Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

Erotikon



Von Josef Maria Mayer

Heil Eros, du Herrscher der Götter und Menschen!“
(Euripides)



AN DEN GARTENGOTT

1

O Freundin, möchtest du hier diese Verse lesen,
Bequeme dich und tu von dir dein keusches Wesen.
Nicht Vesta sing ich hier, Diana nicht mein Sang,
Minerva nicht mein Lied, die Joves Haupt entsprang,
Dies Lied als Tempel ist des Gartengottes Bleibe.
Schau an den Gartengott, sein Glied am Unterleibe,
Den Mantel drüber wirf, wenn du verstecken willst
Das Glied, sonst schau es an, bis du vor Liebe schwillst!


2

Mit rascher Hand, Priap, der du bezeugst es mir,
Schrieb ich in heiterm Spiel die leichten Verse hier,
Für deinen Garten nur, wo Tauben blähn den Busen,
Nicht wie sonst Dichter tun, ich rief nicht an die Musen
Aus diesem Garten, den die Jungfraun meiden keusch,
Sie wären nur pikiert von dem pikanten Fleisch,
Der keuschen Musen Chor, der frommen Schwestern Reigen
Darf ich den Gartengott mit seinem Glied nicht zeigen.
Doch, liebe Freundin mein, was glühend meine Hand
Gepinselt an die Wand – ob’s deinen Beifall fand?


3

Was spricht der Gartengott zu schönen jungen Mädchen,
Die nicht im Garten sind, vielmehr im fernen Städtchen:
Nimm alles von dem Gott, was dir sein Garten gibt,
Gib auch dem Gartengott, was ihm von dir beliebt!


4

Ich bin der Gott Priap, aus Holz gebaut solide.
So vieles ist aus Holz. So schau zu meinem Gliede,
Weib, dann erwisch ich dich! Was ich dann bei dir schaff,
Wie Bogensehne stramm, wie Leiersaiten straff,
Ist, dass ich dieses Glied aus Holz, das riesengroße,
In deine Rippe, Weib, in deine Rippe stoße!


5

Matronen, Mütter! Bleibt nur ferne diese Orte!
Nicht gern hört euer Ohr, das keusche, geile Worte!
Umsonst! Denn immer wird neugierig sein das Weib
Auf dieses harte Glied an ihres Gottes Leib!


6

Was soll ich meine Scham mit einem Rock verdecken?
Nie wird ein starker Gott sein Waffenwerk verstecken!
So Jupiter den Blitz hält herrlich in der Faust,
Poseidons Dreizack auch durch Meereswogen braust,
Und Mars steht stolz und stark in seiner Rüstung Glanze,
Minerva in der Hand, der Rechten, hält die Lanze,
Und Phöbus schämt sich nicht der Pfeile, die er schickt,
Nie ohne Bogen ward Diana je erblickt,
Auch Herkules tat stets die Eichenkeule zeigen,
Der Stab zeigt auch Merkur und lächelt voller Schweigen,
Auch Bacchus nicht verbarg den Thyrsos im Gewand,
Auch Amor offen trägt zur Schau den Fackelbrand!
O liebe Freundin mein, du wirst mir nicht verübeln,
Mich überschütte nicht mit Hohn aus vollen Kübeln,
Weil offen ich zur Schau gestellt mein starkes Glied!
Was wär ich, wenn ein Weib die Waffe mir entzieht?


7

Ihr Mädchen, kichert nur! Wie albern euer Lachen!
Praxitelesse nicht, nicht Phidiasse machen
Ein Glied. Ein Bauer wars, der schnitzte mich aus Holz.
Du bist mein Gartengott, so rief er voller Stolz.
Ihr Mädchen, kichert nur, ihr albert immer wieder,
Euch freut das große Ding am Bauch, das Glied der Glieder!


8

Hier, lieber Pilgersmann, im Heiligtum des geilen,
Des Gartengottes du darfst ungestört verweilen.
Schlief letzte Nacht ein Weib mit dir im Lotterbett?
Hab keine Angst, der Gott macht alle Sünden wett!
Der Gartengott hat bei den keuschen Göttern Vettern,
Der Gartengott jedoch zählt zu den Phallusgöttern.
Priapus schamlos steht, der starken Eiche gleich,
Erhebt sein stolzes Haupt zum hohen Himmelreich.
Tritt ein und freue dich an deinem Weib, du Lümmel,
Ich weiß, das Liebesspiel ist wie der dritte Himmel!


9

Du Garten-Wächter, was soll deine Aufsicht hier?
Was wehrest du dem Dieb den Gartenweg zu mir?
So spricht die Freundin. Ach, es soll der Dieb nur kommen!
Er kommt herein voll Lust – geht wieder schmerzbeklommen!


10

Die Freundin auf dem Markt, sie tanzt vor allen Laffen
Zu Zimbeln, Tamburin und allen ihren Waffen,
Samt aller Percussion, die sie mit Händen schlägt,
Sie, die so wundervoll den prallen Po bewegt,
Sie weiht es dem Priap, dem großen Gartengotte,
Und flüstert leise dann mit leichten Lächelns Spotte:
Daß ich gefall dem Mann, der meinen Hintern sieht,
Und dass sein Glied so hart ist wie des Gottes Glied!


11

Verwünschen will ich mich, wenn ich nicht das Obszöne
Verabscheu, was da geil, das lüsterne Gestöhne.
Jedoch, wenn du als Gott so offenbarst dein Glied,
Daß jede Gärtnerin des Gottes Phallus sieht,
Die Manneskraft des Glieds, dann will ich fromm und weise
Priap verehren so, indem ich Vulva preise!


12

Wir Götter allesamt, wir haben ein Symbol:
Die goldne Leier hält in seiner Hand Apoll,
Apollon aber hat die längsten goldnen Locken,
Und Herkules ist stark, auch noch am Spinnerocken,
Minervas blaues Aug, der Venus heiße Lust,
Mars, der hat dichtes Haar auf seiner breiten Brust,
Die Faune auf der Stirn die Hörner unverhohlen,
Und auch Merkurius hat Flügel an den Sohlen,
Der Ehemann Vulkan als wie ein Krüppel hinkt,
Und gar Dionysos zu viel des Weines trinkt!
Ob Bacchus, Hermes, Mars, Apoll, Minerva, Venus –
Ich, Gott Priap, ich hab den größten Götterpenis!


13

Man spricht von Schönheit wohl beim Gott Merkurius,
Die Wohlgestalt Apolls, den Augen ein Genuss,
Und Bacchus ist so schön wie frischerblühte Mädchen,
Der Schönste aber ist Gott Amor in dem Städtchen
Der Götter am Olymp, wie’s jede Dame sieht.
Ich aber hab allein mein riesengroßes Glied!
Vor Eifersucht und Groll jedoch die Götter grollen,
Denn Frauen wissen wohl, was Frauen wirklich wollen!


14

Priapus, höre mich! Vernarrt bin ich in eine
Der Frauen dieser Welt, vernarrt in diese Kleine,
Die sich nicht hingibt, ach, mich immer von sich weist,
Vertröstend mich allein mit ewger Hoffnung speist!
Doch wird sie jemals ein und tut sich auf dem Schwanze,
So kränze ich dein Glied mit einem Lorbeerkranze!


15

Priap, dem Gartengott, zu seiner eignen Schande
Die Sichel aus der Hand ein Gartendieb entwandte.
Indessen, andres quält mein Herz, geliebte Braut,
Daß man mir Gartengott die Götterwaffe klaut!
Wenn das geschieht, verlass ich meine Heimaterde,
Verlasse Griechenland und noch zum Gallier werde!


16

Priapus, hättest du so viele Pflaumen nur,
Wie Dichter Verse dir gemacht in Hochkultur,
Priap, du wärst reich, Alkinoos, der Reiche,
Dem Krösus ich sogar den Gartengott vergleiche.


17

Ich bin dein Apfelbaum. Lass, Freundin, deine Klagen,
Daß ich so lange schon dir keine Frucht getragen.
Nicht litt ich an des Triebs so jugendlichem Grün,
Nicht an der Sommerzeit mit heißem Sonnenglühn,
Auch schlug der Hagel nicht den Baum und seine Äste
Und nicht die Winterzeit und all die strengen Fröste,
Kein Rabe fraß mich an und auch nicht Amsel, Star,
Nicht Krähe, Drossel, Fink und all die Vogelschar.
Am Dichter leide ich! Den Schmerz ich nicht verwinde:
Er ritzte seinen Vers in meine schöne Rinde!


18

Geh schlafen, Hund! Denn schau, hoch überm Garten geht
Die Jungfrau lächelnd auf, da Sirius schon steht.


19

Was für ein Jammer! Hier im Garten muss ich darben,
Da Hundstagshitze schickt schon Feuer auf die Garben,
Wo ich verdursten muss in heißer Sommersglut,
Auch preisgegeben bin jedweder Regenflut,
Auf meines Hauptes Haar der Hagel nieder hagelt,
Der junge Bursche auch in meine Rinde nagelt.
Der Götter Größter ich, den jeder Minner kennt,
Den heute jedes Weib, ach, Vogelscheuche nennt!
Unkeusche Lüsternheit von aufgegeilten Lümmeln
Erhebt als Phallusgott mich hoch zu sieben Himmeln!
Doch Fräulein Julia (ihr Name mir entschlüpft)
Ist mit der Katze heut so hübsch vorbeigehüpft,
Die doch wie Eva nicht in Liebeskünsten witzig,
Drum unbefriedigt geht allein nach Hause hitzig.


20

Nimmst du das Opfer mir, das ich mir rechtlich nahm,
Wie ist mir schwer ums Herz! Man mir das Meine nahm!
Doch was bedeutet das, sein Liebstes zu verlieren?
Du sollst es spüren, Maid, an deiner Zierrat Zieren!


21

Die Götter lassen dich und Göttinnen verhungern,
Wirst bei der Nachbarin du weiter lüstern lungern,
Beim jungen Mädchen süß, die immer zu mir kam
Und sprach von Reinheit nur und Keuschheit ihrer Scham.
Jetzt auf den Knieen sie verwundet kommt gekrochen,
Durch deinen Schwanz ist sie gekommen in die Wochen.


22

O großer Gartengott, der Phallus dich verschönt!
Doch dass dich der Poet auch so vulgär verhöhnt!
Das ist kein Grund, o Gott, dass du den Mann gerichtet!
Er dient dem Phalluskult, der Mann, der dies gedichtet.


23

Den Spaten hier, mit dem ich lockerte den Acker,
Die Schere auch, mit der beschnitt ich Zweige wacker,
Die Hacke, damit ich im Erdreich grub ein Loch,
Die Kanne auch, mit der begossen noch und noch
Ich alle Pflanzen hab, und meine Gartenkleider
Von grobem grauem Tuch, die trag ich immer (leider!),
Die lege ich jetzt ab, leg sie im Frühling ab
Und weihe sie dem Gott, dem phallischen Priap,
Und opfre sie dem Glied des großen Gottes furchtbar,
Weil Evas Garten du, o Gott, gemacht so fruchtbar!


24

Die Nektarine hier, die rote Sauerkirsch,
Die Pfefferminze hier, den Bärlauch und den Giersch,
Zur Nektarine auch die saftig süße Pflaume
Und Äpfel rot und prall vom alten Apfelbaume
Und für die Kinderlein zum leckeren Genuss
Vom grünen Haselstrauch die braune Haselnuss
Und für den guten Freund vom Weinstock pralle Trauben
(Er trinkt so gerne Wein bei dem Gegirr der Tauben),
Dies alles opfre ich dem göttlichen Priap,
Weil meinem Garten Gott Priap den Segen gab!


25

Die grünen Trauben prall, die süßen ohne Kerne,
Pistazien auch mit Salz, die essen Kinder gerne,
Die braune Haselnuss und goldnen Honig süß,
Ganz frisches Sesambrot und Milch vom Paradies
Und Knoblauchzehen weiß, die mögen gerne Zecher,
Wenn sie geleckt den Wein aus beckengleichem Becher,
Dies alles opfre ich Priap im Abendrot,
Ich lad den Gartengott Priap zum Abendbrot!


26

Der Freundin Freundin starb, der Aphrodite Dirne,
Der Tod erstrahlte schon auf ihrer blanken Stirne,
Da hat die Lüsterne ihr rotes Sommerkleid
Dem phallischen Priap zu Lob und Dank geweiht
Und die Perücke auch, die trug sie allenthalben,
Und ihre Seifen auch und alle ihre Salben
Und weihte Gott Priap der kleinen Füße Schuh,
In denen sie getanzt die Tänze immerzu,
Und ihre Trommel auch und ihre Knochenflöte
(Die Flöte blies sie oft und gut zur Morgenröte),
All dies hat sie geweiht dem göttlichen Priap,
Weil ihr des Gottes Glied im Leben Wonne gab!


27

Im Bett von grünem Gras lag ich mit müdem Leib,
So müd, als ob ich grad geliebt mein wildes Weib,
Priapus schaut mir zu, die Rotbrust hör ich singen,
Es schlingen sich herab laszive Efeuschlingen.
Nun aber steh ich auf, vorüber ist die Nacht.
Priapus ist erwacht – ist in mir auferwacht!


28

Zum Garten gehe ich, zum Hain von starken Eichen,
Dort steht ein Gottesbild, dem Phallus zu vergleichen,
Da starrt das Riesenglied ganz dreist und schamlos nackt,
Für Aphrodites Werk geeignet, für den Akt,
Geschwollen, prall und voller Lebenssäfte,
Ein wahrer Götterglied voll großer Götterkräfte!
Ganz in der Nähe auch in diesem Gartenreich
Verzaubert lebt ein Frosch in meiner Circe Teich,
Wo in dem Tannenbaum süß gurren Turteltauben,
Am Apfelbaume schön die weißen Blütentrauben,
Die Amsel flötet süß, die Rotbrust flötet süß,
Sogar die Nachtigall im Rosenparadies,
Die Flöten blasen sie mit Atem ihrer Kehle.
Hier knie ich vor dem Gott und weihe meine Seele
Und bringe meinem Gott ein Liebesopfer dar:
Priapus, deine Macht herrscht ewig, immerdar!
Ich weihe deinem Glied ein junges Ziegenböckchen!
Erlöse mich! Du weißt, ich schmachte nach dem Röckchen
Der schönsten Freundin mein, die mächtig mich betört
Und gibt sich nie noch hin und nimmer mich erhört!
Erhöre mich und lösch in mir die Liebesflämmchen,
Dann opfr’ ich meinem Gott ein makelloses Lämmchen!


29

O Gott Priap am Strand, der Fischer Schutz und Retter!
Die Fischer geben dir zu Dank bei Sturm und Wetter
Die Opfergaben, weil du halfst mit deinem Arm,
Im Meer zu fischen den so großen Heringsschwarm.
Die Fischer weihen dir die Holzbank und den Becher,
Des Bechers Becken dir, bereit dem Wein der Zecher.
Gib du den Fischern, Gott, nach all den Leiden nun
An ihrer Freundin Brust vom Leiden auszuruhn!


30

Dir an dem Meeresstrand mit Salzgeschmack der Klippen,
Dem Freude machen an dem Fels die Meereslippen,
Die rosa Krabbe hier in weißer Schale Kleid
Wird von der Fischerin, dir Gott Priap, geweiht.
Das Kleid wird leicht geknackt, das Fleisch lässt sich befreien,
Man steckt es in den Mund. Ich will das Fleisch dir weihen,
O phallischer Priap! Die Freundin nicht mehr murrt,
Du sättigst immer sie, wenn’s ihr im Bauche knurrt!


31

Die Zeit der Seefahrt kommt. Die Schwalbe plaudert schön.
Aus Westen bläst der Wind mit seufzendem Gestöhn.
Die Felder blühen bunt. Im Meer dahingezogen,
Unaufgewühlt vom Sturm, sind seidenglatte Wogen.
So zieht den Anker hoch und löst das dicke Tau!
In jedem Hafen auf mich wartet eine Frau!
Priapus, Phallusgott, du stehst in jedem Hafen,
In jedem Hafen lass ein Weibchen mich beschlafen!


32

Auf dem umgischten Fels als Wächter steht Priap,
Der Schiffern alle Zeit den Sturm ins Segel gab.
Dem göttlichen Altar Priaps mit hartem Schwanze
Fehlt es an Opfern nicht und nicht am Lorbeerkranze.
Du wisse doch: Dem Gott gefällt das Lustgekreisch
Der Liebe besser noch als alles Opferfleisch!


33

Ich bin als Gott recht klein mit einem kleinen Schwanze,
Jedoch die Möwenschar auf wildem Wellentanze
Beschütz ich, noch so klein. Mich hat ein Fischersohn
Hier aufgestellt, Priap auf seinem Felsenthron.
Wenn je der Fischersohn mich betend fleht um Hilfe
Und Rettung an, so reich ich ihm den Halm vom Schilfe.
Denn das ist doch egal, ob klein des Gottes Glied,
Wenn einer sich im Dienst des Gottes nur bemüht!


34

Mir kleinem Gott Priap mit meinem kleinen Schwanze,
O Sohn des Fischers du, nach wildem Wellentanze
Mir bringe opfernd dar der vielen Fische Fang,
Gib Krabben, Heringe und Schollen! Sing Gesang
Und bring mit Tänzen dar den reichen Fang der Fische
Dem Gott mit seinem Glied in dieser engen Nische!


35

Schon rötlich glüht das Meer, es brüllt nicht mehr der Sturm,
Es spritzt nicht mehr die Gischt von Elfenbein den Turm,
Vielmehr es bricht die Flut aufschäumend an dem Felsen,
Der aufgeschäumten Flut Schaumwellen seufzend schmelzen!
Die Schwalbe flattert schon und macht sich schon das Nest,
Bereitet sich das Bett zum süßen Hochzeitsfest!
O Sohn des Fischers du, gehst du nun auf die Reise,
Bring Gott ein Opfer dar, denn das ist fromm und weise,
Du opfre Gott Priap und seinem Phallus keusch
Im transparenten Kleid der rosa Krabbe Fleisch!


36

Der Westwind lustvoll bläst. O helft, ihr süßen Musen!
Der Frühling öffnet schon dem Westwind seinen Busen.
Das Schiff, es gleitet schon in Meerschaum weiß wie Schnee,
Es gleitet schon das Schiff hinab in offne See.
Das stolze Segel schwillt. O Seemann, von der Reise
Bring manches Gut nach Haus, dem Segensgott zum Preise!
Priapus, sieh mich hier, ich hab dein Glied umfasst,
Bei Aphrodite war mein Vater schon zu Gast!



CORONA



1

Der Morgen! Zeit ists jetzt, Corona, aufzustehen,
Ich höre schon den Hahn nach seinen Hennen krähen.
Hinab ins Totenreich, verräterischer Hahn,
Schreist du das Morgenrot so lauthals krähend an
Und jagst mich zu der Schar der Knaben, die da schwatzen
Und streiten lärmend sich und schimpfen wie die Spatzen!
Tithonus, du bist alt, doch warum aus dem Bett
Jagst du Aurora früh, die Jungfrau niedlich-nett?


2

Die Lampe fülle jetzt, die Lampe unsrer Liebe,
Füll bis zum Rand mit Öl die Lampe, dass die Trübe
Der Nacht erleuchtet wird. Jetzt Eros herrscht allein!
Geschlossen ist die Tür. Jetzt darf ich bei dir sein.
Corona, küss mich jetzt! Jetzt werden wir im Bette
Uns lieben in der Nacht, uns lieben um die Wette!
Ist keine so im Bett voll wilder Liebesbrunst,
Denn Aphrodite selbst dich lehrte Liebeskunst.


3

Ich schwor Corona ja, ich liebe sie allein
Und werde Freier nie bei andern Dirnen sein.
Jedoch, was man so schwört im Liebesrausch! O Götter,
Ihr hört doch keinen Schwur, den schwört im Bett ein Spötter!
Denn heute glüh ich heiß nach einem süßen Kind,
Coronas Brüste mir jetzt nicht mehr wichtig sind.


4

O große Mutter Nacht, Öllampe voller Licht,
Ihr beiden seid’s allein, sind andre Zeugen nicht,
Wie ich ihr Treue schwor, die eheliche Treue,
Daß ich an ihr allein mich labe und erfreue,
Die Zeugen waret ihr für diesen Treueschwur.
Allein, was schwört man nicht im Bett aus Wollust nur!
Heut nämlich fahr ich fern in ein sehr stilles Städtchen,
Um anzubeten dort ein wunderschönes Mädchen.


5

Corona, liebe Frau, ich wünsche dir viel Glück!
Kannst du denn glücklich sein, bin ich noch nicht zurück?
Ich trag es länger nicht, die schmerzensreiche Trennung!
Mein Herz, es leidet an erotischer Verbrennung
Aus weißer Sehnsuchtsglut! Geh ich zum Gotteshaus
Der Göttin Artemis von Ephesos hinaus,
Vor neunzehn Brüsten dort anbetend heiß zu stöhnen,
Geh ich ins Stadtgewühl, stets strömen heiße Tränen!
Doch morgen liege ich erneut in deinem Arm,
Bis dahin wünsch ich dir Beglückung süß und warm!


6

Ach, Eros ist ein Vieh! Warum schafft er nicht Schmerzen
Den Tieren in dem Wald? Warum nach meinem Herzen
Muss zielen stets sein Pfeil? Warum entflammt der Gott?
Ich siech wie Kranke hin und werde ganz zu Spott!


7

Den Seemann rettest du, o große Aphrodite,
Aus seinem Schiffbruch? Das ist eine alte Mythe!
Hilf, Aphrodite, mir in meiner großen Not,
Mein Schiffbruch hier zu Land bedroht mich mit dem Tod!


8

Corona, nach dem Bad in deiner Badewanne
Mir reich den Lorbeerkranz, den Rotwein in der Kanne!
Kurz währt die Freude nur! Des Alters Abendrot
Verkürzt der bittere, gestrenge Bruder Tod!


9

Ja, vierzig Jahre alt Corona ist, die Tolle,
Das braune Haar wallt lang auf ihre Brust, die volle,
Wie stattlich stehn die Brüste doch, das Paar
Von Zwillingen, wie voll, wie machtvoll, wunderbar,
Kein Büstenhalter fasst, bezeugt es, o ihr Musen,
Kein Büstenhalter hält den großen Wonnebusen,
Auch Falten runzeln nicht den Leib, des Alters Geiz
Hat noch bestohlen nicht den körperlichen Reiz.
Kommt, all ihr Liebenden mit Schwellungen der Triebe,
Vergesst, wie alt sie ist, Corona schenkt euch Liebe!


10

Wo ist Praxiteles, der Aphrodite schuf
Als Marmorstatue aus göttlichem Beruf?
Wer malt denn heut das Bild, begeistert von den Musen,
Wer malt Coronas Mund und ihren Wonnebusen,
Wer malt des Beckens Schwung, den Fuß im Reigentanz,
Wer malt das Meeresblau in ihrer Augen Glanz?
Ihr frommen Künstler, kommt, begeistere euch Amor,
Corona bildet ab im Götterbild von Marmor,
Holt aus dem Marmorstein die Herrliche heraus
Und stellt das Venusbild dann in dem Tempel aus!


11

Du goldner neuer Mond, ihr funkelnd lichten Sterne,
Dem Ozean im Arm, Corona ist mir ferne!
Wie ließ sie mich im Stich doch, die gesalbte Frau,
Sechs Tage blieb sie fern! Wie listig sie und schlau!
Ich suche weiter nach Corona, sie zu minnen!
So eilt und sucht sie mir, der Charis Charitinnen!


12

Dem Gott am Meeresstrand, dem bring ich Opfer dar,
Bring dar das Opferbrot und flehe immerdar!
Ich reise übers Meer. O Venus, hab Erbarmen,
Laß bald Corona mich umfangen mit den Armen!
Sei meine Führerin zur Liebe, Venus, ach,
Du herrschst am Meeresstrand so wie im Schlafgemach!


13

Die Knaben liebt ich sonst, doch heute junge Mädchen,
Die Mädchen jung und schlank, die Lieblichsten im Städtchen.
Nicht im Gymnasium ich treibe mehr den Sport,
Ich tanz mit Weibern jetzt, ich tanze fort und fort,
Ich tanz den Wiedehopf, ich tanz den jungen Gimpel,
Ich tanz zum Klapperblech, zum Trommel und zur Zimbel,
Ich liebe Schminke sehr, die Lippenschminke rot,
Ich lieb das Lippenpaar, das mir die Liebe bot!


14

Corona, sagt ich nicht, wir beide werden alt?
Corona, ach, gekrümmt die leibliche Gestalt,
Nicht lustig mehr wie sonst die Wonnebrüste wippen,
Nicht lächelnd locken mehr die Zunge und die Lippen.
Und wer besucht dich noch? Du liegst ja schon im Grab!
Der Pilger in der Hand hält seinen Pilgerstab.


15

Gott Eros spendet Glück! Ich bin Coronas Sklave,
Ich bin ihr Stier im Joch! Corona, Salve, Ave!
Ergeben hab ich mich Corona recht und schlecht
Und bin ihr Domestik, ihr Sklave und ihr Knecht.
Ich suche Freiheit nicht, nicht Freiheit von der Liebe!
Corona, Herrscherin, ich Sklave meiner Triebe,
Ich lieb dich sklavisch bis ins hohe Alter noch,
Die Liebe liebt dich noch in deinem Grabesloch!


16

Wenn zu Corona ich mich schleiche in der Nacht,
Mich schleich zu ihr, wenn im Zenit die Sonne lacht,
Ist immer mir doch so, als ob ich droben stünde
Auf einem Gipfel und in starrende Abgründe
Beinahe stürze ab! Mein Herz, wie du auch bangst,
Cupido bannt die Furcht, Cupido bannt die Angst!


17

Ob deine Haare braun in langen Locken wallen,
Ob schwarz sie sind und kurz, die Haare mir gefallen,
Das kurze schwarze Haar, die braune Lockenflut,
Selbst noch im grauen Haar steckt Eros voller Glut!


18

Heut, ach Corona, heut, heut bist du zu mir mild,
Jetzt, wo du nicht mehr gleich der Venus Marmorbild,
Jetzt scherzt du nett mit mir, nennst mich dein Wohlgefallen,
Jetzt, wo die Haarflut nicht mehr hüllt der Brüste Wallen!
Nein, komm mir nicht zu nah! Ich, voll des Gottes Zorn,
Wähl statt der Rose nicht den spitzen scharfen Dorn!


19

Corona, du bist wie die Königin der Bienen,
Wie Honig bist du süß, tust du mich nett bedienen,
Von deinen Lippen tropft der süße Wabenseim.
Jedoch, o Musen, helft und schenkt mir einen Reim,
Die Bienenkönigin bist du, die königliche,
Wenn tödlich spendet mir dein Stachel böse Stiche!


20

Gewiss, ich sterbe auch! Und werd ich alt und krank
Verscheiden oder jung? Den Göttern Preis und Dank!
Ob ich mir huste aus die angegriffne Lunge?
Ob jung ich sterb, im Arm das nackte Weib, das junge?


21

Der Augen blaues Meer! Der Haare Locken braun!
Wollüstig voll der Mund, genüsslich anzuschaun!
Schneeweiß der Schwanenhals, umschmeichelt von den Locken!
Der Brüste Wundermacht wie große Tempelglocken!
Seh ich jedoch ein Haar in deiner Mähne grau,
Ich schau nicht hin und geb darauf nicht acht, o Frau.


22

Frau Armut quält mich sehr, noch mehr quält mich Frau Liebe!
Den Hunger halt ich aus, doch nicht der Venus Triebe!


23

Ich kam und sah und – Sieg! Will jetzt zufrieden sein.
Wer die Geliebte ist, weiß Cypria allein.


24

Wir beide schworen einst uns Treue, ja, bei Eros!
Die Liebesgöttin du und ich geliebter Heros!
Doch du betrogest mich und hast mich ausgelacht!
Ich lieb dich weiter treu, so groß ist Eros’ Macht!


25

O großer Todesgott! Corona voller Lüste
Sah dich an ihrem Bett, sie schlug sich an die Brüste!
Ich warte auf den Tod, ich warte unentwegt,
Doch dass Corona nur sich an die Brüste schlägt!


26

Berauschend war ihr Mund, der Lippen weiches Paar,
Ihr lieber Plaudermund, liebkosend wunderbar,
Die Augen waren klar bei feingewölbten Brauen,
Wie sanft und liebevoll ins Herz die Augen schauen!
Und erst die Brüste, oh, wie Milch und frischer Schnee!
Ich ewiglich im Geist der Herrin Brüste seh!


27

Ah, Knabe Amor, ah, du tötest mit dem Pfeile
Mich, deinen ärmsten Knecht! Den Andern ists zum Heile,
Denn weil du dein Geschoss mir bohrst ins Herz allein,
Kann all die andre Welt im Leben glücklich sein!


28

Die vierzig Jahre, ach, nicht mindern deine Schöne,
Noch sehe ich voll Brunst und brennendem Gestöhne
Auf deinen vollen Mund und deine volle Brust,
Dein Busen bebt noch heut als Inbegriff der Lust!
In deiner Jugend warst du schön wie eine Göttin,
Da, Aphrodite, du im Bett warst meine Gattin!


29

Gott Jove kam als Aar zu Ganymed dem Kind,
Zu Leda kam der Gott im Schwan. Mir beide sind
Gleich lieb und liebenswert, ich will sie beide haben,
Die Nymphe für den Schwan, den Adler für den Knaben.


30

Jetzt endlich war ich mit Corona ganz allein,
Da hielt ich ihre Hand mit stiller Sehnsuchtspein:
Ich bin dem Tod geweiht, der Geist verlässt die Glieder,
Corona, gib mir doch das liebe Leben wieder!
Sie weinte liebevoll viel Tränen für und für
Und schob mich zärtlich dann, ah weh, hinaus zur Tür.


31

Das Leben ist zum Glück! Fort mit den bittern Sorgen!
Das Leben währt nur kurz! Vom Abend bis zum Morgen
Beglücke Bacchus mich, die Blüte einer Au,
Der Lorbeerkranz, der Tanz und die geliebte Frau!
Genießen will ich dich! Laß, Weib, die Augen schimmern!
Denn morgen sterben wir, im Schattenreich zu wimmern!


32

O Gott! Ich ahnte nicht, dass Venus badet nackt
In diesem offnen Bad! Ich sah das Bild als Akt!
Corona, bist das du? Ich sehe dich verschwommen...
Hast Aphrodite du die Schönheit weggenommen?


33

Wie Venus war sie schön, Corona war so schön,
Ich liebte sie mit Glut und loderndem Gestöhn,
Sie lächelte mich an und bot mir ihre Liebe,
Da nahm ich sie und sie befriedigte die Triebe!
Jetzt wird sie Mutter und die Brust schwillt an vor Milch!
Jetzt bleibe ich bei ihr. Ich bin ein armer Knilch.


34

In ihrer Jugend war sie voll von Liebesreizen,
Die Brüste taten nicht mit Liebeswonnen geizen,
Mit Liebe geizten nicht die Zunge und der Mund
Und auch die Perle nicht in ihrer Muschel Grund!
Jetzt aber ist sie alt, die grauen Haare schmücken,
Sie hat auch keine Lust mehr, gnädig mir zu nicken.


JEVI


1

Wie Ariadne einst aus Kreta da lag schmachtend,
Als Theseus’ Schiff entschwand, der Kummer sie umnachtend,
Und wie Andromeda gebettet sich zum Schlaf,
Nachdem den Retter sie mit seinem Schwerte traf,
Wie die Bacchantin auch erschöpft vom wilden Taumel,
Von Bacchus’ Pinienstab und ihrer Brust Gebaumel,
Hinsank ins grüne Gras – so sah ich Jevi auch,
Des stillen Schlummers sie umatmete der Hauch,
Das Haupt lag auf der Hand. Da kam ich an, der Zecher,
Ich schwankte, taumelte vom ausgeleckten Becher.
So nahte ich mich ihr. Noch war bei mir mein Geist,
Der Wille war noch stark, den so die Weisheit preist.
Ich drückte sie ins Gras. Da hörte ich Befehle
Von Sankt Dionysos und Eros meiner Seele,
Die in mir loderten wie Feuerschlangen rot
Und sprachen voller Macht mir göttliches Gebot,
Zu schieben meinen Arm sanft unter ihren Schädel
Und mit dem andern Arm den Leib zu streicheln edel,
Zu stehlen einen Kuss: Den Mund mit Lippen streif
Und mit der rechten Hand die Waffe jetzt ergreif!
Ich aber wagte nicht, der Herrin Ruh zu stören,
Ich wollt nicht ihren Zorn, des Zankes Zunge hören,
Wie ich’s so oft erlebt! Nein, still stand ich vor ihr,
So wie vor einem Berg steht still und starr der Stier.
Bald löst ich meinen Kranz aus Lorbeer von der Stirne
Und legte dir ihn an, o Jevi, schönste Dirne,
Und ordnete dein Haar, dein wirres Lockenhaar,
Und legte Äpfel dir zu Seiten wunderbar.
Du aber schliefest tief und konntest mir nicht danken.
Doch manchmal seufztest du, dir zitterten die Flanken,
Daß ich erschrak, so wie vorm Horoskop ein Weib,
Doch glaubte ich daran, mein Sternbild ist dein Leib!
Ich fürchtete im Geist, du träumtest schlechte Träume,
Daß dich Medusa zog durch finstre Innenräume,
Vielleicht auch, dass im Traum ein schöner fremder Mann
Dich überredete und dich erkannte dann.
Da aber kam der Mond, da schimmerte die Luna,
Du schlugst die Augen auf. Jetzt danke ich Fortuna:
Zu meiner Seligkeit und meinem Seelenglück
War voller Gnadengunst holdselig lieb dein Blick!
Du lächeltest und sprachst so sanft dein Wort, das nette:
Von andern Mädchen weg! Du komm zu meinem Bette!
Dieweil in dunkler Nacht ich lag in tiefem Schlaf,
Wo irrtest du herum, betrunken, töricht, schlaff?
Schau, droben stehen schon zu unserm Schutz die Sterne,
Geh nicht noch einmal so allein in weite Ferne.
Bald pflanzte Blumen ich in meinem Garten viel,
Bald lauscht ich meines Sohns Balladen-Saitenspiel,
Zuweilen klagte ich, von meinem Freund verlassen,
Ich fürchtete, dass du begönnest, mich zu hassen,
Daß du bei Mädchen jung und lieblich, wie du sagst,
Bei Sechzehnjährigen im Mädchenbette lagst!
Da sank ich in das Gras, nass von der Tränen Kummer,
Sank in das grüne Bett in kummervollen Schlummer,
Da kam der Tröster Schlaf mit seinem süßen Trost,
Der mich in meinem Schlaf mit Schwingen sanft liebkost!


2

Was, Marcus, willst du denn? Lass ab von dem Geschwatze!
Ich wandle weiter auf der Bahn mit meinem Schatze!
Was willst du denn, du Narr, du eines Narren Sohn?
Willst du erleben selbst die Marter der Passion,
Die ich erleben muss? Du eilst zu solchen Leiden,
Die du nicht tragen kannst, ich sage es bescheiden,
Durchs Purgatorium du schrittest, ja, Scheol!
Den Becher schenkt sie dir mit Gift von Schierling voll!
Den Becher schenkt sie voll mit Galle und mit Wermut,
Mit Tränen tränkt sie dich und sättigt dich mit Schwermut!
Nein, diese Herrin ist nicht jungen Mädchen gleich,
Wie sie ist keine doch gewaltig anmutreich,
Sie ist nicht nett und zahm wie junge sanfte Dirnen,
Gewaltig ist ihr Zorn! Hüt dich vor ihrem Zürnen!
Und wolltest Wollust du in wilder Leidenschaft –
Ach, Seelenqual allein der Herrin Gnade schafft!
Du findest keinen Schlaf, dir keine Pillen taugen,
Du liegst um Mitternacht mit aufgerissnen Augen.
Der Herrscherin Humor, der Herrin Temprament
Weiß dich zu fesseln mit der Reize Element.
Oft wirst du jammern laut und wirst in stolzem Zürnen
Sie Hure nennen, zählst sie zu den schlechten Dirnen!
Dann zitterst du und zagst, versinkst in trüber Wehmut,
Dann hündisch mit dem Schwanz du wedelst voller Demut.
Ja, dich plagt Höllenangst, da fehlen dir die Worte,
Der Hölle Königin ist sie zu deinem Torte!
Doch sie allein, allein dein Sinn des Lebens ist,
Du weißt nicht, wo du bist, du weißt nicht, wer du bist,
Du weißt nicht, ob du bist! Hat erst so weit getrieben
Die Herrscherin ihr Werk, erst dann auch wirst du lieben
Die Herrscherin wie ich. Dann wirst du unbeglückt
Von ihres Hauses Tür ungnädig fortgeschickt.
Wenn Marter und Passion du in der Liebe Messe
Erfahren so wie ich, verstehst du auch die Blässe,
Warum so totenbleich ich wandle als Gespenst,
Wenn du das Leben nicht als Leben mehr erkennst,
Nur redest noch mit Gott und mit des Jenseits Boten
Und bist zuhause mehr im Schattenreich der Toten!
Jetzt hältst du dich für stark, dann aber, starker Held,
Hilft in der Liebe dir rein gar nichts mehr dein Geld.
Begehr, mein Marcus, erst, wie ich das Weib begehre,
Dahin ist Tugend, Zucht, der Nachruhm und die Ehre!
Dann bettelst du um Trost! Kein Trost wird dir verliehn!
Der Liebe Krankheit heilt kein Arzt mit Medizin,
Dies Liebesunglück heilt kein Glückshormon als Pille,
Einst findest Ruhe du dort in der Totenstille,
Wenn in Elysium dir werde, was dir frommt.
Jetzt weg mit dir, mein Freund! Die schöne Jevi kommt!


3

Du, Marcus, spottest gern, du Größter aller Spötter,
Sie sollen kommen nur zu dir, die Liebesgötter,
Du wehrtest alle ab. Nein, Lieber, glaub mir, glaub
Mir nur: Wenn Eros kommt, dann liegst du gleich im Staub!
Du betest an im Staub, tief in dem Staub die Stirne
Und Göttin-Herrscherin ist die geliebte Dirne!
Hör, was im Eichenbaum die Turteltaube gurrt,
Hör, was ein Elender und Liebessklave murrt,
Ich weiß es, wie ein Weib mit Zank und Zorn bestrafte
Und drauf mit ihrem Reiz den Elenden versklavte!
Ich, ein Gelehrter in des Eros Schule, ach,
Weil Eros mit Gewalt schon oft das Herz mir brach!
Was, wenn du erst geschaut den Zipfel deiner Zofen,
Was hilft dir dann ein Buch von großen Philosophen?
Da hilft kein Gottesdienst! Da hilft auch nicht Magie!
Dich heilen könnt allein, die dich verletzte, sie!
Dann räume aus dem Schrank die Epen dummer Dichtung,
Dir Eros zeigt den Weg, die Dirne zeigt die Richtung!
Nicht schreibe ein Gebet vom Schweigen Gottes still,
Schreib, was die Dirne gern von dir vernehmen will,
Schreib von dem Liebesspiel, nicht von den Kirchenglocken,
Vom Venushügel schreib und ihres Schamhaars Locken!
Und schau, du darfst sie sehn! Das Wasser in dem Fluss,
Das suchst du, findest nicht den fließenden Erguss?
Dich hat noch nicht berührt des Eros Abenteuer,
Du brennst noch nicht und schmilzt dahin im Fegefeuer!
Der erste Funke kaum der Qualen dich berührt,
Du ahnst noch nicht, zu wie viel Leid verführt
Die Göttin-Herrscherin! Da gleichst du nicht den Siegern!
Nein, lieber lebtest du im Urwald bei den Tigern,
Im Pandämonium und in Gehennas Saal
Du littest lieber noch der Ehebrecher Qual,
Du gingest selbst ans Kreuz – so tut der Liebe Heros –
Nur, bitte, nicht noch mal solch ein Geschoss von Eros!
Ach, der Geliebten kannst du nichts versagen mehr,
Sie ist die Herrscherin und Eros ist der Herr!
Ja, Eros lacht! Er wird die Zähne lachend fletschen!
Der Eros, der erlöst, der wird dich auch zerquetschen!
Und ist sie willig? Ach, und ob sie willig tut,
So, Marcus, trau ihr nicht in ihrer Liebesglut.
Ist die Geliebte erst ganz hingegeben Deine,
Wird sie verdammen dich zu ewiglichem Peine,
Dann plagt dich der Skorpion mit seiner Eifersucht,
Ob nicht dein Auge doch nach jungen Mädchen sucht.
Ja, Eros offenbart sich erst als der Gebieter,
Wenn ganz dein Mark verzehrt, geschwächt sind deine Glieder!
Doch keine Schmeichelei erweicht der Herrin Herz,
Das hart wie Eichenholz, ach, härter ist als Erz!
Hab Achtung vor dir selbst! – Doch eile zu bekennen,
Wie die Geliebte lässt dich in Gehenna brennen,
Der Liebe Qualen, der Verdammnis Folterung,
Wenn du das beichtest, dann wird die Erleichterung.


4

Im Südland an dem Strand, gebettet an dem Fluss,
Da lagerst du dich nackt, der Sonne zum Genuss,
Wo einst Dionysos mit taumelnder Mänade
Getaumelt trunken ist und nackt zum Wonnebade.
Und denkst du dort an mich? Ob mich dein Herz vergaß,
Dieweil am Totenbett ich meines Vaters saß,
Wie seine Sonne sank in trüber Abendröte?
Als Hirte spielte ich vom Jenseits meine Flöte,
Das Jenseits hatte mir die Seele ganz betört.
Hast du mein Flötenspiel im Südland da gehört?
Ob bei dem Flötenspiel der Atem dir da stockte
Und wurdest du erregt von meiner Flöte? Lockte
Ein schöner fremder Mann dich lüstern in den Busch
Und folgtest du verhurt und huschtest lüstern, husch,
Und zogst dem fremden Mann von deinem Leib das Röckchen,
Den Venushügel gabst du preis mit schwarzen Löckchen?
Da! Infernalisch rot wie Blut das Abendrot
Und unter Donner, Blitz und Regen kam der Tod
Und rief vom Erdenrund und seinem Welttheater
Zum strengen Richtergott, ach, meinen armen Vater!
Komm du zu unserm See und lass in einem Boot
Uns wiegen schaukelnd still! Vergessen wir den Tod!
Auf diesem kleinen See lass wiegen uns im Kahne
Und Tropfen selig sein im Liebesozeane!
Das Südland lass zurück, sein heißes Sonnenlicht,
Im Südland jedes Weib doch noch die Ehe bricht,
Im Südland nackt das Weib bricht willig ihre Ehe,
Kommt irgend so ein Kerl zufällig in die Nähe!
Verzeih die Worte mir, verzeih mir meinen Brief.
Jetzt, wo zur Sommerzeit mein Vater mir entschlief,
Sei meine Wohnung du, sei meine Seelenheimat,
Wo auf das Leben, ach, die Liebe einen Reim hat,
Sei du mein Schlafgemach, wo ich willkommen bin,
Sei meiner Seele Haus, sei meines Lebens Sinn!
Dieweil im Sonnenlicht du schmilzt dahin wie Butter,
Sei du mein Vater nun, sei du mir meine Mutter!
Ach Jevi, weißt du nicht? Wenn ich zu Marcus komm,
Ich schütte dann mein Herz dem Freunde aus lammfromm,
Und ob ich jammre laut und ob ich fröhlich lache,
Ob ich dich segne fromm, ob ich gewillt zur Rache,
Mal schenk ich Eros Spott, mal preis ich Eros’ Kult,
Mein Marcus weiß genau, nur Jevi ist dran schuld!
Verlass das Südland jetzt, beschwören dich die Musen!
Im Südland einst ein Mann genoss des Weibes Busen,
Da Theseus wollte er mit Ariadne sein,
Und nach genossner Lust ließ er das Weib allein!



MILON


Ach Amor, Schelm, der du von Venus auferzogen
Und von des Wahnsinns Gott, in hohen Feuerwogen
Ging unter Ilion, der Asiaten Land,
Und Ariadne lag verlassen an dem Strand!

O Milon, höre mich und zügele dein Denken,
Ich will ein weises Wort in deine Seele senken,
Du reagiere auf die Weisheit mit Verstand,
Doch deinen Willen wird nicht brechen meine Hand.

Verlass nicht deinen Freund! Ach, suche keinen andern,
Laß nicht zu Anderen die Freundschaftsliebe wandern
Und trau den Reden nicht der Leute dieser Welt.
Den Dichter man noch stets für einen Narren hält.

In meiner Gegenwart sie sagen schlimme Dinge
Von dem Geliebten, ach, ich mühsam mich bezwinge,
In deiner Gegenwart sie lästern hoch daher,
Wie eingebildet ich und arrogant ich wär.
So tönt die Torheit laut in aufgeblasnen Chören,
Du aber sollst, mein Herz, nicht auf die Narren hören.

Vergangne Freundschaft sei für alle Zeit dein Glück,
Schau oft, bist du allein, zu deinem Freund zurück.
Dir geben nicht so viel die allzu neuen Freunde,
Die deinen alten Freund abstempelten zum Feinde.

Die Freundschaft daure fort, sie bleibt in unserm Herz.
Dann zu den Neuen geh und treibe deinen Scherz,
An manchem frohen Spaß, an Lustigkeit dich freue.
Dir hält doch keiner so wie ich im Geist die Treue.

Ich bin des Wassers Flut, der dunklen Wasser Flut,
Du bist die Feuersbrunst, der hohen Flamme Glut,
Ob du gelodert auch, ich bin hinweggeschwommen,
Wir können nimmermehr, ah weh, zusammenkommen.

Ich bin nicht zornig, Schatz. In Überlegenheit
Des weisen Geistes ich erheb mich übers Leid.
Verlassen hat dein Schiff den trauten Heimathafen.
Ich werde niemals dich im Zorne streng bestrafen.

O Milon, Pony du, vom Hafer bist du satt,
Komm jetzt zurück, der Stall ein Strohbett für dich hat,
Zum Wagenlenker komm, zur saftig grünen Weide,
Zum Ruhewasser komm, du meine Augenweide.

Heil dem, der Knaben liebt und liebt ein schönes Ross,
Der Katzen hat im Haus und einen Weggenoss.

Wer keine Knaben liebt, ich mein alleine schicklich,
Und Katze nicht und Ross und Freund, ist niemals glücklich.

O Milon, die Gefahr ist groß, da du nicht bliebst,
Daß erst den Einen du und dann den Andern liebst.

O Milon, von Gestalt so schön, von solchem Glanze,
Es ruht auf deinem Haupt noch von der Torheit Kranze,
Dem Wiedehopfe gleich ist wandelbar dein Herz,
Erst scherztest du mit mir, jetzt treibst du andern Scherz.

O Milon, wie ich dich gepflegt, den Fieberkranken,
Und willst du gar nicht mir mit treuer Liebe danken?
Wie half ich allezeit mit Liebe unbefleckt,
Jetzt keine Ehrfurcht mehr und keinerlei Respekt?

Der Knabe und das Ross, sie beide sind so störrig.
Der Wagenlenker liegt im Staub und jammert törig,
Doch wendet sich das Ross zu einem andern Mann
Und nimmt von dessen Hand gewillt den Hafer an.
Wir groß auch immer dir war meiner Liebe Gabe,
Von andern lässt du dich nun lieben, lieber Knabe.

Der Wahnsinn, Milon, ach, zerrüttet meinen Geist,
Seit einen andern Mann gleich fröhlich du lobpreist.
Für wenig Jahre nur hast du mein Herz getröstet.
Ihr Schicksalsgöttinnen, wie ihr mir Leid einflößtet!

Wie Eros aufersteht, wenn schwellend blüht der Lenz
Und Gottes Schönheit strahlt im Reiz der Evidenz,
Dann geht der kleine Gott auf Pilgerfahrt nach Zypern
Und schlenkert von der Hand so lässig sich die Vipern!

Doch wer dir gibt den Rat, zu lassen ab vom Freund
Und zu vergessen mich, der gilt als Amors Feind!

Man riss vom Reh hinweg das Kitz, die Zwillingskitze!
Dem Löwen gleich voll Zorn ich schleudre Racheblitze!

Nie tu ich Böses dir, beschlossen hat es Gott,
Die Providentia, da treib ich keinen Spott.
An deine Fehler denk ich nicht, du kleiner Knabe,
Ich seh dich als Geschenk und große Gottesgabe!

Tu mir kein Unrecht an, sag leise ein Willkomm
Und lächle lieb mich an und küss mich froh und fromm,
Ich will mich selber ja, ach, allzu gerne täuschen
Und träumen noch den Traum des Liebesglücks, des keuschen.
Du aber wie ein Gott, wie Amors Pfeile, flieg,
Ruf bei dem andern Mann: Sieg, Amor, Amor, Sieg!

Ach, Milon, quäl mich nicht, erbarm dich meiner Schmerzen,
Zum Totenreiche zieht es mich mit Weh im Herzen,
Seit du mir nicht mehr süß die reine Liebe schenkst.
Sei doch so lieb, mein Schatz, dass du noch an mich denkst.

Mein Schatz, du fliehst vor mir? Nacheilen möchte ich eilig
Und kommen an das Ziel und Liebe feiern heilig.
Doch leidenschaftlich du und übermütig du,
Du lachst nur über mich und meine träge Ruh.
Bleib bei mir, Amors Bild, du schönste Frühlingsblüte!
Doch weh mir! Dich ruft fort die goldne Aphrodite!

Erkenne doch im Geist: Die Kindheit fort und fort
Ist wie ein Wettlauf, wie ein Wettbewerb im Sport,
Sie eilt so schnell dahin wie Lenzes schöne Blüte,
Wie Liebe flieht, das lehrt dich einst noch Aphrodite,
Wenn Aphrodites Macht dich einst verwunden wird,
Wie ich verwundet bin, vom Lämmlein wund der Hirt,
Dann aber sieh dich vor, dass nicht in deinem Städtchen
Zu früh du dich ergibst und keinem losen Mädchen!

Wie bin ich doch enttäuscht, dein Licht mir nicht mehr scheint,
Geworden bist du nun des andern Mannes Freund,
Vergessen hast du mich und abgelegt die Achtung,
Wie auch der andre Mann mir spottet mit Verachtung.
Ach, früher warst du nicht der Freund der Andern, nein,
Mein Liebling warst du da und ich dein Freund allein.
Doch wenn du willst, behalt die neuen Freunde eben,
Ob Glück dir widerfährt und Lust im neuen Leben.
Zurückgewiesen ich, weil es dem Gott beliebt,
Nie aber kommt ein Mann, der so wie ich dich liebt!

Wie elend ich und arm, verlassen von dem Gotte,
Wie ward den Feinden ich zum Hohn doch und zum Spotte,
Und meine Freunde auch nicht dulden meine Schmach,
Seit mein verliebtes Herz vor tiefem Kummer brach!

O Milon, Venus hat die Schönheit dir verliehen,
Nun lass ich dich, mein Schatz, in weite Ferne ziehen,
Gedenke nur daran, wie schwer mir ist ums Herz,
Wie Aphrodite mir bescherte nichts als Schmerz!

O Venus Cypria, mach Ende meinen Leiden!
Cythere Cypria, ich bitte dich bescheiden,
Du mach mein Herz erneut in diesem Frühling froh,
Du liebst den Frühling doch, Cythere, liebst ihn so.
Die Trübsal nimm von mir und schenke meinem Herzen,
Daß ich noch einmal darf vor meinem Tode scherzen!
Die Kindheit ist dahin, dahin der Jugend Brunft!
O Venus, schenke mir die göttliche Vernunft!