignen Brüdern.
Die kleinen Kinder selbst verachten mich,
Und will ich aufstehn, sie verspotten mich,
Und die ich liebte, stehen gegen mich,
Verabscheut werd ich auch von den Vertrauten.
An meiner Haut, am Fleisch klebt mein Gebein,
Nur mit der Zähne Haut bin ich entkommen.
Erbarmt euch mein, erbarmt euch mein, ihr Freunde,
Denn Gottes Hand hat mich sehr hart geschlagen!
Was hetzt ihr mich denn so wie einen Hirsch
Und werdet satt von meinem Fleische nicht?
Ach, würden meine Worte aufgeschrieben,
Ach, dass man aufschrieb sie in einem Buche,
Sie ritzt mit Eisengriffeln ein in Tafeln,
Für immer einhaut sie in Felsgestein!
Ich aber weiß: Mein guter Anwalt lebt,
Zuletzt erhebt er sich noch aus dem Staube!
Nachdem mir meine Haut vergangen ist
Und ledig meines Fleisches, schau ich Gott!
Ich werde schauen ihn in seiner Gnade
Und meine Augen sehn ihn nicht als Gegner.
Doch meine Nieren schwinden mir im Innern.
Ihr sagt: Wie wollen wir ihn doch verfolgen
Und in ihm finden seiner Sünde Grund!
So fürchtet euch doch vor dem Schwert des Todes,
Denn solche Schuld verdient das Schwert des Todes!
Erkennt doch, dass es einen Richter gibt!

SOPHAR
Und darum Antwort gibt mir mein Gedanke
Und deshalb ist mein Herz auch so erregt,
Denn Rüge muß ich hören und Beschimpfung
Und Windhauch ohne Einsicht gibst du kund.
Hast du dein Wissen von der Urzeit her,
Als auf die Erde ward gesetzt der Mensch?
Der Gottvergessnen Jubel ist vergeblich,
Der Übeltäter Freude ist vergänglich.
Ob auch sein Hochmut bis zum Himmel steigt
Und ob sein Haupt auch an die Wolken reicht,
Gleich seinem Kot verschwindet er für immer,
Wer sonst ihn sah, spricht: Wo ist er jetzt hin?
Dem Traum gleich schwindet er, ist nicht mehr da,
Er wird nicht mehr gefunden auf der Erde,
Verflogen ist er wie ein Nachtgesicht.
Das Auge, das ihn sah, sieht ihn nicht mehr
Und seine Stätte sieht ihn niemals wieder.
Und seine Söhne müssen Armen spenden
Und seine Kinder geben aus sein Gut.
War sein Gebein auch voller Jugendkraft,
Die Kraft muß sich mit ihm im Staube betten.
Wenn seinem Munde süß das Böse schmeckt,
Er’s unter seiner Zunge bergen möchte,
Er spart das Böse, wills nicht fahren lassen,
Zurück hält er das Böse an dem Gaumen,
Im Innern sich verwandelt seine Speise,
Jetzt Natterngalle ist in seinem Leibe!
Er hat verschlungen gierig Hab und Gut,
Er muß es aber wieder von sich geben,
Aus seinem Bauche treibt es Gott der Herr.
Zwar eingesogen hat er Natterngift,
Getötet hat ihn einer Viper Zunge,
Jetzt darf er freuen sich nicht mehr der Bäche
Und Wasserströme voller Milch und Honig.
Abgeben muß er den Ertrag der Arbeit
Und darf ihn selber nicht hinunterschlucken.
Des eingetauschten Guts wird er nicht froh,
Er schlug und ließ die Armen hilflos liegen,
Er raubte sich ein Haus und bauts nicht aus,
Denn keine Hilfe hat er an dem Gut,
Die Kostbarkeiten können ihn nicht retten.
Und nichts ist je entronnen seinem Fressen
Und darum hat sein Gut auch nicht Bestand.
Voll seines Überflusses hat er Angst,
Die Macht des Elends überfällt ihn doch.
Gott sendet wider ihn des Zornes Glut,
Lässt auf ihn niederregnen lauter Schrecken.
Flieht auch der Mann vor einer Eisenrüstung,
Durchbohrt ihn doch der Pfeil vom straffen Bogen.
Zog er den Pfeil heraus aus seinem Rücken,
So fährt der scharfe Stahl in seine Galle.
Des Unglücks Finsternis, ihm aufgespart,
Die Finsternis beraubt ihn seiner Schätze.
Die Glut verzehrt ihn, die nicht angefacht ward,
Das Feuer weidet ab, was dem Verderben
In seinem Zelte noch entronnen war.
Der Himmel öffentlich macht seine Schuld,
Die Erde sich erhebt voll Feindlichkeit.
Ins Elend schwindet seines Hauses Frucht
Wie Flut zerrinnt an Gottes Zornestag.
Das ist das Los der gottvergessnen Menschen,
Das Urteil, ihm vom Herrgott zugesprochen.

HIOB
O höret, höret meiner Rede zu
Und möge darin euer Trost bestehen!
Ertragt mich, dass ich vor euch spreche,
Und wenn ich ausgeredet, könnt ihr höhnen!
Ergeht denn über Menschen meine Klage?
Was sollte ich nicht ungeduldig werden?
Schaut her auf mich, so werdet ihr erstarren
Und legen euren Hände auf den Mund!
Wenn ich dran denke, werde ich bestürzt
Und Schauder mich ergreift am ganzen Leib.
Warum am Leben bleiben denn die Frevler
Und werden alt, erstarken noch an Kraft?
Ihr Nachwuchs steht vor ihnen fest vereint
Und ihre Sprösslinge vor ihren Augen,
Ist die Familie ihnen wohlgeraten
Und müssen leiden sie an keinem Schrecken
Und Gottes Rute kommt nicht über sie.
Sein Stier bespringt die Kuh, bespringt sie kraftvoll,
Die Kuh kalbt leicht und ohne Fehlgeburt.
Die Buben laufen wie die Lämmerherde
Und ihre Kinder springen froh umher.
Sie singen laut bei Paukenschlag und Zither
Und freuen sich am Klange der Schalmei.
In Glück verbringen sie die Lebenszeit,
In Frieden steigen sie ins Totenreich.
Doch sprachen sie zu Gott: Bleib du uns fern,
Wir wollen deine Wege gar nicht kennen!
Wer ist El Shaddai, dem wir dienen sollen,
Was nützt es, Bitten vor ihn auszuschütten?
Sie halten doch das Glück in ihrer Hand,
Der Gottvergessnen Raunen bleibt ihm fern.
Wie oft erlischt der Gottvergessnen Leuchte,
Wie oft kommt auf sie nieder ein Verderben?
Teilt Gott die Lose aus in seinem Zorn?
Und werden sie wie Stroh im Wirbelwinde
Und werden sie wie Spreu, entführt vom Wind?
Nicht spare Gott den Kindern auf des Sünders
Das Unheil, das ihm ganz allein gebührt!
Nein, Gott vergelte ihm, dass er es merke!
Ja, seine Augen sollen Unheil sehen,
Er selber soll vom Grimm El Shaddais trinken!
Was kümmert denn die eigene Familie
Den Gottvergessenen nach seinem Tode,
Wenn seines Lebens Monde sind vollendet?
Doch darf man Gott den Herrn denn Weisheit lehren,
Ihn, der die Himmlischen im Himmel richtet?
Der eine stirbt in dem Genuß des Glücks,
Vollkommen ruhig und ganz wohlgemut,
Und seine Hoden sind mit Saft gefüllt,
In voller Stärke steht ihm das Gebein.
Der andre stirbt in bitterlichem Unmut
Und ohne dass er je das Glück genossen.
Sie legen beide sich zum Staube nieder
Und Grabeswürmer hüllen beide ein.
Ich kenne euer Denken ganz genau
Und wie ihr Unrecht gegen mich verübt.
Ihr sagt: Wo blieb die Wohnung des Tyrannen
Und wo die Zelte denn der Gottesleugner?
So fragt doch die des Wegs vorüberziehen,
Was sie beweisen, werdet ihr erkennen,
Der Böse wird am Unglückstag verschont,
Er wird verschont am Tag des Zornes Gottes,
Wer hält ihm seinen Lebenswandel vor?
Er hat es ja getan! Doch wer vergilt ihm?
Zur Gräberstätte wird er hingeleitet
Und an dem Grab hält man für ihn die Wacht.
Süß sind die Schollen ihm der Grabesruhe
Und hinter ihm läuft her die ganze Welt
Und Ungezählte gingen ihm voraus.
Wie könnt ihr mich denn da so sinnlos trösten?
Von eurer Antwort bleibt allein die Falschheit!



DRITTER AKT


ELIPHAS
Hat Gott denn etwa von den Menschen Nutzen?
Sich ganz alleine nützt der Fromme nur!
Hat denn El Shaddai davon einen Vorteil,
Wenn du gerecht bist und rechtschaffen lebst?
Hat er Gewinn, wenn du unsträflich wandelst?
Straft er dich wegen deiner Gottesfurcht,
Geht er deswegen mit dir ins Gericht?
Ist deine Missetat nicht vielmehr groß
Und deine Schuld ist maßlos, ohne Ende?
Du pfändest deine Brüder ohne Anlaß,
Halbnackten zogst du ihre Kleider aus!
Du gabst kein Wasser den Verdurstenden
Und Hungernden versagtest du das Brot!
Du sagst: Dem Mann der Faust gehört das Land,
Nur der Hochangesehne darf drin wohnen.
Du schicktest Witwen fort mit leeren Händen,
Dein Arm zermalmte arme Waisenkinder!
Und darum sind auch rings um dich die Schlingen
Und darum ängstigt plötzlich dich der Schrecken,
Dein Licht ward dunkel, du kannst nicht mehr sehen,
Und dich bedeckt der Wasserschwall der Trauer!
Ist Gott nicht etwa höher als der Himmel?
Sieh dir die Sterne an, wie hoch sie stehen!
Da willst du sprechen: Was denn weiß der Herr?
Kann er durch Wolken halten das Gericht?
In himmlischen Gefilden Gott lustwandelt!
Nein! Willst du denn der Vorwelt Bahnen gehen,
Die Wege, die des Frevels Männer gingen?
Die wurden doch gepackt vor ihrer Zeit,
Ihr Fundament vergossen ward wie Wasser.
Die Frommen sehen es und freuen sich,
Das Menschenkind voll Unschuld spottet ihrer:
Fürwahr, vernichtet ist jetzt ihr Bestand,
Verzehrt von Feuer ist ihr Überrest!
Befreunde dich mit Gott und halte Frieden,
Dann wird die Freude kommen über dich!
Nimm doch aus seinem Mund Belehrung an,
Birg seine Worte doch in deinem Herzen.
Bekehr dich zu El Shaddai voller Demut,
Entfern aus deinem Zelte jede Sünde,
Zum Staube nieder lege du das Golderz,
Zu Kieselsteinen leg das Ofirgold,
El Shaddai soll allein dein Golderz sein,
El Shaddais Horn soll dir als Silber gelten,
Dann hast du an El Shaddai deine Freude
Und kannst dein Antlitz frei zu Gott erheben.
Flehst du zu ihm, so wird er dich erhören,
Und du bezahlst vor ihm auch sein Gelübde.
Beschließt du etwas, so gelingt es dir
Und über deinen Wegen strahlt das Licht.
Denn nieder beugt er die voll Hochmut sind,
Doch Hilfe ist er denen voller Demut,
Er rettet dann sogar den Schuldigen,
Er rettet ihn durch deiner Hände Reinheit!

HIOB
Auch heute ist in Aufruhr meine Klage,
Die Hand des Herrn drückt schwer auf meine Seufzer.
O dass ich doch den Herrn zu finden wüsste,
Gelangen könnt zu seinem Richterstuhl!
Darlegen wollte ich vor ihm mein Recht
Und meinen Mund anfüllen mit Beweisen.
Ich möchte wohl die Worte kennen lernen,
Die er mir auf mein Leid erwidern könnte!
Ob er in Allmacht mit mir streiten würde?
Gott wird doch seinen Sinn noch auf mich richten.
Da würde ein Gerechter mit ihm rechten,
Für immer ich entkäme meinem Richter!
Erfahren würde er, wie ich gewandelt,
Und prüfte er mich, wäre ich wie Gold.
An seinem Weg hab ich stets fest gehalten,
Verfolgte seine Spur und wich nicht ab,
Ich bin nicht abgewichen von den Worten
Und nicht von den Geboten seines Mundes.
Er aber wollt es so – wer kann ihm wehren?
Ihm hats gelüstet und so tat er’s auch!
Er wird zu Ende führen mein Geschick
Und Leiden hat er viele noch bereit!
Darum erschrecke ich vor seinem Antlitz,
Bedenke ich’s, erbebe ich vor ihm.
Der Herrgott hat mir meinen Mut gebrochen,
El Shaddai hat mich angefüllt mit Schrecken!
Denn nicht des Unglücks wegen bin ich elend,
Nicht, weil die dunkle Nacht mich überwältigt.
Warum spart denn El Shaddai nicht den Straftag,
Was sehen seine Treuen das Gericht nicht?
Die Gottvergessenen verrücken Grenzen,
Die Lämmerherden rauben sie dem Hirten.
Sie treiben fort den Esel der Verwaisten,
Zum Pfande nehmen sie der Witwe Rind,
Die Armen stoßen sie von schmalen Wegen,
Die Elenden, sie müssen sich verstecken,
Sie müssen auf dem Feld der Faulen ernten,
Im Weinberg eines Sünders Trauben sammeln.
Nackt liegen sie des Nachts, ganz ohne Kleidung,
Und ohne Decke liegen sie im Frost.
Vom Regenguß der Berge triefen sie
Und schmiegen obdachlos sich an den Fels.
Die Reichen rauben noch das Feld der Waisen
Und pfänden noch den Elenden im Lande.
Die Armen aber schleichen nackt umher
Und selber hungernd tragen sie die Garben.
Das Öl sie pressen zwischen ihren Mauern,
Die Kelter treten sie und müssen dürsten.
Sie ächzen über ihren harten Dienst,
Der Toten Seele aber schreit um Rache!
Doch Gott hört nicht die flehenden Gebete!
Und jene, jene sind des Lichtes Feinde,
Sie kennen nicht den schmalen Weg des Herrn,
Sie bleiben nicht auf Gottes graden Wegen.
Im Finsteren erheben sich die Mörder,
Sie töten gar den Elenden und Armen.
Und in den Finsternissen schleichen Diebe,
Die Ehebrecher warten auf die Dämmrung,
Kein Auge, denken sie, wird uns erblicken,
Und Masken legen sie vors Angesicht.
Am Tage halten sie sich eingeschlossen,
Vom Licht sie wollen allesamt nichts wissen,
Denn ihnen gilt die Nacht als Morgenröte,
Sie lieben ja die Schrecken tiefen Dunkels!
Wenns so nicht wäre, wie ich es gesagt,
Wer wollte wohl mich einer Lüge zeihen?
Mein Reden wollt ihr ja zunichte machen!

BILDAD
Die Herrschaft und der Schrecken sind bei Gott,
Der Frieden schafft in seiner Himmelshöhe.
Sind seine Heeresscharen denn zu zählen?
Wer fügt sich nicht des Ewigen Befehlen?
Wie kann ein Mensch recht haben gegen Gott
Und rein erscheinen ein vom Weib Geborner?
Schau, selbst der Mond strahlt ohne Flecken nicht
Und Sterne sind nicht rein in seinen Augen,
Geschweige denn der Menschensohn, die Made,
Geschweige denn das Menschenkind, der Wurm!

HIOB
Wie hast du dem Ohnmächtigen geholfen!
Wie trefflich des Kraftlosen Arm gestützt!
Wie gut den Unverständigen beraten,
Ratschläge doch in Fülle kundgetan!
Wem hast du deine Reden vorgetragen
Und wessen Geist hat da aus dir gesprochen?
Die Schatten werden selbst versetzt ins Beben,
Die unter Wassern ihre Wohnung haben.
Nackt liegt die tiefe Unterwelt vor ihm
Und unverhüllt vor ihm der tiefe Abgrund.
Er spannt den Norden überm Leeren aus
Und lässt die Erde schweben überm Nichts.
Er bindet Wasser in die Wolken ein,
Die Wasser niemals das Gewölk zerreißen.
Und er verhüllt den Anblick seines Thrones,
Indem er sein Gewölk darüber breitet.
Und Kreise zog er übers Wasser hin
Bis wo sich scheiden Licht und Finsternis.
Des Himmels Säulen selbst bringt er ins Wanken,
Die sich entsetzen vor dem Drohen Gottes.
Durch seine Macht beruhigt er das Meer,
Durch seine Einsicht er zerschmettert Rahab.
Durch seinen Atem ward der Himmel heiter
Und seine Hand durchbohrte selbst den Drachen.
Und das sind nur die Säume seiner Wege.
Welch ein Geflüster hören wir von ihm
Und wer erfasst den Donner seiner Macht?
So wahr Er lebt, der mir mein Recht entzogen,
El Shaddai, der betrübte meine Seele,
So lange noch mein Atem in mir ist,
So wird mein Mund fürwahr kein Unrecht reden,
Nicht meine Zunge sinnen auf Betrug.
Doch fern sei es von mir, euch recht zu geben,
Bis ich verscheide, bleibe ich ein Frommer.
Gerecht bin ich, ich lass nicht davon ab,
Denn mein Gewissen nicht beschuldigt mich.
Wie Gottesleugnern geh es meinen Feinden,
Wie Frevlern geh es meinen Widersachern.
Denn welche Hoffnung hat der Ungerechte,
Wenn Gott ihm schneidet seine Seele ab?
Wird Gott denn etwa hören sein Geschrei,
Wenn die Bedrängnisse ihn überkommen?
Kann er an Shaddai seine Wonne haben,
Anrufen Gott den Herrn zu jeder Zeit?
Ich will euch über Gottes Hand belehren,
Was Shaddai denkt, das will ich nicht verschweigen.
Ihr alle habt es selber ja gesehen,
Was wollt ihr dem Verderben denn verfallen?
Das ists, was Gottesleugnern wird zuteil,
Das Erbe, das von Shaddai er empfängt:
Viel werden seiner Kinder, doch fürs Schwert,
Es mangelt seinen Sprösslingen das Brot,
Wer über bleibt, kommt durch die Pest ins Grab
Und werden nicht beweint von ihren Witwen.
Und häuft er Silber auch so an wie Sand
Und speichert seine Kleider er wie Lehm,
Er spart, der Fromme kleidet sich damit,
Das Silber teilt man dem Gerechten zu.
Der Spinne gleich hat er sein Haus gebaut,
Gleich einem Zelt, das sich ein Hirte machte,
Als Reicher legt er schlafen sich, vergeht,
Er öffnet seine Augen und verscheidet.
Bei Tag erreichen ihn die Todesschrecken,
Des Nachts entführt der Schrecken ihn wie Sturmwind.
Der Ost hebt ihn empor, er fährt dahin
Und stürmt ihn fort von seiner Ruhestätte.
Gott schleudert schonungslos auf ihn die Blitze,
Vor Gottes Hand muß eilends er entfliehen.
Gott klatscht dann über ihn in seine Hände
Und zischt ihn aus und seiner Seele Wohnung!

H i o b s H y m n e a n d i e E w i g e W e i s h e i t

Es gibt den Fundort für das Silber,
Den Ort des ausgewaschnen Goldes,
Geholt wird aus dem Erdreich Eisen,
Gestein geschmolzen wird zu Erz.
Der Finsternis macht er ein Ende,
Durchforscht bis zu der letzten Grenze
Gestein der Finsternis, des Dunkels.
Vom Erdreich geht hervor das Brotkorn,
Die Erde wird zerwühlt von Feuer.
Des Saphirs Fundort ist Gestein,
In Steinen findet man auch Goldstaub.
Ein Weg, den nicht der Adler kennt,
Des Geiers Auge nicht erspäht,
Den nie betreten hat ein Raubtier,
Auf dem der Löwe nie geschritten.
Er legt die Hände an den Kiesel
Und wühlt des Berges Wurzel auf.
In Felsen haute er die Stollen
Und Kostbarkeiten schaut sein Auge.
Er spürt der Ströme Quellen auf
Und bringt Verborgenes ans Licht.
Wo aber findet man die Weisheit,
Wo ist der Fundort der Erkenntnis?
Kein Mensch erkennt den Weg zu ihr,
Man findet sie im Leben nicht.
Das Meer spricht: In mir ist sie nicht!
Die See spricht: Sie ist nicht bei mir!
Man kann nicht Feingold für sie geben
Und nicht bezahlen sie mit Silber.
Man kann sie nicht mit Gold aufwiegen,
Mit Saphir und mit Schoham-Steinen.
Ihr gleich kommt weder Gold noch Glas,
Noch kann man gegen Gold sie tauschen.
Korallen und Kristalle sind
Verglichen mit der Weisheit nichts.
Die Weisheit übertrifft die Perlen.
Äthiopiens Topas ist wie nichts
Und Gold ist nichts, mit ihr verglichen.
Die Weisheit also, woher kommt sie?
Wo ist der Fundort der Erkenntnis?
Verhüllt ist sie vor Aller Augen,
Verborgen auch den Himmelsvögeln.
Der Abgrund und der Tod selbst sprechen:
Wir hörten von ihr nur Gerüchte!
Gott einzig kennt den Weg zu ihr
Und er allein weiß ihre Stätte.
Nur er schaut zu der Erde Enden,
Er sieht, was unterm Himmel ist.
Als er dem Winde sein Gewicht gab
Und mit dem Maß bestimmt das Wasser,
Als er dem Regen sein Gesetz gab
Und seinen Pfad dem Wetterstrahl,
Da sah er und studierte sie,
Erkannte und durchforschte sie.
Zum Menschen aber sagte er:
Die Ehrfurcht vor dem Herrn ist Weisheit
Und Böses meiden ist Vernunft.



VIERTER AKT


HIOB
O dass ich wär wie in den frühern Monden,
Wie in den Tagen, da mich Gott behütet,
Als seine Leuchte überm meinem Haupt schien
Und ich bei seinem Licht ging durch das Dunkel,
So, wie ich war in meines Herbstes Tagen,
Als Gott mein Zelt erbarmungsvoll beschirmte,
Als noch El Shaddai gnädig mit mir war
Und rings um mich versammelt meine Knaben!
Da badeten in Dickmilch meine Schritte,
Und wo ich ging, dem Fels entquoll das Öl.
Und ging ich aus zum Torplatz vor der Stadt
Und schlug ich auf dem Markt auf meinen Sitz,
Dann zogen sich die Knaben still zurück,
Sobald die lieben Knaben mich erblickten.
Die Häupter hielten inne dann im Reden
Und legten ihre Hand auf ihren Mund.
Und es verstummten dann der Edlen Stimmen,
Am Gaumen ihnen blieb die Zunge kleben.
Da hörten sie mir zu und warteten
Und lauschten schweigend meinem guten Rat.
Wenn ich geredet, sprachen sie nicht mehr,
Und meine Rede troff auf sie herab.
Sie warteten auf mich wie auf den Regen
Und sperrten auf den Mund wie nach dem Regen.
Ich lächelte, da fassten sie Vertrauen,
Und war ich heiter, schauten sie mich an.
Ging ich zu ihnen, saß ich obenan
So wie ein König thront vor seinem Heer.
Ich war wie einer, der Betrübte tröstet.
Wo mich ein Ohr vernahm, pries es mich selig,
Wo mich ein Auge sah, war es mein Zeuge.
Ich rettete den, der um Hilfe schrie,
Die Waise, und die keinen Helfer hatten.
Der Segen des Bedrohten kam auf mich,
Das Herz der Witwe machte ich frohlocken.
Ich zog Gerechtigkeit als Kleidung an,
Sie zog ich an wie Turban und Talar.
Das Augenlicht ersetzte ich dem Blinden,
Dem Lahmen ich ersetzte seine Füße.
Ein guter Vater war ich für den Armen
Und untersucht des Unbekannten Rechtsfall,
Zerschmetterte dem Frevler seine Kiefern
Und riß die Beute ihm aus seinen Zähnen.
Mit meinem Neste wollte ich verscheiden
Und wie der Phönix meine Tage mehren.
Ja, meine Wurzel stand dem Wasser offen,
Tau übernachtete in meinen Zweigen.
Und meine Würde war stets neu bei mir,
Mein Bogen stets war straff in meiner Hand.
Und jetzt verlachen solche Burschen mich,
Die jünger sind an Jahren als ich bin
Und deren Väter ich nicht hielt für wert,
Sich zu gesellen nur zu meinen Hunden!
Was sollen mir auch ihrer Hände Kräfte?
Die Jugendkraft ist ihnen hingeschwunden!
Durch Mangel und durch Hunger schrumpften sie,
Sie, die das dürre Wüstenland benagen,
Die Melde pflücken samt dem bittern Beifuß
Und deren Speise Ginsterwurzeln sind!
Aus der Gemeinde werden sie vertrieben,
Man schreit dort über sie wie über Diebe.
In schauerlichen Schluchten wohnen sie,
In Erdenlöchern und in Felsenhöhlen,
Und zwischen Dornensträuchern brüllen sie
Und unter Nesseln sie versammeln sich.
Ruchlose Brut und Leute ohne Ehre,
Man peitsche sie hinaus aus diesem Lande!
Jetzt aber ich geworden bin ihr Spottlied
Und diene ihnen einzig zum Gerede.
Sie rücken von mir weg, verabscheun mich
Und speien mir sogar ins Angesicht!
Sie haben ihre Fesseln selbst gelöst
Und mich verhöhnt, verspottet und erniedrigt
Und lassen ihre Zügel vor mir schießen.
Die Brut erhebt sich und stößt mich hinweg
Und schüttet gegen mich Verbrechen auf.
Sie haben meine Straße mir zerrissen,
Zu meinem Sturze wollen sie verhelfen.
Und keiner hält sie auf, die Gottesleugner,
Und wie durch breite Breschen kommen sie
Und wälzen unter Trümmern sich heran,
Es wenden gegen mich sich grause Schrecken
Und wie vom Sturm verjagt wird meine Würde,
Mein Glück entschwindet flüchtig wie die Wolken.
Und jetzt ergießt in Leid sich meine Seele
Und mich ergreifen Tage meines Elends.
Die dunkle Nacht durchbohrt mir mein Gebein
Und meine Nagetiere schlafen nicht!
Durch die Gewalt verändert sich mein Kleid,
Gewalt umschließt so eng mich wie ein Leibrock.
Er hat mich nieder in den Kot geworfen,
Dem Staube und der Asche ward ich gleich.
Ich schrei zu dir, doch gibst du keine Antwort,
Ich stehe da, du achtest meiner nicht.
Wie grausam bist du doch zu mir geworden
Und wie bekämpfst du mich mit starker Hand!
Auf Sturmwind lässt du fahren mich dahin
Und lässest mich vergehn in Sturmesbrausen.
Ich weiß, dem Tode willst du mich vermachen
Und dem Versammlungshaus für alle Toten.
Streckt ein Ertrinkender die Hand nicht aus
Und schreit er nicht bei seinem Untergang?
Hab ich um den denn nicht geweint, dem’s schwer ward,
Und hat mein Herz des Armen nicht gejammert?
Ich hoffte auf das Glück, doch Unglück kam,
Ich harrte auf das Licht, es kam das Dunkel.
Mein Innres siedet ohne Unterlass
Und mir begegnen Tage nur des Elends.
Ich gehe voller Traurigkeit einher
Und kann verschweigen meine Trauer nicht.
Ich stehe auf und schreie vor den Leuten
Und bin geworden der Schakale Bruder
Und bin geworden Straußen ein Genosse.
Die Haut ist mir vor Hitze schwarz geworden
Und mein Gebein verbrannt ist von der Glut.
So wurde mir mein Zitherspiel zur Klage,
Mein Flötenblasen ist ein lautes Heulen!
Die strenge Vorschrift gab ich meinen Augen,
Nicht lüstern anzuschauen eine Jungfrau.
Was ist das Teil, das Gott beschert von oben,
Was Shaddai von der Himmelshöh her zuweist?
Ist es nicht das Verderben für den Frevler
Und großes Unglück für den Übeltäter?
Sieht denn nicht Gott der Herr all meine Wege
Und zählt er denn nicht alle meine Schritte?
Wär ich mit einer Lüge umgegangen
Und wär mein Fuß geeilt zur Trügerei,
So wäge er auf seiner Wage mich
Und Gott wird meine Unschuld dann erkennen.
Und wär mein Schritt vom Wege abgewichen
Und wär mein Herz den Augen nachgegangen
Und klebte an den Händen mir ein Makel,
So, säe ich, so soll ein andrer essen
Und reißen alle meine Triebe aus.
Und ließ ich mich von einer Frau betören
Und lauert an der Türe meines Nächsten,
So möge meine Frau bei einem andern
Mit ihren Händen seine Mühle drehen,
Ein andrer soll sich strecken über sie!
Das nämlich wäre eine große Schandtat,
Ein Übel, das der Richter strafen müsste,
Ein Feuer, welches fräße bis zum Abgrund
Und mir anzündete die ganze Ernte.
Verachtet ich die Rechte meines Knechts
Und meiner Mägde, wenn sie mit mir stritten,
Was wollt ich tun, wenn Gott sich dann erhöbe,
Und wenn er’s untersuchte, was ihm sagen?
Der mich erschuf, schuf auch den Knecht im Schoß,
Ein Gott hat uns im Mutterschoß bereitet.
Wenn ich Geringen einen Wunsch versagte
Und einer Witwe Aug verschmachten ließ
Und meinen Bissen ganz allein verzehrte
Und Waisenkinder nicht ihr Teil genossen –
Vielmehr: Seit ihrer Kindheit wuchs der Waise
Bei mir wie bei dem eignen Vater auf,
Von Mutterschoß an führte ich den Waisen!
Wenn Elende ich ohne Kleider sah
Und dass der Arme keine Decke hatte
Und hat mich seine Lende nicht gesegnet,
Hat er sich nicht erwärmt an meiner Wolle,
Wenn gegen Waisen ich die Hand erhoben,
Weil ich im Tore Beistand sah für mich –
Soll meine Schulter fallen von dem Nacken
Und soll mein Arm von meiner Schulter fallen!
Angst flößte mir das Drohen Gottes ein,
Ich hielt nicht stand vor seiner Majestät.
Und hätt ich Gold zu meinem Schatz gemacht
Und hätte feines Gold genannt mein Glück,
Wenn ich mich freute über großen Reichtum,
Daß meine Hände haben viel erreicht,
Wenn ich die Sonnenstrahlen staunte an
Und staunte an den Mond, so prächtig wandelnd,
Und wenn mein Herz sich dann betören ließ
Und ich dem Monde einen Handkuß gab –
Das wäre schlecht, vom Richter wärs zu strafen,
Weil ich verleugnet hätte Gott im Himmel.
Freut ich mich über meines Feindes Unglück
Und wurde froh, wenn ihn das Unheil traf –
Doch meinem Mund hab Schuld ich nie gestattet,
Daß ich mit Flüchen forderte sein Leben.
Wenn die in meinem Haus nicht sagen müssten:
Wer ist von seinem Fleisch nicht satt geworden?
Ihr Fremden müsst nicht draußen übernachten,
Dem Wanderer ich öffnete die Tür.
Wenn ich verheimlicht hätte meine Sünden,
Verborgen meine Schuld in meinem Busen,
Weil ich mich scheute vor der großen Menge,
Verachtung der Geschlechter mich erschreckte,
Ich stille blieb, nicht aus der Türe ging –
Wenn über mich mein eigner Acker schrie
Und seine Furchen weinten über mich
Und ich die Ernte ohne Lohn verzehrte
Und ich den Eigentümer seufzen ließ –
So sollen mir statt Weizen Dornen wachsen
Und statt der Gerste wachse mir nur Unkraut.
O wäre doch, der mich erhören wollte!
Hier meine Unterschrift! Gott gebe Antwort!
Hier ist die Schrift, geschrieben von dem Gegner,
Ich will die Schrift auf meine Schulter nehmen
Und wollte sie aufsetzen mir als Krone.
Ich geb ihm Auskunft über alle Schritte
Und kann mich nahen Shaddai wie ein Fürst!

ELIHU
Ich bin noch jung an Jahren, ihr seid Greise,
Drum war ich furchtsam auch und scheute mich,
Euch kundzugeben, was ich sicher weiß.
Ich dachte: Möge doch das Alter reden,
Der Jahre Fülle möge Weisheit kundtun!
Allein, der Geist erleuchtet einen Menschen,
Der Atem Shaddais ist es, der ihn klug macht.
Nicht die Betagten sind die weisen Männer,
Und was das Rechte ist, versteht der Greis nicht.
Drum sage ich: Hört mir, hört mir doch zu,
Auch will ich euch nun kundtun, was ich weiß.
Ich habe eure Reden abgewartet,
Ich hab gehorcht auf eure klugen Reden,
Bis ihr ergründen würdet wahre Worte,
So wollte merken ich auf euer Wissen.
Doch siehe, keiner widerlegte Hiob,
Und keiner gab auf seine Reden Antwort.
Sagt nicht: Wir sind gestoßen auf die Weisheit,
Nur Gott besiegt ihn, das vermag kein Mensch.
Beweise bracht er gegen mich nicht vor,
Mit euren Worten nicht geb ich ihm Antwort.
Zusammen brachet ihr, gabt nicht mehr Antwort,
Die klugen Worte sind euch ausgegangen.
Ich sollte warten, weil ihr nicht mehr redet
Und weil ihr dasteht ohne eine Antwort?
Auch ich will meinesteils nun Antwort geben
Und meinerseits nun kundtun, was ich weiß.
Denn ich bin voll und bin erfüllt von Worten
Und mich bedrängt der Geist in meinem Innern.
Mein Innres ist wie Wein, der an die Luft will,
Wie junger Wein, der alte Schläuche sprengt!
So will ich reden, um mir Luft zu machen,
Und meine Lippen auftun, ihm entgegnen.
Für keinen werde ich Partei ergreifen
Und keinem Menschenkinde will ich schmeicheln,
Denn ich verstehe mich aufs Schmeicheln nicht,
Mein Schöpfer würde raffen mich hinweg.
Jedoch, nun höre, Hiob, meine Rede
Und allen meinen Worten leih dein Ohr.
Ich habe meine Lippen aufgetan
Und meine Zunge schlägt an meinen Gaumen.
Von meines Herzens Gradheit sind die Worte
Und meine Lippen reden lautre Wahrheit.
Ja, Gottes Geist allein hat mich erschaffen
Und Shaddais Atem nur hat mich belebt.
Doch wenn du kannst, so widerlege mich
Und rüste dich und stelle dich zum Kampf.
Ich stehe ebenso zu Gott wie du,
Auch ich bin abgekniffen von dem Lehm.
Vor mir braucht dich die Furcht doch nicht zu schrecken,
Auf dir wird lasten auch nicht meine Wucht.
Allein, vor meinen Ohren sagtest du
Und ich vernahm die Laute deiner Brust:
Ich bin ganz rein und ohne Missetat
Und lauter bin ich und bin frei von Schuld,
Feindselig zeigt der Herr sich gegen mich
Und er erachtet mich für seinen Feind,
Er legt mir meine Füße in den Block
Und achtet streng auf alle meine Wege.
Doch du hast Unrecht, Hiob, sag ich dir,
Denn Gott ist größer als ein Menschenkind.
Warum denn hast du gegen ihn gehadert,
Daß er auf alle deine Worte schweige?
Durch eine Sache nämlich redet Gott
Und spricht durch zwei, doch du bemerkst es nicht.
In Träumen redet er, in Nachtgesichten,
Wenn tiefer Schlaf fällt auf die Menschenkinder,
Im Schlummer redet er auf deinem Bett,
Dann öffnet er der Menschenkinder Ohr
Und schreckt sie auf durch eine ernste Warnung,
Von seinem Tun den Menschen abzubringen,
Den Hochmut in dem Manne zu vertilgen,
Um seine Seele vor dem Tod zu schützen
Und dass er nicht getötet wird durch Pfeile.
Auch wird der Menschensohn durch Schmerz gezüchtigt
Im Bett, wenn Kampf in seinen Gliedern wütet.
Sein Leben ihm verekelt dann das Brot
Und seine Seele seine Lieblingsspeise.
Sein Fleisch verwelkt und hat kein Ansehn mehr
Und seine Knochen stechen durch die Haut
Und seine Seele ist dem Grabe nah,
Sein Leben nahe ist den Todesengeln!
Ist denn ein Engel für ihn da als Beistand,
Ein einziger Fürsprecher unter Tausend,
Um für den Menschen Zeugnis abzulegen
Von der Gerechtigkeit des Menschenkindes,
Erbarmt der Herr sich seiner und verkündet:
Lasst, dass er nicht hinabfahr in die Grube,
Ich hab für ihn das Lösegeld empfangen.
Denn ich will seinen Leib von Jugendfrische,
Er kehrt zurück zur Zeit der Jugendkraft!
Er betet, Gott nimmt ihn in Gnaden an,
Lässt ihn sein Antlitz unter Jubel schauen.
Er zeigt dem Menschen die Gerechtigkeit,
Er singt vor lieben Leuten und verkündet:
Ich hab gesündigt und das Recht verkehrt,
Doch wurde das mir nicht von Gott vergolten.
Gott hat mir meine Seele noch erlöst,
Daß meine Seele nicht zur Grube fuhr,
Mein Leben freut sich wieder an dem Licht.
Sieh, dieses alles tut der Ewige!
Er tuts dem Menschen zweimal an und dreimal,
Entreißt das Menschenkind dem Loch der Grube,
Daß er am Licht des Lebens neu sich freue.
So merke auf, o Hiob, hör mir zu
Und schweige still und laß mich etwas sagen.
Hast du denn was zu sagen, gib mir Antwort,
So sprich, denn gerne gäbe ich dir recht.
Wo du nicht reden willst, so hör mir zu,
Du schweige, dass ich dich die Wahrheit lehre.
Ihr weisen Männer, hört doch meine Worte,
Ihr klugen Leute, leiht mir euer Ohr,
Denn eure Ohren prüfen wohl die Worte,
So wie der Gaumen auch die Speise kostet.
Das Rechte wollen wir allein uns wählen,
Das Gute zu erkennen, zu verstehen.
Denn Hiob hat gesagt: Ich bin ganz schuldlos,
Doch Gott hat mir mein gutes Recht entzogen.
Ich leide Schmerzen, aber ungerecht,
Ganz ohne Schuld traf mich ein böser Pfeil.
Wo ist doch so ein Mann, wie Hiob ist,
Der Lästerworte trinkt wie frisches Wasser!
Er schreitet zur Genossenschaft mit Sündern
Und hat mit Übeltätern seinen Umgang.
Er hat gesagt: Dem Menschen bringts nicht Nutzen,
Wenn er mit Gott dem Herrn die Freundschaft hält.
Und darum hört mir zu, ihr Einsichtsvollen,
Denn ferne sei’s, dass Frevel übte Gott
Und dass El Shaddai jemals tät ein Unrecht!
Nein, was der Mensch tut, das vergilt ihm Gott,
Und wie der Mann lebt, schau, das trifft ihn auch.
Gott handelt wirklich gar nicht ungerecht,
El Shaddai hat noch nie das Recht gebeugt.
Wer hat ihm denn die Erde anvertraut?
Und wer hat denn die ganze Welt gegründet?
Wollt holen er zurück den Gottesgeist,
Wollt ziehen wieder er an sich den Atem,
So würde alles Fleisch gesamt vergehen
Und alle Menschen würden wieder Staub.
Hast du Verstand, so höre diese Worte,
So leih dein Ohr den Lauten meiner Rede.
Kann, wer das Recht hasst, denn die Zügel führen?
Willst den Gerechten du ins Unrecht setzen?
Er spricht zum König: Du bist ohne Würde!
Er spricht zum Edelmann: Du Gottvergessner!
Er nimmt ja nicht Partei für hohe Fürsten,
Bevorzugt nicht den Reichen vor dem Armen.
Denn alle sind sie seiner Hände Werk,
Sie sterben augenblicklich in der Nacht.
Er schlägt die Reichen und sie scheiden ab,
Besiegt den Starken ohne einen Handschlag.
Denn seine Augen schauen alle Wege
Und jedes Menschen Schritte sieht der Herr.
Es gibt nicht Finsternis und Dunkelheit,
Wo Übeltäter sich verbergen könnten.
Denn jeder Mensch hat seine Todesstunde,
Da er vorm Richter zum Gericht erscheint.
Er schlägt die Starken ohne Untersuchung,
Lässt andere an ihre Stelle treten.
Ich sage also: Gott kennt ihre Taten
Und stürzt sie über Nacht, und er zermalmt sie,
Er geißelt sie zur Strafe ihrer Schuld,
Er geißelt sie an öffentlichen Plätzen,
Denn sie sind alle von ihm abgefallen
Und haben seine Wege nicht beachtet.
Des Armen Schreien drang zu Gott dem Herrn,
Er musste hören das Geschrei der Armen.
Und blieb er still, wer will ihn schuldig sprechen?
Verbirgt das Antlitz er, wer darf ihn tadeln?
Er übt ja Aufsicht über Volk und Menschheit,
So dass nicht herrschen ungerechte Menschen,
Nicht solche, die dem Volk nur Fallen stellen.
Ja, sollte Gott denn etwa zu dir sagen:
Ich habe mich geirrt und will mich bessern?
Zusehen möchte ich, belehre mich,
Tat Unheil ich, will ich’s nicht wieder tun.
Soll ich nach deiner Meinung denn vergelten,
Weil du verworfen die Gerechtigkeit?
Du sollst das Urteil wählen und nicht ich,
Was du als Recht erkannt hast, das sprich aus!
Die klugen Leute geben mir wohl zu,
Ein weiser Mann, der meinen Worten lauscht,
Daß Hiob redet ohne tiefre Einsicht
Und redet Worte ohne Überlegung.
Soll Hiob fort und fort geprüft doch werden,
Weil er so redet wie die bösen Leute.
Zu seinen Sünden fügt er noch den Frevel,
In unsrer Mitte spricht er gegen Gott.
Soll das denn ein Beweis des Rechtes sein,
Soll das sein dein Gerechtsein vor dem Herrn,
Wenn du so fragst: Was sollte mir es nützen,
Was hab ich davon, wenn ich schuldlos bleibe?
Ich will darauf dir eine Antwort geben
Und deinen Weggenossen auch mit dir.
Schau auf zum hohen Himmel und erblicke,
Schau zu den Wolken, die sind über dir.
Du sündigst, was kannst du dem Herrn da antun?
Du frevelst oft, was schadest du dem Herrn?
Bist du gerecht, was schenkst du dann dem Herrn
Und was empfängt er dann aus deiner Hand?
Nur Deinesgleichen schadest du durch Frevel
Und Menschenkindern nützt dein Gutestun.
Man schreit wohl lauthals über Unterdrückung
Und klagt auch über die Gewalt der Großen,
Doch sagt man nicht: Wo ist denn Gott der Schöpfer?
Wo, der die Hymnen schenkt in dunkler Nacht?
Der uns belehrt mehr als des Feldes Tiere
Und vor den Vögeln unterm Wolkenhimmel
Uns Menschenkindern große Weisheit schenkt?
Da schreien sie, doch Gott erhört sie nicht,
Da schreit man über die Gewalt der Bösen.
Doch eitlen Klagen hört der Herr nicht zu,
El Shaddai nicht beachtet leeres Seufzen.
Doch wenn du sagst, du siehst ihn nicht, er hört’s nicht,
So sei nur still vor ihm und harre seiner.
Nun aber, weil sein Zorn dich ja nicht straft,
Er sich zu sehr nicht kümmert um die Sünden,
Sperrt Hiob seinen Mund auf zu Geschwätz
Und ohne Einsicht macht er leere Worte.
Doch warte etwas noch, ich will dich lehren,
Noch stehn für Gott mir Worte zur Verfügung.
Ich will mein Wissen holen aus der Ferne
Und meinem Schöpfer will ich Recht verschaffen,
Denn wahrlich, meine Worte lügen nicht,
Mit einem weisen Mann hast du’s zu tun!
Denn siehe, Gott verwirft den Trotzigen,
Den Gottesleugner hält er nicht am Leben,
Dem Elenden gibt er, was ihm gebührt,
Dem Frommen wird er nicht das Recht entziehen.
Bei Königen lässt er die Frommen thronen,
Erhöht sie und lässt sie im Thronstuhl sitzen.
Und wenn er sie gebunden hat mit Ketten,
Wenn sie gefesselt werden von dem Elend,
So sagt er ihnen ihre Taten an
Und ihre Schuld, als sie sich überhoben,
Er öffnet ihre Ohren für die Warnung
Und heißt sie, umzukehren von der Sünde.
Wenn sie gehorchen, ihm sich unterwerfen,
Verbringen sie die Lebenszeit in Wonne.
Doch wenn sie nicht gehorchen, sterben sie,
Verscheiden dann in ihrem Unverstand.
Die ungerechten Menschen hegen Zorn
Und schreien, wenn er sie gefesselt hat.
In Jugendfrische sterben ihre Seelen,
Lustknaben gleich vergänglich ist ihr Leben.
Den Elenden er rettet durch sein Elend
Und tut durch Drangsal ihnen auf das Ohr.
Dich aber, dich verleitete der Wohlstand
Und die Behaglichkeit des fetten Tisches!
In vollem Maße wurdest du betroffen
Von dem Gerichte über Gottesleugner.
Gericht und Urteilspruch erfassten dich.
Daß dich nur ja der Reichtum nicht verführe
Und dich des Geldes Größe nicht verleite!
Reicht denn dein Reichtum aus zu deiner Rettung
Und alle Kräfte deines Hab und Gutes?
Nein, hüte dich und kehr dich ab vom Bösen,
Du liebst das Böse mehr ja als das Leiden!
Gott wirkt erhaben in der Gotteskraft,
Wer ist allein ein Herrscher wie der Herr?
Wer könnte je ihm seinen Weg vorschreiben
Und wer ihm sagen: Du hast falsch gehandelt?
Nein, du lobpreise alle Taten Gottes,
Die da besingen Sänger unter Menschen!
Die Menschen schauen ihre Lust daran
Und Sterbliche erblicken es von ferne.
Gott ist erhaben und ist unbegreiflich,
Die Zahl der Jahre Gottes unerforschlich.
Denn er entzieht dem Meere Wassertropfen
Und lässt sie fallen wieder dann als Regen,
Der von den Wetterwolken niederrieselt
Und niederträufelt auf die vielen Menschen.
Und wer versteht die Wanderung der Wolken
Und wer das Krachen seiner Donnerschläge?
Gott breitet sich um alle Welten aus
Und richtet alle Völker auf der Erde
Und gibt auch Speis und Trank im Überfluß.
Darüber ja erzittert mir mein Herz
Und bebt empor von seinem Ort im Busen.
O, höre auf das Grollen seiner Stimme,
Das Branden, das aus seinem Munde kommt!
Den Donner er entfesselt unterm Himmel
Und streut sein Licht bis an den Rand der Erde.
Ihm hinterdrein brüllt seine Donnerstimme,
Er redet mit der Majestät des Donners.
Er hält die lichten Blitze nicht zurück,
Wenn laut erschallt die Stimme seines Donners.
Gott donnert wunderbar mit seiner Stimme
Und Großes tut er, für uns unbegreiflich.
Zum Schnee spricht Gott: Zur Erde falle nieder!
Zu Regengüssen spricht er: Werdet mächtig!
Die Menschenkinder alle er versiegelt,
Daß alle Menschenkinder Gott erkennen.
Da geht zurück das Wild in sein Versteck
Und bleibt in seinem Schlupfloch, seinem Winkel.
Der Sturm kommt dann hervor aus seiner Kammer
Und aus den Speichern kommen Frost und Kälte.
Durch Gottes Atem gibt es kaltes Eis
Und in der Enge liegt des Wassers Weite.
Mit Hagel auch betastet er die Wolken
Und Wolken streuen lichte Blitze aus.
Das alles wendet sich nach seiner Führung,
Gebietet er der ganzen Erde doch.
Es sei zur Rute für die Schuld der Menschen,
Es sei zum Segen, wie er es gebietet.
Vernimm dies alles, Hiob, hör mir zu,
Steh still, beachte Gottes Wunderwerke!
Begreifst du es, wenn Gott erteilt den Auftrag
Und lässt die Blitze seiner Wolken leuchten?
Begreifst du denn die Formen des Gewölks,
Die Wunder des an Weisheit ganz Vollkommnen?
Du, dessen Kleider schon zu heiß dir werden,
Wenn ruht die Erde träge von dem Südwind?
Wölbst du denn mit dem Ewigen den Himmel,
Der fest ist wie ein festgegossner Spiegel?
Tu du uns kund, was wir ihm sagen sollen!
Nichts können sagen wir vor lauter Dunkel!
Soll ihm gemeldet werden, dass ich rede?
Wollt je ein Mensch, dass er vernichtet werde?
Und nun, man kann das Sonnenlicht nicht schauen,
Das also hell am hohen Himmel leuchtet,
Wenn Wind daherfuhr und den Himmel fegte
Und wenn von Norden kommt der klare Lichtglanz
Und Gott erscheint in seiner lichten Glorie,
El Shaddai, den erfassen nicht die Menschen,
Ihn, der gewaltig an Gericht und Macht.
Und darum sollen fürchten ihn die Menschen,
Er nämlich schaut nicht an die Weisheitsstolzen.



FÜNFTER AKT


JAHWE
Wer verdunkelt tiefen Ratschluß
Da mit Worten ohne Einsicht?
Wie ein Mann die Lenden gürte!
Ich frag dich und du gib Antwort!
Wo warst du, als ich die Welt schuf?
Sage es, besitzt du Einsicht!
Wer bestimmte ihre Maße?
Sag es mir, du bist ja weise!
Wer hat ihr gespannt die Messschnur?
Worauf stehen ihre Pfeiler,
Wer hat eingesetzt den Eckstein
Beim Gejauchz der Morgensterne
Und der Göttersöhne Jubel?
Wer verwahrte denn die Meerflut
Sicher hinter ihrer Pforte,
Als das Meer hervorgebrochen,
Es aus Mutterschoß hervorkam?
Ich Gewölk zu seinem Kleid schuf,
Dunkle Nacht zu seiner Windel,
Als ich ihm die Grenze setzte
Und die Tore und die Riegel,
Sprach: Bis hierher sollst du kommen,
Hier nun sollen sie sich legen,
Deine Wogen übermütig!
Hast dem Morgen du geboten,
Morgenrot den Ort gewiesen,
Daß es fasst den Saum der Erde,
Frevler abgeschüttelt werden?
Wie in Siegelton verwandelt
Sie verfärbt sich wie Gewänder.
Frevlern wird ihr Licht entzogen,
Aufgereckter Arm zerschmettert.
Kamst du zu des Meeres Quelle,
Gingst du auf dem Meeresboden?
Tat sich dir des Todes Tor auf,
Schautest du des Dunkels Pforte?
Schautest du der Erde Breite?
Sag es, weißt du dieses alles!
Wo ist doch der Weg zum Orte,
Zu der Stätte, wo das Licht wohnt?
Und die Nacht, wo ist ihr Wohnort?
Hole sie an ihre Stätte,
Bringe sie an ihren Wohnort!
Damals bist du ja geboren,
Deiner Tage Zahl ist riesig.
Sahst du, wo der Schnee gespeichert,
Wo der Hagel aufbewahrt wird?
Aufgespart er für die Drangsal,
Für den Tag des großen Streites!
Zeig den Weg, wo sich der Wind teilt,
Wo der Ostwind übers Land weht!
Zeige den Kanal des Regens
Und den Weg von Blitz und Donner!
Kannst du denn es regnen lassen
Auf die menschenleere Wüste?
Kannst du sättigen die Öde,
Wüsten Gras entsprießen lassen?
Hat der Regen einen Vater,
Taues Tropfen einen Zeuger?
Sag, aus wessen Mutterschoße
Ist das Eis hervorgegangen?
Sag es, wer da hat geboren
Weißen Rauhreif unterm Himmel?
Wasser werden fest wie Felsen,
Fluten schließen sich zusammen.
Kannst du denn die Bande lösen
Von dem Sternbild der Plejaden
Und Orions Gürtel lösen?
Führst denn du die Tierkreisbilder
Einzeln durch des Mondes Häuser?
Leitest du den Großen Bären
Und mit ihm den Kleinen Bären?
Kennst du himmlische Gesetze
Und die Herrschaft der Gestirne
Über diese Welt der Erde?
Hebst zur Wolke du die Stimme
Und gibt Antwort dir der Regen?
Sendest du denn aus die Blitze,
Daß sie sagen: Wir gehorchen?
Wer legt Weisheit in das Dunkel,
Wer erteilt Vernunft den Lüften?
Wer zählt Wolken ab mit Weisheit
Und des Himmels volle Schläuche,
Sag, wer legt sie um die Hüften,
Wenn das Erdreich fließt zusammen
In den dichten Regengüssen
Und zusammen kleben Schollen?
Jagst du für den Löwen Beute,
Stillst die Gier der jungen Löwen,
Liegend an den Lagerplätzen,
In dem Dickicht auf der Lauer?
Wer bereitet denn dem Raben
Nahrung, schreien seine Jungen
Auf zu Gott aus Speisemangel,
Sperren weit auf ihren Schnabel?
Weißt du denn um das Gebären,
Die Geburt der Felsengemsen?
Kennst du einer Hirschkuh Kreißen?
Zählst die Monde ihres Tragens?
Wann sie zum Gebären kommen?
Wie sie niederkauern, lassen
Ihre Jungen dann durchbrechen,
Werden frei von ihren Wehen!
Ihre Jungen werden kräftig
Und sie wachsen auf im Freien,
Eilen, nicht zurückzukehren!
Wer hat Esel freigelassen,
Dem ich Wüsten gab zur Wohnung
Und die Steppe zur Behausung?
Er verlacht den Lärm der Städte,
Hört nicht das Geschrei des Treibers.
Berge sieht er an als Weide
Und er schaut nach allem Grünen.
Wird dir wohl der Wildstier dienen,
Ruhen nachts an deiner Krippe?
Kannst du wilde Ochsen fesseln,
Wird er deine Felder pflügen?
Traust du ihm, weil er so stark ist,
Gibst ihm den Ertrag der Ernte?
Glaubst du, dass er wiederkomme,
Saat auf deiner Tenne sammeln?
Schau den Fittich an der Straußin,
Ist denn etwa stark die Schwinge?
Überlässt die Straußenmutter
Ihre Eier doch der Erde,
Legt sie einfach auf den Boden,
Ob ein Fuß sie auch zertrete,
Wilde Tiere sie zerstampfen!
Hart ist gegen ihre Jungen
Eine Straußin wie zu Fremden,
Ganz umsonst ist ihre Mühe.
Gott ließ Klugheit sie vergessen,
Gab ihr keinen Teil an Weisheit!
Aufgescheucht verlacht die Straußin
Selbst das Roß und seinen Reiter!
Gibst dem Roß du Kraft von Helden?
Gibst du ihm die lange Mähne?
Lässt es springen wie den Heuschreck?
Prächtig schnaubt das Roß, wie furchtbar!
Schaut zum Talgrund und erfreut sich,
Kraftvoll zieht es gegen Krieger,
Lacht der Furcht, sich nicht erschreckend,
Wendet sich nicht um vor Schwertern,
Auf dem Rosse klirrt der Köcher
Und der lange Speer, die Lanze.
Ungestüm schlürft es den Boden,
Beim Ertönen der Trompete
Hält das Roß nicht stand auf Erden,
Bei dem Blasen der Trompete
Hört das Roß man wiehern: Hui!
Schon von fern den Kampf es wittert,
Hört der Führer Donnerrufe
Und das Schlachtgeschrei der Krieger.
Ist es denn dank deiner Einsicht,
Daß die Schwingen hebt der Falke,
Fittich breitet aus gen Süden?
Ist es denn auf deine Weisung,
Daß der Adler fliegt hoch oben,
Baut sein Nest auf Bergesgipfeln?
Auf den Felsenspitzen horstend
Hockt er auf des Felsen Hochwacht,
Seinen Fraß erspäht von dort er,
Ferne blicken seine Augen.
Blut nur schlürfen seine Jungen,
Wo Erschlagne sind, da ist er.
Hadern willst du mit El Shaddai?
Der Ankläger gebe Antwort!

HIOB
Ich, zu gering bin ich, was soll ich sagen?
Ich lege meine Hand auf meinen Mund.
Einmal hab ich geredet, tu’s nicht wieder,
Und zweimal, werde es nicht wieder tun!

JAHWE
Wie ein Mann die Lenden gürte!
Ich frag dich und du gib Antwort!
Machst du gar mein Recht zunichte
Und willst mich ins Unrecht setzen,
Daß du selber Recht behaltest?
Hast du einen Arm wie Shaddai,
Kannst du donnern wie der Schöpfer?
Schmücke dich mit Adel, Hoheit!
Kleide dich in Glanz und Glorie!
Lass die Zornausbrüche sprühen,
Wirf du jeden Stolzen nieder
Nur mit Einem deiner Blicke!
Und zermalme Gottesleugner,
Die in sich zusammensinken!
Bring sie allzumal zum Staube,
Banne sie ins Reich der Toten!
Dann will ich dich loben, Hiob,
Daß dein Arm dir Sieg verschaffte.
Siehe nur den Leviathan,
Den ich schuf wie auch dich selber,
Wie er Gras frisst wie die Rinder.
Seine Kraft steckt in den Lenden,
Seine Stärke in den Muskeln,
Steif sein Schwanz wie eine Zeder,
Seine Sehnen dicht verschlungen,
Seine Knochen erzne Röhren,
Seine Beine Eisenstäbe.
Erstling er von Gottes Walten,
Futter tragen ihm die Berge,
Alle Feldestiere spielen,
Lagernd unter Lotosbüschen,
Im Versteck von Gras und Schilfrohr.
Lotosbüsche überdachen
Ihn als seine Schattenspender,
Wird umrahmt von Baches Weiden.
Wenn der Sturm rauscht, bangt er doch nicht,
Ruhig bleibt der Leviathan,
Quillt auch gegen ihn der Jordan.
Wer kanns bei den Zähnen packen,
Ihm durchbohren seine Nase?
Kannst du Behemoth wohl angeln,
Niederziehen seine Zunge?
Schnur ihm durch die Nase ziehen,
Seine Backen ihm durchbohren?
Wird er dir viel Flehens machen
Oder gute Worte geben?
Wird er Pakte mit dir schließen,
Daß du ihn zum Sklaven habest?
Spielst du mit ihm wie mit Vögeln,
Kannst ihn fangen für die Mädchen?
Feilschen um ihn die Genossen
Und verkaufen ihn an Händler?
Kannst du seine Haut bespicken,
Seinen Kopf mit Fischharpunen?
Leg an ihn nur deine Hand an,
Denke, was das für ein Kampf ist,
Nie wirst du es wieder machen.
Deine Hoffnung wird betrogen,
Du verlierst schon bei dem Anblick.
Keiner jemals darf ihn reizen,
Keiner wäre je so tollkühn,
Wer vermöcht ihm standzuhalten?
Wer trat jemals ihm entgegen
Und blieb heil an seinen Gliedern?
Wer wohl unterm ganzen Himmel?
Ich schweig nicht zu seinem Schwatzen,
Seinem aufgeblasnen Prahlen
Über seine Heldentaten!
Wer hat ihm das Kleid gehoben?
Wer dringt ein in seine Zähne,
Des Gebisses Doppelreihen?
Rings um sein Gebiss ist Schrecken!
Wer riß auf ihm seinen Rachen,
Der mit Siegeln fest verschlossen?
Eines reiht sich an das andre,
Lücken drängen sich dazwischen.
Jedes hängt da fest am andern,
Alle schließen sich zusammen.
Niesend lässt er Licht erglänzen,
Seine Augen Frührots Wimpern.
Fackeln fahren aus dem Rachen,
Ihm entsprühen Feuerfunken.
Dampf dringt vor aus seinen Nüstern
Wie aus einem heißen Kochtopf.
Heißer Kohle gleich sein Atem,
Flammen sprühn aus seinem Rachen.
Stärke wohnt auf seinem Halse,
Vor ihm tanze die Verzagtheit.
Fest sind seines Leibes Wampen,
Fett bewegt an ihm sich gar nicht.
Und sein Herz ist fest wie Felsen,
Wie ein Mühlstein fest gegossen.
Regt er sich, so bangen Wogen,
Sich verkriecht die Meeresbrandung.
Hält das Schwert nicht stand im Kampfe,
Lanze nicht, noch Pfeil und Panzer.
Strohgleich achtet er das Eisen,
Für verfaultes Holz die Erze.
Bogen kann ihn nicht verjagen,
Schleudersteine sind wie Stroh ihm,
Wie ein Strohhalm ist die Keule,
Und er lacht der Lanze Sausen.
Unter ihm sind scharfe Scherben,
Wie Dreschschlitten fährt durch Schlamm er.
Tiefe siedet wie ein Kessel,
Wasser gleicht dem Salbentöpfchen.
Hinter ihm der Pfad aufleuchtet,
Wogen sind wie Silberhaare.
Nichts kommt gleich ihm auf der Erde,
Er, geschaffen ohne Ängste,
Sinkt herab auf alles Hohe,
König aller stolzen Tiere!

HIOB
Ich weiß jetzt, dass du alles kannst, allein,
Nichts, was du denkst, ist je dir unerreichbar.
Wer da verhüllt den Ratschluß ohne Einsicht?
Ich sprach es aus in Unverstand, und darum,
Zu wunderbar ist, was ich nicht begreife!
So höre denn, o Herr, und lass mich reden:
Vom Hörensagen kannte ich dich nur,
Nun aber hat mein Auge dich geschaut!
Und darum widerruf ich, was ich sagte,
Bereue, tue Buß’ in Sack und Asche!