Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

Die Blaue Blume von Baltrum


Von Josef Maria Mayer

Wenn ich nicht bald eine blaue Insel finde!

Erzähle mir von ihren Wundern...“

(Else Lasker-Schüler)

ERSTER GESANG


Mein Gott, wie schön bist du im Himmelreich,

Wie schwebest du in deinem Lilienkleid,

Wie bist du anmutweich und gnadenreich,

In deinem Reich ist ferne alles Leid!


Wie öffnest du des Herzens Pforten weit,

Die Pforte, die aus Einer Perle ist!

Wie lebt in dir des Weltalls Ewigkeit,

Das da wie eine Braut die Brust dir küsst!


Wie rauschen deine großen Ozeanen

Von Ufersaum zu Ufersaum des All,

Wie wandeln deine Sterne ihre Bahnen

Und schwimmen stolz im Meere von Kristall!


Wie fluten und wie rauschen deine Stimmen,

Die sieben Stimmen, die das All erschaffen!

Die Engel schimmern schön, die leise schwimmen

Im Flügelkleid und mit des Lichtes Waffen!


Heerscharen wallen pilgernd auf der Spur,

Die deine Liebe durch den Himmel zog.

Dreifalt’ger Wesen einige Natur:

Dein Haupt sich zu den Engeln niederbog.


Die Mächte weihen Zebaoth die Macht

Und bringen dar die himmlisch-schöne Stärke,

Wie Blitze flammen sie durch tiefe Nacht

Und weihen ihrem Herrn die Waffenwerke.


Sie sind so tief und brüderlich verbunden

Mit Thronen, welche auf den Rädern rollen,

Ein Raunen rollt aus ihren roten Munden,

Ist an des Universums Saum verschollen.


Sie tragen ihre Throne von Türkis

Drei Stufen aufwärts bis zum Gnadenstuhle,

Da lagert wie im schönen Paradies

Gott Zebaoth in einem Rosenpfuhle.


Heerscharen bringen ihre Ehre dar

Und nehmen ab die Käppchen zum Gebete.

Sie leben alle friedlich wunderbar

In Einem Himmel, in der Stadt der Städte.


Und Myriaden von Legionen ziehn

Als himmlische Behüter Gotteskindern,

Die alle von der Erde gottwärts fliehn,

Und flehen um Vergebung allen Sündern.


Hier schweben Petras Engel Mahanaim

Und seiner Muse Engel Hesekil,

Sie tragen blaue Blumen sehr sublim

Mit süßem Duft als zum schönen Glaubensziel.


Und alle Himmlischen vereinen sich

Voll Ehrfurcht vor drei-einen Majestäten:

Erzengel Gottes meine ich, die ich

Verehren will in reimenden Gebeten.


O wunderschöner Engel Raphael,

Du mögest uns mit deiner Salbe taufen,

Mit deiner treuen Führung süßem Öl,

Und mögest Balsam von den Schwingen traufen.


Erscheine uns in Tälern und Gebirgen

Und nimm du auch die Tiere mit zu dir,

Du mögest uns den reinen Schleier wirken,

Bestickt mit Perlenkränzen reiner Zier.


Du aller himmlisch-schönen Hüter Fürst,

Du stelle uns die Engel an die Seite.

Gib du zu trinken unserem Gedürst,

Brot freue unser Herz in unserm Leide.


Vertreibe alle finsteren Dämonen

Mit einem Fisch, den du uns fangen läßt.

Laß uns im Brautgemach der Liebe wohnen

Und führ uns zu der Liebe Hochzeitsfest.


Schönstimmiger Verkünder Gabriel,

Laß immer uns auf deine Botschaft hören,

Du mögest uns mit Wortes Salbungsöl

Und tiefer Demut deiner Magd betören.


Und stehen wir zur Seite am Altar

Als königliches Priestertum des Herrn,

Dann red uns zu so sanft und wunderbar,

Wir wollen hören dich, wir hören gern.


Und lasse fliegen du von deinem Munde

In unsre Herzen geistgesalbte Reden

Und laß uns finden in des Wortes Kunde

Mit unsres Herzens Herz das Neue Eden.


Sei gnädig uns und komme noch vorm Jüngsten

Gerichte, in der Hand die Blumentriebe,

Und komm in Liebesflammen, red von Pfingsten,

Vom neuen Pfingsten geistentflammter Liebe!


Sankt Michael, du mögst ein Ende machen

Mit allem Bösen, das uns arg bedroht,

Vernicht die alte Schlange, töt den Drachen,

Vernicht die Sünde du und töt den Tod!


Du komme mit der Schärfe deines Schwerts

Und bringe alle Widersacher um,

Die uns ermorden wollen unser Herz

Und lästern immer das Mysterium.


Doch das Mysterium im schönen Sohn,

In dem verborgen unser ganzes Glück,

In deine Schwingen hüll, zu Gottes Thron

Das Kind der Frau, des Zeichens Sohn entrück!


Flieht jene mit dem Sohne in die Wüsten,

Erhebe du am Himmel sie zum Zeichen.

Laß saugen uns die Milch von ihren Brüsten,

Vertraue uns dem Sohn der Gnadenreichen!


Der Engel, welcher heute mit mir sprach,

Der wies im Himmel eine schöne Sphäre,

Die überwölbt von blauem Blumendach

Des höchsten Himmelsreichs, dem ich gehöre.


Ich weiß wohl, welche an der Pforte saß,

Weil ja mein Himmel meines Herzens Herz.

Ich schaute durch der Pforte reines Glas

Und Rosen sah ich blühn aus rotem Schmerz.


Wohlan denn, ist der Schmerz im Himmelreich,

Wie sollen anders auch die Engel singen?

Da bring ich meiner Schmerzen Opfer gleich,

Da will ich meiner Schmerzen Opfer bringen.


Je länger mir die Dornen sind, die stechen,

Je lieblicher wird mir mein Liebeslied.

Ich möchte meinem Gotte Rosen brechen,

Die Rose rot, die mir im Herzen blüht.


Ich weiß, wir Dichter sagen an das Thema:

Ich möchte meines Lebens Liebe weihen.

Mein Herz zuhaus in Neu-Jerusalem, ah,

Es muß sich seine Sünden auch verzeihen.


Da müßt ich Fraun des Minnesanges bringen,

Doch kenn ich keine mehr als Eine nur,

Weiß nur die Eine Liebliche zu singen,

Sie liebend, wall ich auf Marien Spur.


Und doch authentisch sind des Liedes Themen

Und alles stammt aus eigner Seelenkunde.

Wer in der Beichte war, muß sich nicht schämen,

Darf Lobpreis singen mit Poetenmunde.


Katholisch singe ich, umfassend, weit

Und weise von mir alles Denkens Enge,

Denn unermeßlich ist die Ewigkeit,

So seien unermeßlich die Gesänge.


Auch ists ein Muß dem klassischen Poeten,

Die Muse anzurufen, die ihm rät.

O Geist der Schönheit, dich will ich anbeten,

O Gott der Schönheit, dir gilt mein Gebet.


Der Engel wies mich zu der Sphäre hin,

Da die Ideen sind, die Ideale.

Und liebestrunken ward mir all mein Sinn,

Da ich die Tochter Gottes sah im Saale.


Ihr Kleid war eine blaue Glockenblume,

Ihr Schleier war ein transparenter Hauch.

Ich liebe dich! sprach ich im Heiligtume,

Ich hab dich gern von Herzen, sprach sie auch.


Aus meiner Muse himmlischen Idee

Entfloß der friesischen Prinzessin Bild.

Ich schaute in des Himmels Schwanensee,

Da lächelte die Trauerschwanin mild.




ZWEITER GESANG



Ich preis kristallnen Meeres Königin,

Die Königin kristallner Himmelsmeere!

Sie anzuschaun ist Sterben mir Gewinn,

Wie in der Krone trägt sie Sphär’ an Sphäre.


Als sie den Gottessohn an ihrer Brust

Mit großer Schöpferstärke saugen ließ,

Wars ihm in seinem Elend süße Lust,

War er auf Erden schon im Paradies.


Er sog so stark, daß Milch der Mutter spritzte

Bis an das hohe dunkle Firmament,

Ein siebenfacher Tropfen schimmernd glitzte

Am Himmel als der Sterne Element.


Milchstraße nennt man sie und Sternenstrom,

Die trennt den Hirten und die Weberin.

Sie schwebt auf dem astralischen Atom,

Er wallt in Quanten und in Quäntchen hin.


Doch lieben Weberin und Hirte sich,

Doch voneinander sind getrennt die beiden.

Es weint die Weberin so trauriglich,

Der Hirte wandelt immerdar in Leiden.


Einmal im Jahre aber Elstern fliegen

Und bauen überm Sternenstrom die Brücke

Mit schwarz- und weißen Schwingen, die sich fügen

Zum Pfade in der Sterne Liebesglücke.


Der Rinderhirte brachte ein Geschenk

Für seine Weberin, ein Rinderjoch,

Auf daß sie seinen Stier des Herzens lenk

Und leite auf die Weide noch und noch.


Die Weberin beschenkte auch den Hirten

Und gab ihm eine kleine goldne Spindel.

Des Schicksals Fäden zwirbelten und zwirrten

Und die drei Alten stickten in die Windel.


Dann mußten sich die beiden wieder trennen

Und jeder wieder in die Einsamkeit,

Wo sie in Mitternacht und Dunkel brennen

Und glühn und läutern sich in ihrem Leid.


Dem Hirten aber zu den Silberfüßen

Liegt stets die Spindel von der Weberin.

Die Weberin läßt immerdar sich grüßen

Vom Hirten, schaut sie nur zum Joche hin.


Doch andre sagen, über Himmelswogen

Erhebt sich unterm goldnen Sonnenblicke

Der blütenschönen Iris Regenbogen

Als kosmische, astrale Liebesbrücke.


Da wandeln Engel aus dem Jenseits leise

Und wenden zu dem Diesseits schöne Blicke.

Großmutter sagte einmal still und weise,

Der Engel Pfad sei die Rialto-Brücke.


Von Juni bis November spannt die Krone

Der Engelskönigin sich goldenschöne.

Ich singe nicht die Galaxien, ohne

Daß ich Galaktrophousa golden kröne.


Im Süden sah ich Sterne irgendwo

An einem Strome, neben einer Furt.

Ich weiß nicht mehr, wars in der Stadt Bordeaux,

Wars vor dem Quell der Pilgerschaft in Lourdes?


Als herrlicher antiker König ging

Saturn im schwarzen Samt mit goldner Sense,

Als Gürtel um die Brust der Schwermut Ring.

Da schrien am Teiche die Bernikelgänse.


Zeitalter gab es, voller Glück und golden,

Vom blauen Baltrum bis in die Provinz,

Da Troubadoure hulden ihrer Holden,

Als Bild der Weisheit allen Anbeginns.


So schön die Dame, eine schöne Schwanin,

Camoes pries die Dame als Ephyra.

Der Kaiseradler stolz zog seine Bahn hin

Und Orpheus pries Eurydice zur Lyra.


Saturnus herrschte in der goldnen Zeit,

Da schön die Nymphen sich am Wasser tümmeln,

In langes Haar gehüllt, in Evas Kleid,

Beglänzt von den drei Schönen in den Himmeln.


Drei Schöne kennt der Sommerhimmel gar,

Die Lyra säuselt ihren Schwanensang

Und in die Gottessonne schaut der Aar.

Und droben geht Saturnus seinen Gang.


Auch Sterne blühen schön aus tiefer Schwermut

Und schwarz und samten ist zur Nacht die Luft,

Vom lila Flieder steigt zum Sternbild Wermut

Die Seele einer Toten, goldner Duft.


Der goldnen Zeiten Herrin aber war

Mit diamantnem Gürtel die Asträa,

Die Jungfrau mied die Erde offenbar

Und waltete im All als Bona Dea.


Die Jungfrau scheint am fünfzehnten August

Mit sehr viel Schimmer Himmelfahrt zu feiern,

Da schwebt sie strahlend auf an Gottes Brust,

Mit schwarzem Nachtsamt sieht man sie sich schleiern.


So floh Asträa herrlich von der Erde

Und wandte nicht zurück den Jungfraunblick.

Doch manchmal winkt sie fraulicher Gebärde

Und spendet einen Augenblick von Glück.


Asträas Sternbild schimmert zweifelsohne

In der Augustusnacht so still und schön

Als Diamant in der Madonna Krone,

Mit der ich sie in diesem Liede krön.


Der Sterne und der Engel Königin

Ruft Engel Raphael vom Berge Zion,

Sie schickt ihn mit dem Sommerhunde hin

Zum Jäger auf der Frauenjagd: Orion.


Orion trägt ein Schwert an seiner Hüfte,

Gebunden an das blaue Gürtelband.

Auf den Kanareninseln rauschen Düfte

Von Träumen auf und küssen seine Hand.


Die Frauen schlummern neben Papageien

Beim Wasserrauschen an der Felsenküste,

Die wollen den astralen Jäger freien,

Orion möge schauen ihre Brüste.


Da schmiegen sie sich nachts in dunkle Büsche

Und violette Blüten duften schwer.

Der Stern den Glanz mit ihren Düften mische

Und bade sein Gesicht in ihrem Meer.


Orion aber scheinet andern Sinnes,

Lauscht nicht dem Plappern ihrer Papageien,

Er will mit Küssen voll des Lustgewinnes

Und jungen Mundes die Plejaden freien.


Er floh ja selbst vor der Aurora Seele

Und ging mit Sirius in tiefe Nacht,

Er barg sich dunkel in des Weltalls Höhle,

Wo er als Wächter seiner Liebe wacht.


Er wachte voller Träume im September,

Da einsam er in seiner Höhle wohnt,

Oktober ging dahin und der November

Empfing in seinem Himmelshaus den Mond.


Da sah er sie, sah schimmern die Plejaden,

Wie sie in Reigentänzen sich bewegen,

Im dunklen Haar, die Glieder weiß, voll Gnaden,

Und wie sie sich vermählten mit dem Regen.


Sie schauten traurig, Seelen, die sich sehnen,

Aus dämmerblauen Augenschlitzen legen

Sich auf gewölbte Wangen Frauentränen

Und fielen in das Meer als Silberregen.


Die schönste der Plejaden aber war

Elektra, Atlas’ Lieblingstochter sie.

Orion fand sie schön und wunderbar,

Noch übersteigend seine Phantasie.


Sie ging am zweiten des November nieder

Und barg sich in der Nordsee grauem Meer,

Orion weinte, weinte immer wieder

Und wandelte am siebten hinterher.


Maria fischte beide aus der Flut

Und wandelte in Perlen um die Tränen.

Orion steckte sie an ihren Hut,

Elektra an den Schleier ihrer Strähnen.




DRITTER GESANG



Im Himmel schau ich einen dunklen Dom

Aus lieberotem Stein und ganz antik,

Da Weihrauch duftete und im Arom

Der Chor der Himmlischen voll Frieden schwieg.


Drei Pforten schau ich da, die aus drei Perlen

Gebaut, die stammen aus kristallner Welle,

Die Pforten singen süß wie Maien-Merlen,

Betritt ein Engel ihre goldne Schwelle.


Ich wandle leis in himmlischer Begehung

Durch die Visionen meiner Himmelsschau.

Im Becken ruht zum Tag der Auferstehung

Der geistgewirkte reine Lebenstau.


Der ganze Himmel ist ein großes Herze,

Das ganze Himmelsherz ein stiller Dom.

Erleuchtet wird das Dunkel Kerz’ an Kerze,

Jerusalem gefeiert neben Rom.


Die in dem Herz des Allerhöchsten weht,

Die habe ich im Bilde angeschaut,

So schön im Herzen schöner Trinität

Erscheint in großer Herrlichkeit die Braut.


Versammelt sind die Seligen, die Leute,

Die ließen sich von Gott, dem Diebe, stehlen.

Im Himmel immer ist das heil’ge Heute

Und heute feiern alle Allerseelen.


Die Dichter, welche Gott geliebet haben,

Sind heute in den Himmeln alle da.

Der Fürst der Dichter, allergrößter Gaben,

Singt Christus wieder die Commedia.


Auch bei den Himmelsvölkern leben Deutsche,

Der Dichter wie der Quell der Schöpfung braust,

Er preist die Benedeite, preist die Keusche,

Die retten kann durch Liebesgnade Faust.


Die Protestanten stehn vorm Stuhl des Kepha

Und singen wie antike Sänger süß,

Sie rühmen in der Nacht die schöne Eva

Und das erneut gefundne Paradies.


Von Bragis Gunst der Barde preist den Herrn

Und feiert noch die Stunde des Gerichtes,

Er rühmt in herrlichen Hexametern

Messias als den Heros des Gedichtes.


Der Deutsche singt in seiner Schwermut Schau

Von Kreuz und Kreuznachfolge weise Worte,

Die deutsche Dichterin besingt die Frau

Und öffnet Suchenden die Himmelspforte.


Den gloriosen Lobpreis singt Ephräm

Und San Juan vergeht vor Minne so,

Es singt der König von Jerusalem,

Es singt das Lied der Lieder Salomo.


Zwei Engel nahn aus Raphaelis Schar,

Ich sehe sie zu meinen Helden ziehn.

Die Helden sind in Wahrheit wirklich wahr,

Drum wage ichs, im Himmelreich zu knien.


O Hesekil, hüll deine weißen Schwingen

Sanft um die Seele der Evodia,

Gib Seligkeiten ihr vor allen Dingen

Und sei in Nacht und Tag ihr immer nah.


Du hüte ihre Erdenpilgerfahrt

Und alle ihre Geisteswanderungen.

Du hast ihr Leben schon einmal bewahrt,

Da du dich ums Gefährt so stark geschwungen.


Du warest in der Stunde der Geburt

Vollmächtiger bei ihr als alle Sterne,

Führ du sie einst auch durch des Jordan Furt

Und halte alle die Dämonen ferne.


Erleuchte ihr Gefühl und alles Denken,

Daß Gottes Liebe immer sie erkenne,

Daß sie sich möge täglich Christus schenken

Und immerdar im Brand des Geistes brenne.


Im Sterben hülle du Evodia

In das Mysterium des Kleids der Taufe

Und bitte, daß Madonna lächelt da

Und Jesus ewig sie vom Tod loskaufe!


O Mahanaim, du hülle deine Schwingen

Um Petras Seele heute, diese Nacht,

Die er verbracht, in Minneglut zu singen,

Da er als wahren Glaubens Wächter wacht.


Vertreib vom Himmel du das Sternbild Wermut!

Gewölk der Herrlichkeit, hüll ein die Demut,

Laß tragen ihn den Stachel seiner Schwermut,

Den Dornenkranz des Herzens, seine Wehmut.


Muß seine Seele in des Glaubens Nacht

Entbehren seines Vielgeliebten Schau,

Dann bitte, daß er nüchtern bleibt und wacht

Und anvertraut sich stets der Lieben Frau!


Und wenn die schönen Mädchen sich verwehren,

Besingt er sie auf hoher Minne Feier,

Dann lehre ihn, Maria zu verehren,

Die nahm die Schönen sich zu ihrem Schleier.


O Mahanaim, o Engel du des Höchsten,

Führ Petras Seele zu des Hirten Weide,

Glückseligkeit soll seine Seele trösten,

Das Paradies sei Hoffnung seinem Leide!


O Hesekil und Mahanaim, o Flammen,

Sie schwimmen ineinander wunderbar,

Umarmen sanft sich, schauen sanft zusammen

Zu Jesu Christi heiligem Altar!


Zwei Alte traten vor, der eine war

Großvater der Evodia, der starb

Im wahren Glauben treu und wunderbar,

Der um die Frucht vom Baum des Lebens warb.


Der Herr gab ihm die Frucht vom Lebensbaume,

Die himmlisch-süße Feige aus dem Grün,

Er speiste sie und darf nun wie im Traume

Für immer in dem Garten Eden blühn.


Und er bewahrte in der rechten Hand

Den schönsten Schmuck, ein Kreuz von reinem Gold,

Das einst Evodia auf Erden fand,

Am Strande, da die Silberwoge rollt.


Die andre Himmels-Seele aber war

Großmutter Petras, herrliche Erlöste,

Die starb im wahren Glauben wunderbar,

Daß sie den Erben mit dem Glauben tröste.


Sie wollte sein ein Zweig am Lebensbaume,

Sie wollte eingepfropft sein in den Stamm.

Der Herr empfing die Liebende im Raume

Der Gnade, da sie sah das wunde Lamm.


Und sie bewahrte in der rechten Hand

Ein Kettchen mit Marien Bild von Gold,

Das Petra eines Tags auf Erden fand,

Am Strande, da die Silberwoge rollt.


Zum Hochfest aber nahte Gott der Herr,

Der hielt die Glorie nicht wie einen Raub,

Im Körper eines Menschen nahte er

Und nahm sich aus dem Kosmos Sternenstaub.


Er nahm den Staub aus allerfernster Ferne,

Ja nahezu aus allererstem Nichts,

Da ballte er zwei schöne blaue Sterne

Und blies in sie die Funken seines Lichts.


Die Sterne nannte er „Evodias Augen“,

In ihnen sollte Gottes Licht sich regen.

Sie lächelten, wie Engel Liebe hauchen.

Und Allerseelen schloß mit Gottes Segen.


Fünf Tage gingen um wie zwei Sekunden,

Am siebenten erging des Höchsten Wort:

Erbeute bei den Friesen deine Wunden

Zum Ruhme meiner Wunden, Willibrord!


Und Willibrord empfing die Heilge Schrift,

Die Psalmen und das Evangelium.

Am siebenten November aber trifft

Das Friesenreich des Herrn Mysterium.


Als allererstes speiste auf Forsete

Der blinde Barde Bernlef Christi Leib.

Und Antwort gab ganz Friesland im Gebete

Dem Ewigen als Sein geliebtes Weib!




VIERTER GESANG



Herr Christus Jesus sprach im Himmelreiche

Zur Königin: Was wünscht du dir von mir?

Was immer dein Begehren, Gnadenreiche,

O meine Mutter du, ich geb es dir!


Da trat Maria vor, die holde Magd,

Und alle Engel sahen sie geblendet,

Als ob der Tag der Neuen Schöpfung tagt,

Der alles Leid des Menschentumes wendet.


Hier war der Neue Mensch, vollendet ganz,

Vollendet ganz durch Gottes große Gnade.

Hier tanzte Sulamith den Hochzeitstanz

Von Mahanajim in dem Leib von Jade.


Hier schauten Augen blau gleich Doppel-Blitzen

Romantisch in die Dämmerung des Herrn,

Tautropfen Edens auf den Lippen glitzen,

Die Zähne Mandelkern an Mandelkern.


Wo alle Engel waren oder Geister,

Wo alle Seelen waren körperlos,

Da war die Eine Himmlische dem Meister

Vollendet übergeben glorios.


Das hat kein Dichter je sich ausgedacht,

Das hat kein Maler je so recht geschaut,

Wie Schimmer in der Ewigkeiten Nacht

Erschimmerte die allerschönste Braut.


Wie Lüfte von Italien himmelblau

Und blau wie Meere Frieslands ihre Augen,

In ihnen schimmerte der Lebenstau,

Aus diesen Kelchen Engel Nektar saugen.


Vollendet war, erhaben ihre Nase,

So schlank wie Damaskener Türmchen Zier,

So wie ein Duftflakon von Rosenglase,

Wie es erschienen in Aleppo mir.


Der Herrin Blicke mögen mich nicht strafen,

Weil mich zu sehr verlangte nach den Frauen!

Wie Seidenraupen, welche träumend schlafen,

Die feingezognen und gewölbten Brauen.


Die Wangen, wie man sagt, von Milch und Rosen,

Bepurpurt von des Blutes süßem Pochen.

Im Bett der Wangen wollen Engel kosen,

Umgeben von gewölbten Wangenknochen.


Die Haare flossen hin in dunklen Locken,

Darüber fiel der transparente Schleier,

Bestickt mit Perlen und mit Blumenglocken,

Die läuteten der Liebe Fürbittfeier.


Da schaute ich das Herz des Himmelreiches,

Mandorlaförmiges von roter Glut,

Darinnen sang ein Harfenist ein weiches

Verliebtes Lied von Gottes Gnadenflut.


Die Herrin neigte ihre schlanke Hand,

Am Finger ihrer Linken war ein Ring,

Den Ring des Rosenkranzes unverwandt

Hielt sie dem Herrn hin als geweihtes Ding.


Die Lippen will ich preisen, dieses Lächeln,

Die anmutvollsten Lippen süßer Milde!

Sie küsse mich bei meines Todes Röcheln,

Verzücke mich zum himmlischen Gefilde!


Aus diesem Mund sprach die Geheime Rose:

Ich will ein Leben mir zum Dienst erkiesen!

Ich seh den Minnesänger in dem Moose

Und seufzen nach der Liebe Paradiesen.


Ich rühme mich als seine Königin,

Die Allgebenedeite unter Frauen.

Ich laß in einer Stellvertreterin

Den Minnesänger meine Schönheit schauen.


Ich weiß vom Staub und Wesen in dem Fleisch

Und weiß auch von dem Irregehn der Toren.

Aus eigner Kraft wird keine Seele keusch.

Ich helfe denen, die ich auserkoren.


Ich weiß auch von der allerschlimmsten Sünde,

Den Schöpfer nicht zu lieben, ihn zu leugnen.

Ich führ die Seelen durch die Labyrinthe,

Bis sich die Schlüsse meines Herrn ereignen.


Ich weiß von Berg und Tal, von Stadt und Eiland,

Ich weiß vom Eiland einer blauen Blume.

Ich seh die Seelen suchen einen Heiland

Und will sie führen zu dem Heiligtume.


Ich seh im Herzen meines Sohnes beide,

Die wünscht der Dichter sich als Minne-Pärchen.

Ich weiß von Liebe, Leidenschaft und Leide,

Und mag den Minnesang und mag auch Märchen.


Ich weiß von der romantischen Bestrebung,

Ins ferne Ideale hinzuschweifen.

Schon grunelts, ja, und Tränen sind Belebung,

Sehnsüchte an den Rand des Himmels streifen.


Ich kenn ein Land, da wallen Meer und Wind weit

Und sanft wie Wiesengras ist Gottes Gnade.

Ich kenne Baltrum, meines Dichters Kindheit,

Ich kenn Marienhafe und die Jade.


Ich kenn in Norden das Marienkloster

Und kenn das Hager Kloster Santa Anna.

Ja, Friesland betete das Paternoster,

Ja, Friesland speiste Jesu wahres Manna.


Da schwieg die Königin des Himmels leis

Und wartete auf ihres Dichters Rede.

Geliebteste in Gottes Paradeis!

Der Jubelruf des Minnesängers wehte,


Du zeigtest Indien dein Liebeslächeln,

Milchspendende Madonna Indiens!

Ich möcht dir süße Ambradüfte fächeln,

Du schlangenloser Sandelbaum im Lenz!


In Japan ließest du die Statue weinen,

Du weintest aus den weißen Litschi-Augen!

Ich will dich zieren zart mit Jadesteinen

Und Weisheit dir vom wahren Tao hauchen!


Chinesische Madonna! über alles

Bezaubert meine Seele deine Schöne,

Im transparenten Schleier seidnen Falles!

Ein „Shi“ dir meine Jadeflöte töne!


Ruanda zeigtest du dich als die schwarze

Madonna: ich bin swartze unde schoene!

Die Kinder lege an des Busens Warze,

Ihr Dürsten mit der Milch des Trostes löhne!


O Jungfrau du von Mexiko, o neige

Zu uns dein indianisch Angesicht!

O lege uns in deiner Arme Beuge

Und füge uns zu deinem Herzen dicht!


Preis dir, Immaculata du von Lourdes,

Die nährte mich im Traum an ihrem Busen!

Die Stunde meiner leiblichen Geburt

Dich preise und die Schönste meiner Musen!


Dir will ich als der Herrlichsten der Frauen,

Was ich in meiner Seele schau und fühle,

Du weißt es schon, dir will ichs anvertrauen,

Wie ich am Meeresstrand mit Muscheln spiele.


Einsame tiefe Frühlingsnächte schauen

Den Himmel, Himmel auf der Erde schon,

Da schau ich auch, o Trauteste der Frauen,

Wie ich am blauen Meere spiel mit Ton.


Die eigentliche Heimat meiner Kindheit

Ist wunderbar, unwirklich wie ein Traum.

Die blaue Blume blüht, es weht der Wind weit,

Die blaue Welle kränzt der weiße Schaum.


Und wunderbar genug, o welch ein Wunder,

Ich seh die Schöne spielen mit den Muscheln.

Drum will ich wie der Hering von der Flunder

In trunkener Verliebtheit Märchen tuscheln.


Ich möchte freien, möcht im Geiste freien,

Will in der Schönen loben deine Schönheit!

Ich will das blaue Eiland Baltrum weihen,

Das Rauschen meiner Muschel schall und tön weit!


Ich möchte, Herrin, dir ein Lob erfinden,

Wie keiner noch geschaffen: all mein Leben

Will ich dir schenken, Tugend dir und Sünden,

Und will dir meines Herzens Liebe geben!




FÜNFTER GESANG



Der Jüngling Petra stand am Meeresstrande,

Vom Genius der Einsamkeit umworben.

Er sah zum schwarzgesäumten Himmelsrande

Und weinte: Seine Mutter war gestorben.


Ach Mutter, streichst du wie ein feuchter Schatte

Nun hin durch meine einsam-dunkle Nacht?

Ich hatte immer dich nur, Mutter, hatte

Sonst niemanden, der mir am Bett gewacht.


Nun seh ich Kosmos schwarz und Ozean,

Ich trage schwer an meinem Kruzifixe.

Und aus der Nordsee dunklem Wellenplan

Kommt mir zum Troste keine schöne Nixe.


Ich wein nach dir, o Mutter, einzig Gute,

Du ließest mich zurück als eine Waise.

Mit allen Wellen dieses Meeres flute

Ich hinterher und wein wie Wellen leise.


Ich bin des Ozeanes Flutgestöhne,

Ich bin das Universum ohne Sterne.

Du gingest fort, du greisenhafte Schöne,

Mein Trost entschwand mir in die fernste Ferne.


Ich bin die Welle, die der Welle ruft,

Ich bin das Meer, das auf zum Himmel stöhnt,

Ich bin die dunkle feuchtverklärte Luft,

Ich bin mit meinem Schicksal unversöhnt.


Und wüsste ich das Schiff auch, die Tabu,

Das mich zur Insel der Glückseligkeit

In fernster Ferne brächte, fänd ich Ruh,

Doch soll ich dulden, tragen all mein Leid.


Das Leid ist schwer wie schwarze Ozeane,

Die fluten alle mit der Schwermut Flut.

Was für ein Trauriger war doch mein Ahne,

Von dem geerbt ich hab mein schwarzes Blut.


Wenn ich nur deine Augen wieder sähe,

Wie blaue Himmel voller Heiterkeit,

Und immer Frühling wars in deiner Nähe,

Der Frühling war dein blumenblaues Kleid.


Und Sommer lachte, wenn du leise sprachest,

Da badeten die Nixen in der See,

Und Liebe lebte, da das Brot du brachest

Und schenktest in das Porzellan den Tee.


Da sah ich wandeln dich an blauer See,

Spazieren dich im grünen Wiesenplane,

Da sah ich dich als wie ein zages Reh,

Da sah ich dich gleich einem Sangesschwane.


Nun weih ich meiner Todessehnsucht Pein -

Ach dürft ich folgen dir nur hinterher! -

Nun werfe ich dies Gänseblümelein

Von deiner Wiese in das dunkle Meer!


Mit naßgeweintem Angesichte sah

Der Jüngling Petra in die schwarze Nacht.

Da war die ganze Liebe Gottes da,

Sonst hätte es ihn sicher umgebracht!


Von ferne nahte her das trunkne Schiff,

Von Süden, von den Ufern Griechenlands,

Es schwamm durchs Skylla-und-Charybdis-Kliff

Und trug in hohen Norden seinen Glanz.


Gebaut von Libanons erhabnen Zedern,

Die Segel flatterten so tief purpurn.

Lachmöwen Palästinas schwangen Federn

Und goldne Zeiten lächelte Saturn.


Der Mast erhob sich steil mit Querverstreben,

Daran das purpurn blutigrote Segel,

Der Mast umrankt von purpurroten Reben,

Im Weinlaub nistete das Seegevögel.


Ein Dutzend Griechen führten schlanke Ruder

Und sangen Seemannslieder zu den Knoten,

Sie sangen von dem schönen, dunklen Bruder

Und von der Auferstehung aller Toten.


Und auf dem Schiffe brach ein Jubelsang

Zum Himmel auf, es bebten alle Planken,

Der Kapitän stand vorne hoch und schlank,

Man sah den weißen Bart im Winde schwanken.


Und um die Ruder spielten nackte Nixen,

Wie Portugals Poet einst pries Ephyra.

Der Kapitän mit sieben Kruzifixen

War Nikolaus, der Bischof war von Myra.


Auf seiner Schulter saß ein bunter Ara,

Den Pilger brachten aus dem Morgenland.

Auf seinem Haupte türmte die Tiara,

Ein schwerer Siegelring an seiner Hand.


Die Augen lächelten so jung dem Greis,

Die Lippen murmelten den Rosenkranz,

Er trug den Patriarchenbart in Weiß,

So weiß wie Gischt auf dunkler Wellen Tanz.


Die Meereswogen hoben sich empor,

Wie Salome im Tanze vor Herodes.

Marie! Marie! so sang der Schiffer Chor,

Sei gnädig in der Stunde unsres Todes!


Die Nordsee vor dem Schiff des Bischofs wie

Ein träumender Poete ohne Ruhe.

Doch ruhevoll das Schiff, die Sankt Marie,

Trug durch die Fluten ihre Bundestruhe.


Die Schiffertruhe von Akazienholz

War in der Arche Bauch, ihr Sakrament.

Nun höret auch, warum der Bischof stolz

Die Griechen-Arche Sankt Maria nennt:


Denn dieser treue Diener seines Herrn

Lag selten müßig träumend auf den Polstern

Wie Mayer, sondern unterm Meeresstern

Fuhr er und Sankt Maria war der Pol-Stern.


O Stern der See! O sieh im Sturm uns schwanken

Und sieh uns treiben durch das Flutgestöhne!

O Stern der See! o tritt auf unsre Planken

Und offenbare deine Götterschöne!


Maria, komm, du Meeresstern, und schein,

Gekränzt von deinem goldnen Rosenkranz!

Hör, wie ich in der Nordsee dunkel wein,

Erfreue mich mit deiner Anmut Tanz!


Da tauchte aus der Gischt, dem weißen Schnee

Des Meers, die Maienmaid so rein und weiß.

Wir lieben sehr dich, Sankt Marie der See!

Wir lieben dich so innig und so heiß!


Wir sehen kämmen dich mit einem Kamm

Aus Perlmutt deine braune Lockenflut,

Zu deinen Füßen schwimmt der Meeresschwamm,

Die Muschel öffnet dir sich ausgeruht.


Poseidons Rosse tragen Minneritter,

Die brechen alle gern für dich die Lanzen.

Die Nymphen mit der Wimpernflut Gezitter

Und bloßen Brüsten auf den Wellen tanzen.


Die Fische opfern ihre Silberkronen,

Seepferdchen reiten für dich ins Gefecht,

Schamrot erblühn gleich purpurroten Mohnen

Die Muscheln, weihen dir ihr Perlgeschlecht.


Die Schönste aller Muscheln will ich wählen,

Daß sie dir trage deinen Leib von Jade,

Du Freudenspenderin der tristen Seelen,

In deiner Anmut jede Seele bade!


Du hüllest dich in allerfeinste Seide,

Die blumenbunt ist wie der Maienlenz.

Die hübschen Apfelbrüste hüpfen beide

Und aus den Augen schimmert ein Geglänz.


Da schüttelst du den purpurroten Schleier

Und rufst herauf die Morgenrosenröte.

Die Nymphen tanzen alle auf der Feier,

Ein junger Triton bläst die Muschelflöte.


Da tritt die Königin des Meeres schön

Mit bloßen Füßen an den Meeresstrand,

Umbrandet von des Meeres Flutgestöhn,

Löst ihren Gürtel ihre schlanke Hand.


Von Tahasch-Leder ist der Gürtel schön,

Geschlossen mit erlesner Silberschnalle.

Der Gürtel sinkt, und Petra hats gesehn

Und war nicht mehr allein im Weltenalle!




SECHSTER GESANG



Aurora lag in einer weißen Wolke

Als wie in eines Maien Blütentraum,

Sie schaute anmutvoll zum Friesenvolke,

Gebettet in des Himmels Rosenschaum.


Nur eine Wolke schwebte auf der Bahn

Und Lenzes Farben spielten ihr am Saum,

Die selber war ein weißer Sangesschwan,

Der sie umschlang mit seiner Schwingen Schaum.


Als ob am Himmel weiße Rosen sprossen,

Als ob die weißen Rosen zärtlich glühn.

In lauter Schnee und Milch lag hingegossen

Aurora, lächelnd liebendem Bemühn.


Wie mühten sich die kleinen Schwanenküken

Zu ihrem Lob und Ruhme schön zu segeln.

Vom Kreidefelsen nahte fern von Rügen

Ein schwärmerischer Schwarm von Möwenvögeln.


Aurora flossen hennarote Locken

Wie Morgenröte in das Wolkenkissen,

Umschwebt wie von Granatenblütenflocken,

Die wollen all mit Duft die Göttin küssen.


Gerahmt von rosenroten Lockenschlangen

Schön wölbte sich das braune Muschelohr,

Schön wölbten sich die schöngewölbten Wangen,

Am Schwanenhals die Haarflut sich verlor.


Die Augen glichen diamantnen Sitzen

Von Göttern des Olymp, vor allem Eros!

Tiresias von diesen Frauenblitzen

Erblindete dereinst und auch Homeros.


Und da die Sonne ging mit Sphärensang

Und Himmlische sich reichten goldne Eimer,

Auroras Rede durch die Lüfte drang,

Sie sang die Epen altehrwürdger Reimer.


Zum Glück des Sehers war der alte Gatte

Aurorens fern, in seinem Wasserbette,

Durch seinen Griesgram fiel auch nur ein Schatte

Auf diese göttlich-gloriose Stätte.


Doch was der Mythen alte Hagiographen

In keinem Epos je besungen haben:

Aurora in dem Vlies von Wolkenschafen

Hielt einen Knaben gold wie Honigwaben.


Ich weiß nicht, obs der Sohn des Zephyr war,

Als er Aurora in das Haar geblasen?

Die Augen waren Himmel blau und klar

Und schauten scheu und schüchtern wie die Hasen.


Der Seher sah das Kind sich friedlich fügen,

Aurora redete wie Pädagogen,

An die sich Kinder voller Liebe schmiegen.

Da stieg die Sonne über blauen Wogen.


Da wachte auf Evodia vom Schlaf,

Da goldner Sonnenschein sie zärtlich küsste,

Der sie wie Danae im Turme traf.

Im Hemdchen zeichneten sich ab die Brüste.


Wie gut die violetten Seiden sitzen

Und mehr noch, an ihr traumhaft niederfließen.

Rosinen ihrer Brüste zart sich spitzen

Von ihres Traumes zärtlichem Genießen.


Kastanienbraunes Lockenhaar zerzaust

Ihr an gebräunter Wange niederfiel.

Beschworen hätte sie der Magier Faust

Statt Helenas an seiner Irrfahrt Ziel.


Sie ging ins Bad, das Angesicht zu waschen

Und ihre weißen Perlenreihn zu putzen.

Die Meereswinde nach der Weisheit haschen

Und Toren wachen auf in ihren Butzen.


Dann kochte sich Evodia den Mokka,

Vor ihrer Tür das Brötchen lag vom Bäcker.

Sie tat das Fenster auf, das ging nach Mekka,

Und schlürfte Türkentrank aus rotem Becher.


Wie eine Fischerin in alten Zeiten,

So lebte die Prinzessin Baltrums schlicht.

Seefahrer brachten ihr aus China Seiden,

Aus Palästina Salbe fürs Gesicht.


Sie sprach ihr morgentliches Lobgebet,

Dieweil das Wasser ruhte in der Tonne,

Die Erde kreist, der Wind sich dreht und weht,

Pries sie das Himmelsfeuer, Gottes Sonne.


O Sonne, auferstanden aus dem Grabe,

Erstanden aus der Lethe schwarzen Flut,

Komm zu mir du mit deines Feuers Gabe

Und lehr mich lieben heiß wie deine Glut!


Ich preise dich und deine reinen Strahlen,

Die läutern noch des Regens Tränenwogen,

Die siebenfältig ihre Schönheit malen

In Iris’ Schoß, der Hoffnung Friedensbogen.


Erobre dir das himmlische Gebiet

In der allmorgentlichen Himmelfahrt,

Sei Diadem und Krone des Zenit,

Hast dich als Herr des Tages offenbart.


Du Ebenbild von Gottes Angesicht,

Dein Scheinen ist die Tröstung aller Schmerzen,

Laß du dein gottgezeugtes Himmelslicht

Aufgehen heute auch in meinem Herzen!


Laß wandeln mich am goldnen Himmelsbande,

Gewirkt aus deiner Strahlen schönem Frieden,

Und führ mich in die selig-schönen Lande,

Da immerwährend Maien ist und Süden!


Dann warf sie um sich ihren Friesennerz,

Der rollte um sie her wie Hermelin.

Sie ging mit ihrem aufgestrahlten Herz

Zu ihres Reiches Meeresküste hin.


O du verlassne Bucht der Meeresküste,

Da alter Dichter einsam Umgang pflag

Und sang zum Sternbild Ihrer hohen Brüste

Und Sie sich neigte wie einst Abischag.


Evodia, die Haare ließ sie wuscheln

Mit wetterbraunen Händen salzgen Wind,

Sie wollte an dem Meeresstrand mit Muscheln

Im weißen Sande spielen wie als Kind.


Sie ging spazieren auf den festen Bunen,

Beim Pfahlschutzwerk, das sicherte das Eiland.

Sie wisperte im Winde rasch die Runen,

Mit denen sie sich sehnte nach dem Heiland.


Und von dem Pfahlschutzwerk ging rechter Hand

Sie durch die kraut- und grasbewachsnen Dünen,

Zu schauen, ob gescheitert sei am Strand

Ein Räuberschiff von blaugeaugten Hünen.


Und um den Sanddorn summeten die Bienchen

Und grüßten sie als Bienenkönigin,

Und in den Höhlen gaben die Kaninchen

Sich ihrer triebgelenkten Liebe hin.


Da ging sie an des Meeres Ufersaum,

Des Meers Prinzessin, Baltrums blaue Frau,

Das dunkle Meer trug seinen Kronenschaum,

Die Gischt war wie das Haar von Greisen grau.


Der Stern des Tages (der Papiervergilber),

Die Sonne glänzte auf der Möwenfeder.

Das sah Evodia das reine Silber

Des Gürtels der Marie von Tahasch-Leder.


Sie freute sich an dieser edlen Schönheit,

Sie freute sich an allem schönen Schmuck.

Sie schaute hin in seliger Versöhntheit

Ins Wasser wie in Prag einst Nepomuk.


Und Rede schien die Meeresflut zu reden,

Die Meeresgöttin wußte, was sie sann:

Nimm diesen Gürtel du, er stammt aus Eden,

O leg du Sankt Marien Gürtel an!


Der Gürtel hält das kosmische Entzücken

Zusamm in marianischen Geweben.

Da sah das Meer Evodia sich bücken,

Um Sankt Marien Gürtel aufzuheben.


Sie band den Gürtel sich um ihre Lende,

Sie gürtete die Lende vom Gemüte,

Sie schloß die Silberschnalle schlanker Hände,

Daß sie als Blaue Blume Baltrums blühte!




SIEBENTER GESANG



Zwei Freier machten sich zum Hofe auf.

Der eine war mit schwarzem Haar ein Griesgram,

Der nahm mit breiten Beinen seinen Lauf,

Der mit dem Stoppelangesicht so mies kam.


Der brachte nie ein gutes Wort hervor,

Vor seinen Freunden war er doch ein Prahler.

Er hatte schwarzes Haar im fetten Ohr

Und in dem Herzen nichts als einen Taler.


Er parfümierte sich mit Wohlgeruche,

Zu übertünchen seines Bockes Schweiß,

Er las die Flüche aus dem Zauberbuche,

Die ihm erfunden einst ein böser Greis.


Er wollte nicht der Liebe Lust erwidern,

Die göttlich an der Stirn der Fraue tagt,

Er wollte die Prinzessin nur erniedern

Zur Besenträgerin und Staubes Magd.


Er würde immer kritisch an ihr kritteln,

Wenn überhaupt er Worte für sie hatte,

Sie sollte schweigend nur das Bett ausschütteln,

Das er befleckt hat als sein eigner Gatte.


Stechapfel wollte er zum Tee bereiten,

Daß ihm der Sinn in dunklem Wahnsinn schmilze,

Und sah man ihn am Ostersonntag schreiten,

So suchte er doch nur die Zauberpilze.


Der andre Freier war so lang wie dumm

Und ward von Stund zu Stunde frech und frecher,

Er dachte an die Pfeile um und um

Und eines wilden Weibes offnen Köcher.


Er reiste oftmals mit der Baltrumfähre

Nach Norden in die rötlichen Bordelle,

Da badete er gern im Sündenmeere

Und schüttete sich aus in geiler Welle.


Was kümmerte ihn Gott, der Seele Heil?

Sah er nur einen roten Frauenrock,

So war er wie ein Orang-Utan geil

Und geil wie Rammler und wie Ziegenbock.


Er hasste alle Sutren, alle Suren,

Und jedes Bibelwort von Sankt Marie.

Nichts las er als das Angebot an Huren

Und war ein Hund, der mit der Hündin schrie.


Die Kirche hasste er, sie war ihm Dirne

Von Babylon, bestimmt dem Feuerpfuhle,

Er glaubte an den Haß in Herz und Hirne

Und war doch selbst der großen Babel Buhle.


Die beiden hielten an nun um die Hand

Der Meeresgöttin aus dem warmen Golf,

Wie waren sie betört von Unverstand

Und beide schlimmer noch als Fuchs und Wolf.


O Gott, erbarme dich, ich bin ein Sünder,

Ich bin ein Tor und eitler Träume Träumer,

Ein Taugenichts und kindischer als Kinder,

Vergöttere die Frauen als ihr Reimer!


So nahte Petra nun dem Heiligtume,

Der Wind in seiner Pilgermuschel rauschte

Und sang Gesang ihm von der blauen Blume,

Der sich das Kleid wie Blütenglocke bauschte.


In einem Traume sah er seinen Götzen,

Bestimmt, daß er ihr Liebeslieder sing,

Weil sie ihn mit den schwarzen Fischernetzen

Wie einen Fisch mit ihrem Haare fing!


Die friesische Prinzessin war sein Leben,

An ihrem Herzen war er erst daheim,

In hoffnungsloser Hoffnung hingegeben

Erfand er ihr so manchen schönen Reim.


Da trat er in dem Inselheiligtume

Im Kiefernwalde in der Inselmitte

Mit seiner Harfe vor die blaue Blume

Und warb um ihre Minne holder Sitte.


Ich sehe Sankt Marien Gürtel an dir,

Die Silberschnalle und das Tahasch-Leder,

Ich will Gefährte sein, dein lieber Mann dir,

Und schreiben Verse mit der Schwanenfeder.


Ich will dich auf den Dichterhänden tragen

Und will dich in das Reich der Himmel heben,

O Sonne du an allen meinen Tagen,

Mein Mond, mein Meer, mein Glaube und mein Leben!


Ich will wie Holz an Holz zusammenleimen

In lauter Liebe dein und meine Rippe,

Will meine Seel’ auf deine Seele reimen,

Die Lippe siegeln dir mit meiner Lippe!


Ich wünsch mir einen keuschen, keuschen Kuß,

Ich bring dir meine Träume als Geständnis,

Ich weih dir meiner Liebe Feuerfluß

Und sehne mich nach feuriger Erkenntnis!


Ich will in deiner Seele holdem Schweigen,

Mit dem der Geist der Weisheit dich bekrönte,

Will in dem Schoße deiner Seele zeugen

Das Bild der Schönheit, o du Gottverschönte!


Ich möcht auf deinem Schoß, Marien Bild,

Ein lächelndes Geschöpf, dir ähnlich, schauen!

O Gnadenreiche du, so anmutmild,

Du Allgebenedeite unter Frauen!


Ich hüt den Schatz von deinem keuschen Hymen

Und bitt um einen Platz in deinem Herzen!

So seufzte er, Evodia zu rühmen,

Da hob sie an und gab ihm Liebesschmerzen!


Da sprach Evodia mit süßer Stimme

Und doch bestimmt von ihres Herzens Geist:

Ich suche den, dem ich im Blute schwimme,

Und der wie meine tiefste Sehnsucht heißt.


Ich suche den, der mir das Reich beschützt

Und sichert mir im Reich die wahre Freiheit,

Der lieblich mir zum Kuß die Lippe spitzt

Und eins sein mag mit mir in schöner Zweiheit.


Ich sehne mich nach Weisheit und nach Glauben

Und nach der Seele innerlichen Freundschaft.

Ich suche das Gegirr von Turteltauben

Und innerlich vollkommene Gemeinschaft.


Ich sage dir, woran ich mich erfreue,

Ich offenbar dir meines Herzens Raum:

Ich freue mich an innerlicher Treue

Noch bis in meines Mannes Schlaf und Traum!


Ich sei die Einzige, die er begehrt

Und deren Namen ausspricht er im Traum,

Ich sei die Frau, der er sich nicht verwehrt,

Er bade mich in Milch- und Honig-Schaum.


Ich will die Mutter eines Kindes sein,

Mir seien viele Kinder anvertraut,

Doch sei ich eine Mutter nicht allein,

Ich sei ihm immer, ewig seine Braut!


Vom Einzelnen hab ich mich abgewandt,

Ich folge meines Herzens tiefsten Trieben,

Ich möchte Baltrum und das deutsche Land

Und alle Völker dieser Erde lieben.


Ich seh als eine heilige Familie

Die Menschheit, von den Friesen zu den Indern.

Maria ist die Mutter mit der Lilie

Und Hüterin Millionen Gotteskindern.


Ich will des Menschen Herz und Seele ehren

Mit herzenstiefem, ehrlichem Respekt,

Die alle eines Tages, aus den Meeren

Des Todes, Gottes Auferstehung weckt.


Die Religionen lehren, die sich ziemen,

Zu wandeln auf dem wahren Weg des Guten,

In Liebe eifernd gleich ich den Muslimen,

In Liebe eifern gleiche ich den Juden.


Die Liebe ist wahrhaftig, treu und echt,

So ehr ich Protestanten, Katholiken,

Seezunge lieb ich, Hering, Flunder, Hecht,

Die Schmetterlinge und die Schwanenküken.


Vor allem aber lieb ich jede Blume,

Vor allen Blümelein das Röselein.

Du, Petra, singe zu der Liebe Ruhme,

Zu deinem Antrag aber sag ich - Nein!




ACHTER GESANG



Evodia sprach zu dem Minnesänger,

Sie richtete an Petra dieses Wort:

Du singe von der Liebe lang und länger,

Du singe von der Liebe immerfort.


Du singe von der himmlischen Belebung,

Gespendet durch der Liebestränen Tau,

Du singe treue Freundschaft und Vergebung

Und dies auch: huldige der Lieben Frau!


Ich will in meinem Reich die Sänger ehren

Und will umhegen ihre Einsamkeit.

Sie sollen singen von den Wogenmeeren

Der Leidenschaft und von der Liebe Leid.


Ich selber sitze nicht auf einem Thron,

Die lieber ich auf einer Muschel stände,

Gebiete aber doch dem Musensohn,

Mit Gott zu gürten des Gemütes Lende.


Wie eine Jüdin sang, die hier gewesen

Und hat von Göttern Griechenlands gesungen:

Gott ist das Beste, was sie je gelesen,

Was Dichter sangen je mit Feuerzungen.


Allein die Liebe reißt uns aus dem Tod,

Die Liebe, die da wandelt überm Meere,

Die wahre Liebe, das ist Zebaoth,

Der Herr verliebtester Poetenheere.


Dir aber, Petra, meinem Minnesänger,

Muß dein Begehren leider ich verwehren.

Geh in die Einsamkeit, werd Meistersänger,

Geh einsam in der Nacht an dunklen Meeren.


Was wolltest du denn hier im Hofgedränge,

Auf Politik ist hier die Welt gestellt.

Willst du dem Hofrat widmen die Gesänge

Und singen um das schnöde gelbe Geld?


Willst du mit Grass in einer Talkshow sitzen,

Mit Christa Wölfin stehn auf der Tribüne?

Sieh lieber du die Silbermöwen flitzen,

Kaninchen hoppeln in gewellter Düne.


Das Dichten, Petra, ist ja mehr als Werben

Um etwas, das die Dame endlich schenkt.

Das Dichten ist ein an-der-Liebe-sterben,

Das in das Land der ewgen Liebe lenkt.


Du hast mich angeschaut, du fandst mich schön,

Dich traf der Pfeil Cupidos auch, der scharfe.

Tön einsam dein poetisches Getön

Auf der vielleicht einst gar prophetschen Harfe!


Da man auf Baltrum alte Sitte ehrt,

Ich an die Tradition mich halten muß,

In der die Musenkirche mich belehrt,

Gewähre ich dir jetzt den Musenkuß!


Und Petra kullerten die Tropfen Tränen:

Das höchste Glück! und doch sogleich zuende!

Erfüllte sie ihm doch sein tiefstes Sehnen,

Auf daß er sich der Einsamkeit zuwende.


Er fürchtete die Einsamkeit doch nicht,

Der da vor nichts als vor dem Zahnarzt bangte.

Er trocknete die Nässe vom Gesicht

Und trauertrunken seines Weges schwankte.


Er packte nichts ein als ein Buch von Goethe,

Um seinen Geist zu nähren mit dem Gift,

Und Mirjams Zimbel auch und Davids Flöte

Und schönster Freudenbotschaft heilge Schrift!


Er nahm kein Fleisch mit sich zu Mittagsmahlen

Und auch zum Abendbrote keine Nuß,

Ging barfuß, ohne mönchische Sandalen,

Ein Karmel-Eremit so wandern muß.


Er trug auf seinem Rücken keine Tasche,

Sich niemand mit des Mammon Last bepack,

Er streute in die blonden Haare Asche

Und hüllte seinen Leib in einen Sack.


Den Kuß auf seinen Lippen ging er still,

In seinem Auge glänzte eine Träne.

Er ging mit einem traurigen Gefühl

Vorüber an dem Teich der Trauerschwäne.


Er ging durchs Ostdorf, weiter auf den Bohlen,

Die Leut sich von ihm abgewendet haben.

Da hörte er schon ferne schrein die Dohlen,

Da hörte er schon ferne schrein die Raben.


O Melancholia, o Mutter Nacht,

O hülle mich in deinen schwarzen Mantel!

Der Weise trauert, doch der Dummkopf lacht,

Der Weise dürstet, doch der Tor treibt Handel.


Saturnus feiert gern der Schwermut Fest, ah,

Da einsam blüht der Trauer blaue Blüte,

Er schenkte uns die heilge Jungfrau Vesta,

Daß sie der Weisheit Feuersäule hüte.


O Melancholia am dunklen Meer,

Hör dir den Wind Orakelrunen heulen,

O komm du in den Hain der Wehmut her,

Da ewge Weisheit schaun Minervas Eulen.


O Melancholia, den Dichter läuter,

Gib ihm des Todes Granatapfelkerne,

Lehr ihn zu leben von dem Saft der Kräuter

Und zu verstehn Geheimnisse der Sterne.


Bewahre ihn vor Gottes Grimm und Rage

Durch dein Gebet, o Melancholia!

Besuche ihn in seiner Eremitage

Der wahren Freude Quell, der Ich-bin-da!


Und Petra kam zum weißen Osterhook,

Dem kleinen Hügel an dem Insel-Ende.

Und wie ein Hoherpriester segnend bog

Er über diese Stätte seine Hände.


Er legte sich im Schatten jenes Hügels

Und sah den Hügel in den Himmel ragen.

Er sah den Schimmer eines Engelsflügels

Und sah den Siebenstern, den Großen Wagen.


Du Großer Wagen meiner Meditation,

Bist mir ein Teilchen der astralen Bärin!

Von deinem schimmernden kristallnen Thron

Schau du und schau zu Baltrums blauem Meer hin!


Wie ruht die Nordsee heute Nacht so stille,

Da alle Winde des Boreas schweigen.

So still bin ich. Mein aufgegebner Wille

Soll von der himmlisch-schönen Liebe zeugen.


Die schöne Mutter Nacht umhüllt die Welt

Mit ihrem Kleid, bestickt mit Sterngefunkel.

Gott macht die Finsternis zu seinem Zelt,

Drum preise ich das helle Licht im Dunkel!


O Unermeßlichkeit des Weltenraums,

Unzählbarkeit der fernen Sternenkerzen!

Doch schaute ich in der Vision des Traums,

Daß größer ist das All in meinem Herzen!


Die Liebe preise, schöne Mutter Nacht,

An die ein Stern sich wie ein Kindlein schmiegt!

Die Liebe preise, Meer in deiner Pracht,

Da zärtlich Welle sich an Welle fügt!


Die Liebe preise, küstennahe Buhne,

Und spiele immer zärtlich mit der Küste!

Die Liebe preise, Windgeraunes Rune,

Weil dich der Mund der braunen Wolke küsste!


Die Liebe preise, friesischer Seelöwe,

Beschlaf die Sandbank und die Wogengrüfte!

Die Liebe preise, silberweiße Möwe,

Weil dich umarmt der Genius der Lüfte!


Die Liebe preise, Wald im Windgetuschel,

Vor Wollust stöhne du im starken Sturm!

Die Liebe preise, blaue Austermuschel,

Weil dir sich nahte zag des Wattes Wurm!


Die Liebe preise, demutreicher Strand,

Der sich dem großen Ozean ergeben!

Die Liebe preise, allerfeinster Sand,

Ich sah als Schleier dich im Winde schweben!


Die Liebe preise, Rebhuhnweibchen du,

Das schlummert schön dem Rebhuhnmännchen nah!

Die Liebe preise, meiner Seele Ruh,

Die ich verloren um Evodia!




NEUNTER GESANG



Lang lebte Petra einsam und allein,

Alleine mit des Meeres Wellenrauschen,

Alleine mit dem Sande und dem Stein,

Alleine um dem wilden Wind zu lauschen.


Und oft genoß er diese Einsamkeit,

Da alle Kreaturen um ihn waren,

Die Sonne tags ihn in ihr weißes Kleid,

Die Nacht ihn nächtlich barg in ihren Haaren.


Kaninchen freundeten sich mit ihm an,

Die scheu und keusch vor ihren Höhlen huschen.

Rebhühner kamen oft zu diesem Mann

Und schauten, sahn ihn seine Verse tuschen.


Dann sehnte er sich aber nach den Menschen,

Nur einmal wieder mit den Menschen reden,

Mit morgendländschen oder abendländschen,

Nicht nur mit Dünengräsern und Reseden.


Und seine Sehnsucht wurde heiß und groß,

Evodia noch einmal anzuschauen.

Wie gerne säh er Venus einmal bloß

Mit seinen Augen, seinen meeresblauen.


Wie brennend brannte in ihm das Verlangen,

Sie einmal an der Apfelbrust zu rühren!

Ein Zagen überfiel ihn und ein Bangen,

Er murmelte, den Schlaf herbeizuführen.


Gruß dir, o Schwester Schlaf, in deinen Schleier

Aus Tau und Nacht hüll meine müden Glieder,

Entführ mich zu des Sabbath Ruhefeier

In deinem Arm und weck mich nimmer wieder!


Ich möchte tausend Jahre und ein Jahr

Im Friedensreiche des Messias ruhn!

O Schwester Schlaf, hüll du mich in dein Haar

Und lege mich an deine Brüste nun!


Sie spenden Milch, wenn ichs nicht besser wüßte,

Ich weiß vom mythischen Mysterium,

O Schwester Schlaf, es spenden deine Brüste

Dem Müden Baldrian und Opium.


Ich seh dich nahen aus dem Sternengrund,

O nahe du, dich ganz mir offenbare!

Ja küsse mich mit deinem roten Mund

Und webe mich in deine braunen Haare!


Von deinem Munde will ich Frieden trinken,

In deinem Haar begehn der Ruhe Fest!

Laß mich in deine Flügelarme sinken

Und ruhn in deines Schoßes Taubennest!


Gruß dir, o Schwester Schlaf, in dieser Stunde,

Und gruß dir in der Stunde, da ich scheide! -

Da küsste sie ihn süß mit ihrem Munde

Und löste leise ihn aus allem Leide.


Und da er lag im weißen Dünensand,

Als ob er nie mehr weine, nie mehr singe,

Da nahte aus der Lüfte dunklem Land

Ihm die Dreizehen-Möwe weißer Schwinge.


Sie ließ sich nieder wilder Raubtierlust

Und kreischte wild und stürmisch wolkenwärts,

Sie schlug den Schnabel in des Sängers Brust

Und riß ihm aus der Brust sein rotes Herz!


O rotes Herz, o blutender Karfunkel,

Wie zucktest du mit deinem blutgen Lappen

Und glühtest! Nichts war da von kaltem Dunkel

Steinharter Herzen oder Herz-Atrappen!


Herz Petras, rotes Banner du der Liebe,

Mit Jesus-Monogramm in Hieroglyphen!

In deinem Tode alle wilden Triebe

Und alle Schuld und alle Sünde schliefen!


Herz Petras, Höhle mit dem Brautgemach

Der Minneköniginne Sankt Marien!

In deinem Tode alles Weh und Ach

Und aller Leidenschaften Leiden fliehen!


Herz Petras, rotbeflaggter Fischerkutter,

Du hast dich durch des Todes Flut geschwungen,

Vergaßest nimmer deine selge Mutter,

Die lebte fort in den Erinnerungen!


Herz Petras, rot dir eingeschrieben inne

Mit Todes Griffel, Jenseits Schwanenfeder,

War dir die schöne Dame deiner Minne,

Gegürtet mit Madonnas Tahasch-Leder!


Herz Petras, in der Stund’, da dich das Heil trifft,

Sehn wir die blaue Blume Baltrums blühn!

Den Namen lesen wir in edler Keilschrift

Gezeichnet mit der ewgen Hoffnung Grün!


Herz Petras, in dir blühen blaue Sterne,

Die dir aus blauen Ewigkeiten hauchen,

Aus blauen Meeren himmelblauer Ferne,

Das sind der blauen Blume blaue Augen!


Herz Petras, an des Todes Scheideklippen

Und da du stehest vor des Todes Schlund,

Da blühn in dir die roten Rosenlippen,

Da glüht in dir der rote Rosenmund!


Herz Petras, rot-rubinene Juwele

Befällt vor deinem Rot der Blässe Tadel!

In deinem Innern glüht und glüht die Seele,

Die du geliebt hast wegen ihrem Adel!


Herz Petras! Jesus, Sankt Marie, die Mutter

Sind ewig deinem Herze innig nah,

Jedoch dein Land von Honigseim und Butter

Ist in dem Herzen der Evodia!


In dieser Nacht der Nächte nahte schwer,

Bestrahlt von Sternfiguren ohne Zahl,

Vom hohen Norden durch das dunkle Meer

Fontänenstoßend her ein weißer Wal.


Da nahte er dem Friesen-Archipele

Und wühlte auf die wilde Wogenflut.

Und Petras Leib am Strande ohne Seele

Ward Raub der windgepeitschten Wogen Wut.


Das große Walroß seine Hauer bleckte,

Die Nacht durchschimmerte das Elfenbein,

Die Welle rollte und die Welle leckte

Vom Strande das petranische Gebein.


Die Welle trug auf ihrem Turm aus Salz

Den Leib wie eine todgeweihte Braut,

Die Welle schlang den Arm um Petras Hals

Und tropfte salzig Tränen auf die Haut.


Das Walroß ähnelte den Wasserdrachen

Mit Namen Rahab oder Leviathan,

Es riß den Schlund auf, einen schwarzen Rachen,

Das Reich des Todes, das bereit dem Satan.


Der Schwall der Wellen um das Walroß schwang

Wie lüstern transparent kokette Seide,

Das weiße Walroß Petras Leib verschlang,

Zu nähren seine innern Eingeweide.


Und Petras Seele irrte bloß und nackt,

Des Leibes bar, als bloßer Todesschatte,

Gespenstisch wie am Schluß im fünften Akt

In Morpheus’ Reich auf Poppie-Blumenmatte.


Die Blumen blühten, die orangnen Kelche

Betropft von Opiates Freudenquelle,

Im Schlummerhaine wandelten die Elche,

Das Einhorn weidete bei der Gazelle.


Die Blumen wie in Gärten Portugals

Verströmten Wohlgerüche, angenehme,

Goldfalter hingen ihnen an dem Hals

Und seufzten Reime magischer Poeme.


Der Rose Herzensblut, der Lilie Schnee,

Verschleiert von des Traumes holdem Hauch.

In goldner Süßigkeit die schönste Fee

Hing rosa Perlen in den Myrtenstrauch.


O himmlische Entzückung süßer Lieder,

Zu Traumespsaltern Falterpoesie!

O himmlisches Entzücken süßer Glieder,

Da in dem Hauch von Schleier schwebte S i e!


Sie war entschwebt dem holden Elfen-Eden

Und sprach in neuen Sprachen, Flammenzungen.

Mi schan ko ssee ja banto sere seden

E kumi tala beremoso bungen...




ZEHNTER GESANG



Ich träumte einen Traum, den will ich sagen,

Der farbig war und voller Fried’ und Freude.

Er war mein Trost auf Traumes Liebesklagen

Und werde Freude auch für andre Leute.


Ich schaute einen schönen Lebensbaum

Mit einem umfangreichen breiten Stamm.

Er war in dem prophetschen Sehertraum

Das Kreuz des Christus, der da Gottes Lamm.


Er stand auf einen großen grünen Wiese

Erhaben wie ein hoher Alpengipfel,

Ein Lebensbaum direkt vom Paradiese

Mit einer großen Krone grünem Wipfel.


Die Sonne schien und alles rings war heiter

Und Leute standen wie zum Feierreigen.

Am Stamme aber lehnte eine Leiter,

Messias wollte auf zum Kreuze steigen.


Ich sah Messias, aber unbeschreiblich,

Von Weisheit und von Sanftmut er gezeichnet.

Der Lebensbaum empfing den Meister weiblich,

Da sich das Sakrament des Heils ereignet.


Der Sohn des Zimmermannes stieg ins Holz,

Der Sohn des Höchsten in den Lebensbaum.

In Demut und in Sanftmut, ohne Stolz

Und ohne Zorn, erschien er mir im Traum.


Da sah ich in dem Baume eine Traube,

Sah leuchtend grüne, pralle reife Reben.

Den Wein hat Gott erschaffen, ist mein Glaube,

Hat ihn zur Herzensfreude uns gegeben.


Ich sah im grünen Wipfel einen Mönchen

Mit sanftem mädchenhaftem Angesicht.

An ihm vorüber ging der Sohn des Menschen,

Die Aura hoffnungsgrünes Maienlicht.


Da Jesus bei der grünen Traube handelt,

Da weiß ich, daß des Weines Elemente

Die Näh des Pantokrators Christus wandelt

Die Rebentraube um zum Sakramente.


War jener Mönch der heilige Johannes,

Der schrieb die Rede vom Mysterium

Des Himmelsbrotes, das des Schmerzensmannes

Fleisch ist nach seinem Evangelium?


Da sah ich eine Seite aus der Schrift,

Die lesen alle Völker aller Erden,

Ein Wort vom Sakrament die Seele trifft:

Du selber, Seele, mußt zu Manna werden!


Und Jesus Christ verließ den Lebensbaum,

Der grün erblüht in schöner Maiensonne.

Sein Testament erklang in meinem Traum,

Der Himmel zeugte meines Herzens Wonne.


Und einen andern Traum will ich euch sagen,

Den träumte ich, da ich dies Märchen schreib.

Ich träumte ihn nach meiner Muse Fragen,

Da mich beglückt dies göttergleiche Weib.


Sie war in meinem Haus gewesen lang,

Wir haben schön von Herz zu Herz geredet,

Und an dem Abend war ich voller Dank

Und hab zu meinem Herrn und Gott gebetet.


Im Traum ging ich in Baltrums Innenstadt,

Vielleicht wars Norden auch, vielleicht auch Hage.

Laternen glänzten an der Straße matt,

Es brach herein der Abend von dem Tage.


Zwei Mädchen sah ich, die wie Konfirmanden

So brav gekleidet waren, nicht bengalisch.

Ich sagte: Kleideten euch eure Tanten!?

Wo ist die schöne Seide orientalisch!?


Von beiden Mädchen hatte ich die Meinung,

Sie waren früher schöner anzuschauen.

Zu ihnen war gekommen die Erscheinung

Der Allgebenedeiten unter Frauen.


Ich kam zu einer Wand aus grauem Stein,

Darin ein Fenster eingelassen war.

Das Fenster tat sich auf. In schönem Schein

Erschien mir die Madonna rein und klar.


Daß ich Marie zu singen nimmer müd bin!

Ihr sollen meine Verse lenzlich blühn!

Sie war gekleidet schön wie eine Jüdin

Im roten Kleide und im Schleier grün.


Ihr Angesicht war über allem Maße

Bezaubernd schön und völlig feminin!

Die Augen warm und weich und schlank die Nase,

Die Lippen so wie junge Rosen blühn!


Da fragte sie, wer sei den Fraun erschienen,

Da die Erscheinung anderer Gestalt?

Sie fragte es geduldig-sanfter Mienen,

Die Stimme mir im Herzen süß verhallt.


Ich sagte ihr, Maria zeige sich

Jedwedem Geist in anderer Erscheinung.

Ich sagte, Sie, Maria meine ich,

Sei wechselnder Gestalt, so meine Meinung.


Doch warum sagte ich „Maria“, da

Maria selber lieblich zu mir schaut?

Ich sagte: Eure Hoheit ist mir nah!

Zu sagen „Du“ hab ich mich nicht getraut.


Da fragte sie: Wie redest du mit mir?

O höchste Schönheit voller Seelenruh,

Du Liebe Gottes und des Himmels Zier!

Da sagt ich voller Liebe zu dir: Du!


Zurück jedoch vom Traume zum Poem,

Das hier beinahe schon ein Epos ist.

Im Walfischbauch war Petras Leib aus Lehm

Und eine Elfe seine Seele küsst.


Der Gott der Wale, Möwen, Schwäne, Fische,

Dem alle Kronen weißen Gischtes blühn,

Gebot dem Wale in der Meeresfrische,

Da hat er Petra wieder ausgespien.


Da schwamm der Leichnam auf der Meeresflut,

Schwamm ohne Kraft und ohne Leidenschaft,

Kein Lebensatem seufzte ihm im Blut

(Und Blut, das ist ein ganz besondrer Saft)!


Da blies der Wal in sprühender Fontäne

Den Leichnam Petras zu den Hagebutten.

In Norden schlummerten die Trauerschwäne,

Die Toren aber wachten bei den Nutten.


Da lag nun Petras Leib bei Hagebutten,

Weinrose nennt man diesen schönen Strauch.

In seinen Kelchen tändeln gern die Putten

Und Elfen gehn bei Hagerosen auch.


Da kam die Elfe aus dem Elfen-Eden

Geschwebt als wie in keuschem Jungfraunreigen.

Von ihrer Schönheit wollen wir nicht reden,

Sie schien so himmlisch hold in ihrem Schweigen.


Sie brachte Petras Schattenseele mit,

Die träumte noch von magischer Ekstase,

Da sie im Elfengarten Eden schritt.

Die Fee blies Odem ein in Petras Nase.


Da Leib und Seele nun erneut vereint,

Lag Petra unterm Hagebuttenstrauch.

Der erste Glanz der Morgenröte scheint,

Die perlmuttfarbne Wolke weht wie Rauch.


Und Petra schlief den schönen Schlaf der Erde

Und träumte noch vom Elfenhain den Traum.

Er träumte, daß ihm Mark entnommen werde

Und Mark sich wandelte zu Meeresschaum.


Und aus dem Marke seiner Glieder sah

Er steigen wie aus weißem Meeresschaum

Der Nordsee Cypria, Evodia,

Gehüllt allein in einen Traum von Traum!


Die Morgenlüfte überm grünen Meere

Mit rosigem Gewölke zärtlich tuscheln.

Der Morgenstern schien sie in ihrer Sphäre

Und wohl die Rosigste der Perlmuttmuscheln.


Da stand als wie von Elfenbein ein Turm

Und wie in der Commedia dritten Akt

In Freude und umweht vom Sommersturm

Evodia! wie Edens Eva nackt!


Da wachte Petra auf, so heiß ergossen

Sein Innerstes in neuen Lebens Flut.

Und Baltrums Wellen zart und zärtlich flossen

Und kühlten ihm sein aufgewühltes Blut.




ELFTER GESANG



Und überm Meere ging auf dunkler Flut

Der Richter aller Lebenden und Toten

Im Zorn des Lammes, in des Löwen Wut,

Der Umkehr jeder Friesen-Stadt geboten.


Du schlummerst an der Ems, du Altstadt Leer,

Und doch ist in dir Öde nur und Leere,

Bist stolz auf deine alten Prediger,

Die ehren nicht die Königin der Meere!


Auf deinen Hafen bist du stolz, o Emden,

Den schon Mephisto bieten wollte Faust,

Ich hasse es, wie du zerstrittst die Fremden,

Vergeblich du um Bilder Tempel baust!


Wie vornehm deine Aura auch, o Aurich,

Weil dich Graf Ulrich einst zum Sitz erkoren,

Dem Weisen ward in deinen Gassen traurig,

Doch fröhlich lachten laut die üblen Toren!


In dir, o Moordorf, lebten in dem Moor

Die Meuchelmörder und die Kommunisten,

Es bargen Messer zwischen Ried und Rohr,

Die auf das heilge Mores Moses pissten!


Großheide du, dem Moor nah und der Heide,

Mechaniker an deinem Wagen schrauben,

Doch deine Seele ist ein Lügen-Heide,

Die du einst groß gewesen bist im Glauben!


Die Bären stapften einst im Wald von Berum,

Ein Dichter, Berum, lag in deinem Garten,

Doch für dein Heidentum gibts nur Ein Serum:

Du mußt das Kind von Bethlehem erwarten!


Du, Marienhafe, großer Volksbetäuber,

Du sangest Ave einst zu Sankt Marie!

Nun gibst du die Komödie von dem Räuber,

Der pries den einzigen Gerechten nie!


Du aber bist die Allerschlimmste, Norden,

Aus Mitternacht und Norden kommt das Übel!

Du wolltest meinen Dichter-Seher morden

Und rissest ihm entzwei der Seele Bibel!


Ihr sieben Inseln aus dem Archipele,

Dies sagt die Wahrheit, welche nimmer log,

Der Nagel nur in Christi Gottesseele

Kann retten Wangeroog und Spiekeroog!


Hochmütig du geschwellten Stolzes sei

Auf Majakowski und auf Heinrich Heine,

Die retten nicht das Eiland Norderney

Und auch nicht eure roten Lästerschweine!


Nur Baldurs Inselreich will ich verschonen,

Weil ich Sankt Nikolaus da wandeln sah.

Ich laß des Dichters Herz auf Baltrum wohnen

Und seine Muse, Sankt Evodia!


Da schwebte vor die Meereskönigin,

Die trug der Friesen-Inseln Perlenkranz

An ihrem Arm, die betete im Sinn

Das Gloria im Hagerosenglanz.


In einem langen meeresgrünen Kleid

Mit einem Umhang roter Morgenröte

Trat sie zum Schlummernden in jener Zeit,

Da leise blies die Meise ihre Flöte.


Sie nahte ihm mit mangorotem Mund

Und küsste Petra auf die blassen Lippen.

Das Meer bewegte sich zu dieser Stund

Mediterran vor Zyperns Felsenklippen.


Da schlug der Dichter seine Lider auf

Und sah die Königin in blauer Luft,

Verschleiert von der weißen Wolken Hauf,

Umgeben von des Meeres Algenduft.


Sie führte ihn aus seiner Wildnis fort,

Sie wandelte in hoher reiner Sitte,

Das Ostdorf nahte schon, der kleine Ort,

Am Rand stand eine schiefgebaute Hütte.


Wer wohnte hier in dieser Einsiedlei?

War es ein Maler, Blumen hier zu malen?

Die Blumen blühten schön im Monde Mai,

Die Kelche trunken von den Sonnenstrahlen!


Und Petra öffnete der Hütte Pforte

Und in des Raumes Mitte stand ein Tisch,

Gastgeber waren nicht an diesem Orte,

Zu stärken ihn mit einem frischen Fisch.


Minerva wandelte in Nestor sich,

Die Meereskönigin in Petras Mutter,

Die auf das langgebackne Schwarzbrot strich

Die Sanddornmarmelade auf die Butter.


Und Petras liebe Mutter Margarethe

Bot ihm auf einem Brett das gute Schwarzbrot.

Er nahm es an mit einem Dankgebete

Und nahm es an zur Stärkung seiner Herznot.


In ihrem Silberlockenkrausgewuschel

Die Mutter Margarethe schenkte ein

In eine rosafarbne Südseemuschel

Den gutgegornen Hagebuttenwein.


Sie reichte ihm das rosa Muschelhorn,

Es war wie eine Muschelperle helle,

Da trank er aus der Südsee Gnadenborn

Weinrosenwein, der Nordsee Gnadenquelle.


Da sprach die Mutter mit dem frömmsten Sinn

(Es war in ihr die Gunst und Gnade nah

Der meerentstiegnen Himmelskönigin):

Bring Brot und Wein du zu Evodia!


Die Meereskönigin, die schied von hinnen,

Und Petra ließ alleine sie zurück.

Und Petra war verzückt und wie von Sinnen

Von Todesschmerzen und von höchstem Glück.


Er trat ins Offne, in das Licht der Sonne,

Vor ihm die rotbacksteinernen Gebäude,

In seinem Herzen aber welche Wonne,

In seiner Seele aber welche Freude!


Es war als wär das Himmelreich auf Erden

Und immerdar im Herzen er zu zweit,

Es mußte alles gut und herrlich werden,

Ihn führte das Gewölk der Herrlichkeit.


Evodia, du Inbegriff der Schöne,

Ich stelle gerne dich auf ein Podest,

Daß ich dem eitlen Götzendienste fröne,

Doch lieber feire ich des Lebens Fest!


Evodia, in deinen blauen Augen

Will ich im Meer der Seligkeit versinken!

Ich will in deine blauen Grotten tauchen

Und deiner braunen Wimpern Tränen trinken!


Evodia, dein Mund - oh what a bliss,

To dwell in the red roses of thy mouth,

Sweet lips! o give me, maiden-queen, a kiss

And I will fly in paradise of south!


So sang in Menschen- und in Engelszungen

Der Dichter seines Herzens Freudigsein,

Er wanderte auf seinen Wanderungen

Durch einen stillen Hagebuttenhain.


Dornröschen du der Nordsee, traumversunken,

Ich will in deinen Gärten ruhn, in welchen

Wie goldne Kirchenglocken leis geklungen

Der Schmetterlinge Sang vor deinen Kelchen.


O blütenreiche Kelche schön und jung,

Wie kluge Jungfraun gehn in weißer Seide!

Wie Duft seid ihr in eurem sanften Schwung

Und mütterlich im sanftesten Mitleide!


Der Kelche Violett geheimnisvoll,

Ihr Bischöfe der Inselsängerinnen,

Daß nicht die trunkne Biene in euch roll,

Die suchte auch die Iris schon zu minnen!


Ihr Hagerosen mit dem schönen Namen,

Ihr Granatäpfel Frieslands, Hagebutten,

Ihr roten Früchte mit den goldnen Samen,

Ihr Herzen in des Laubes grünen Kutten!


Ich weiß es noch, wie eure Samen jucken,

Wenn man sie unters Kleid des Mädchens schiebt.

In allem Beten und mit jedem Zucken

Beweise jeder Dichter, daß er liebt!




ZWÖLFTER GESANG



Evodia saß still auf dem Balkon

In nebelhafter Abenddämmerung.

Kastanie blühte ihren Pavillon,

Die Schöne träumte süß, sie war so jung.


Die Liebesketzer meine Seele rauben,

Häretiker der Minne, jeder stehle

Die roten Herzen weißen Turteltauben,

Ein jeder stehle meines Leibes Seele!


Die schönen Frauen mit den stolzen Blicken

Sich Freundinnen Evodias zwar nennen

Und kommen doch, das Herz zu unterdrücken,

Die des Gemüts Geheimnis sie nicht kennen.


Ich sehe meine Mädchenseele schweifen,

Verlassen meines armen Leibes Nöte,

Ich schwebe durch lachsfarbne rosa Streifen

Bei blauen Blumen durch die Abendröte.


Die Damen meines Hofes sich versammeln

Und geben alle sich als treue Schwestern,

Auch den Finanzminister hör ich stammeln

Und hinter meinem Rücken treulos lästern.


Ich übergab ihm meines Reichs Finanzen,

Er aber läßt die armen Leute hungern.

Er lädt zum Hof die ekelhaften Schranzen,

Läßt die Berauschten hier am Hofe lungern.


Ich aber sehne mich nach wahrer Liebe,

Auf Liebe sei gegründet dies mein Reich!

Zum Guten blühen alle Seelentriebe

Und Männer sind erhaben, Frauen weich.


Die Übeltat erfuhren in dem Leben,

Die sollen voller Liebe auch verzeihen,

Die sollen voller Liebe auch vergeben!

In meinem Reich sei immer Minne-Maien!


Wenn sich ein Mann mit einer Frau verbunden,

An ihren schönen Brüsten er sich freu,

Er träume auch von Lust, doch sei erfunden

Im Herzen ganz in allen Dingen treu!


Es lieb die Frau der Mann, so wie ich meine,

Als wenn nur Eine Frau auf Erden wäre,

Sie sei die Einzige, sie sei die Eine,

Und ebenso die Frau den Gatten ehre.


Die Lust im Liebesbette niemand schmäle,

Doch soll es alles wahre Liebe sein,

Soll Liebe sein vor allem zu der Seele

Und treu im Glück und zu der Zeit der Pein!


Ich wünsche aller wahren Liebe Dauer,

Ausschließliche Verehrung Herz zu Herz!

Dann wird es Freude sein in aller Trauer

Und höchste Wonne selbst im tiefsten Schmerz!


So seufzte sie. Da nahte Petra leise,

Auf seine Schultern fielen seine Haare,

Er sang im Winde leise eine Weise

Und spielte Melodie auf der Gitarre.


Evodia, Evodia! ich muß

Von deines Herzens tiefem Traum dir singen,

Denn so gebietet mir dein Genius,

Der immer will mir neue Lieder bringen.


Nennt Plato nicht den Körper ein Gefängnis,

In den unsterblich Seele eingesperrt?

Der gottgeschaffne Geist in der Bedrängnis

Des Fleisches wird von seinem Leib beschwert!


Wie müssen täglich wir nach Speise hasten

Und sind gesättigt wir, dann sind wir müde.

Die Eremiten lehren uns: das Fasten

Des Leibes bringt dem Geiste wahrhaft Friede.


Erst wenn die Seele frei und hochgeachtet

Um ihretwillen, ja in ihrer Würde,

Dann wird der Leib, der nach Erlösung schmachtet,

Nicht länger eine mühevolle Bürde.


Daß keiner, der allein den Körper ehrt,

Uns unsre gottgeschaffne Seele stehle!

Daß uns kein Dummkopf, nichts als Fleisch, beschwert,

Darum ist adlig unsre Herrin Seele!


Da soll die Seele sich zum Lichte schwingen,

Der Seelenfunke in das Gottesfeuer,

Damit der Schöpfer auch mit allen Dingen

Den armen Todes-Körper uns erneuer!


Gott gebe, daß mein armes Lied dir Mut schafft,

Wär ich doch gerne weise, bin doch dumm!

Doch Jesu Liebe, die ist fleisch- und bluthaft,

Vor solcher Macht der Liebe ich verstumm!


Schwarzerle schaute auf zum runden Mond,

Wie Eckermann mit Goethe schwatzten Heimchen,

Der Dichter, dem die Frau im Herzen wohnt,

Er war zuende mit den armen Reimchen.


Er kletterte am Baum auf den Balkon,

Er kletterte durch den Kastanienbaum,

Süß duftete der Blütenpavillon

Aus weißer Jade, Seide oder Schaum.


Da trat er mit dem Südseemuschelhorn

Voll Hagebuttenwein vor seine Dame,

Sie netzte an dem roten Gnadenborn

Den Mund (es schwamm im Kelch ein goldner Same).


Dann teilten sie das Schwarzbrot miteinander,

Mit Butter und mit Sanddornmarmelade.

Der Mond beleuchtete Gewölkmäander

Und aus dem Schimmer leuchtet Gottes Gnade.


Und Hesekil und Mahanaim, in Länge

Bis in den Himmel ragend Engel sie,

Sie sangen Bräutigam und Braut Gesänge

In einer neuen Friesen-Liturgie.


Die Engel feierten die Hochzeitsmesse,

Da Bräutigam der Braut sich ganz gespendet.

Die Braut im weißen Kleid der Meeresnässe

Empfing von ihm die Liebe, die nie endet.


Er widmete sein Herz, sein rotes Herz,

Das Gott der Ewige ihm anvertraut,

Er widmete den Jubel und den Schmerz

Der Einzigen, der makellosen Braut!


Die reine aufgesparte Braut bewegte

Sich nahe an den Bräutigam heran,

Die Hand auf seine schwere Schulter legte,

Mit der getragen schwer der Schmerzensmann.


Und in der Nacht sie selig sich vereinen

In einem himmelduftenden Gemach.

Wer aber hörte sie vor Wonne weinen

Und selig seufzen Ach! und Ach! und Ach!?...