Ein Drama
Von Josef Maria Mayer
ERSTER AKT
ERSTE SZENE
(König Salomo in seiner Halle. Abenddämmerung, der Neumond im Osten.)
SALOMO
Ich drehe meinen Ring des Salomo,
Der mir beschert die Künste der Magie.
Gott selber weihte mich in die Magie
Der Weisheit ein und die geheimen Künste.
Als König bin ich einzigartig einsam
Und habe keine Freunde in der Welt.
Mein Vater David hatte Jonathan,
Doch mir gab Gott auf Erden keinen Freund.
Doch Gott gab mir zu Freunden seine Geister
Und gab mir Macht in diesem Siegelring,
Die guten Geister Gottes zu beschwören.
Euch Throne rufe ich, ihr heißet Götter,
Euch Seraphim, der Liebe Feuerschlangen,
Euch Cherubim, der Klugheit gute Geister,
Euch Mächte, Herrschaften und Fürstentümer,
Erzengel euch und alle guten Geister,
Dich, guten Genius des Hohenpriesters,
Euch, Patriarchen und Matronen alle
Und alle Heiligen des Gottesbundes!
Desweiteren beschwör ich mit dem Ring
Euch Huris, ihr des Paradieses Frauen,
Euch Peris, ihr die Elfen der Natur,
Euch Dschinnen, ihr geheimnisvollen Geister,
Kommt, betet an den allerhöchsten Herrn!
Nun rufe ich die Instrumente Davids,
Die Harfe, die den Herrn als Hirten pries,
Das Saitenspiel, das sang das Lied der Jugend,
Die Flöte mit der Melodie der Lilien,
Die Gittith mit dem Lied der fremden Taube!
Gott gab als seiner Weisheit Gnadengabe
Mir auch die Kunst, die Vögel zu verstehen,
So rufe ich mit meinem Siegelring
Den Adler von dem Gipfel des Baschan,
Den Lämmergeier von dem Mahl des Aas,
Den Falken, Sonne der Gerechtigkeit,
Und Gottes heiligen Milan der Weisheit!
Ich ruf die Nachtigall der Rose Gottes,
Ich ruf den Sperling von der Lilienaue,
Ich ruf die Turteltaube der Astarte
Und rufe Hudhud! Hallo? Wo ist Hudhud?
CHOR DER GEISTER
Komm, Hudhud, lieber Schelm! Der König ruft!
HUDHUD
Hier bin ich, o mein Vater und mein König!
ZWEITE SZENE
SALOMO
Mein Hudhud, Liebesvogel Wiedehopf,
Du Heiliger der göttlichen Astarte,
Als ich die Vögel alle zu mir rief,
Mein Hudhud, warum bist du nicht gekommen?
HUDHUD
Ich war in weiter Ferne, denn ich flog
Umher, die ganze Erde zu beschauen.
SALOMO
Was hast du denn gesehn auf dieser Erde?
HUDHUD
Du bist berühmt bei allen Völkerstämmen!
Ich war in Persien und sprach die Dichter,
Sie nannten dich den Größten aller Dichter.
Ich war in Babylon bei den Chaldäern,
Die nannten dich den größten Magier.
Ich war in Hindostan bei Mutter Ganga,
Sie nannten dich den Ersten der Brahmanen.
Ich war in China bei den Philosophen,
Da warst du Bräutigam der Mutter Tao.
Ich war in Japan in dem Gelben Meer,
Man nannte Kaiser dich von Gottes Gnaden.
Dann war ich in Amerika und sprach
Die Indios, sie nannten dich die Schlange
Der Weisheit mit den Quetzalvogelfedern.
Dann kam ich zu den nördlichen Barbaren,
Sie nannten dich den friedlichen Druiden.
Dann war ich bei den Skythen in dem Osten,
Sie priesen dich als Bräutigam der Weisheit.
Dann war ich bei den Griechen in Athen,
Sie sprachen, du seist schlauer als Odysseus.
Ich war in Roma auf den sieben Hügeln,
Man nannte dich den wahren Pontifex.
Dann kam ich in das schwarze Afrika,
Hinab ins schwarze Abessinien,
Es herrschte dort die Königin von Saba,
Die aber hat noch nie von dir gehört!
SALOMO
Hat sie denn von dem wahren Gott gehört?
HUDHUD
Sie hob die Arme auf zur Sonne Gottes
Und betete die Sonne an als Gott
Und neigte sich und küsste Mutter Erde
Und betete die Erde an als Göttin.
SALOMO
So soll die Königin mich kennenlernen,
Dann will ich sie bekehren zu dem Herrn.
DRITTE SZENE
(Nacht, Vollmond. Die schwarze Königin von Saba betet in ihrem Tempel.)
BILKIS
O Göttin du des makellosen Mondes,
Dich will ich feiern in der dunklen Nacht!
Als junger Sichelmond am hohen Himmel
Bist du die unbefleckte Mädchengöttin,
Als Mädchengöttin in dem weißen Kleid
Hältst du die Lilie der Jungfräulichkeit.
Als runder praller Vollmond an dem Himmel
Bist du die Mutter und die Liebesgöttin,
Die Brüste quellen aus dem roten Kleid,
Als Frau liebst du der Liebe rote Rose.
Als schwarzer Neumond schließlich an dem Himmel
Bist du die greise Dame voll der Weisheit,
Im schwarzen Witwenkleid der Todestrauer
Bist du die Schicksalsspinnerin, der Tod.
Dann aber wiederum erscheint die Göttin
Als Himmelskönigin und reine Jungfrau!
So ewig sind des Mondes Perioden,
In immergleichem Wandel der Natur
Bestätigt sich die Ewigkeit des Lebens.
Nun aber, meine hohe Göttin-Herrin,
Erscheinest du als Vollmond an dem Himmel,
O pralle Göttin, prangende Granate,
Ich hör die Bienen summen in den Rosen
Und Hochzeit feiern in dem Bienenstock!
Regiert wird ja der goldne Bienenstaat
Von einer großen Bienenkönigin,
Sie wählt die Freier sich zum Hochzeitsschlaf
Und tötet ihre Freier in der Hochzeit,
Die andern aber dienen ihr als Sklaven.
Mondgöttin, ich, die Königin von Saba,
Bin Bienenkönigin von Göttin Gnaden,
Du sende einen Freier diesen Sommer,
Daß tödlich ich die Hochzeit zelebriere,
Den kleinen Liebestod des Hochzeitsschlafes!
(Hudhud flattert herein mit einem Brief in dem Schnabel.)
HUDHUD
Heil dir, o schwarze Königin von Saba!
Dies ist ein Brief von König Salomo.
BILKIS
So lies den Brief von König Salomo.
HUDHUD
Gebenedeite schwarze Königin,
Vermähle dich in Weisheit mit dem Herrn!
Besuche du den König Salomo,
Der sich der Weisheit seines Herrn vermählt!
VIERTE SZENE
(Salomo auf seinem Thron, dem Sedes Sapientiae. Vor ihm steht der Erzengel Gabriel.)
SALOMO
Hochheilig-lieber Engel Gabriel,
Ich habe gestern in der Mitternacht
Gebeten deine Heiligkeit, den Thron
Der Königin von Saba herzubringen.
Hast du mir meinen Sehnsuchtswunsch erfüllt?
GABRIEL
(Zieht einen Vorhang zur Seite und offenbart den Thron der Königin von Saba.)
Hier ist der goldne Thron der Königin!
SALOMO
Sie hat mir mitgeteilt, sie werde kommen,
Sie wolle prüfen, ob ich weise bin,
Sie hörte das Gerücht von meiner Weisheit
Und will nun schauen, ob es Wahrheit ist.
Ich aber prüfe auch die Königin,
Ob sie sei eine wahre Königin,
Sei wahre Königin von Gottes Gnaden.
O Engel Gottes, du bist Gottes Kraft,
Verwandle diesen Thron der Königin
In einen schlichten Stuhl von Zedernholz!
Dann will ich schauen, ob die Königin
Hellsichtig ihren Gnadenstuhl erkennt.
GABRIEL
Dein frommer Wunsch ist eins mit Gottes Willen.
(Gabriel verhüllt den Thron und zieht den Vorhang wieder ab, da steht ein schlichter Holzstuhl.)
HEROLD
(Bläst das Widderhorn)
Es naht die benedeite Majestät
Und schwarze Königin von Gottes Gnaden,
Bilkis, die schönste Königin von Saba!
SALOMO
Willkommen, o Holdseligste der Weiber!
BILKIS
Gegrüßet seist du, König Salomo!
Als Weiser thronst du in dem Thron der Weisheit!
SALOMO
O schöne schwarze Königin von Saba,
Ich habe hier für deine Majestät
Nur diesen schlichten Stuhl von Zedernholz.
(Sie schaut den Stuhl aufmerksam prüfend an und spricht dann mit wissendem Lächeln.)
BILKIS
Der Stuhl aus schlichtem Holz vom Zedernstamm
Ist wahrlich würdig meiner Majestät,
Denn wo die Königin von Saba thront,
Wird jeder Stuhl zum Gottesgnadenthron!
SALOMO
O wahre Königin von Gottes Gnaden!
FÜNFTE SZENE
(Salomo führt Bilkis in eine Halle, deren Boden mit Saphiren, Aquamarinen und Lapislazuli bedeckt ist wie ein steinernes blaues Meer.)
SALOMO
O Königin Bilkis, dein Ruhm ertönt
Im ganzen Weltkreis, deiner Schönheit Ruhm,
Im Jemen preisen Menschen deine Schönheit
Und in Äthiopien die schwarzen Frauen
Lobpreisen dich als Schönste aller Frauen!
Ich glaube wohl an deine Wunderschönheit,
Doch will ich schauen deine Wunderschönheit!
Ich möchte deine schwarzen Beine schauen,
Ob sie so schön wie Flanken der Gazelle?
BILKIS
Ich weiß von weißen Frauen in dem Alter,
Die Beine gleichen dicken Marmorsäulen,
Durchzogen von Saphiren blauer Adern,
Besetzt mit Stacheln wilder Schweineborsten!
SALOMO
Doch deine Beine, schwarze Königin,
Verhüllst du mit dem langen Seidenkleid!
Du trägst ja nicht wie die Ägypterinnen
Den kurzen Rock bis auf die Oberschenkel!
Nein, keusch trägst du das lange Seidenkleid,
Sein Saum fällt auf die nackten schwarzen Füße.
BILKIS
Doch wie, o Salomo, du weiser König,
Hast du das Meer gelenkt in deine Halle?
Ich, schwarze Königin der heißen Wüste,
Sah nie das Meer, ja nicht einmal im Traum,
Nun seh ich hier ein himmelblaues Meer!
SALOMO
Tritt nur hinein und bade deine Füße!
BILKIS
Doch dass nicht naß wird dieser Seidenrock,
Heb ich den Seidenrock bis zu den Schenkeln.
SALOMO
Frau Weisheit, du gibst listenreichen Einfall,
Der einfallsreiche Dulder wird belohnt
Von deiner Gnade mit der Schau der Schönheit!
O diese Flanken der Gazelle! Jamben
Der braunen Hindin! Schwarzes Ebenholz
Und schlanke Pfeiler, schwarzem Onyx gleich!
Und wahrlich, nicht ein Haar auf ihrem Bein!
Die schwarze Königin rasiert die Beine
Mit Bimsstein! Ich bewundre deine Schenkel!
SECHSTE SZENE
(Abendmahlstafel. Salomo, Bilkis und ihre Dienerin Charmion.)
SALOMO
O schwarze wunderschöne Königin
Bilkis, ich möchte bräutlich mit dir schlafen!
BILKIS
O Salomo, ich schlafe nicht mit dir,
Du bist nur scharf, weil die Gewürze scharf sind.
SALOMO
O Charmion, du süße Dienerin,
Dann laß mich doch mit dir im Bette schlafen!
CHARMION
Ich folg in allem meiner Königin.
SALOMO
Dann greift nur tüchtig zu beim Abendmahl.
BILKIS
O Salomo, der Curry und der Pfeffer,
So scharf die Schoten von der Paprika!
SALOMO
Wenn ich mit euch nicht schlafen darf im Bett,
Dürft ihr auch nichts berühren in der Halle.
Rührt etwas ihr in meiner Halle an,
Müßt ihr mir eure Liebe bräutlich schenken.
BILKIS
Ich bin nun müde, ich will nun ins Bett.
CHARMION
Ich möchte nur noch schlafen, schlafen, schlafen!
(Bilkis und Charmion ab. Der Saal verdunkelt sich. Salomo sitzt im Dunkel. Eine Zeit Stille. Dann erscheint Charmion im Nachthemd.)
CHARMION
(Flüsternd)
O Götter! Einen Schluck vom kühlen Wasser,
Es brennen die Gewürze mir im Mund!
BILKIS
(Erscheint im Nachthemd)
O Charmion, du hier, und du trinkst Wasser?
O Göttin, einen Schluck vom kühlen Wasser,
Der schwarze Pfeffer war so heiß und trocken!
SALOMO
(Zündet eine Kerze an.)
Bei Gott! Ihr rührtet beide etwas an,
So darf ich bräutlich mit euch beiden schlafen!
BILKIS
Was rührten wir schon an? Nur etwas Wasser!
SALOMO
Ist Wasser nicht das Alleredelste?
Wenn du gepilgert durch die heiße Wüste,
Scheint Wasser mehr dir wert zu sein als Gold!
Bilkis und Charmion, kommt in mein Bett!
Mein Gott, mein Gott, ich bin im Paradies!
ZWEITER AKT
ERSTE SZENE
(Salomo im Sedes Sapieniae, Bilkis zu seiner Rechten im Thron der Königin des Südens.)
BILKIS
Die Zeit der Frauen ist die gute Zeit,
Das Zeichen dieser Zeiten ist die Frau.
Ich meine aber, dass in jeder Frau
Im Innern lebt verborgen eine Göttin!
Was aber sagst vom Wesen du der Frau?
SALOMO
Drei Frauen sah ich an in meinem Geist:
Frau Torheit ist ein wildes dummes Weib,
Die Fremde Frau ist schön, doch lebt in Unzucht,
Frau Weisheit ist das Ebenbild des Herrn.
BILKIS
Frau Torheit sollst du einmal mir beschreiben.
SALOMO
Ein wildes, unverständiges Geschöpf.
Sie weiß sehr wenig, doch sie schwatzt sehr viel,
Sie lädt die Kinder in die Küche ein
Und bietet ihnen an gestohlnes Fleisch,
Denn was verboten ist, das liebt sie sehr.
Die Kinder in der Küche der Frau Torheit
Sehn: Totengeister wohnen in dem Haus.
BILKIS
Ein Narr, wer da hereinfällt auf Frau Torheit,
Wen Gott liebt, den bewahrt er vor der Dirne.
Doch sag mir etwas von der Fremden Frau.
SALOMO
Sie sagt zu einem heißentflammten Manne:
Mein Ehemann ist heute nicht zu Hause,
Komm, lass uns Liebe machen, Liebe machen!
Bettdecken hab ich aus Ägyptens Stoffen,
Sind parfümiert mit der Ägypter Ölen.
Der Jüngling zwängt sich zwischen ihre Schenkel
So wie der Mörder geht zu seinem Henker.
Denn süß wie Honig sind des Weibes Lippen,
Doch nach dem Beischlaf ist sie bittre Galle.
Die Männer lauern gern vor ihrer Schwelle,
Doch ihre Schwelle ist der Hölle Schwelle.
BILKIS
Gefährlich ist das Weib mit ihren Reizen,
Man braucht die Gnade Gottes, zu entkommen!
Frau Weisheit aber sollst du mir beschreiben.
SALOMO
Frau Weisheit hat den Ursprung in dem Herrn,
Sie ist von Adel, denn sie ist von Gott,
Ist Gottes Spiegel, Gottes Ebenbild,
Ist rein und fromm und gut und lieb und heilig!
Ich habe ihre Schönheit liebgewonnen
Und will sie mir zur Ehefrau gewinnen.
Denn jener ist ein Gottgeliebter, der
Frau Weisheit sich vereint in treuer Ehe.
ZWEITE SZENE
(Die Königin von Saba in ihrem Thron, Salomo kniet vor ihr.)
SALOMO
Bilkis, wenn ich an deinen Namen denke,
Dann höre Worte ich in meinem Herzen:
Allmächtige Gebieterin und Göttin,
Geliebte, allerhöchste Majestät!
Dann reißt es mich auf meine Knie herab,
Zu beten in der Religion der Liebe.
BILKIS
Ist heute nicht der Frühlingstag der Liebe?
SALOMO
So schließe deine Augen, Königin,
Und strecke deine schlanke Hand hervor.
(Sie schließt die Augen, reicht die Hand, Salomo schmückt ihr rechtes Handgelenk mit einem Muschelarmband.)
BILKIS
O schönes Armband! Welche schönen Muscheln!
SALOMO
Ich bat den Herrn: O Herr, am Tag der Liebe
Gib mir die schönste Blume für Bilkis,
Die sinnlichste, erotischste der Blumen,
Erotisch wie Pantoffeln der Astarte!
Der Herr erhörte mein Gebet und sandte
Zu mir den Geist der Weisheit, der mir zeigte
Dies Muschelarmband. Diese Muscheln sind
Erotisch wie Pantoffeln der Astarte.
BILKIS
So willst du mir beweisen deine Liebe?
SALOMO
Ich liebe dich allein von allen Frauen,
Ich liebe aber nicht wie ordinäre,
Ich liebe dich wie extraordinäre
Gelehrte, wie die Philosophenjünger
Von Alexandrien die Göttin Isis,
Wie Philosophenjünger von Atlantis
Atlantis’ Königin, die Jungfrau Klito,
Ich liebe dich wie Philosophenjünger
Von Palästina die Sophia Gottes!
Denn deine Schönheit ist das Ebenbild,
Die Schönheit der Sophia ist das Urbild,
Das Urbild offenbart sich in dem Abbild,
Die Philosophen aber lieben nicht
Das Bild in Sünde und in Sterblichkeit,
Sie lieben in dem Ebenbild die Gottheit,
Den Glanz der Gottheit auf dem Ebenbild!
So liebe ich die Königin von Saba
Und so die Matronita Israels
Und so allein die göttliche Sophia!
DRITTE SZENE
BILKIS
Frau Weisheit nennst du göttliche Sophia,
Ich dachte aber, du glaubst an den Herrn,
Wer ist denn diese göttliche Sophia?
SALOMO
Bevor das Universum war erschaffen,
War Gott allein in seiner Einsamkeit.
Der Herr erzeugte und gebar Sophia,
Der Herr ist nämlich abgrundtiefes Schweigen,
Sophia aber ist das Wort des Herrn.
Der Herr sieht nun Sophia, seinen Liebling,
Und wie ein Vater seinen Liebling liebt
Mit Vaterstärke und mit Vatergüte,
So liebt der Liebling auch den Ewigvater
Mit Dankbarkeit und mit Gehorsamkeit.
Die Liebe zwischen Jahwe und Frau Weisheit
Ist Geist des Herrn und Geist der Weisheit.
Und menschenfreundlich ist der Geist der Weisheit,
Vom Herrn gegossen in die Menschenherzen,
So dass die Menschenherzen voll des Geistes
Die göttliche Sophia bräutlich lieben
Und in Sophias Namen lieben Gott.
BILKIS
Doch Gott der Herr wird auch genannt der Schöpfer,
Ist denn Sophia eine Schöpferin?
SALOMO
Die Philosophen Alexandrias
Von Einer Gottheit reden, einem Schöpfer,
Sophia als die Seele aller Schöpfung
Ist Gottes Braut, die Himmelskönigin,
Gott zeugte in der göttlichen Sophia,
Da kam aus diesem Akt hervor der Geist,
Der Geist der Engel und der Menschengeister,
Der Geist begab herab sich in die Schöpfung
Und ward zum Schöpfergeist in der Natur.
So Gott der Herr ist Schöpfer aller Welt,
Sophia ist des Weltalls Schöpferin,
Der Geist ist Schöpfergeist in der Natur.
BILKIS
Drei Götter glaubst du so und bist ein Jude?
SALOMO
Ein Gott ist Gott der Herr, ein Gott allein!
BILKIS
Ist Gott der Herr, wer ist dann die Sophia?
SALOMO
Gott ist als Schöpfer zeugendes Prinzip,
Sophia ist Empfängnis, ist das Nichts.
Der Schöpfer schuf aus Nichts die ganze Welt,
Der Schöpfer schuf das Weltall aus Sophia,
Sophia ist das Urbild aller Wesen.
BILKIS
Wir Frauen aber glauben an den Stoff,
Die Ur-Materia, die Magna Mater.
VIERTE SZENE
(Nacht. Salomo allein, betend.)
SALOMO
Sophia, schon in meiner Kindheit habe
Ich deine junge Schönheit liebgehabt,
Ich habe dich gesucht in Gottes Schriften
Und bat im Tempel, dass ich dich erlange.
Bevor ich reiste in der Welt umher,
Hab deine Güte ich gesucht im Tempel.
Ich freute mich an deinen Frühlingsblüten
Und freute mich an dir wie an den Trauben,
Den prallen Trauben an dem schwangern Weinstock.
Ich dank den Meistern, die mich Weisheit lehrten,
Ich betete zu dir, die Hände faltend,
Du tatest auf die Tür, ich schaute dich,
Sah deine Schönheit makellos und rein.
Ich habe deine Schönheit liebgewonnen
Und möchte dich zur Ehefrau gewinnen.
Du bist ja eine gute Ehefrau,
Denn wenn ich Reichtum will an guten Dingen,
Du bist ja Schöpferin der guten Dinge,
Und wenn ich Wissen will, geheimes Wissen,
Du kennst ja die Geheimnisse des Herrn,
Und wenn ich Kunst will, fromme Poesie,
Und wenn ich wirken will als Architekt,
Erzkünstlerin bist du und Gottes Wort,
Du bist fürwahr des Kosmos Architektin,
Als Gottes Wort bist du die Göttin Sprache,
Und such ich Tugend, Kraft und Frömmigkeit,
Du spendest Klugheit, Keuschheit, Maß und Kraft
Und die Gerechtigkeit, die gilt vor Gott,
Du offenbarst den Glauben an den Herrn,
Du schenkst die Hoffnung auf das Paradies,
Die Gottesliebe und die Nächstenliebe
Sind dein Geschenk, du Vielgeliebte Gottes!
Die Frauenliebe sonst beschert Verdruß
Und üblen Überdruß an Weibertorheit,
Die Frauenliebe sonst beschert viel Trübsal,
Viel Kummer, Schwermut, Pein und Qual und Leiden
Und bitterliche Schmerzen in dem Herzen,
Die eheliche Liebe zu Sophia
Beschert Glückseligkeit im Geiste Gottes
Und Süßigkeit und Wonne, Lust an Gott!
Und so beschließe ich in dieser Nacht,
Dich als geheimnisvolle Ehefrau
Als Ehemann Sophias heimzuführen.
Was sagt zu dem Gebet das Wort des Herrn?
(Salomo schlägt die Schriftrolle der Propheten auf und liest:)
Ich will mich dir verloben, spricht der Herr!
FÜNFTE SZENE
(Salomo und Bilkis im Palastgarten.)
BILKIS
Ist nicht die schwarze Erde unsre Mutter?
Von Mutter Erde sind gemacht die Menschen,
Im Tod sie kehren in den Schoß der Erde,
Sie ruhen in dem Mutterschoß der Erde.
Soll ich die Erde nicht als Göttin lieben,
Die Muttergöttin mit den breiten Brüsten?
Und siehe die Erhabenheit der Bäume,
Sie streben zu dem Himmel voller Kraft,
Sie sind ja selbst Symbol der Gotteskraft,
Die Säulen, die den Himmel und die Erde
Vereinen in geheimnisvoller Hochzeit.
Soll ich die Bäume nicht als Mittler ehren,
Als Lebensgeister voll vitaler Kraft?
Ja, sie sind Geister, die ich oft umarme!
Und schau die weiße Sonne an dem Himmel!
Stammt nicht vom Kosmos alle Energie?
Die Energie der Strahlen kommt von oben,
Und Mond und Sterne in des Kosmos Ordnung
Regieren die Geschicke aller Menschen.
Die Sonne ist ein Gott der Energie!
Doch über Mutter Erde, Vater Sonne,
Und über Mond und Meer und Berg und Baum
Die Eine Gottheit waltet, Große Mutter
Ist sie, die Große Göttin der Natur!
SALOMO
Ein Dummkopf ist, wer eine Marmorgöttin
Anbetet, denn die schönste Marmorgöttin,
Die ich gesehen, hatte keine Arme.
Meinst du, man könnte an der Marmorgöttin
So schön geformten Brüsten kindlich saugen?
Schon klüger scheinen mir die Menschen, Frau,
Die in der Herrlichkeit der Erde und
Der Herrlichkeit des Himmels Götter denken.
Groß ist die Herrlichkeit der Mutter Erde
Und wundervoll die Herrlichkeit des Himmels!
Doch sollten solche klugen Menschen auch
Bedenken, wer die Herrlichkeit geschaffen!
Mein Kind, schau diese schöne Frühlingsblume,
Du siehst die Schönheit wohl mit deinen Augen,
Doch denk in deiner menschlichen Vernunft,
Daß Gott die Schönheit dieser Blume schuf.
Kann solche Schönheit wie der Rose Schönheit
Von einem Schöpfer kommen, der nicht schön wär?
Ist nicht der Schöpfer solcher Schöpfung schöner
Als alle Schönheit seiner Schöpfung? Gott
Ist Ursprung aller Schönheit, klare Quelle
Der Schönheit, alle Schönheit ist in Gott,
Die Schönheit der Bilkis und die der Rose
Hervorgehn aus der Gottheit der Urschönheit:
Jehowah ist Urgottheit der Urschönheit!
DRITTER AKT
ERSTE SZENE
(Salomo und Bilkis vor der Weinschenke. Es weht die rote Fahne der Liebe mit dem goldenen Morgenstern.)
SALOMO
Bilkis, komm in die Schenke meiner Liebe!
Wir wollen trinken, denn berauschend ist
Die Liebe wie der Schaumwein in der Schenke!
BILKIS
Ist dies die Schenke, da du dich berauschst?
Ist dies die dunkle Höhle deiner Liebe?
SALOMO
Es ist die feuchte Grotte meiner Tränen!
Hier rauscht der Quell, der inspiriert den Dichter!
BILKIS
Ach, Schaumwein inspiriert den Dichter Gottes?
Ich dächte, inspirierend sei der Geist?
SALOMO
Der Geist verkörpert sich im Geistgetränk,
Die Wahrheit inkarniert sich in dem Wein.
Komm zu dem feuchten Sakrament der Liebe!
BILKIS
Hier darf ich saugen an den prallen Trauben,
Die baumeln an dem Rebzweig schwangern Weinstocks!
SALOMO
Wie fruchtbar ist der Weinberg meiner Liebe!
Ein Liebeslied vom Weinberg will ich singen!
Die Liebe ist die Fruchtbarkeit des Weinbergs,
Sie lässt den Weinstock seine Reben breiten
Und lässt die Reben tragen pralle Trauben
Und lässt die Trauben schwanger sein mit Blut
Und in dem roten Blute wohnt die Seele
Und in der Seele glüht die trunkne Liebe!
BILKIS
So küsse mich mit weinbenetzten Lippen!
Denn trinken will ich nicht den Wein aus Bechern,
Viel lieber leck ich ihn von deinen Lippen
Und sauge roten Wein von deinem Mund!
SALOMO
O, deine Brüste sind wie pralle Trauben,
Draus sauge ich den edlen Wein der Liebe!
Dein Becken aber gleicht dem breiten Becher
Mit Mischwein der Vereinigung in Liebe!
BILKIS
Und wie der Wein sich mischt mit meinem Blut
Und wie der Wein sich mischt mit deinem Blut,
Sind wir vereint wie Trauben an dem Weinstock
Und leben von dem Lebenssaft des Weinstocks!
SALOMO
Gott macht ein Zelt für uns in seinem Weinberg,
Da saugen wir an Gottes Mutterbrüsten
Die Milch der Liebe und den Wein der Weisheit!
ZWEITE SZENE
(Abenddämmerung. Im Garten an dem Gartenteich.)
SALOMO
O dreimal heilig, Mutter Afrikas,
Die Welt ist voll von deiner Herrlichkeit!
BILKIS
O dreimal heilig, König Israels,
Dein Ruhm erfüllt die Nachwelt aller Zeiten!
SALOMO
Lob deiner Schönheit, Königin der Nacht,
Wie groß ist meine Liebe doch zu dir!
BILKIS
Wie schön du bist, du Liebling der Astarte,
Wie heiß ist mein Verlangen doch nach dir!
SALOMO
Geliebte, meine Liebe ist gewaltig
Und ewigwährend wie die Pyramiden,
Die Liebe löschen nicht Jahrhunderte!
BILKIS
Geliebter, meine Liebe ist wie Zedern,
Ist stärke als der Elemente Götter!
SALOMO
Die Knaben kommen von der Erde Enden,
Die Labsal deiner Schönheit aufzusaugen!
BILKIS
Die Weisen kommen aus dem fernen Osten,
An deiner Weisheit Wein sich zu betrinken!
SALOMO
Die feinen Hände meiner Vielgeliebten
Sind Spenderinnen schöner Gnadengaben!
BILKIS
Und deine Feuerarme, mein Geliebter,
Umrauschen mich wie wilde Meeresbrandung
Und deine Stimme gleicht dem freien Wind!
SALOMO
Ich sah der Hathor Tempel in Ägypten,
Der Schönheit Göttin war dein Ebenbild!
BILKIS
Die Zedern, die du malst in deine Fahne,
Und die Zypressen von Elischa sind
Dein Haus, in dem du wohnst, der Tempel Gottes!
SALOMO
Wie schön ist deine Liebe, Vielgeliebte,
Wie hoffe ich auf deiner Liebeswonne
Ekstase in dem Akt der Ewigkeit!
BILKIS
Wie lieb ich deine Großmut, mein Geliebter,
Wie schön sind deine herrlichen Geschenke!
BILKIS
Geliebte, du bist wie ein Jungfraunacker,
Da blühen Keuschheits-Lilien, Liebes-Rosen
Und Königs-Zedern, Königin-Zypressen!
DRITTE SZENE
(Nacht. Gassen von Jerusalem. Salomo allein.)
SALOMO
O Nacht der Schwermut auf Jerusalem,
Schwarzafrika ist schwarz, die Nacht ist schwarz,
Mein Haar ist schwarz, mein Blut ist schwarz, und schwarz
Das Universum drückt mich schwer hernieder.
Es ist im schwarzen All ein schwarzes Loch,
Das saugt mich ein, das Loch der Traurigkeit.
Für meine Traurigkeit gibt es kein Maß
Auf Gottes Waage der Gerechtigkeit.
Wohin denn fließen all die Trauertränen,
Die ich geweint schon hab in meinem Leben?
Ob meine Trauertränen Sterne werden,
Ob meine Trauertränen Perlen werden
Im Diadem der Himmelskönigin?
Und meiner Augen ungeweinte Tränen,
Die stummen Trauertränen meines Herzens,
Wer zählt sie, sammelt sie in einen Schlauch?
Ist denn in meinem Inneren ein See,
In dem die ungeweinten Tränen warten?
Und hat das Schicksal mir vorherbestimmt,
Wieviele Tränen ich noch weinen muß?
Und darf ich schweben erst ins lichte Jenseits,
Wenn ich die Tränen alle ausgeweint?
Doch was sind denn die Tränen meiner Augen
Und meiner Augen Tau aus Salz und Wasser,
Verglichen mit den Tränen meines Herzens,
Mein Herz weint Trauertränen, die aus Blut sind,
Mein Herz ist voller Kummer, voller Trauer,
Weil niemand meine schöne Liebe will!
Ich sterbe einen Tod aus Traurigkeit,
Nur schlafen möchte ich in Ewigkeit!
Wen in der Götter Himmel soll ich rufen,
Wer hört mich in den Ordnungen der Götter?
Serapis wollt ich rufen! Ach, ein Weiser
Hat mich gelehrt, Serapis sei kein Gott,
Serapis sei der Sarah Enkelsohn,
Milchweißer Sarah Lieblingsenkel Josef,
Den einst Ägyptenland zum Gott verklärt!
Serapis-Josef, tröste Salomo,
Laß mich in deinem Becher Zukunft schauen!
(Die Morgenröte erscheint im Orient.)
Jehowah, Auferstehung von den Toten!
Ich schau die Jungfraungöttin Morgenröte,
Die Mädchengöttin makelloser Schönheit,
Die Offenbarung ewigjunger Hoffnung,
Gott in Gestalt der reinsten Mädchenschönheit!
VIERTE SZENE
(Salomo und Bilkis Hand in Hand vor dem Libanonwaldhaus, da Mutter Bathseba wohnt, eine Dame mit grauem Haar und der würdigen Schönheit einer frommen Greisin.)
SALOMO
Bilkis, komm mit zur Hütte meiner Mutter,
Der Mutter Segen ist der Segen Gottes.
Bilkis, weißt du auch, was ein Jude ist?
Ein Jude, das ist einer Jüdin Sohn.
Bilkis, und weißt du, was die Bibel ist?
Die Bibel ist wie eine greise Mutter,
Die ihrem Enkelkind erzählt von Gott.
Weißt du, wie ich den ersten Psalm gelernt?
Nicht David lehrte mich den ersten Psalm,
Nicht Nathan lehrte mich den ersten Psalm,
Bathseba lehrte mich den ersten Psalm!
Bilkis, weißt du, wie ich zum Dichter wurde?
Als Kind sang ich ein Lied für meine Mutter,
So wurde ich zum Liebesdichter Gottes.
Bilkis, komm mit in meiner Mutter Haus,
Denn meiner Mutter Haus ist Gottes Tempel.
BILKIS
Wird sie mich akzeptieren, wie ich bin,
Wird sie Respekt erweisen einer Schwarzen,
Wird sie die Heidentochter herzlich lieben?
SALOMO
Hab Mut, sei ohne Furcht und sei getrost,
Groß ist die Mutterliebe der Bathseba!
(Sie treten ein.)
Heil Mutter, Königin von Israel!
BATHSEBA
Mein Sohn! Wie schön zu hören deine Stimme!
Was ist dein Wunsch und was ist dein Begehr?
SALOMO
O Mutter, sieh die Königin von Saba,
Ich bitte dich von Herzen: Segne sie!
BATHSEBA
O schöne schwarze Königin von Saba,
Ich sehe mit den Augen meines Herzens,
Du hast ein gutes Herz, du liebes Kind!
BILKIS
O Mutter Salomos, so segne mich!
BATHSEBA
Der Karmel ist ein Berg der Fruchtbarkeit,
Der Karmel ist ein Berg der Prophetie,
Der Karmel ist ein Berg der Nacht der Weisheit,
Der Karmel ist ein Berg der Liebeshochzeit!
Der Gott vom Berge Karmel segne dich
Mit Gottes Segnungen von Brust und Schoß!
FÜNFTE SZENE
(Salomo und Bilkis ruhen auf einem Diwan, im Hintergrund der Eingang zum Schlafgemach mit einem verschleierten Bett.)
SALOMO
Das Blut des Mannes, der vor Liebe brennt,
Es kocht und pocht und gischtet wie das Meer
Und in der Meeresgischt des Mannesblutes
Der Same schäumt und in dem Samen rauscht
Als Schöpferin die Ruach ha kadosch,
Die Lebens Odem ist und Wind und Geist.
BILKIS
In Afrika die Weisen von Ägypten
Schaun an den gelben Nil, den großen Vater,
Er senkt sich nieder, schafft die Fruchtbarkeit.
So sagen unsre Lehrer, dass der Samen
Entsteht in dem Gehirn des Mannes oben
Und senkt hernieder sich ins Rückenmark
Und sammelt sich im liebsten Glied des Mannes.
Im Liebesakt die Frau liegt aber oben
Und aus dem liebsten Mannesglied empfängt
Die Frau, sie wird befruchtet durch den Mund,
Lenkt dann den Saft ins weibliche Gehirn
Und lenkt den Samen nieder in den Schoß.
SALOMO
In Alexandria die Weisen sagen,
Im Schoß des Weibes ist ein Eierstock.
BILKIS
Der Uterus der Frau hat sieben Kammern,
Drei rechts, drei links und eine in der Mitte.
Kommt nun der aufgeschäumte Mannessame
Im Schoße in die erste rechte Kammer,
Gebiert die Mutter heldenhafte Männer,
Kaufleute kommen aus der zweiten Kammer,
Poeten aus der dritten Kammer, nämlich
Dort wachsen melancholische Gelehrte.
Die mittlere der Kammern aber bringt
Hervor die androgynen Zwitterwesen.
Im Schoße in der ersten linken Kammer
Gebiert die Mutter starke Königinnen,
Hausfrauen in der zweiten linken Kammer,
Hetären in der dritten linken Kammer.
Hetären sind so schön wie Aphrodite
Und taugen nicht zur Hausfrau oder Mutter,
Geeignet sind sie für des Königs Harem.
SALOMO
Du bist nun eine starke Königin,
Ich wollt du wärst mir Mutter meines Sohnes
Und bist zugleich von venusgleicher Schönheit!
Komm, laß im Bett uns zeugen einen Sohn!
VIERTER AKT
ERSTE SZENE
(Die schwarze Königin von Saba mit einem schwarzen Baby an der nackten Brust. Salomo streichelt des Kindes Haupt.)
BILKIS
Jetzt habe ich dir einen Sohn geboren.
SALOMO
O Sohn, gehaucht von Gottes Geist dein Geist,
Von Gott geatmet deine Engelsseele
Ins Fleisch im Augenblicke deiner Schöpfung,
Gott zeugte dich, Gott ist dein wahrer Vater,
Dein Himmelsvater in der Ewigkeit!
Gott gab in deine Seele Gottes Bild,
Dein Seelenfunke stammt vom Feuer Gottes,
Als Gott dich schuf, gab Gott in deine Seele
Ein kleines Fünklein Gott, so Gott von Gott
Und Licht vom Lichte ist dein Seelenfunke,
Du bist ein einzigartiges Geschöpf
Und sollst auf Erden Gottes Antlitz spiegeln
Auf eine Art und Weise wie kein andrer.
Die Allmacht Gottes schuf dich aus dem Nichts,
Die Weisheit Gottes wohnt in deiner Seele,
Die Liebe Gottes ist dein Lebensatem!
Die Allmacht Gottes schenk dir Lebenskraft,
Die Weisheit Gottes schenke dir Vernunft,
Die Liebe Gottes schenke dir die Freude!
Aus Gott gekommen bist du, Gottes Bild,
Gott lebt in dir, das Leben deines Lebens,
Du kehrst zurück zu Gott in Ewigkeit,
Aus Gnaden Gottes Gott in Gott zu sein!
BILKIS
O Salomo, o welch ein Vatersegen!
Ich aber spende ihm den Muttersegen:
Mein süßes Baby, süßer noch als Honig,
Schau ich dich an, so blüht mein Herz als Rose!
Empfange du am Handgelenk dies Perlenkettchen,
Denn alle heißen Tränen meiner Wehen
Geworden sind zu Perlen meiner Wonne,
So sollen alle diese bunten Perlen
Das Zeichen sein für Glück und Lust und Wonne!
Und wenn das Schicksal Schmerzen dir bestimmt,
Das Schicksal gebe mir die Schmerzen alle
Und mir allein die Perlenschnur der Tränen
Und schenke dir allein die süße Wonne
Und nichts als Perlen der Glückseligkeit!
Die Gottheit schenkte mir dich liebes Kind,
Ich will mein Kind der lieben Gottheit schenken,
Der Liebe, die wie eine Mutter liebt!
ZWEITE SZENE
(Salomo im Thron empfängt den Propheten Nathan im Kamelhaarmantel.)
SALOMO
Was möchte mein Prophet von seinem König?
NATHAN
Ich möchte dir von einem Vater sagen,
Der König war im goldenen Palast
Und eine Tochter hatte. Die Prinzessin
War die Geliebteste des Vaterherzens
Und gleicher Königswürde wie der Vater.
Nun wollte dieser Vater die Prinzessin
Vermählen einem wunderschönen Jüngling
Und wollte so den schönen Jüngling adeln,
Einführen in den goldenen Palast,
Einswerden lassen mit des Vaters Tochter
Und Wohlgefallen finden bei dem Vater.
Auch die Prinzessin liebte diesen Jüngling
Und schenkte ihm verheißungsvolles Lächeln
Und lud ihn ein zu Traubenblut und Brot.
Der schöne Jüngling aber voller Wollust
Sich wandte von der herrlichen Prinzessin
Und als Verlobter der Prinzessin ging
Der wüste Sünder in das Hurenhaus
Und hurte mit den Huren, Satans Töchtern.
Was soll geschehen mit dem wüsten Jüngling?
SALOMO
Barmherzig ist der Vater in dem Himmel,
Er rufe diesen Jüngling, umzukehren,
Den Huren, Satans Töchtern, abzuschwören,
In Buße umzukehren zur Prinzessin,
Auf seinen Lippen Worte seiner Buße,
In seinen Händen Opfer seiner Liebe,
Dann bitte er um Gnade die Prinzessin!
NATHAN
Du selber bist der wunderschöne Jüngling,
Sophia ist des Vaters Eingeborne,
Die Königin von Saba ist die Hure.
SALOMO
Ah weh mir, weh mir! Doch ich lieb sie sehr!
Geworden ist sie Mutter meines Sohnes!
Mein Sohn soll König werden Israels!
NATHAN
Ein Heide auf dem Thron des Sohnes Davids?
Nun nenne ich dir deines Gottes Willen:
Schick fort die Königin und ihren Sohn!
SALOMO
Ah weh mir, Gott mein Vater in dem Himmel,
Nimm mir die schwarze Königin von Saba,
Doch lass bei mir den Sohn nach meinem Herzen!
NATHAN
Gehorche Gott als Sklave Seines Willens!
SALOMO
Geschehe Gottes Wille! Weh mir, weh mir!
DRITTE SZENE
(Salomo, Bilkis und ihr Sohn.)
SALOMO
Bilkis, ich scheide nun von deiner Schönheit,
Du wunderschöne Labsal meiner Augen,
Das Schönste, was ich jemals sah auf Erden,
Die Augenlust und Welt und Fleischeslust
Und alle Frauenschönheit muß ich lassen,
Um Gottes dunkles Angesicht zu suchen,
Das finstre Licht der Majestät der Gottheit!
Wie schwer ist es, zu scheiden von dem Fleisch,
Wie schwer, zu lassen von der süßen Lust
Des Mannes an dem Leibe der Geliebten,
Um in der Finsternis des nackten Glaubens
Zu nahn der Gottheit über alle Gottheit!
BILKIS
Ich weiß, du liebtest mich, o Salomo,
Dein Blick von trunken-glühender Begierde
Hat meinen Körper in sich aufgesogen
Und so im Innern deiner Seele immer
Wird locken dich der Reiz der Weiblichkeit
Und meine Schönheit wird in deiner Seele
Dich locken in den Pfuhl der süßen Unzucht!
Du willst dich nahen deinem Gott und Herrn?
Ich werde auferstehn in deiner Seele
Und mit Erotik deinen Geist berauschen!
Du willst als reiner Geist zur Gottheit treten?
In Wollust wirst du meinem Fleisch versklavt!
SALOMO
Wenn du auch keinen Segen für mich hast,
Ich hab doch einen Segen für den Sohn!
MENELIK
O Schlomo, Schlomo! Laß mich nicht allein!
SALOMO
Du wirst ein Kaiser über Kaiser sein,
Wirst Afrika bereiten dem Messias!
Sohn Salomos und Enkel König Davids,
Von Gottes Gnaden wirst du Kaiser sein,
Schwarzafrika dem Menschensohne weihen!
O Menelik, o Menelik, mein Liebling,
Schau, ich vertraue dir die Lade an,
Die Lade unsres Bundes mit dem Herrn!
Bewahre allzeit in Schwarzafrika
Die Bundeslade unsres Herrn und Gottes
Und deine Majestät von Gottes Gnaden
Vertraue an der Bundeslade Gottes
Und weihe Afrika der Tochter Zion!
VIERTE SZENE
(Salomo auf dem Diwan, Wein trinkend. Mädchen seines Harems singen und tanzen Bauchtanz.)
SALOMO
Wer nicht mehr die Geliebte küssen kann,
Der küsst den Becher mit dem roten Wein!
Die Jungfrau Israel ist Gottes Weinberg,
Weingärtner ist der Ewige der Scharen,
Der Weinstock ist der heilige Messias,
Die Reben sind die Kinder des Messias,
Die Trauben sind der schönen Liebe Werke!
Was wisst ihr denn vom heiligen Messias?
Die Rabbis prophezeien den Messias,
Wenn der Messias kommt, dann strömt der Wein!
Dann in dem Friedensreiche des Messias
Die Trauben sind von solcher Größe, dass
Zwei Männer sie allein nicht tragen können!
Denkt doch an Kaleb, an den Sohn Jefunnes,
Und denkt an Josua, den Sohn des Nun,
Die Riesentrauben Kanaans getragen!
Den Kindern Israels verheißt die Gottheit
Das hochgelobte Land von Milch und Honig.
Den Gottessöhnen aber Gott verheißt
Das hochgelobte Land von Fleisch und Wein!
Ja, Fleisch begehre ich, das Fleisch, das Fleisch,
Fleisch will ich speisen, des Messias Fleisch!
Nicht Leviathans Fleisch, den großen Fisch,
Nein, speisen will ich des Messias Fleisch!
Doch trinken will ich des Messias Blut,
Das Traubenblut des trunkenen Messias!
O komm doch, dionysischer Messias,
Messias du der Tochter Israels
Und der Dionysos von Griechenland,
Komm, dionysischer Messias, komm,
Das Wasser frommer Reinigung verwandle
In Weinblut mystischer Ekstase!
Ja, trunkne Freude spendet der Messias,
Der trunkene Messias wird berauschen
Und seine wahre Religion wird Wahn sein,
Der Gotteswahn der wahren Religion,
Der Weisheit Wahn der wahren Philosophen,
Der Musenwahn der heiligen Poeten!
Dreifaltig ist der Wahn des Genius,
Der Künstler schaut im Wahn die nackte Schönheit,
Der Weise schaut im Wahn die wahre Weisheit,
Der Jünger schaut im Wahn das finstre Licht
Der überwesentlichen Übergottheit,
Der Liebe, Gottheit über alle Gottheit!
FÜNFTE SZENE
(Salomo und zwei Rabbis.)
SALOMO
Vergeblich ist das Leben auf der Erde,
Umsonst ist alles, was ich jemals trieb!
Ich baute einen Weinberg, einen Garten,
Dahin ist, was ich auf der Erde baute!
Ich liebte aller Menschensöhne Wonne,
Die Frau und einen Harem schöner Frauen,
Und alles war nur Putz und Eitelkeit!
Ich wandte mich zu Sang und Saitenspiel,
Da war nur Eitelkeit und Ruhm der Torheit!
Zur Weisheit wandt ich mich der Philosophen,
Der eine nennt die Seele reines Feuer,
Der andre nennt die Seele Tropfen Tau,
Das alles war vergebliches Studieren!
Ich suchte Weisheit, wie man eine Frau sucht,
Frau Weisheit aber blieb dem Sucher fern,
Wie unausforschlich ist der Grund der Welt
Und Gott Geheimnis der Geheimnisse!
Ach, da verdroß mich dieses Erdenleben,
Der Allerunvernünftigste bin ich,
Ein Wurm bin ich, ein Hund und eine Motte,
Bin Staub vom Staub und Asche von der Asche!
ERSTER RABBI
Du hast die melancholische Verzweiflung
Geschrieben in dem Buche Koheleth
Und deiner Weisheit ewiger Refrain
War nichts als: Alles sinnlos, alles sinnlos!
Und so vergiftest du die fromme Jugend!
Ja, sinnlos ist das Treiben auf der Erde,
Wenn nicht mehr bleibt als Leiden dieser Erde,
Dann ist das Dasein nur absurde Leere!
Doch schau das Leben an im Angesicht
Der Ewigkeit und sinnvoll wird das Ganze,
Die Tränen werden da zu Himmelsperlen,
Die Leiden werden da zum Troste Gottes!
ZWEITER RABBI
Du irrst dich, Salomo, so klug du bist,
Es ist nicht alles sinnlos auf der Erde!
Der Wein ist doch der Mutterschoß der Wahrheit,
Die inspirierenden Berauschungswonnen
Verzücken doch den Weisen schon auf Erden,
Und erst der Beutel! O mein Salomo,
Der vollgefüllte Beutel eines Mannes!
SALOMO
O Vanitas, du Eitelkeit der Welt!
O Venustas, du Herrlichkeit der Welt!