Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

APHRODITE URANIA




Ein Poem
Von Josef Maria Mayer


ERSTER GESANG


Celina ist tot,
Tot ist Celina!

Was sagt dazu der Philosoph?
Hilft dir deine Philosophie?
Hat sie Bestand
Im Angesicht des Todes?

Erfährst du den Trost der Philosophie
Im Angesicht des Todes
Der Frau, die dich liebte,
Die dir ihre Kinder schenkte?

Bist du überzeugt
Von ihrer Unsterblichkeit?

Nichts nützt dir
Der dialektische Materialismus!
Nichts nützt dir
Die Lehre vom Übermenschen!
Nichts nützt dir
Die Lehre vom absoluten Nichts!
Nichts nützt dir
Die Lehre der Harmonie von Mensch und Natur!

Soll denn ihre Seele zerflattern
Wie ein ätherischer Schmetterling
Im Vakuum der Weltseele?

Ach, geh hinaus in den Garten Gottes,
Schau dir die Tulpen an,
Sie sind schöner gekleidet
Als Salomo in all seiner Herrlichkeit!

Verkündet dir nicht die Schönheit
Des Gartens im Frühling
Die Schönheit des schöpferischen Geistes,
Eine schöpferische Schönheit?

Schau dir die Tulpen an
Und bete an den Schöpfer der Tulpen,
Schau dir die lachende Sonne an
Und bete an den Schöpfer der Sonne!

Brüder, liebe Schwestern,
Über diesen Myriaden Sternen
Des nächtlichen Firmamentes
Muß ein liebender Vater wohnen!

Aber warum wollen die Welteroberer
Die ganze Welt erobern?
Warum führen die Herrschenden
Kriege gegeneinander?
Warum schänden die Perversen
Kleine Kinderseelen?
Warum morden die Mütter
Ihre eignen Leibesfrüchte?

Woher kommt das moralisch Böse?
Ist der Mensch denn böse geboren,
Daß schon der kleine Säugling gierig
Der Mutter in den Busen beißt?

Und was ist meine Seele?
Hab ich zwei Seelen, ach, in meiner Brust?
Und du, Freundin, hast du
Sieben Seelen in deinem Busen?
Ist meine Seele weiblich
Und mein Selbst ist männlich?
Sind alle Menschenseelen
Vor Gott weiblich?
Oder ist die Seele der Frau
Im Unbewussten ein Jüngling?

Wann kam die Seele
In den Leib im Mutterschoß?
Was ist der Ursprung der Seele?
Ist die Seele gefangen
Im Kerker des Todesleibes?
Was soll ich jenen sagen,
Die glauben an die Seelenwanderung?

Ach, was weiß der Mensch?
Wie groß ist das Universum?
Wie ist es entstanden?
Wie wurde der Mensch geschaffen?
Was ist die Zukunft
Der Menschheit auf Erden?
Was ist die Zukunft
Des ganzen Universums?
Wie viele Universen gibt es?

Was weiß der Mensch von Gott?
So viele Religionen!
So viele Philosophien!
So viele mystische Lehren!

Alle Erkenntnis
Des Menschen auf Erden
Ist Stückwerk!

Was nützte euch
Die Lehre der Eudämonie?

Ihr habt auf allen Wiesen
Getanzt den Bauchtanz,
Habt alle Rosen gepflückt
Und Blumenkränze gewunden,
Ihr habt edle Weine getrunken
Und leckere Speisen gegessen.

Ihr habt verachtet den Frommen,
Verhöhnt und verspottet den Frommen.
Er sah euch nämlich an
Wie falsche Münzen,
Darum hasstet ihr ihn.

Ihr grüntet wie Lorbeerbüsche,
Man krönte euch
Mit Lorbeerkränzen.

Zuletzt verbrannte man
Euren toten Körper zu Asche.

Und ihr Wissenschaftler?
Was denkt ihr Stolzen?
Am Anfang war der Tod,
Der tote Stoff,
Der sich entwickelte
Durch den Zufallsgott, den Erfinder?

Irgendwo am Rande
Der vielen Universen
Brachte der Zufallsgott hervor
Einen denkenden Menschenaffen?

Ach, sprach die Erde zur Venus,
Ich bin sehr krank!
Was hast du, Erde, sprach die Venus.
Ich, sprach die Erde,
Ich habe Homo sapiens!
Da sprach die Venus zur Erde:
Sei getrost, das geht vorüber.

Solche gottlosen Witze
Erzählt ihr wissenschaftlichen Sünder,
Und mit dem zynischen Spaß
Bemäntelt ihr
Die Sinnlosigkeit eurer Lehre.

Alles ist sinnlos,
Sinnlosigkeit der Sinnlosigkeiten!
Alles ist Wahn,
Wahn der Wahnsinnigen!

Wie sollten wir ohne Hoffnung
Die Stürme des Schicksals bestehen?

Also grüße ich das Mädchen Hoffnung:
Salve, Spes unica!

Was steht uns doch alles entgegen:
Die gefährliche Macht der Triebe
Und die blinde Gewalt des Schicksals.

Ihr Triebe seid Raubtiere!
Ein gieriger Wolf
Ist die Gier nach Geld.
Wer das Geld liebt,
Wird des Geldes nimmer satt.
Die Liebe zum Gelde
Ist die Wurzel allen Übels.
Ein brüllender Löwe
Ist die Gier nach Macht.
Die Herrschenden unterdrücken
Die Völker, wie ihr wisst.
Der Herr aber stürzt die Mächtigen
Von ihren stolzen Thronen.
Ein schwarzer Panther ist
Die Gier der Geschlechtslust.
Die Unzüchtigen
Und die Hunde
Werden den Himmel nicht erben.

Wenn dich Stürme des Schicksals
Erschüttern, dass du zugrunde gehst,
Wenn das widrige Schicksal
Wie ein schäumendes Meer
Aufschäumt am Felsen,
Wenn das Schiff deiner Seele
Umhergeschleudert wird
Im Meer deiner Leidenschaften,
Wenn deine aufgewühlten Triebe
Dir die Seelenruhe rauben,
Wenn das Schiff deines Lebens
Auf dem Meer der Leidenschaften
Schiffbruch erleidet,
Rufe: Ave, Spes unica!

Eine heilige Stimme aber
Ist in deinem Urgewissen
Und gebietet dir kategorisch:
Sei gut
Und suche die Wahrheit!

Das Urgewissen,
Das prinzipielle Gewissen
Traut dir zu, dass du
Sein Gebot erfüllen kannst,
Das redet mit göttlicher Stimme:
Mensch, sei gut
Und suche die Wahrheit!


ZWEITER GESANG


Die Menschen fliehen vorüber,
Wo sind sie hin, die Gewesenen?

Dahingegangen meine Großmutter
Und fort ihre himmlischen Augen.
Dahingegangen meine Mutterschwester
Und fort ihr schneeweißes Haar.
Dahingegangen mein Vater
Und fort seine sichere Kraft.
Dahingegangen meine Jugendgeliebte
Und fort ihr herrlicher Busen.

Wo sind sie hin, die Toten?
Wo ist Vater Goethe, dass ich mit ihm rede,
Wo sind Puschkin und Byron hin,
Wo wandelt jetzt Hölderlins Schatte?

Was ist Ewigkeit?
Nicht eine Myriaden Jahre,
Sondern ein ewiges Nun,
Und doch nicht erstarrtes Sein,
Sondern Fülle des Lebens.

Und nun wende ich mich
Zur Ewigen Weisheit,
Die unerschöpflich ist,
Mit strebenden Mühen
Studiere ich die Weisheit des Ostens,
Die Weisheit der Ägypter,
Die Weisheit der Griechen,
Vor allem den geliebten Platon,
Ich studiere die Weisheit der Juden,
Moses und David und die Propheten
Und die mystische Kabbala,
Ich studiere die Weisheit der Kirchenväter,
Vor allem den großen Augustinus,
Ich studiere die deutsche Mystik
Und die spanische Mystik,
Teresa von Jesus, Johannes vom Kreuz,
Ich studiere die Weisheit
Der deutschen Geniezeit, Goethe,
Und studiere die Weisheit der Päpste,
Vor allem Sankt Johannes Paulus den Großen,
Unendliche Forschungen
Über die grenzenlose Weisheit Gottes.

Und ihr Geister des Himmels,
Ihr glückseligen Toten,
Selige ihr und Heilige ihr
Und alle Chöre der Engel,
Auch euch ist ewig unergründlich
Die Ewige Weisheit.

Die Seele ist von Natur
Religiös und sucht
Den Grund allen Seins,
Das höchste und letzte Ziel.

Alle Menschenseelen
Sind geschaffen
Im Bild und Gleichnis Christi,
Darum ist jede Seele
Von Natur christlich,
Und die Weisheit der Seele
Ist der göttliche und katholische
Glaube an Gott.

Der Gott der Philosophen
Ist der Urgrund des Seins,
Selbst überseiendes Sein,
Erstursache allen Daseins,
Unbewegter Erstbeweger
Aller Bewegungen dieses Lebens.
Dieser Urgrund allen Seins
Ist im Innern alles Seienden
Als die bewegende Kraft,
Und dieses ewige Ursein
Ist das letzte und höchste Ziel
Aller geschaffenen Wesen.
Diese Lehre entwickelte
Aristoteles, der Weise,
Der den jungen Alexander erzog
Und mit Phryne spielte,
Sie durfte auf seinem Rücken reiten.

Im Bewusstsein der Seele,
Im Wissen der Vernunft
Ist das Bewusstsein des Sollens,
Eines absoluten Anspruchs,
Gut zu sein, wahrhaftig zu sein.

Der Mensch empfindet
In seiner wissenden Seele
Den Anruf, gut zu sein.

Und darum leidet die Seele
An der irdischen Gerechtigkeit,
Weil die Seele findet auf Erden
An Stätten der Gerechtigkeit Unrecht
Und Geldgier bei den Advokaten.
Siehe, die Ungerechten werden reich,
Die Gottesleugner werden berühmt.
Der Gerechte aber ist einsam,
Der Gerechte wird verachtet.

Die irdische Gerechtigkeit nämlich ist
Himmelschreiende Ungerechtigkeit!

Nun schweifen meine Gedanken
Zu den wilden Menschen der Vorzeit.
Auch sie schon waren religiös.
Auch ihre Geliebten starben.
Sie träumten auch gespenstisch
Von den toten Geliebten
Und glaubten darum
An ein Leben nach dem Tod.

Da war eine Geliebte gestorben,
Man ließ ein Bild von ihr malen,
Schöner, als sie war auf Erden,
Und betete vor dem Bild
Und nannte sie eine Göttin.

Da war ein liebender Vater gestorben,
Man verehrte ihn nach dem Tode
Als einen hilfreichen Geist,
Ja, wie einen Vatergott.

Die Klagen sind unendlich
Der leidenden Gerechten.
Die Gottlosen werden reich,
Die Heiligen leben in Armut.
Die Gottesleugner regieren,
Die Frommen werden verfolgt.

Die Kinder im Mutterschoß
Werden umgebracht.
Wo bleibt da auf Erden
Gerechtigkeit für diese Kinder?

Das ganze Leben wäre ungerecht,
Wenn es nicht bei Gott
Vergeltung gäbe,
Gerechtigkeit bei Gott
In Ewigkeit.

Ich gestehe euch, Brüder,
Daß man nach meinem Geschmack
Zu übel redet
Von der Gerechtigkeit Gottes.

Der gerechte Richter
Wird alle aufrichten,
Die auf Erden
Um Gottes und des Guten willen
Ungerechtigkeit litten,
Ungerechtigkeit von Richtern,
Ungerechtigkeit von Advokaten,
Ungerechtigkeit von Präsidenten,
Ob sie auch noch so blumig reden.

Gott schafft
Ewige Gerechtigkeit!

Ich höre viel von Ägypten reden
Und von den Mysterien der Ägypter.
Sie suchten auch das ewige Leben.
Sie ahnten die Unsterblichkeit der Seele
Und träumten eine leibliche Auferstehung.
Darum salbten sie die Pharaonen
Zu Mumien für die Auferstehung.
Sie ahnten auch ein Totengericht.
Ihr gestorbener Gott,
Der auferstanden war im Jenseits,
Sei der Richter aller Toten
Und wäge die Seele
Auf der Waage der Gerechtigkeit.

Ja, Gerechtigkeit!
Kein Friede ohne Gerechtigkeit!
Keine Liebe ohne Gerechtigkeit!
Heilig ist die Gerechtigkeit Gottes,
Heilig, heilig die ewige Gerechtigkeit!

Aber auch die Schönheit ist heilig!
Schau dir die Schönheit an
Der Natur im Frühling,
Wie alles kündet Auferstehung
Und ewiges Leben
Und den Triumph der Liebe
Und den jubelnden Hymnus des Lichts!

Schau dir die Liebe an
Der Turteltaube zum Täuberich,
Der Schmetterlingspaare
Und der Biene zur Rose!

O welche Mutterliebe
In der Brust des Rotkehlchenweibchens!
O welche Vaterliebe
In dem Herzen des Rotkehlchenmännchens!

Und schau dir an den Mond,
Nicht um ihm einen Handkuß zuzuwerfen,
Und staune über Orion und Großen Bären
Und schaue am südlichen Kap der Hoffnung
Den Sternennebel der Carina,
Die Himmel erzählen
Die Herrlichkeit Gottes,
Bis am Morgen die Venus tanzt
Nach meiner Schwanenlyra!
Das alles hat ein Gott geschaffen!
Angesichts der Milchstraßen
Sprach Aristoteles
Von der Evidenz Gottes!


DRITTER GESANG


Menschen habe ich kennen gelernt,
Die zweifelten, ob es sinnvoll sei,
Nach dem Sinn des Lebens zu fragen.

Doch wenn der Mensch denkt,
Es sei alles sinnlos,
So kann er nur verzweifeln.

Was ist aber der Sinn des Lebens?
Was ist der Sinn, dass ich ich bin?
Was ist der Sinn, dass ich bin
Und nicht nicht bin?
Was ist der Sinn, dass es die Welt gibt,
Und nicht überhaupt nichts ist?

Der Sinn des Daseins einer Person
Ist so mysteriös
Wie die Person Mysterium ist,
Das ans Mysterium Gottes grenzt.

Streben nicht alle nach dem Glück?
Selbst wenn ein Mann sterben will,
So nur, um glücklich zu sein.
Alle Revolutionen erstrebten
Das Glück der Menschheit.
Alle Liebe sucht das Glück.
Und Nietzsche hatte recht mit dem Satz:
Alle Lust will Ewigkeit,
Will tiefe, tiefe Ewigkeit!

Die Wahrheit ist erstrebenswert!
Vielleicht gibt es Menschen,
Die gern andre betrügen,
Aber keiner will gern betrogen sein.

Was aber ist Wahrheit?
Fragte Pontius Pilatus den Messias.

Ist die Wahrheit verschleiert,
Siebenfach verschleiert,
Wie die Statue der Isis von Sais?
Wer hob denn den Schleier der Wahrheit
Und was sah er dann?

Es ist aber widersinnig,
Zu reden von verschiedenen Wahrheiten,
Die in sich widersprüchlich sind.

Die Wahrheit kann nur eine sein
Und ist in sich unwidersprüchlich.
Die Wahrheit muß die eine
Absolute Wahrheit sein.

Mich befriedigte nicht
Die körperliche Liebe,
Die du mir schenktest, Geliebte.

Was soll mir die Natur?
Die Bäume trösten mich nicht!

Und es gibt auch keinen Weinkelch,
Der so groß ist wie mein Durst!

Und das Feuer meiner Liebe
Löscht nicht der Stille Ozean!

Was befriedigt den Menschen,
Der alles will?
Selbst alles befriedigt ihn nicht,
Er will mehr als alles!

Tausend Nächte mit der schönsten Huri
Sind mir nicht genug,
Ich will tausendundeine Nacht
Mit zweiundsiebzig Huris.

Alles will ich und noch mehr!
Die Quelle der Weisheit
Soll mich ganz durchtränken!

Alles will ich und will noch mehr als alles
Und keine Liebe genügt
Als die absolute, grenzenlose
Liebe Gottes!

Die Vollendung des Menschen
Wird auf Erden nicht erreicht.
Noch auf dem Sterbebette
Lügt der Sterbende die Krankenschwester an.

Die Vollendung des Menschen
Und seine Purgierung zu reinem Gold
Reicht in die Ewigkeit.

Humanisten sind wir, Freundin,
Aber transzendentale Humanisten,
Denn der Mensch vollendet sich
In der göttlichen Transzendenz.

Ich will ein wahrer Mensch sein!
Ich will ein heiliger Mensch sein!
Ich will mehr als ein Übermensch sein,
Ich will ein Menschengott sein
Durch die Gnade des Gottmenschen!

Unsere Toten sind nicht tot,
Sie sind wie gute Geister um uns.

Wenn ich in der finstern Nacht
Der tiefsten Depression
Im schneidenden Frost
Am Styx spazieren gehen muß,
Wo es von Ratten wimmelt,
Dann höre ich hinter mir
Am Hirtenstabe gehen
Papa Johannes Paulus den Großen.

Und wenn ich bade
Und werfe mich in die Wellenbrecher,
Dan steht vor mir
Wie aufgetaucht aus der Gischt
Celina in ihrer vollkommenen Form!

Und wenn ich mich beschenken will,
Vom letzten Groschen
Noch ein gutes Buch erwerben,
Geleitet mich mein toter Vater
Und legt mit Platons Staat in die Hände.

Und meine Großengelin-Großmutter
Predigt mir in der Tele-Vision,
Daß Gott mich liebt wie eine Mutter!

Ach, das irdische Glück!
Das suchte ich in meiner Jugend.
Doch das Leben bescherte
Mehr Enttäuschung und Verlust
Und schließlich Leiden,
Leiden der Liebe,
Leiden der Depression,
Unerträgliche Seelenschmerzen!

Ach, das irdische Glück!
Und wenn du auch sammelst
Tausend Glücksgüter
Und sie im Tode alle verlierst,
So ist es wie nicht gewonnen.

Das irdische Glück
Ist nicht der Stern meines Lebens,
Eher schon Leiden mit Christus.

Und doch ist der Mensch erschaffen
Und berufen zum Glück,
Zum ewigen Glück!

Eternal happiness!

Die ewige Seligkeit der Seele,
Die Glückseligkeit von Ewigkeit zu Ewigkeit,
Das ist meine Lehre
Von der transzendentalen Eudämonie!
Wir nennen es gerne
Wonnen des Paradieses!

Délice éternelle!

So strebe ich also nach Weisheit.

O Fülle der Fragen!
O Schwere der Rätsel!

Da hör ich den Dialogen zu
Von Pythagoras und Empedokles,
Den Streitgesprächen
Von Parmenides und Heraklit,
Hör Demokrit und Epikur
Und Sokrates
Und seinen Jünger Platon
Und seinen Jünger Aristoteles
Und zuletzt noch Epiktet.

Wer weise werden will,
Der leben einsam und still.

In meiner Eremitenklause
Mitten in der Welt,
Ach, von allen verlassen,
Ach, von allen vergessen,
Leb ich nur mit den Toten,
Die treu sind in ihrer Liebe.

Aber es gibt so eine Gnadenstunde,
Da bin ich einsam
In meiner Eremitenzelle,
Da ist es dunkel
Und plötzlich erscheint
In Gestalt der Hostia Immaculata
Die göttliche Sophia mir!

Sophia tränkt mich
Mit der Quelle der Weisheit,
Ich küsse Sophia,
Ich umarme sie
Und vereinige mich ganz mit ihr!

Und Sophia spricht:
Nach dem Purgatorium
Wird Celina leben
In den Wonnen des Paradieses,
Im ewigen Sommer des Himmels
Am Ozean der Schönen Liebe,
Erleuchtet von der Sonne Christi.

Celina ist heute schon
Sehr jung und sehr schön!
Sie feiert heute schon Ostern mit dir!

Du wirst sie wiedersehen,
Celina wiedersehen
Im ewigen Sommer des Paradieses
Am Ozean der Schönen Liebe!


VIERTER GESANG


Wir sind nicht geschaffen für die Erde,
Nicht für die flüchtigen irdischen Freuden,
Nicht für die Seifenblasen des Glücks,
Nicht für den Schaum der Lust,
Nicht für die Tränen der Sehnsucht,
Nicht für die Schmerzen des Verschmähten,
Nicht für die Qualen der Depression,
Nicht für den Krebs der Kranken,
Nicht für den Staub des Grabes,
Wir sind nicht für den Tod geschaffen!

Wir sind nicht geschaffen für das Nichts,
Unser Ziel ist nicht die Vernichtung,
Nicht das Verlöschen im Nichts,
Nicht die Auflösung der Person in die Leere,
Wir sind nicht geschaffen für den ewigen Tod!

Wir sind geschaffen für die Ewigkeit.

Was aber,
Wenn der Weg zur Ewigkeit
Der Weg ist, der durch den Tod führt?
Was aber, wenn der Weg zu den Freuden des Paradieses
Der Weg ist, der über das Kreuz geht?
Was aber, wenn der Weg zur Gemeinschaft mit Gott
Durch die Nacht der Einsamkeit führt?

O Nacht der Einsamkeit!
Gott will, ich soll dich lieben!

In meiner Jugend sang ich:
Todschöne Einsamkeit,
Wann sehen wir uns wieder?

Celina, du warst auch in der Nacht,
In der Nacht der Einsamkeit,
In der Nacht der Todesangst!

Und das war dein Durchbruch
Zum gekreuzigten Christus!

Und Christus war dein Durchbruch
Zur schönen Ewigkeit!

Von Ewigkeit zu Ewigkeit,
Von Herrlichkeit zu Herrlichkeit
Wirst du nun verklärt
Zum Abglanz Gottes!

Denn in der Ewigkeit sollst du
Göttin sein im dreifaltigen Gott!

Gloria Patria et Filia
Et Spirita Sancta!

Das Leid, das will mir keiner glauben,
Das Leid, das vertieft den Glauben.

Euer Vielwissen, Bücherwissen,
Das ist Torheit vor Gott.
Doch in der Nacht des Kreuzes
Wird göttliche Weisheit eingegossen.

Wer nicht mit der göttlichen Weisheit
Zusammen gekreuzigt worden,
Dessen Weltweisheit und Vielwisserei
Ist Torheit vor Gott.

Der Weg zur göttlichen Weisheit
Ist ein Weg durch die dunkle Nacht.

Überlasse es Gott,
Dich in deine eigne Nacht zu führen,
Ob es die Nacht der Seele ist,
Die Nacht des Nichts,
Die Nacht des Durstes,
Die Nacht der Einsamkeit.

Vertraue dich dem Meeresstern an,
Wenn du in dunkler Nacht
Sollst wandeln auf dem Meer!

Und vergiß die Schönheit nicht!

Vergiß nicht das junge Mädchen
Im luftigen weißen Kleid!
Vergiß nicht das zutrauliche Schaf
Mit Augen wie Edelsteine!
Vergiß nicht die schwarze Stute
Mit dem Namen einer indischen Göttin!
Vergiß nicht die Zwergturteltauben
In den Wipfeln der geselligen Kastanien!
Vergiß nicht den Fruchtsaft,
Vergiß nicht den Wein!

Und bedenke, was der Dichter sagt!
Alle andern sterblichen Menschen
Plagen sich mit alltäglichen Sorgen,
Aber uns Poeten
Gab der allmächtige Vater
Seine erstgeborene Tochter,
Sein Schoßkind, seinen Liebling!
Erwähle sie zu deiner Göttin!
Und lass ihr allein die Ehre
Der Herrin in deinem Haus!

Zwei schöne Gnaden
Schickte Gott vom Himmel,
Die eine Gnade ist die Liebe,
Die andre Gnade ist die Freundschaft.

Ach, das war schön,
Als die Liebe
Sich zu mir gesellte!

Wie schön ist das Leben
Im Licht der Liebe,
Unter den Flügeln der Liebe!

Wenn die Liebe dir lächelt,
Wenn die Liebe dich küsst,
Wenn die Liebe sich dir hingibt,
Hast du eine Ahnung vom Göttlichen!

Selbst der verstockteste Atheist
Bekommt eine Ahnung vom Göttlichen,
Wenn ihn die Liebe umarmt
Mit ihren ausgebreiteten Flügeln!

Das Feuer dieser Liebe
Ist wie eine Napalm-Bombe,
Selbst der Stille Ozean
Kann das Feuer der Liebe nicht löschen!

Und diese Liebe ist ein Geschenk Gottes
Und diese Liebe ist stärker als der Tod
Und noch nach dem Tod
Wird die schöne Liebe dich lieben!

Ach, es war schön,
In dem Segen zu leben
Der Gnade der Freundschaft!

Treue Kameradschaft,
Die dich nicht allein lässt,
Die dir bedeutet, wie wertvoll du bist,
Wie wichtig du einem Menschen bist,
Die dich am Rand des Grabes nicht verlässt,
Ist ein Segen und eine Gnade!

Freundschaft ist eine lächelnde Gnade,
Die Seite an Seite
Mit dir spaziert durch alle Nöte
Bis in das weiße Licht des Himmels!

Freundschaft ist eine milde Gabe,
Die deinen Leidenschaften
Seelenruhe schenkt.

Freundschaft lässt dich schmecken
Die Süßigkeit der Freundschaft Gottes!
Jesus nennt dich nicht mehr Knecht,
Jesus nennt dich Freund.

Auch die dunklen Nächte
Sind eine besondere Gnade.

Die Atheisten wissen das nicht,
Die östlichen Theosophen nicht,
Die gnostischen Irrlehrer nicht,
Die Protestanten wissen das nicht.

Willst du diese Gnade begreifen?
Sie ist nicht zu begreifen!
Es wird immer ein Geheimnis bleiben,
Wie die bräutliche Seele
Vermählt ist dem gekreuzigten Bräutigam!

Aber lass dich belehren
Von Juan de la Cruz,
Wenn die Nacht der Sinne über dich kommt,
Die Nacht der Seele, die Nacht des Geistes,
Die Nacht des Glaubens, die Nacht des Nichts,
Die Nacht des Durstes
Und die Nacht der totalen Menscheneinsamkeit!
Dann wirst du vermählt
Im Dornenbett des Kreuzes
Mit der Ewigen Weisheit,
Die dich mitten in der Nacht
Durchtränkt mir ihrer Quelle.

Was ist der Körper, was der Leib,
Und was ist die Seele?
Ist die Seele im Leib
Oder ist der Leib in der Seele?

Hast du ein Geschwür im Kopf,
Ist dann die ganze Seele
Leidend in dem Geschwür in deinem Kopf?

Und wenn die Seele
Sich löst vom Leib,
Hinaus gesogen wird
In der Stunde des Todes
Und hinanschwebt,
Dem Licht entgegen,
In der Stunde der Prüfung
Ihres geistigen Gewissens,

Der Leib wird dann gebettet
Im Schoß der feuchten Mutter Erde
Und Vergissmeinnicht
Und Himmelsschlüssel blühen auf deinem Grab,

Die Seele aber,
Die in der Stunde ihres Todes
Berührt ward von der Gnade
Und Barmherzigkeit Jesu,
Geht ihrer Vergottung entgegen.


FÜNFTER GESANG


Die menschliche Seele
Ist ein Schlachtfeld,
Da findet ein Kampf statt,
Ein dramatischer Kampf
Zwischen den Mächten des Bösen
Und der Macht des Guten.

Die Mächte des Bösen
Bieten deinem Körper an
Die wildeste Erotik,
Bieten deiner Seele an
Den Trost von König Alkohol
Und das Paradies der Droge,
Und bieten deinem Geist an
Die falschen Götter der Welt
Und die Dämonen der Elemente.

Und dagegen kämpfen
Die Gnade der Reinheit,
Die Askese und Buße,
Die Reue und das Gebet.

Im Leibe des Menschen
Erwachen Begierden
Der Augenlust und Fleischeslust,
In der Seele des Menschen
Erwacht die falsche Lehre
Des Hedonismus,
Im Geist des Menschen
Erwachen die Dämonen
Der Irrlehre der Gnosis
Oder gar die Anbetung Satans.

Dagegen reinigt sich der Leib
Durch das Fasten,
Die Seele reinigt sich
Durch das immerwährende Gebet
Und der Geist des Menschen reinigt sich
Durch das Hören auf das Wort Gottes
In der Heiligen Schrift und der Kirche.

Es gibt Menschen, die leiden
An einer kranken Psyche,
An großer Einsamkeit
Und der Ablehnung durch die Nächsten.
Diese kämpfen den guten Kampf des Glaubens,
Wenn sie ihre täglichen Kreuze
Zum Opfer bringen auf dem Altar
Der göttlichen Barmherzigkeit.

Im Staate zuständig
Sind die Arbeiter und die Bauern
Und die Kaufleute
Für die Bedürfnisse
Des Körpers, Essen und Trinken,
Ein Haus und Kleidung.

Für den Starkmut des Herzens
Sind die Krieger zuständig,
Die mit Heldenmut wachen
Über die Sicherheit der Seelen.

Für die Bedürfnisse des Geistes
Sorgen die Dichter,
Solange sie nicht Altweiberfabeln folgen,
Vor allem aber
Die Philosophen, die Wahrheit lehren.

Die leiblichen Stände
Sollen regiert werden
Von den Rittern und Helden,
Und die kämpferischen Stände
Sollen regiert werden
Von den Weisen
Oder dem einen Philosophen
An der Spitze des Staates.

Der Leib hat Triebe,
Er will essen und trinken
Und sich geschlechtlich fortpflanzen,
Diese Begierden des Leibes
Sollen im Menschen
Regiert werden von der Seele,
Von dem Liebesvermögen
Und der Kraft der Selbstbeherrschung,
Aber die Kräfte der Seele
Sollen regiert werden im Menschen
Vom Geist, der Gott erkennt
Durch die Lehre der Weisheit.

So ist der gerechte Staat,
So ist der gerechte Mensch.

Der Geist der Weisheit regiere
Das Herz voll Heldenmut,
Und die Kräfte des Herzens
Mit seinem Liebesvermögen
Regieren den Leib
Mit allen seinen Trieben.

Da ich dieses schreibe,
Wird selig gesprochen
Papa Johannes Paulus der Große.

In mancher Nacht kommt er
Zu mir in meinen Träumen.

Um Mitternacht höre ich
Seine Stimme im Radio
Beten den Rosenkranz
Und die Litanei von Loretto
Und das Salve Regina.

Sein Motto war:
Totus tuus ego sum!
Ich bin ganz dein, Maria!
Dies ist auch mein Motto.

Sobald ich mein Haus verlasse,
Sage ich zur Pieta von Michelangelo:
Totus tuus!

Ich las seine Gedichte
Und ich las seine Dramen
Und ich schaute die Filme
Über sein Leben
Und musste weinen
Vor süßer Rührung.

Als er gestorben war,
Sah ich in der Television
Die Bilder seines Lebens
Und sah sein liebes Antlitz
Als eine Ikone des Vaters.

Und mir war, als sagte Maria:
Geh und wähle den Papst
Johannes Paulus den Großen
Dir zum Papa
Und zum Beschützer!

Ich schrieb ihm einmal einen Brief
Mit einer Namen-Marien-Litanei
Und er wünschte mir
Gottes treuen Schutz
Und die Freude des Heiligen Geistes.

Viva il Pappa!
Riefen die Römer vor dem Vatikan,
Und ich nahm den Seligen an
Als meinen Papa im Himmel.

Den wahren Menschen will ich singen,
Nicht den frevelnden Übermenschen,
Der den Bund mit Gott gebrochen,
Sondern den wahren Menschen,
Der ganz mit Gott vereinigt war,
Den Gottmenschen will ich singen.

Was heißt es, wahrhaft menschlich zu sein?
Schaue dir das Leben an
Des Jesus von Nazareth,
So soll der Mensch sein,
Denn Jesus ist wahrer Mensch
Und wahrer Gott.

Die mit ihm lebten,
Petrus und die Söhne des Zebedäus,
Magdalena und Susanna
Und die selige Jungfrau bezeugen:

Der gekreuzigt worden, gestorben ist,
Der ist auch auferstanden von dem Tode!

Christus Jesus hat sich sehen lassen
Vor den Augenzeugen
Seiner Auferstehung.

Er ist der Erstgeborne aus den Toten,
Darum auch unsre Toten
Werden alle auferstehen,
Die Bösen zum Gericht,
Die Menschen guten Willens aber
Auferstehen zum ewigen Leben
In den Freuden des Paradieses!

Hier ist mehr als Sokrates,
Mehr als bloße Unsterblichkeit der Seele,
Hier ist die Auferstehung des Fleisches.

Hier ist mehr als ein Philosoph,
Hier ist die göttliche Weisheit selbst!
Hier ist mehr als Salomo,
Hier ist die Hagia Sophia selber!

Und du, geliebte Celina,
Hast in deiner Todesstunde
Gesprochen vor der Hostia Immaculata:
Ich möchte die Kommunion!

Christus ist auferstanden,
Er ist wahrhaft auferstanden!
Darum wirst auch du,
Celina, auferstehen!
Darum werde auch ich,
Geliebte, auferstehen!