Von Josef Maria Mayer
„Von mir erführen sie den Weg der Liebe.“
(Goethe)
ERSTER GESANG
Die Mutter war mit siebzehn Jahren
Noch fast ein Kind, als sie gefreit,
Sich mit dem Herren Rat zu paaren
Als eine junge Jungfraun-Maid.
Sie war so lebhaft wie das Leben,
Poetisch wie ein Abenteuer,
War launenhaft in allem Streben,
In allem Lieben voller Feuer.
Sie war bereit, mit ihren Kindern,
Mit ihrer Tochter und dem Sohn,
Ein Kind zu sein; ungleich den Sündern,
Die Kinder anschaun voller Hohn.
Kornelia, die Tochter, kam
Ein Jahr nach Johann Wolfgang an.
Das Weib war keusch in Scheu und Scham,
Ein edler Ritter war der Mann.
Das weibliche Geschlecht mag schwächer
An Kräften sein, doch angenehm
Und süß wie Honigmilch im Becher,
Ist auch der Becher nur von Lehm.
Die Mädchen sind ein Freudenborn
Und Friedenskinder sind die Schönen,
Die, kennen sie auch manchmal Zorn,
Doch immer wieder sich versöhnen.
Die kleinen Freunde balgen, streiten,
Sie heben die geballten Fäuste.
Die Mädchen haben sanfte Leiden
Und wissen immerdar das Neuste.
Zu sticheln wussten sie, zu mäkeln,
Doch auch mit sanfter Hand zu tätscheln,
Des kleinen Träumers Träume-Häkeln
Wohl zu bewundern und zu hätscheln.
Wie wirkt auf Kinder Schönheit schon,
Auf alle Sinne und das Herz,
Gewinnt uns eine durch den Ton,
Die andre durch den süßen Schmerz;
Der einen liebliche Figur
Ist bei der anderen der Blick,
Ist da der Seele Frohnatur
Und dort das Herz in Leid und Glück.
So ward der Knabe in den Mädchen
Des Guten sinnlich-schön gewahr,
Sie waren ihm in Dorf und Städtchen
Als wie Verheißung und Gefahr.
Die Mädchen aus der Schwester Kreis
Sich gerne auch zum Sohn gesellen,
Der schaute sie so schön und leis,
Die Mädchen, Jungfraun, Demoisellen.
Die Charitas von Worms gefiel
Aus seiner Schwester Kreis ihm gut,
Empfindsam war ihr Mienenspiel
Und keusch war ihrer Wange Glut.
Lisette war sehr angenehm
Und gar sehr lieblich anzuschauen
Wie die Marie von Bethlehem,
Dem Inbegriff der holden Frauen.
ZWEITER GESANG
Die Einsamkeit ist meine Trauer,
Wenn ich verwildert lieg am Fluß,
Im Walde unter Blütenschauer,
An meine Lieben denken muß.
Der Zephyr säuselt fort und fort
Durch leere weltverlassne Mauern,
Er schwillt, er stürmt, er wird zum Nord,
Er bläst mich an in wildem Trauern.
Weh mir! ich werde melancholisch,
Der ich mit Eulenaugen starre.
Die Schwermut bläht sich hyperbolisch,
Der ich auf kleinste Freuden harre.
In Veilchen such ich Nachtigallen,
Der schwarze Rabe krächzt: Remember!
Die dunklen Traurigkeiten wallen
Wie düstre Nebel im November.
Das war der Bote erster Liebe,
Wo Angst und Hoffnung in der Brust,
Traumbilder schweben vor dem Triebe
Als Inbegriff der Lebenslust.
Unglücklich Liebender gedenke,
Die beten ohne Hoffnung an,
Daß sich die hohe Fraue schenke
Dem armen unglücklichen Mann.
Da ist es Gnade, wenn sein Vers
Mit seiner Liebessehnsucht Reim
Sich betten darf an ihrem Herz,
Ist wie am Musenberg daheim.
In jener Zeit der Ostermesse,
Da Auferstehung uns errette,
Da sah er durch der Tränen Nässe
Die wunderliebliche Anette.
Er sagte ihr: Ich hab dich lieb
Wie Rosen lieben Nachtigallen!
Sie nahm es an wie Vogelpiep,
Ließ sich’s als Schmeichelei gefallen.
An Heirat war ja nicht zu denken,
Doch unterhaltend und belehrend
War er, ihr seine Weisheit schenkend,
Sie allezeit als Jungfrau ehrend.
Sie machte ihm doch viel zu schaffen
In lauter Freuden, lauter Qualen.
Eroten nahten ihm mit Waffen,
Die ihm die Seelenruhe stahlen.
Sie war ihm Dienerin und Herrin,
Dem Hausfreund gut die Freundin scheint.
Doch seine Seele, diese Närrin,
Vertraute oft sich ihrem Freund.
Mag auch ein andrer Mann umwerben
Die kleine Schönkopf als Galan,
Mag er vor lauter Feuer sterben,
Mir hat sie Liebes angetan!
Und bringt er ihr drei Äpfel auch,
Daß er der Schönsten Schönheit preise,
Sie kommen doch in meinen Bauch,
Die Liebe sorgt für meine Speise.
Gerechter Himmel! welch Vergnügen,
Mit Liebchen sich allein zu wissen!
Studieren sie in allen Zügen
Und weise ihren Mund zu küssen!
Vier Stunden sind so schnell vergangen,
Wie Tau an Wasservogels Schnabel,
Wie Hauch von Rot auf ihren Wangen
Und wie des Menschenleibes Adel!
Wie machte diese Zeit mich glücklich!
Ihr Busen wärmte meine Brust!
Zehntausend Küsse, keusch und schicklich!
Ich flog vor ungeahnter Lust!
Das ist ein Minne-Abenteuer,
Der Ritter huldigt ihrer Jugend,
Und alles glüht von keuschem Feuer
Der Liebe in der reinsten Tugend.
Fast bin ich schon ihr Bräutigam
Und fast schon ist sie meine Braut.
O Hauch von Röte ihrer Scham,
Wenn sie vor Wollust glühend schaut!
O wenn vor Lust die Wangen glühen,
Das Auge senkt sich immer scheuer,
Um diesen Lohn für meine Mühen
Durchwandre ich das Fegefeuer!
Doch ist sie schwach wie alle Frauen,
Will sich an einen Gatten binden.
Da lohnt der Ritter ihr Vertrauen,
Bereit, sich selbst zu überwinden.
Wenn bange ihre Seufzer fliegen
Und wünscht sie, ganz sich hinzugeben,
Dann muß der Ritter männlich siegen,
Sich überwinden ohne Beben.
Auf daß die Frau nicht untergehe,
Muß jederzeit der Mann verzichten!
Was ist ein Ritter in der Ehe?
Will denn der Dichter nicht nur dichten?
Ich bin zu stolz, um was zu büßen,
Ich glaub, die Macht der Liebe rettet!
Sie ist so stolz, zu ihren Füßen
Zu sehn den Sklaven angekettet!
Die Eifersucht ist höllenheiß,
Ich sollte sie damit nicht plagen,
Des Eifersüchtigen Auge weiß
Mehr als das Aug des Herrn zu sagen!
Begierig war ich, sie zu sehen,
Doch wollt sie die Begier nicht lohnen.
Kaltherzig ihre Blicke gehen,
Sie mocht den Liebenden nicht schonen.
Da ward ich so erregt vor Wut,
Da ward ich hitzig, zornig, zag,
Da fiel mich an die Fieberglut,
Daß ich am Abend niederlag.
Da ward ich Armer zur Tragödie,
Geschlagen von des Schicksals Bann!
Sie ging zu Lessing, zur Komödie
So froh mit einem andern Mann.
Das Fieber fiel mich an mit Frost,
Ein Fieberfrost hat mich geschüttelt.
Doch bei der Kunde jener Post,
Ward ich von Feuersturm durchrüttelt!
Doch still! sie reichte mit der Linken
Mir lässig hin das schlimmste Gift,
Ich muß den Schierlingsbecher trinken
Und schreiben Testamentes Schrift.
Mein Freund, o laß mich schreiben, schreiben,
Als Dichter will ich ihr verbrennen,
Sonst würd ich großen Unsinn treiben
Und gegen eine Mauer rennen.
Wie werd ich diese Nacht verbringen,
Vor der mir wie vorm Teufel graut?
Doch werde ich vor allen Dingen
Gleich morgen früh beschaun die Braut.
Mein Herz wird heiß und heftig pochen,
Mir treten in die Augen Tränen,
Werd sehn ich ihre Wangenknochen
Und um die Wangen ihre Strähnen.
Dann werd ich denken: Gott verzeih,
Geliebte, ich will dir verzeihen!
Und jeden Herbst und jeden Mai,
Den du mir raubst, will ich dir weihen!
All diese Wonnen, alle diese
Entzückungen und alle Zweifel,
Sind in uns! alle Paradiese
In uns! wir sind uns selber Teufel!
Sie kam, sie fiel mir um den Hals:
Verzeihe mir! und ich vergab!
O holde Königin des Alls,
Mein Himmel du und du mein Grab!
Sie hat an meinem Hals gehangen,
Vergalt mir alle meine Qualen!
Zum Segen ward mir alles Bangen,
Wollt sie mit Küssen mich bezahlen.
Ich bin ein Narr, ich bin ein Tor,
So sagt es jedenfalls Anette.
Doch bin ich gut, der ich beschwor
Die Frau beim frommen Amulette.
Wie sollte seine Liebe enden,
Was war der Liebe letztes Ziel?
Wer hielt ihr Schicksal in den Händen?
War alles nur der Götter Spiel?
Ach durfte er denn ihr Vertrauen
Und ihre Liebe von sich stoßen?
Was macht ein Dichter mit den Frauen,
Was Nachtigallen mit den Rosen?
Es ist ein Gift in ihren Küssen!
Was müssen sie so süße sein?
Nur Eine Stunde auf den Kissen
Wiegt auf Jahrhunderte von Pein!
O Freund, ich sag mir oft: wenn sie
Die Meine wär fürs ganze Leben?
Doch denk ich es zuende: Nie
Darf Gott mir die Anette geben!
Da kam der Blutsturz über ihn,
Da fühlte er die Grabesnähe,
Er sah den Tod, hat Blut gespien,
Da war so fern, so fern die Ehe.
DRITTER GESANG
Wie gut, ein freies Herz zu haben,
Nachdem man Liebestod gestorben.
Doch werden großer Freuden Gaben
Durch große Mühen nur erworben.
Ist weich das Herz, so ist es schwach,
Da schlägt es warm an meine Brust,
Die Augen drücken Tränen, ach,
Da sitzt man da in weher Lust,
Da sitzt man da in weher Wonne,
Wenn Tränen fließen. Blumenketten,
Sie binden uns an die Madonne
Und kein Verstand kann uns erretten.
Die Liebe kommt, die Liebe flammt,
Die Liebe glüht, erlischt wie Feuer.
Der aber aus dem Feuer stammt,
Wird im Sich-selbst-Verzehren neuer.
Wie Mädchen alle Mädchen leben,
Der Mann ein wahrer Mann sein muß.
Doch Liebe kann nichts andres geben
Als gegenwärtigen Genuß.
Du liebst, o Herz, wie wirst du lieben?
Freu dich der Liebe Gegenwart!
Von allem Glück ist nichts geblieben,
Verflog wie Tau auf Blumen zart.
Viel Schönes ist ihm doch geblieben,
Viel Schönes wird noch zu ihm treten.
Manch schönes Lied hat er geschrieben,
Das kommende Geschlechter beten.
Die Liebe ist fatal! Das Glück
Und Unglück kommt aus Gottes Hand,
Aus Gottes Hand kommt das Geschick,
In Gott der Stern der Stunde stand.
Wie Elieser resigniere
Und weih der Weisheit deine Seele:
Wer wird dir tränken auch die Tiere,
Wer führt zum Brunnen die Kamele?
Du wende dich zu Gott dem Vater
Um Hilfe als ein Gottesmann.
Läßt wer sich raten nicht vom Rater,
Ach der ist wahrlich übel dran.
Auf also nun nach Sesenheim,
Zu Vater Brion an den Rhein,
Der da in der Pfarrei daheim,
Bei der Familie Gast zu sein.
Der Arm von Vater Rhein war nah
Und auch die Schwarzwaldberge grüßten,
Obstgärten schauten fruchtbar da
Und Blumen in den Gärten sprießten.
Mit achtzehn Jahren Friederike
Wie junges neues Leben lacht,
Von einem ihrer Sonnenblicke
Sind Johanns Geister aufgewacht.
Sie war so hoch und schlank gewachsen,
Mit blassen Wangen, schön errötend,
Anmutig wie die Fraun von Sachsen,
Nicht wie die Fraun von Sachsen tötend.
Die blauen Augen schauen nieder,
Das reiche blonde Haar in Flechten,
Von weißer Farbe Rock und Mieder,
Wie er geträumt in manchen Nächten.
Da sah er sie und mußte scheiden,
In Hoffnung, wieder sie zu sehn,
An der Gestalt den Blick zu weiden,
Denn sie war gar zu lieb und schön.
Sei ruhig, liebes Herz, denn mild
Steht alles Himmelreich dir offen,
Sie gab dir ja ihr Schattenbild
Und heißt dich glauben, lieben, hoffen!
Er sang ein Lied, daß er sie rühre,
Er sang vom süßen Stelldichein.
Jetzt spürt der Engel, was ich spüre,
Jetzt ist sie ganz von Herzen mein!
Gott lehr mich, ihrer würdig sein,
Verehre ich die Makellose,
Ein Kuß wär süßer mir als Wein,
Schau ich die schöne junge Rose.
Auf meine Lieder sie begierig,
Sie sang so gern, so süß im Freien,
Er kannte alte Lieder schwierig
Und sang auch neue ihr im Maien.
Er schickte viele Lieder über
Und über, alles rosenrote,
Er schickte sie, doch vielmals lieber
War er sein eigner Liebesbote.
O allerschönste Frühlingstage,
Die sie zusammen da genossen!
Die Blüten schimmerten so vage,
Die jungen starken Stämme sprossen.
Zusammen durch die Lenzgefilde
In lauter Liebe hinzuschweifen,
O welche Seligkeit! wie milde
War Liebesglück umher zu greifen!
Sei ewig glücklich! sang er ihr,
Sie war sein blühendes Ergötzen.
Doch manchesmal auch einsam hier
Durchrann ihn eisiges Entsetzen.
Den früheren Gedanken denkend,
Daß alles das Gefühl vergänglich,
Daß finsteres Geschick uns lenkend
Den Tod bereitet, stimmt ihn bänglich.
Gefühle haben keine Dauer!
So haben wir nur Augenblicke!
Fleuch aus der Seele, dunkle Trauer!
O küss mich, küss mich, Friederike!
Wo er so selig ganz im Grunde,
An ihrer Liebe sich zu weiden,
Da nahte schon die Abschiedsstunde,
Der Dichter mußte wieder scheiden.
Mein Kopf ist eine Wetterfahne,
Windstöße und Gewitter brausen,
Wenn mir nach des Geschickes Plane
Die Bilder so im Herzen sausen!
O Glück der Liebe! Ja wie gut
War Friederikes Tun und Treiben,
Wer wollte da nicht voller Glut
Für immer an dem Herde bleiben?
O wer es nur genießen könnte!
Da muß der Fromme sich erbauen,
Es wandeln sich die Elemente,
Dem Augenblick ist nur zu trauen.
O draußen Regen, drinnen Regen,
Ich les den griechischen Homer.
In all dem lautern Liebessegen
Ist mir mein Herz gewitterschwer!
Die angenehmste Gegend, Leute,
Die lieben mich, der Freunde Kreis,
Erfüllen sich nicht herrlich heute
Der Kindheit Träume, Gott zum Preis?
O Horizont von Seligkeiten
In zauberhaften Elfengärten!
Doch wenn Gedanken näher schreiten,
Da muß man melancholisch werden.
O wer bewahrt vorm Mißmut uns
In tausendfachem Lebensleide?
Und Friederike süßen Munds
Sah daß der Freund und Dichter scheide.
VIERTER GESANG
Von Shakespeare war sein Schädel voll
Und von dem heiligen Homer,
Koran und Ossian erscholl,
Er wanderte durchs Rote Meer,
Wallfahrte, Muschel an dem Hut,
Die Wüste durch an Moses Hand,
Es zog der Feuersäule Glut
Voran ihm ins Gelobte Land.
Unsteter Pilger ohne Rast,
Durft er kein Weib schon an sich binden,
Er mußte seines Schicksals Last
Ertragen und des Dämons Sünden.
Wohl sah er andrer Menschen Glück
In ihrem stillbescheidnen Haus,
Der Mutter und des Kindes Blick,
Und ging ins Freie doch hinaus.
Sie sorgen sich um ihre Speise
Und ein Geschlecht hervorzubringen,
Doch Johann auf der Lebensreise
War nur bestimmt, sein Lied zu singen.
Die süße Mutter sah er gern
Mit ihren schwärmerischen Augen,
Mit ihres Blickes Meeresstern,
Den Sohn an ihrem Busen saugen.
Sie lud ihn ein zum Abendmahl,
Als noch ihr Gatte nicht zuhause,
Da saß er in dem Tempelsaal
Vor ihr beim götterfrohen Schmause.
Doch ruft das Schicksal ihn vom Ort,
Ihn ruft die innere Natur
Von Frau und Kind und Hütte fort,
Zu wallen auf der Pilgerspur.
Er muß zum Cuma der Sibylle,
Dort wird ihm wehn des Schicksals Wind
Zuletzt in eines Abends Stille
Zu jener Mutter mit dem Kind.
Doch noch war er ein Aar, getroffen
Von eines wilden Schützen Pfeil,
Darnieder lag sein frohes Hoffen,
Da bangt ihn um des Herzens Heil.
Er war am Leben und gesund,
Doch seine Schwingkraft weggeschnitten.
Er lag am Grund, so weh und wund,
Und hat die Schmerzen durchgelitten.
Die Weisheit aber, eine Taube,
Sie sprach von Selbstgenügsamkeit.
Und Johann ging in Herders Laube
Zu weiblicher Empfindsamkeit.
Da blickte er in Frauenseelen,
Wie er sie nie bisher gekannt.
Er sah der stillen Gluten Schwelen
Und schaute ein Gelobtes Land.
Sie waren schwach wie andre Frauen,
Voll Sehnsucht nach dem Idealen,
Es in der Seele anzuschauen
Und es im Leben abzumalen.
Wie innerliche Pietisten
Und mystische Gemüter auch,
So gingen diese schönen Christen.
Und alles unterm Mond war Hauch.
Sie liebten Klopstocks zarte Seele
Und wollten zur Natur zurück,
Das Gras war edler als Juwele
Und Milch und Beeren höchstes Glück.
Und ihre süße Seelenspeise
War Freundschaft, Liebe unter Freunden,
Die sie die Hände küssten leise
Und überschwänglich einsam weinten.
Sie sahen in der Seele Tiefe,
Ein Seelenkern war ihnen sicher.
Sie schrieben lange, lange Briefe
Und umfangreiche Tagebücher.
Mit aller Zärtlichkeit von Mädeln
Mit dem ästhetischen Bekenntnis
Versuchten sie sich zu veredeln
Durch seelenvolle Selbsterkenntnis.
Da schaute er im bunten Kleid
Psyche im schönen Sonnenstrahl,
Da hat er mit Gesang geweiht
Den Felsen ihr in einem Tal.
Da sah er auch Urania
Im blühenden Elysium,
Da alle Götterschönheit nah -
Ach warum n u r Elysium?
Da schaute er des Schlosses Turm,
Da lebte Lila hold und heiter,
Umstürmt von einem Wettersturm
Der Wandrer aber mußte weiter.
FÜNFTER GESANG
Er kam nach Wetzlar an der Lahn,
Zu Hügeln und zu Hügelhängen,
Bei Gassen, Treppen, Brunnen an
Mit einem Herzen voll Gesängen.
Das liebe Tal, die vielen Höhen
Den Wanderer ins Offne locken,
Die grünen Wälder anzusehen
Und Mühlen, Klöster auch mit Glocken.
Und Wetzlars Damen machen Hof
Und jede hält sich den Galan,
Der sei Poet, sei Philosoph,
Geld aber hab der Ehemann.
Da ward der Dichter melancholisch
Und ging so einsam hin und her,
Die Trauer stimmte alkoholisch
Das Herz ihm, welches öd und leer.
Da lud man ihn zu einem Ball,
Da sah er Demoiselle Charlotte -
Da schoß den Pfeil durchs Sternenall
Die Grausamkeit vom Liebesgotte!
Sie war so frisch und unbefangen,
So frei von jeder Prüderie,
Ein heitres Lächeln auf den Wangen
Entflammte seine Sympathie.
In ihren Augen alles Schöne
Ward durch ihr Auge schöner noch.
Es lag das Glück der Menschensöhne
Versklavt vor ihrem Wangenjoch.
So schlank gewachsen und gesund
Und blondes Haar und blaue Augen,
Er wollte von dem Musenmund
Die Küsse der Begeisterung saugen!
Beim Tanz die ganze Sommernacht
War ihre Laune seine Wonne,
Die Freundlichkeit und Seelenpracht
War Licht wie eine zweite Sonne.
Die ganze Sommernacht beim Tanz
Flog er aus seinem Herz hinaus,
Erwarb sie sich den Dichter ganz,
So trat er in ihr Deutsches Haus.
O wie sie stand als Jungfrau-Mutter
Im Kreis der Schwestern, ihrer Kinder,
Zu reichen ihnen Brot und Butter
Und Gottes Liebe für die Sünder!
Die hungrig waren, nährte sie,
Sie hatte Trauben allen Mäulern,
Den Traurigen gab Tröstung sie
Und reinigte von Glockensäulern.
O Lotte unter den Geschwistern,
Da mußt das Herz dem Frommen pochen,
Der fern Gesetzen von Philistern,
Die dem Philister war versprochen.
Ein tätiger, ein tüchtiger,
Ein guter Mensch, wie Lotte dachte,
Der Dichter nur ein flüchtiger
Geselle, der nur Lieder machte.
Da trat der Dichter zu den Kindern,
Erzählte ihnen alte Märchen
Von Deutschen, Arabern und Indern
Und von dem frohen Hochzeitspärchen.
Er konnte wie ein Jäger pirschen
Und wie ein Räuber Schätze suchen.
Die Kinder liebten auch die Kirschen,
Die Kinder liebten auch den Kuchen.
Auch sah man oft den Dichter trippeln
Der Herrin nach mit treuen Blicken,
Sah sklavisch ihn die Bohnen schnippeln
Und knechtisch ihn die Birnen pflücken.
Auch gingen sie hinaus zum Heu,
Das Heu in Haufen aufzuhäufen.
Wie Weizenmohn die Jungfrau scheu,
Er schien in Wonne zu ersäufen.
Bewunderung verbarg er nicht.
Soll man nicht lieben solch ein Mädchen?
Der andre Mann soll das Gedicht
Ertragen, das er sang dem Mädchen!
Worauf geht das hinaus? du spannst
Sie gar dem Anderen noch ab?
Der Tag, der sie mir gibt, du kannst
Mirs glauben, wär der Liebe Grab!
Ich bin nun gar der Narr, der Narr,
Ich bin der Liebe grüner Tor,
Der ich Besonderes erfahr
Durch Sie, der Liebe Rosentor!
Hochachtung vor den Frauenzimmern
War Johann eigen, der die Weiber
Sah dunkeln vor der Dame Schimmern,
Die war die Seele unter Leibern.
Er selber war ja abgesondert
Und flehte zu der Hochgestalt,
Die wie ein Wunder ihn verwundert,
Die wie die Schöpfung mannigfalt.
Er sehnte sich nach tiefer, reiner,
Geistvoller Liebe zu der Einen,
Das wußt in Wetzlars Gassen keiner,
Das fühlten nur die Seelenreinen.
Sie mußte das Verlangen spüren,
Und sie empfing die Schmeichelei
Als Huldigung in holden Zieren
Und glühte selber süß wie Mai.
Nur Narren werden sich beklagen,
Sie dürften nur den Handschuh küssen,
Sie werden sich den Kopf einschlagen,
Wenn sie mit Keuschheit leben müssen.
O Genius des Vaterslands,
Laß einen Dichterjüngling blühen,
Der wert des Ruhmes Lorbeerkranz
Allein durch keusches Minneglühen!
Sei nicht nur schön die Göttin, nicht
Nur kalt sie halte sich zurück!
Wenn er verehrt ihr Lebenslicht,
Sei sie sein Elend und sein Glück!
Er jauchze unbezwungnen Herzens,
Dann freun wir uns des Flatterhaften,
Dem nicht genügt das Glück des Scherzens,
Der will das Leid der Leidenschaften!
O Genius des Vaterslands,
Ihn finden laß, die seiner wert!
Sei ihr Gemüt der Güte Glanz,
In höchste Anmut eingekehrt!
Unwiderstehlich reiß ihr Herz
An sich den Dichter und den Weisen.
Sei ihre Demut groß im Schmerz,
Sei ihre Schönheit hoch zu preisen!
Wenn sie in Einsamkeit empfindet,
Daß etwas ihr zur Freude fehle,
Dann gib, daß sie der Dichter findet
Und gibt sich als Geschenk der Seele!
Und wenn sie auf den Lebensbahnen
Geleitet vom Geschick sich finden,
Laß du sie augenblicklich ahnen,
Daß Amor säuselt in den Winden!
Sein Ideal war Lottes Bild,
Und war sie gut, wuchs seine Liebe,
Und hielt sie sich zurück, ward wild
Und ungestüm die Kraft im Triebe.
Auch neckte Lotte ihn aus Lust,
Die Macht des Weibes zu versuchen.
Was auch der Dichter tragen mußt,
Nie wird er seiner Göttin fluchen!
Und eines Abends sie gestand
Dem Anvertrauten einen Kuß,
Den sie dem Dichter gab, da fand
Der Dichter seinen Musenkuß.
Am nächsten Tage sah man fliegen
Den Dichter in das Deutsche Haus,
Doch ließ man frostig links ihn liegen
Und unbesehn den Blumenstrauß.
Da predigte die schöne Lotte,
Er dürfe nichts als Freundschaft hoffen.
In Einsamkeit vor seinem Gotte
Verschmähter Liebe Tränen troffen.
Und dann in einem Abendrot,
Da blutig sanken sieben Sonnen,
Hat von dem Leben nach dem Tod
Frau Lotte das Gespräch begonnen.
O wenn wir scheiden von der Erde
Und um die Hinterbliebnen schweben -
Wenn ich als Erste scheiden werde,
Geb Kunde ich vom ewigen Leben.
Und Johann ging, er ging für immer,
Er war allein und durfte weinen,
Im heißen heulenden Gewimmer
Lag er in frostigen Gebeinen.
Weil er gegangen, war betrübt
Frau Lotte, ihre Träne rollte,
Doch hat sie ihn ja nicht geliebt,
Der mehr als ihre Freundschaft wollte.
Ins Haus der lieben Mutter eilte
Der arme Dichter jener Stunde,
Daß dort die Zeit die Wunden heilte
Erhoffte sich der Liebeswunde.
Sie schickte ihm die grüne Schleife,
In der er sie zuerst geschaut,
Daß in ihm die Erinnerung reife,
Wie sie ihm immerdar vertraut.
Auch hing ihr Bild, ihr Schattenriß,
Vor ihm an seines Zimmers Wand.
His goddess kiss was all his bliss -
Der sie in manchem Traum erfand.
Jerusalem, Jerusalem!
Der arme Mann hat sich erschossen!
Der Falter flog, es lag der Lehm,
Erlösend ist das Blut geflossen!
Der Arme! Sah ich ihn im Mondschein,
Dann sagte ich: Er ist verliebt,
Von Liebe trunken wie von Mohnwein
Und wie von Mohnwein tief betrübt.
Der Dichter aber lebte ganz
In der Erinnerung vor dem Bild,
Er sprach mit seines Traumes Glanz,
Mit seiner Göttin gnadenmild.
Verehrung der Geliebten sprießte
In jeder Nacht in seinem Bette,
Da sah er auf zu ihr und grüßte
Der Gnadenvollen Silhouette.
Und wie ein Engel Gottes schwebte
Um Johann Lottes Silhouette,
Als ob ihm die Madonna lebte,
Die malte Raffaels Palette.
Ich wandre unter Wüstensonnen
Allein mit meinen tausend Schafen,
Mein schwarzes Blut ist wie ein Bronnen,
Doch Sie fährt in den Ehehafen!
Mein Herz ist reich, mein Herz ist edel,
Doch wird zuteil mir nicht das Glück,
Laß ich aus meinem schwarzen Schädel
Der Nachwelt nur mein Lied zurück!
Brennt vor den Heiligengebeinen
Verehrungsvoll des Glaubens Flamme,
So darf ich huldigen der Einen,
Indem ich ehre ihre Amme.
So wars am Ende immer Lotte,
Die ihn beschäftigte, nur Lotte,
Vor seinem Gott bat er für Lotte,
Und Tod und Trauer war ihm Lotte!
Da dichtete er Werthers Leiden
Wie Klagelieder Jeremias,
Daß alle sich am Leiden weiden
Wie an dem Epos vom Messias.
SECHSTER GESANG
Im Karneval sah er sie tanzen,
Die Schönste aller Tänzerinnen,
Mit blonden Haaren, Wimpern-Lanzen
Cupidos und er mußte minnen.
Nicht nur die Frau von Fleisch und Blut,
Nein, auch die Phantasiegestalt
Der Ferne fachte seine Glut,
Die ihn verzehrt zu Asche bald.
Ein sehnendes, ein fühlendes,
Ein Mädchen ohne Leiblichkeit!
Ein singendes, ein spielendes
Kind Gottes liebte diese Maid!
Er liebte diese schwarze Rose
In ihrem schönen Schattenrisse,
Frei von gemeinen Lebens Prose
Das Bild bedeckten seine Küsse.
Ich will dir keinen Namen geben,
Geliebte, Schwester, Freundin, Braut,
Das Schönste du, was ich im Leben
Mit Geistesaugen angeschaut!
Ich fühl, du kannst das Stammeln tragen,
Das mich vorm Ewigen befällt.
Gott wollte aus dem Steine schlagen
Die schöne Frau zum Heil der Welt!
Adam und Eva schuf der Herr,
Ein Bild und Gleichnis, das ihm ähnlich.
Ich sehn mich nach dem Bilde. Wer
War je wie ich nach Eva sehnlich?
Vergangen und verbrannt das Gestern,
Die Zukunft liegt in schwarzen Schlünden.
Die Brüder wollen in den Schwestern
Ein Doppel und ein Gleichnis finden.
Und ob ich glücklich bin? O ja,
Ich fühle alles Glück, und nein,
Des Schicksals ganzer Grimm ist da,
Ist Liebesglück und Liebespein!
Und ob du mir verraten willst,
Wer du und wo du seist, ist gleich,
Wenn du nur meine Liebe fühlst,
Du meiner Liebe Himmelreich!
Im Karneval sah er sie tanzen,
Die Schönste aller Tänzerinnen,
Mit blonden Haaren, Wimpern-Lanzen
Cupidos und er mußte minnen.
Er mußte für die Lili glühen,
Das schöne Schönemann, das Mädchen,
Und wollt er flüchten, wollt er fliehen,
Fing sie ihn mit dem Zauberfädchen.
O meine Seele, du verachtest
Den Kerker der Philisterwelt!
O meine Seele, wie du schmachtest,
Daß Sie dich in den Armen hält!
Und ist er auch Galan beim schönen
Geschlechte lustig, froh und munter,
Ganz plötzlich hört ihn einer stöhnen
Und seine Laune sinkt hinunter.
Geschöpf mit jungem frischem Blut,
Wie schrecklich du zur Liebe zwangst!
Du unterwirfst die Liebeswut,
Doch vor der Ehe bleibt die Angst!
Kaufleute ihr und Frauchen ihr,
Die ihr so fromm seid und so zahm,
Entkleidet Lili ihrer Zier
Und nichts bleibt übrig als die Scham.
Ihr Praktisch-Reformierten, klug
Und voller Anstand frommer Sitte,
Nie Lili euren Anschein trug,
Sie war ein Engel meiner Bitte.
In Gärten wollen wir spazieren
Und an den Flüssen und den Teichen.
Von Liebe die Gespräche führen
Die Liebenden, die Ohnegleichen.
Es scheint, als ob des Schicksals Zwirn
Sich endlich glücklich knüpfen wolle,
Doch Wirrwarr ist in meiner Stirn,
Heiß ist die Brust, die liebesvolle!
O sie war lieblich wie ein Engel
Bekränzt von roter Rosenblüte,
In ihrer Linken Lilienstengel,
Schien sie mir die Person der Güte.
Doch wer kann finden reines Glück?
Da sind die Eltern und die Tanten,
Die weichen vor dem Freund zurück,
Vorm armen Dichter die Bekannten.
Der Schönemann, der Lili Mutter
War ja französisch-reformiert,
Der Dichter aber sprach von Luther
Und so als ob er Gott verliert.
Auch mag ein Kaufmann Reichtum bringen
Und ihrer Tochter Sicherheit,
Was soll das Flattern und das Singen
In aller seiner Ärmlichkeit?
Er war ein Tier aus dunklem Walde,
Das in die Straßen sich verlaufen;
Daß er der Liebe Becher halte,
Die Liebeslust wie Wein zu saufen.
Er war der armen Turtel Girren,
Die Herrin kam, ihn zu verspeisen!
In ihrem Park nicht mehr zu irren,
Versuchte er, sich loszureißen!
Der Hafen der Glückseligkeit
Und Erdenfreude einer Ehe
Schien nah, doch bin ich wieder weit
Allein in wilden Fluten, wehe!
O dieses Schweben, dieses Schwanken,
Dies angezogen, abgestoßen!
Kein Ausweg öffnet sich dem Kranken,
Der stirbt an Dornen roter Rosen!
Wird er beim besten Weibe nicht
Unglücklich werden in der Ehe?
Wenn jede Schönheit zu mir spricht,
Die ich in meinem Leben sehe?
Ich bin so unstet, wandelbar,
In meiner Brust ein stetes Gären.
Wie soll ich einem Weibe gar
Allein die ewige Treue schwören?
Wenn eine mit der Zaubermacht
Der Liebe mich zu fangen naht,
Gleich eine andre lieblich lacht,
Da weiß ich keinen Weg und Rat.
Und kommt mir neuer Liebe Macht,
Gedenk ich heiß der alten Herrin.
Hab voller Zärtlichkeit gedacht
An jede Freundin, jede Närrin.
Wenn Amor schläft, da kann man treu sein,
Doch weh, wenn Eros aufersteht!
Da wird das ganze Leben neu sein
Und alles Alte weit verweht!
Es ist doch gegen die Natur,
Nur e i n e Frau allein zu lieben,
Ist sie doch auch nur Kreatur
Und ist nicht ganz und heil geblieben.
Sie spricht nur eine Seite an,
Die andre Seite eine andre,
Drum ich von Lili Schönemann
Zu der Auguste Stolberg wandre.
Wie herrlich ist, o große Mutter
Natur, die schöpferische Pracht!
Auf Zürichs See im kleinen Kutter
Ist Lilis Bild vor ihm erwacht.
Da schwebte sie vor seinem Geist,
Wie sie die Alpenberge küsst,
Ein goldner Traum hinweg ihn reißt,
Doch hier auch Lieb und Leben ist.
O Träume, Träume, kommt ihr wieder?
Will mir dies schöne Bild nie sterben?
Es reißt mich in den Abgrund nieder
Der Liebe ewiges Verderben!
Da kam der heilige Lavater
Mit einem Schattenbilde fein:
So schuf der Höchste, unser Vater,
Die Frau - das war die Frau von Stein!
Sie sieht die Welt durchs Medium
Der Liebe, dieser Welt Theater
In ihrer Seele Heiligtum
Uns offenbart der Liebe Vater!
Ein Adler soll auf Füßen trippeln,
Statt in die Sonne tief zu schauen?
Soll denn ein Dichter Bohnen schnippeln
Fürs Gleichnis Unsrer Lieben Frauen?
Soll leben denn der Hirsch im Käfig
Und soll der Dichter Spinnen jagen?
Der Liebe Freiheit bleibe ewig
Als wie in Salomonis Tagen!
Unseligkeit des Schicksals schnitte
Mir ab des Atems Lebensfädchen,
Wenn ich begehrte goldne Mitte
Und mich verknüpfte einem Mädchen.
Verwirrter und Verlorner! Nacht
Ist Himmel gegen solchen Blinden!
In Grases Bett die Schlange lacht,
Ich bin wie Kain in seinen Sünden.
Ich habe auf der Stirn dies Zeichen
Der Rast- und Ruhelosigkeit,
Ich muß mich dem Orest vergleichen,
Dem Furien gewirkt das Leid!
Oh werd ich einmal im Genuß
Erfahren meine Seligkeit?
Der ich so hitzig stürmen muß
In überspannter Sinnlichkeit?
Ich streck zum Vater meine Arme,
Zum höchsten namenlosen Wesen,
Daß sich der Ewige erbarme,
Aus meinem Elend mich zu lösen!
Wie dick die feuchten Qualme qualmen!
Erlös mich von des Lebens Not!
Ich sing voll Lust dir meine Psalmen
Und sterben muß ich Liebestod!
O sende deinen tiefen Frieden
In meinen Busen unverwandt.
Doch wieder geißeln Eumeniden
Mich zornig aus dem Vaterland!
O Freiheit aus Gefangenschaft,
Daß wieder ich im Walde sei!
Mit eines Bären Leidenschaft
In schöner Herrin Tyrannei!
Er mußte Lili kurze Zeit
Entfliehn, er wollte wieder frei sein
Von sklavischer Gebundenheit,
Im Herzen sollte wieder Mai sein.
O Liebe, Liebe, laß mich los!
Doch bindet ihn der Liebe Fessel,
Wenn sie vor ihm so makellos
Madonnenähnlich saß im Sessel!
O immerdar und ganz und ewig
Der heiligen Liebe bin geweiht!
Laß deinen Hirsch aus deinem Käfig,
O Herrscherin, o schöne Maid!
Die weibliche Gewöhnlichkeit
Ernüchtert dann in ihr zu sichten,
Die Mittelmäßigkeit im Kleid
Des Alltags, führte zum Verzichten.
Auguste! Idealgestalt
Der Ferne, laß du dich verehren!
Du meine Hilfe, du mein Halt,
Mein Leuchtturm in des Lebens Meeren!
Es ist doch wie Gebet so tief
Zu Heiligen in sieben Himmeln,
Was ich dir anvertrau im Brief,
Das Herz in all dem Letternwimmeln.
Den Engel meiner Sehnsucht grüßen
Will ich, sieh du die Feder fliegen,
Ich eile, um vor deinen Füßen
Als dein Verehrer fromm zu liegen!
Das Mädchen, das mein Unglück ist,
Mein Unglück, ohne ihre Schuld,
Die eines Engels Seele ist,
Ertrag mich heiliger Geduld!
Ich liebe Lili, meine Taube,
Ich sterbe ihr den Liebestod!
Und du, Auguste, bist mein Glaube,
Errette mich aus tiefster Not!
Der ich die eine liebte, wußte
Von der Vergeblichkeit betrübt
Und wußte auch, daß wie Auguste
Kein andres Mädchen mich so liebt!
O grausam, feierlich und süß
War mir in dieser Schicksalsstunde.
In Mond und Nacht ein Paradies
Und ich verweint der Liebeswunde.
Nicht ruhig bin ich, aber still,
Ich laß mich auf dem Meere treiben,
Der ich das Ruder halten will
Und muß, daß ich gestrandet, schreiben.
Ich kann von Lili doch nicht lassen
Und muß ich an der Frau auch sterben!
Er wollte ewig sie umfassen
Und sprach, um ihre Hand zu werben.
Die reformierte Mutter aber,
Sie lehnte ab sein Luthertum
Und in geselligem Palaber
Zerstörte sie sein Heiligtum.
Adieu nun, Lili, nun Adieu!
Allein nun meine Rolle spiel ich!
Und, blaue Blume aus der Höh,
Wie scheide ich von dir? was fühl ich?
Unschuldig in der Schuld ich winde
Mich durch die dunkle Welt allein.
Am siebenten November finde
Ich mich im schönen Weimar ein.
SIEBENTER GESANG
Die Frau von Stein war dreiunddreißig
Und reich an trauriger Erfahrung.
Die Schönheit ihres Wandels preis ich
Euch als geheime Offenbarung.
Im leichten Zephyrgang der Dame
Erregte sie Bewunderung.
Die Braut von ihrem Bräutigame
War nicht wie lose Mädchen jung.
O südlich-brauner Ton der Haut,
O ihrer Wangen schöne Röte!
Ein großes dunkles Auge schaut
Durchdringend in die Seele Goethe.
Wohlklingend-angenehm die Stimme,
Gleichmäßig-ruhig ihre Sprache.
Versöhnung war sie allem Grimme,
Erlösung allem Ungemache.
Die Wehmut ihres Blickes sprach
Von trügerischer Hoffnung nüchtern,
Die sie mit dieser Welt längst brach
Und lebte in der Welt von Dichtern.
Und Goethe saß mit ihr am Feuer,
Die Flamme schien auf ihre Wangen.
Da ward er eingeweiht als treuer
Verehrer und ward hold empfangen.
Daß er die Freundschaft nicht verhehle
Und Freundschaft nicht von Liebe scheide!
Wie liebenswert die schöne Seele
Und welche reine Augenweide!
Sie sah den Dichter anders nicht
Als durch der Liebe Medium.
Der Gatte war gewöhnlich, schlicht,
Ungeistig, praktisch, einfach stumm.
Der gute Doktor Goethe brachte
Viel Lust mit, Kinder zu erfreuen,
Die kleine Schar der Söhne lachte,
Die Mutter ließ sich auch zerstreuen.
Doch sah er sie als Mutter nicht,
Ihr Gang war eher mädchenhaft.
Und die sie von Entsagung spricht,
Erfuhr noch keine Leidenschaft.
Sein alter Traum will sich erfüllen
Uneigennützig-reiner Liebe.
Hier lagen nicht vorm stolzen Willen
Des Götzen hingegebne Triebe.
Vielmehr die Frau von Stein ermahnte,
Er solle sich ein Mädchen freien.
Ihm aber solche Liebe schwante,
Daß sie wie reine Geister seien.
Ich leide so, daß ich dich liebe,
O liebe Frau, ich will’s dir klagen,
Und wenn ich eine Andre liebe,
Dann brauch ich dich nicht mehr zu plagen.
Nun bist du da, geplagt zu werden,
An meiner Liebe dich nicht härme,
Gib nur mit freundlichen Gebärden
Auch mir, ach, nur ein wenig Wärme!
Und wenn ich dich nur lieben darf,
Ist mirs genug, ist mirs ein Wunder,
Der ich noch deiner Hoheit harf,
Geh ich ins Totenreich hinunter.
Du einzig Weib in meinem Leben,
Du meiner Liebe goldner Morgen!
Und weil die Frau von Stein vergeben,
Nichts von prosaischem Versorgen.
Und reimte Wieland auch ironisch
Und sah am Werk die ganze Arma
Cupidos, Goethen war platonisch
Die Liebe zu der Frau sein Karma.
Sie war mir Schwester oder Frau
In einem abgelebten Leben.
In meiner Seele lebt die Schau,
Wie wir uns ineinander weben.
Die Feste, die Verzichtende,
Die Gütige gab immerzu
In seine rastlos dichtende
Verliebte Seele solche Ruh!
O Engel du des Himmels, du,
Du wandelst gnadenhaft hienieden.
Rastlosen bringst du tiefe Ruh
Und Ruhelosen tiefen Frieden.
Er ging ja nicht nach alter Sitte
Und hergebrachter Sittlichkeit,
Gewährt dem Herzen jede Bitte
Gradliniger Wahrhaftigkeit.
So hat er Stella auch gedichtet,
Nicht um die Ordnung festzuschreiben,
Zu schreiben nur, was er gesichtet
In seines Herzens wildem Treiben.
Und war die Frau von Stein vermählt
Mit ihrem Oberhofstallmeister,
Von Liebe der Poet beseelt
Und frei im Seelenbund der Geister.
So war sein Motto: Alles Liebe!
Um Liebe alles! war sein Siegel.
Nichts anderes dem Dichter bliebe
Als seines Dichterrosses Flügel.
Sie aber bat ihn: Sag nicht Du,
Es wäre übel auszulegen.
Und gehn Sie nicht mit solcher Ruh
Auf meines Ehemannes Wegen.
Ach wenn der sanfte Sittenlehrer
Gekreuzigt ward an seinem Kreuz,
So wird der minnige Verehrer
Zerrissen durch des Glückes Geiz!
Doch konnte sie nur Stunden zürnen,
Kam er im Übermaß der Liebe.
Dienstwillig brachte er die Birnen
Und huldigend die Blumentriebe.
Er bat sie oft um ihren Rat
Und schenkte ganz ihr sein Vertrauen,
Wie sie sich ausgesprochen hat
Und ließ ihn in ihr Innres schauen.
Wie sie das Leben doch schon hinter
Sich habe, nichts mehr mocht erwarten,
Da weckte er in diesem Winter
Die Rose in des Herzens Garten.
Unglauben Ihrer Seele werde
Ich nicht begreifen; sei Sie fröhlich!
An Sie zu glauben macht die Herde
Verirrter schwarzer Schafe selig!
Uneigennützig in der Tat
Und in dem Wort zu sein und mild,
Begehrte Goethe und er hat
Gesehen dies in ihrem Bild.
Und neigte er zur Liebes-Narrheit
Und ist vom lautern Weg gewichen,
Blieb sie in stiller Ruh der Wahrheit,
In weiser Klugheit ausgeglichen.
Auf die Ergüsse seiner Seele
Sprach sie, war sie mit ihm allein:
Und wenn ich als Geliebte fehle,
So will ich Ihre Schwester sein.
Selbstlosigkeit und Seelenreinheit
Und nach den hohen Himmeln Streben,
Da seh ich, Goethe, Ihre Feinheit,
Ein heilig-edles Dichterleben!
Nach allem Schiffbruch, allem Scheitern,
Sie müssen sich vom Rest der Erden
In reiner Liebe Feuer läutern,
Um noch ein Heiliger zu werden!
Zum Heiligen den Dichter machen
Und ihn zu pflanzen auf den Sternen,
Geeignet ists, sprach er mit Lachen,
Mich deinem Herzen zu entfernen.
Und leb ich hoch auf dem Saturne
Und dort nach Gottes Weisheit hasche,
Halt mein Gebein in dieser Urne,
Verbranntest du mich doch zu Asche!
Doch gönnt der Ewige ein Päuschen,
Bis ein ich geh zur Ewigkeit,
Will an der Ilm im Gartenhäuschen
In dienen deiner Seligkeit!
ACHTER GESANG
Sie sprachen über Religion,
Natur und Wissenschaftlichkeit,
Sie sprachen allen Narren Hohn
Und träumten Träume ihrer Zeit.
Er schrieb die süßesten Gedichte,
Sie schrieb sie ab mit eigner Hand,
Sie hob sie auf für die Geschichte
Der Nachwelt in dem Vaterland.
Er schenkte Blumen, Obst, Gemüse,
Er schenkte Bänder, Schleifen, Schmuck
Und Zier aus seinem Paradiese
Und einen heiligen Nepomuk.
Charlotte lud ihn oft zu Tische,
Zu Mittagsmahl und Abendbrot,
Da ruhte aus der träumerische
Poet vor ihrem Wangenrot.
So ist die Liebe dieser Frau:
Ich wohn nicht mehr in Wanderzelten,
Unendlich lieb ich und vertrau
In ihr dem höchsten Herrn der Welten!
Da machte er sich auf die Reise
Zur eigenen Vergangenheit,
Zu weihen Frau von Stein zum Preise
Unglückliche vergangne Zeit.
Da traf er auf der Türe Schwelle
Das Riekchen, welches Lenz umworben.
Wahnsinniger Poet der Hölle,
Sprach sie, er ist so ganz verdorben!
Er sah ins freundliche Gesicht
Der guten Frau zum letzten Gruß,
Er war versöhnt und wandte schlicht
Zur schönen Lili seinen Fuß.
Die sprach mit Liebe von dem Gatten
Und von dem Haus, in dem sie wohnt.
Und er ging fort und ging im Schatten
Allein im wehmutvollen Mond.
Wohlwollendes Gefühl in Reinheit
Ließ beten mich den Rosenkranz
Der treuen Freundschaft, Seeleneinheit
In Schicksals ätherlichtem Glanz.
Frau von Branconi traf er da,
Die schöne fürstliche Mätresse.
Wer solche schöne Dame sah
In ihrer Glut und Lilienblässe,
Der fragt sich, ob es wahr sein könnte,
Ob solche Schönheit wahr sein kann!
Da brennen alle Elemente
Vor ihrem Lebensgeist im Mann.
Die aufgetürmte Pracht von Haar!
Die süßen Blicke! Fingerglieder!
Der schöngeschwungnen Lippen Paar!
Die runde weiße Brust im Mieder!
Ein Skylla-Fels ins Meer gesetzt,
Kein Vogel streicht da heil vorbei,
Auch nicht die Taube unverletzt,
Und wenns des Jovis Adler sei!
Der Mann, der ihr das Kind erzog,
Gelehrter Diener schöner Mutter,
So hoch dem Mann der Geist auch flog,
Ihm wars wie in der Sonne Butter.
So sah sie Goethe. Etwas später
Hat ihre Wirkung er erfahren
Und erst nach der Entfernung Meter
Fing sie ihn ein mit ihren Haaren.
So ist der Süßwein schon hinunter,
Dann erst des Rausches Wirkung tut.
So tauchte dieses Weibes Wunder
Als Schönheit rein aus seinem Blut.
Sie weiß so Schönes schön zu sagen,
Da wird dem Herz wie in der Sonne.
Scheint die denn mir in Sommertagen?
Und doch ist sie mir solche Wonne!
Da hat die schöne Frau geschrieben
Und trat in seine Seele ein.
Nun, welcher Dame galt sein Lieben,
Branconi oder Frau von Stein?
In hohen Wipfeln keinen Hauch
In deiner Seele spürest du,
Es ruht die Nachtigall und auch
Dem Wald gleich bald auch ruhest du.
Ich will als Heilige und Hohe
Die schöne Fürstin nur betrachten.
Besudle sie nicht niedre Lohe
Und der Begier gemeines Schmachten.
Ich will der Fürstin huldigen,
Doch mich ihr nimmerdar verbinden,
Sie würd (nie zu entschuldigen)
Der Herz mir aus den Gliedern winden.
Doch hab ich einen Talisman,
Ich weiß mich welcher Frau zu weihn,
Weil alle meine Träume sahn
In höchster Reinheit Frau von Stein.
Sie hat sich in mein Herz gekerbt
Und sich in meinen Geist geschrieben,
Mutter und Schwester mir beerbt,
Die Erbin aller meiner Lieben.
Und Goethe wurde stark im Schweigen,
Galt für unnahbar und verschlossen,
Verzweiflung ließ das Haupt ihn neigen
Und Trauertränen sind geflossen.
Er kannte Seligkeit von Göttern
Und die Verzweiflung auch von Teufeln,
Die Seligkeit von Maienwettern
Und winternächtliches Verzweifeln.
Und da empfand er Tassos Wahn,
Empfand den Wahnsinn des Orest,
Da sah er Leonore an
Und Iphigenie auf dem Fest.
Sie war die Heilige, die Schwester,
Die Jungfrau an dem Horizonte,
Er glaubte an sie immer fester,
Zu der er flehend beten konnte.
Ich steh so tief in deiner Schuld,
O Liebste du und meine Ruhe!
So beten Juden zu der Huld
Jehowahs auf der Bundestruhe!
Als jüdische Gebetsschnur winde
Dein Band ich mir an meinen Arm
Und bet gleich einem Gotteskinde
Zur Liebe Gottes herzenswarm.
Die Liebe Gottes bist du mir,
Mir im wahnsinnigen Gemüte,
Die Schönheit Gottes, Gottes Zier,
Mir Gottes Gnade, Huld und Güte!
Ich steh so tief in deiner Schuld,
Doch du gibst meinem Herzen Mut,
Auf deine heilige Geduld
Will hoffen ich, o mach mich gut!
Die Leidenschaften im Gemüte
Soll deine Grazie veredeln
Zu einer reinen innern Güte!
Bewahr mich Gott vor leichten Mädeln!
Ich will dich preisen, will dir danken,
Denn Götterruhe gabst du mir!
Erfuhr das Herz des Seelenkranken
Das Göttlichste allein in dir!
Madonna, die gen Himmel fährt,
Madonna in der Himmelfahrt,
Hat dich ein Genius gelehrt,
Hat dich die Gottheit offenbart!
Da reichte sie ihm einen Ring
Mit ihrem eingravierten Namen,
Daß er sie als die Jungfrau sing
Als seiner hohen Liebe Amen.
Ich wollt, es gäb ein Sakrament,
Das gäbe dich mir ganz zu eigen!
....................................................
...................................................
NEUNTER GESANG
Er wohnte an dem Frauenplan
Und in dem Gartenhaus im Sommer,
Da seine Augen Schönheit sahn,
Sah Gottes Schönheit als ein Frommer.
Wenn er zu der Branconi ging
Und trat vor ihres Blickes Blitz,
Daß sie ihn nicht mit Schönheit fing,
Charlottes Sohn war bei ihm, Fritz.
Und trat er in den Zauberkreis
Der schönen Fee von Langenstein
(Sie war wie Sommersonne heiß)
Bewahrte ihn die Frau von Stein.
Nicht einmal Freundschaft kann ich geben,
Weil meine Liebe dir gehört,
Charlotte! meiner Liebe Leben
Ward mir durch deine Huld vermehrt.
Ich wünsche nur, dir zu gefallen
Und wert zu werden deinem Neigen.
Ich will in allem Wesen, allen
Erfahrungen zur Liebe steigen!
Er nahm den Sohn der Frau von Stein,
Nahm Fritzchen auf in seine Wohnung,
Er wollte ihm ein Lehrer sein,
Und Fritz war liebende Belohnung.
Ich drück den Knaben an das Herz,
Dich kos ich, Liebste, in dem Knaben!
Ich herzte ihn mit süßem Scherz
Und nährte ihn mit Geistesgaben.
Du willst, daß er der meine sei?
Sehr angenehm ist Fritz von Stein,
Ist meiner Liebe süßer Mai
Zu dir allein, ich bin ganz dein!
Er stand im Sommer seines Lebens,
Da braucht der Mann des Weibes sehr!
Allein zu sein ist doch vergebens
Und ohne Liebe ist man leer!
Unfertig bin ich, bin nur halbe
Und will ein Ganzes werden, einig!
Drum du mit deiner Liebe Salbe
Des Geistes dich mit mir vereinig!
Denn ich alleine bin ein Nichts,
Du bist die Hälfte mir zum Ganzen!
Schau ich das Licht des Angesichts,
Will ich vor meiner Gottheit tanzen!
Und ihre Seele stand ihm offen,
Teilnehmerin von Freud und Leid,
Die sein Verzagen und sein Hoffen
Empfing in ihrem Herzen weit.
Sie war sein stilles Widerstrahlen
Des Liebeslichts, in dem der glühte.
Ihr Wesen glich er grünen Talen,
Ihr Herz der roten Rosenblüte.
Nun hatte Ruhe er und Bleiben,
Die Liebe ward ihm eine Heimat.
Nun konnte er den Meister schreiben,
Da auch der Harfner seinen Reim hat.
Sie war die Eine, anzusehen
Als seines Lebens Mittelpunkt.
Da konnte keine Frau bestehen,
Wie sehr sie auch mit Schönheit prunkt.
Doch manchmal saß er auch im Sessel
Am Frauenplan im leichten Kleid
Und sah die Liebe nur als Fessel
Und sklavische Abhängigkeit.
Die Liebe ist nicht Leidenschaft
Mir mehr, ist Krankheit mir geworden!
Und mir verkümmert alle Kraft
Und Lebenslust im Nebelnorden!
Vermehr durch deine Süßigkeit
Nicht meine große Liebe täglich!
Entlaß mich aus dem Liebesleid,
Sonst ende ich unsäglich kläglich!
Doch nur in dir mein Herz ich kenne,
Du bist mein Dichten und mein Streben,
In deinem Feuer ich verbrenne,
Mein Leben weiht sich deinem Leben!
Und er war fort. Er war in Rom.
Hat er Charlotte abgelehnt?
Ihr Meer für seiner Liebe Strom
Nun aus den Frauenaugen tränt.
Er wollte ihr die Hände reichen
An jedem Abend in dem Garten
Und konnte nun aus Weimar weichen
Und nicht auf ihre Liebe warten?
Bedurfte er der Freundin noch,
Da er sich wagte in die Ferne,
So fern von ihrem Wangenjoch
Und ihrem dunklen Augensterne?
War diese Reise nicht ein Fliehen
Und ein Versuch, sich zu befreien?
War müde er der Liebe Mühen,
Ob sie auch noch so selig seien?
Schon lange hat er zwischen Mund
Und Herz gestellt die Wand aus Schweigen,
Nicht mehr wie in der ersten Stund
Verzückt in ihrem Herz zu zeugen.
Da wollte sie ihm nicht mehr schreiben
Und forderte zurück die Briefe.
Doch alte Liebesbriefe bleiben
Verwahrt, als ob der Gott nur schliefe.
Das sagtest du dem Freunde, das,
Der sich nach gutem Wort nur sehnte?
Mein Antlitz ist von Tränen naß
Und einsam meine Liebe tränte.
Hab jeden Tag und jede Stunde
In Rom allein an dich gedacht,
Der herzenswunde, liebeswunde
Poet gedenkt dein jede Nacht!
Dein Blatt hat mir das Herz zerrissen!
Verhärt dein Herz nicht gegen mich!
Und muß ich dich in Rom auch missen,
Ich denke keine Frau als dich!
O Herrlichkeiten ihr von Rom,
Du Stadt, der Ewigkeit gebaut,
Du Marmorfrau am Tiberstrom,
Genie der goldnen Zeiten Braut!
Wie waren deine Schätze weckend
Mit Lebenslust den Tiefbetrübten,
Dem Frohen glänzte jäh erschreckend
Das Inbild der allein Geliebten!
Zehn Jahre lang mit dir zu leben
Und nun mit einem Mal allein
In diesen fremden Weltgeweben
Und meiner Liebsten fern zu sein!
Notwendigkeit mit harten Händen
Trieb mich nach Rom, des Schicksals Weben,
Und doch: Zusammen laß uns enden
Vereint in Liebe unser Leben!
Du sollst nicht trauern, liebe Frau,
Daß ich gegangen in die Ferne,
Mich läutern soll der Schönheit Schau,
Ich kehr dir rein am Herzenskerne.
Nun liebe mich und sei mir treu,
Führ zu mir deiner Gnaden Strom,
Auf daß ich mich im Herzen freu,
Durchwandle ich das Ewige Rom!
Zu denken, doch nicht zu besitzen,
Hat mich verzehrt und aufgerieben!
Soll ich in lauter Weisheit sitzen
Und doch unglücklich sein im Lieben?
Die Maler malten die Modelle,
Die allerschönsten Römerinnen,
Wie Aphroditen aus der Welle,
Ein Hochgenuß den Mannessinnen.
Da fand er Neigung und Vertrauen
In einer Witwe süßen Miene,
In Fleischeslust und Lust am Schauen
Ergab der Dichter sich Faustine.
An jedem ihrer nackten Glieder
Bemaß er den antiken Vers,
Er sang dem blinden Eros Lieder,
Als Rom erheiterte sein Herz.
Da schrieb er in den Wein zum Spaße,
Wie Naso vor ihm auch getan.
Dann aus der Kleine-Leute-Gasse
Schied heim er an den Frauenplan.
ZEHNTER GESANG
Ich mag nicht seinen Bettschatz singen,
So sehr ich auch das Bett begehre,
Mag auch nicht reden von den Dingen
Des Haushalts und der Farbenlehre.
Drum laßt mich nur die Vulpia,
Die Geisterfüchsin überspringen,
Der den Geheimen Rat nur sah
Den unerreichbarn Frauen singen.
So schreibe ich mit meinem Füller
Den zehnten Canto kurz und nicht
Verschweige ich, daß Friedrich Schiller
Die Elegien veröffentlicht.
Erotica romana schrieb
Der Dichter, der sein Schätzchen pries,
Die tat ihm Zärtliches zulieb,
Ins Feuer im Kamine blies.
Da wurde sinnlich, wurde dick
Und häuslich der Poet und blinken
Sah man des Dichters großen Blick,
Gabs was zu essen und zu trinken.
Was die Gesellschaft ungern litt,
Die Frauen Schiller, Stein und Herder,
Nahm der Poet ins Leben mit,
Er war nicht mehr der junge Werther.
Doch durfte er und durft sein Schätzchen
Liebäugeln auch mit andern Augen.
Er spielte mit den jungen Kätzchen,
Von Mädchenlippen Tau zu saugen.
So schaute er die Silvie an,
Die konnte seine Tochter sein,
Er stand in ihrer Jugend Bann
Und ging mit ihr im Sonnenschein.
Da wehten ihre blonden Haare
Um ihre Brust im roten Mieder,
Da sang sie gern auch zur Gitarre
Im Freien die Tiroler Lieder.
Dann sah der Dichter Wilhelmine,
Die Minne-Herzlieb ward genannt.
Daß ich in der Adventszeit diene
Der Herzlieb, die ich minnig fand!
O Träumerische, hingegeben
Wohlwollend allen und bescheiden,
Ein Anmutwesen voller Leben
Und schön, die Augen dran zu weiden!
Die Lieblichste der Jungfraunrosen
Mit großen dunklen Augen hold,
Die alle voller Unschuld kosen
Mit Schimmer von des Herzens Gold!
Die langen Flechten schwarz wie Raben
Um die Gestalt im weißen Kleid.
Verschlossen hielt die innern Gaben
Im Inneren die holde Maid.
Zu diesem Ebenbild Marias
In dieses Minneparadies
Die Dichter eilten, Zacharias
Werner und neben Goethe Gries.
O neuer Wartburg Sängerfest
Vor holder Minneköniginne!
Da Werner gerne hören läßt
Sonette seiner Herzlieb-Minne.
O dieses reimende Verschränken,
Mit Vogelleim vom Vogelpiep
Die Reimer leimen, sie zu schenken
Der Minnemaid, dem Herzelieb!
Auch Goethe in Sonettwut brennt
Wie einst Petrarca zu Karfreitag.
Da ward dem Dichter der Advent
Ein Minnepfingsten, ewiger Maitag!
ELFTER GESANG
Das Heil zu suchen in der Ferne,
Bewegte ihn Napoleon,
Da strahlten günstig seine Sterne
Hoch auf des Lebens Pavillon.
Da wies des Schicksals Sternenstand
Ihn in den Patriarchen-Osten,
In Mohammeds und Moses Land,
Um Paradiesesluft zu kosten.
Da schlürfte er den Wein Hafis’
Und aß des Rumi Gottesfleisch.
Und Salomon nach Frau Bilkis
Sich sehnte in der Liebe keusch.
Denn lieben muß der Dichter, lieben,
Denn lieben muß er, um zu schreiben!
Wenn ohne Liebe er geschrieben,
Das Lied wärs wenig wert, zu bleiben.
Wer war dem alten Mann gewogen
In all der jungen Mädchen Kreis?
Er schimmerte, ein Regenbogen,
Wenn auch von Nebelhaaren weiß.
Doch sind die Haare weiß, o Greis,
Dich nicht betrübe, fühle Liebe!
Da lächelte so sanft und leis
Die Sonne durch die Nebeltrübe.
Die Sonne mit erneutem Schwung
War günstig und war warm dem Manne,
Da er beim Freunde sah Frau Jung,
Sah die Poetin Marianne.
Er war kein polternder Tyrann,
War liebenswürdig, offen, heiter,
Ein reicher Geist, ein guter Mann,
Am Fuß der Liebeshimmelsleiter.
Und Grashalm, Blume oder Stein,
In allem sprach Natur zu ihm,
Die Seele war so reich an Sein
Wie reich an Weisheit Cherubim.
Von Gott mit Gaben überschüttet,
War er die Demut des Gefäßes.
Und Marianne Goethe bittet
Um ein Gedicht, wie gern sie läs es.
Wie wollt sie seine Gnadengaben
Und seinen dichterischen Sang
In ihrem eignen Stammbuch haben,
So lang wie breit und breit wie lang.
Ich hoffe diese frohen Worte
Recht bald mit Gaben zu erwidern
Und sing Suleika, meine Sorte
Von ostgebornen Liebesliedern.
Da kam er auf die Gerbermühle
Und stand schon ganz in Hafis’ Banne,
Da suchte er die Liebesspiele
Des Liederspiels mit Marianne.
Da kränzte er die Müllerin
Mit einem Turban der Türkei,
Suleika sang so vor sich hin,
Als ob sie Don Giovanni sei.
Da schaute Goethe mit dem Herze
Voll Liebe, des nicht ungewohnt,
Da hob er in die Nacht die Kerze,
Um Licht zu werfen auf den Mond.
Wir wollen immerdar im Mondschein
An Hatem und Suleika denken
Und wollen auch den Ring mit Mondstein
Im Strom des Heiligen Lands versenken.
Denn nur von dir hab ich mein Leben,
Du warst an meinem Herzen Dieb,
Du stahlst mein Herz, nun muß ich geben
Dem Diebe Leben, Herz und Lieb!
Wie Lüfte durch die Wälder schauern
Und hauchen durch die Rebenhänge!
In Heidelberg in Schlosses Mauern
Alt-Orientalische Gesänge!
In der romantischen Ruine
Sang Liebe als das Lüftchen leiser
Von der Geliebten Sonnenmiene,
Die herrlicher als Bagdads Kaiser!
O Du! ein einzig Mal: o Du!
Sollst nimmer Hatems Atems wehren!
Sie sandten mir den Diwan zu,
Als Allahs Bild mich zu verklären!
Was Liebesfreimut spricht im Loben,
Das zähle ich zu meinem Glücke,
Denn Gott gab diese Huld von oben
Durch Dichters weise Silberblicke.
ZWÖLFTER GESANG
Und fährt ein Dichter in ein Bad,
Gewiß, er muß sich da verlieben.
Es sei ein neues Magnificat
Der Benedeiten nun geschrieben.
Wenn Wimpern schatten, Augen blitzen,
So alles nur zum heitern Scherz.
Soll Amors Pfeil nur leichthin ritzen
Und nicht verwunden so das Herz.
Da traf die sanfte er, die schlanke
Ulrike, hold im schönen Schweigen,
Ein siebzehnjähriger Gedanke
Begann im Alten Gunst zu zeugen.
Die Mutter und die beiden Töchter
Von Welt und Schicksal sprachen klug,
Des Weisen heiteres Gelächter
Entlarvte aller Narrheit Trug.
Er lehrte Wunder der Natur
Und Wunder auch der Geisteswelt,
Gelehrig Gottes Kreatur
Sich zu dem Altersweisen hält.
Die Mutter lud den immerneuen
Poeten nach Marienbad:
Ulrike wird sich herzlich freuen
Wie einst Marie im Magnificat!
Ulrike wird Sie tief verehren,
Die Jungfrau den Geheimen Rat,
Der Weisheit weise weiß zu lehren
Im Sommer in Marienbad.
Da war das Sommerwetter schön,
Da streifte er durchs Blumental,
Da bracht er von den Blumenhöhn
Ulrike Blumen ohne Zahl.
Dann wieder mußte Goethe scheiden,
Zurückgelassen sein Verlangen,
In seinem Alter sich bescheiden
Des Traums von ihrer Jugend Prangen.
Ihr holder Brief, o meine Teure,
Erweckt lebendige Gestalt,
Die ich im Inneren erneure
Und hoff erneut zu sehen bald.
O daß Sie mein in hohem Grad
Gedachten und empfanden Neigung!
O Sommer von Marienbad,
In meinem Herzen schöne Zeugung!
Da ward er krank und um und um
Stiegs ihm zu Leibe und zu Kopfe,
Da ward ihm dumpf, da ward ihm dumm
Als wie so einem armen Tropfe.
Da krankte er an Herzentzündung,
Da ward er krank an seinem Herzen.
Des lieben Lebens Überwindung
Erreichen diese Herzensschmerzen!
Er war betäubt und phantasierte
Und war so elend und so krank,
Ein süßes Seidenhäschen zierte
Das Krankenlager, Gott sei Dank!
Der Tod steht hier in allen Ecken,
Auf einen Lebenden zu lauern.
O Gott, zu meines Heiles Zwecken
Muß ich in langen Leiden dauern?
Wie häufst du Leiden auf die Menschen,
O Christi Gott im Himmel oben,
Doch sollen wir mit Träumen, Wünschen,
Entsagung und Verzicht dich loben!
Um Pfingsten der Geheime Rat
Gesundete und wurde froh
Und reiste nach Marienbad
Zu sehn Ulrike Levetzkow.
O Frühstück früh auf der Terrasse,
Das Mädchen noch von Traum umflort!
Daß ich das liebe Leben fasse
Und herz mit einem guten Wort!
Sich sehen immer, immer wieder,
Sich sehen immer, bis zur Nacht!
Wie hold schlägt sie die Wimpern nieder,
Wie süß die Perlenreihe lacht!
Er sah den Spielen und den Tänzen
Der lebensfrohen Jugend zu
Und opferte im Mondesglänzen
Ulrike gerne seine Ruh.
Die süßen Kristallisationen
Der kleinen Tafeln Schokolade
Er schenkte ihr, sie mög es lohnen
Mit einem Lächeln ihrer Gnade.
Ich wandele und seh dich nicht,
Verschwunden bist du in der Nähe.
Im Innern aber in dem Licht
Bin ich dir eins in mystischer Ehe.
Mein Töchterchen, mein Liebling, Sie,
Sie trägt die Seide leicht und weit,
Ich sage voller Sympathie:
Das schönste ist Ulrikes Kleid!
Und hängt sie so an meinem Arm
Und ihre Schwester auch ganz schicklich
Und schaut mich an mit warmem Charme,
Bin ich vergnügt und beinah glücklich.
In seinem Ausdruck solche Weichheit,
In seinem Auge öfters Feuchte,
Da sah man seines Lebens Reichheit
Und seines nahen Scheidens Leuchte.
Wie kräftig dastand auch der Greis
Und auch wie reich noch an Gefühl,
Wer diesen Goethe sieht, der weiß,
Er ist schon nahe seinem Ziel.
Zumindest von Ulrike scheiden
War des Geschicks Gebot hienieden.
Da kam in diesen sanften Leiden
In ihn geweht der Gottesfrieden.
Da wirkte Freundschaft, alles Schöne,
Ach daß es doch für immer bliebe!
Gesteigert wirkten da die Töne,
Das Glück der Töne und der Liebe.
Auf musikalischen Genüssen
Geflügelt in das höchste Leben
Stieg er, als wie in Liebesküssen
Sich aus sich selbst hinauszuheben.
Dann sah er sie in Karlsbad wieder
Mit Feigen und mit Aprikosen
Und am Dreikreuzberg glänzte nieder
Der Mond wie Blüte weißer Rosen.
Sie reichte ihren Handschuh ihm,
Er hat ihn selbst sich angeeignet,
Als ihm die Glut der Seraphim
In seinem Herzen sich ereignet.
Wie lange solch ein Wohlbefinden
An Leib und Geist mich nicht erfreute!
Ich reise heim mit guten Winden
Und bin im Zauberkreis der Leute.
Das Schloß, Dreifaltigkeitskapelle,
Wer konnte uns den Vater rauben?
Des Vaters Liebe ist die Welle,
In der sich baden Turteltauben.
Der Vater in der höchsten Ferne
Begann dereinst, das All zu drechseln,
Auch uns zu kneten, die wir Sterne
Mit andern Sternen gern verwechseln.
Ich fühl mich jünger als die Jungen
Und siegen werde ich durch Nike
Und schwelge in Erinnerungen
Mit meiner lieblichen Ulrike.
Sie lächelt süß in holder Huld,
An der sich meine Augen weiden.
Tumultuarischer Tumult
War dann der Abschied und das Scheiden.
O himmlische Erscheinung du,
O Gottes Gleichnis einem Reinen!
In dir fand Frieden ich und Ruh,
Kann ohne dich nur weinen, weinen!
Von Himmelsfrieden ganz erfüllt
War er, der süßes Glück genossen
In seines Gottes Ebenbild,
Das wolkengleich vorbeigeflossen.
Und doch vorbeigeflossen nicht,
Ist sie im Inneren geblieben,
Scheint da in höchster Schönheit Licht,
So schön, so wahr und tief zu lieben!
Da füllte seine Seele ganz
Des tiefen Dunkels Mondenschein
Wie treuer Liebe Rosenkranz
Und er gedachte Frau von Stein.
Und als in der Natur der Lenz
Mit neuer Lebenslust erwacht,
Als wärs die Muse von Florenz,
Erschien ein Bild aus tiefer Nacht.
Mehr Licht!... Ich möchte dich beschauen!
Du Schönste aller schönen Damen!
Er schied in Unsrer Lieben Frauen
Zu Gottes ewiger Liebe. Amen.