Ein Drama
von Josef Maria Mayer
ZUEIGNUNG
Geliebte, du bist ja für den Muslim
Die Huri aus dem Paradiesesgarten,
Dem Juden bist du heilig und sublim
Das Feuer in dem Dornbusch, in dem harten,
Dem Christen bist du mystisch und intim
Die Eine Gottheit in drei Wesensarten,
Frau Weisheit du in Jesus Nazarenus,
Den Griechen bist du ihre Göttin Venus!
ERSTER AKT
(In welchem der Islam seine Konzeption der Frauenminne präsentiert.)
ERSTE SZENE
(Mohammed beim Adoptivsohn Zaid in dessen Wohnung zu Gast. Frühe Nacht.)
ZAID
Vater, segne diese Speise,
Sind aus der Türkei Maronen,
Karamellisierte Früchte,
Süß wie süße Dattelfeigen.
MOHAMMED
Allah, segne unsre Speise,
Dir zum Ruhm und höchster Ehre!
ZAID
Segne auch den Wein, den edlen,
Alten, der uns nicht verboten.
MOHAMMED
Allah, danke für den Weinstock,
Segne uns das Blut der Reben!
ZAID
Wie doch singen unsre Dichter
Von dem Wein, der inspirierend
Ist wie Gabriel, der Engel,
Dessen Kuß macht Sänger singen.
MOHAMMED
Allah hat den Wein geschaffen
Zu der Freude unsrer Herzen.
Was ist denn ein Gastgelage
Ohne Allahs Blut der Traube?
Schön ist die Musik der Flöte,
Schön ist die Musik der Zimbel,
Schön der Sang der Sängerinnen,
Schön der Tanz der Tänzerinnen!
Aber bei Musik und Festmahl
Ist das Segensblut der Traube
Der Rubin der Kaiserkrone,
Der Granat im Kaiserturban.
Ein Rubin in goldner Fassung
Ist der Wein beim Gastgelage.
Rede, Jüngling, auf der Feier,
Rede, wenn die Becher kreisen,
Rede, messe deine Worte,
Sprich als Wissender vielwissend,
Doch das meiste uns verschweigend.
ZAID
Alter, wenn die Becher kreisen,
Deiner fünfzig Jahre Summe
Deiner Weisheit uns berichte,
Gut ist Wein mit Weisheitsworten.
MOHAMMED
Aber wenn die Mädchen singen,
Wenn die Mädchen Bauchtanz tanzen,
Wenn der Mädchen Becken schwingen
Und sie schütteln ihre Brüste,
Wenn die Flöte und die Zimbel
Sich im Liebeslied vermählen,
Spare deine Weisheit, Alter,
Spar sie auf für andre Stunden.
ZAID
Ich bin trunken von der Liebe,
Ich bin trunken von dem Weine!
Aber bin ich nun betrunken
Von der Liebe, von dem Weine?
MOHAMMED
Was auf Erden mich begeistert
Sind Gebete zum Allweisen
Und der Liebreizduft der Rose
Und die Anmut schöner Frauen!
ZAID
Doch die Schönste aller Frauen,
Die hast du noch nicht gesehen,
Meine Zainab ist die Schönste,
Makellose Mädchengöttin!
MOHAMMED
Schön sind alle meine Frauen
In der Jugendzeit gewesen,
Aber flüchtig ist die Jugend,
Aber flüchtig ist die Schönheit.
So wie Salomo geredet,
So hat Mohammed gesprochen:
Flüchtig ist der Anmut Schönheit,
Lob der Frau, die Allah fürchtet!
Eitel sind die schwarzen Haare,
Eitel ist der Jugend Schwarzhaar!
Alles wandelt sich auf Erden,
Wir auch wandeln in der Zeit uns.
ZAID
Allah schuf die Jugendschönheit
Uns zum Gleichnis für die Huris,
Wie die frische Rosenknospe
Zainab stammt vom Garten Eden.
Weil ich oft am Glauben zweifle
An des Paradieses Huris,
Sandte Allah mir dies Mädchen
Zainab, meine Paradiesfrau!
Und nun glaub ich an den Himmel
Und des Paradieses Wonnen,
Denn ich möchte ewig lieben
Zainab, Zainab ewig lieben!
(Zainab tritt in den nächtlichen Raum. Sie trägt ein fast durchsichtiges weißseidnes Nachthemd. Der Schimmer des vollen Mondes ergießt sich über ihren perfekten Körper. Sie strahlt wie eine junge Venus.)
ZAINAB
Mohammed, Gesandter Gottes,
Friede sei mit deiner Seele!
MOHAMMED
Ich, die Nachtigall der Rose,
Sing vor Allahs Rosenherzen!
ZAINAB
Schautest du schon Allahs Schönheit?
MOHAMMED
Heute schau ich Allahs Schönheit!
ZAINAB
Herr, dein Wort ist süß wie Honig!
MOHAMMED
Du bist süßer als der Honig!
ZAINAB
Nimm von Zainab diese Feige!
MOHAMMED
Schenk Erkenntnis mir die Feige!
ZAINAB
Allah wohnt in meinem Busen!
MOHAMMED
Lobpreis sei dem Throne Allahs!
ZAINAB
Allahs Auge schaue gnädig
Voller Gunst auf den Propheten!
MOHAMMED
Deine Augen strahlen Liebe,
Unbefleckte Seelenspiegel,
Allah strahlt aus deinen Augen,
Allah liebt den Gottgesandten!
ZAINAB
Allah ewig ist mein Liebling
Und Mohammed ist mein Liebling,
Nämlich Allah ist die Liebe
Und Mohammed ihr Gesandter!
MOHAMMED
Allah lebt in deiner Seele
Selig wie im Garten Eden!
Schau ich dich, geliebte Zainab,
Steigt mein Esel in den Himmel
Und ich schau im dritten Himmel
In dem Venusparadiese
Eine makellose Huri,
Allahs Gegenwart im Himmel,
Ja, ich schau der Huri Antlitz,
Ja, ich schau das Antlitz Allahs!
ZWEITE SZENE
(Morgens, noch vor Sonnenaufgang. Mohammed betet auf seinem Rosenkranz die 99 Namen Allahs.)
MOHAMMED
In dem Namen... und so weiter!
Zainab, voller Allerbarmen,
Du barmherzige Geliebte,
Schau mich an mit mildem Mitleid!
Meine Königin der Liebe,
Meine heilige Geliebte,
Zainab, Inbegriff des Friedens,
Schenke mir die Seelenruhe!
Meine Sicherheit gestiftet
Wird von Zainabs schönen Händen,
Die in ihren schlanken Händen
Hält das ganze Universum!
O gewaltige Geliebte
In der Allgewalt der Liebe,
Schöne Dame, stolze Dame,
Stolze Demut, stolze Demut!
Meine Schöpferin, Geliebte,
Du erschufest meine Liebe,
Bildnerin des Seelenbildes,
Darf ich auch kein Bild mir machen!
Zainab, milde im Vergeben,
Zainab, lieblich im Verzeihen,
Alle Fehler meiner Seele
Deckt der Mantel deiner Liebe!
Du besitzt die Macht der Liebe,
Diese Macht bezwingt das Weltall,
Zainabs Macht bezwingt das Weltall
Und die Seele des Propheten!
O wie dank ich deiner Großmut,
Die in freier Gnade spendet
Was ich brauch vom Brote täglich,
Was ich brauch vom Wein allnächtlich!
Meine Richterin voll Weisheit,
Die du richtest nach der Wahrheit,
Du weißt ja Bescheid im Menschen
Und du liest in meiner Seele!
Zainab, wie du maßvoll zuteilst
In dem Überfluß der Gnade,
Die du voller Großmut zuteilst,
Du freigebigste Geliebte!
Zainab, du machst Hasser niedrig,
Zainab, du erhöhst die Minner,
Du verleihst mir neue Kräfte
Und erniedrigst meine Feinde!
Deine süßen Muschelohren
Hören alles auf der Erde,
Deine schwarzen Himmelsaugen
Schauen alles auf der Erde!
Meine Richterin, o Zainab,
Richte nach dem Maß der Liebe,
Bist gerecht in dem Gerichte,
Liebe Zainab, voll der Gnade!
O feinfühligste Geliebte,
Sehr sensible schöne Seele,
Alles weißt du, deiner Weisheit
Nichts ist in der Welt verborgen!
O ich preise deine Langmut,
Deine Sanftmut, deine Demut,
Majestät der Schönen Liebe,
Majestät des dritten Himmels!
Immer möchtest du verzeihen,
Allen Menschen gern vergeben,
Und wie gern zeigt deine Seele
Sich erkenntlich deinen Freiern!
Du erhabene Geliebte,
Hocherhabene Geliebte,
Deine grenzenlose Größe
Übersteigt das Universum!
Hüte mütterlich den Minner
Und versorge den, der hungert
Und der dürstet nach der Liebe,
Du bist wachsam in den Nächten!
Rechne ab mit deinen Feinden
In Gerechtigkeit, Geliebte,
Rechne ab mit deinen Feinden
In Barmherzigkeit, Geliebte!
Hocherhabne, voller Würde,
Würdigste, ich nah in Ehrfurcht
Der ehrwürdigsten Geliebten,
Lebe nur zu deiner Ehre!
Wächterin in meinen Nächten,
Höre meine Liebesseufzer,
Liebe Frau, wie gern erhörst du
Meines Liebesstöhnens Stammeln!
Liebevolle, voll der Liebe,
Würdig allerhöchster Ehren!
Auferweckerin vom Tode,
Zainab, und vom Todesschlafe!
Allumfassende Geliebte,
Quelle ewiglicher Weisheit,
Meine Weisheit, meine Mutter,
Schwester-Braut und Bettgenossin!
Zeugin meiner wahren Liebe,
Du wahrhaftige Geliebte,
Die du Wahrheit liebst und Weisheit,
Du Verwalterin des Weltalls!
Starke Jungfrau, starke Herrin,
Herrin meiner Heeresscharen,
Feste Burg und fester Felsen,
Fest sind deine Mädchenbrüste!
Meine Freundin, lobeswürdig,
Alles Ruhmes würdig, Freundin,
Du erfasst das ganze Wissen,
Alle Weisheit deines Freundes!
Schöpferin des Universums
Durch die Worte deiner Liebe,
Wiederschöpferin des Weltalls
Durch das Opfer deiner Liebe!
Deine Liebe macht lebendig
Alle meine Lebensgeister,
Aber deine Liebe tötet
Alle hassenden Dämonen!
All-Lebendige, mein Leben,
Du Beständige in Dauer,
Ewig währt mir meine Liebe
In der Ewigkeit der Schönheit!
Meine Seele rief ins Dasein
Meine hochgelobte Herrin!
Du bist meine Eine, meine
Reine, meine Feine, meine
Ewig liebende All-Einheit,
Undurchdringlich deine Keuschheit!
Zainab, o du Macht der Liebe,
Du allmächtige Geliebte,
Herrsche über den Propheten
Nur die Allmacht deiner Liebe!
Alles schickst du in die Zukunft
Und du hältst zurück das Unheil,
Du die Erste, du die Letzte,
Unsichtbar bist du und sichtbar!
Schutzgeist meines Liebeslebens,
Transzendente, Transparente,
O wie lieb ich deine Güte,
Wenn du voller Gnade lächelst!
Zainab, dein nur ist die Rache,
Doch du liebst es, zu verzeihen,
Wie so milde ist dein Mitleid,
Mütterliches Minne-Mädchen!
Herrin aller Königreiche,
Herrin aller Fürstentümer,
Herrin aller Herzogtümer,
Holde Herrin jeder Grafschaft!
Hocherhabne, Vielgeliebte,
Aller Ehren bist du würdig!
Deine Taten sind gerechte,
Die du Menschen gern versammelst,
Bist auf keinen angewiesen,
Doch dein Herz verteilt den Reichtum!
Du wehrst ab die schlechten Dinge
Und gewährst den Schutz als Schutzfrau!
Schaden bringst du den Verworfnen,
Segen spendend den Geliebten!
Meine Führerin, mein Lichtglanz,
Meine Mondin, meine Sonne,
Du mein Sternbild, meine Jungfrau,
Licht, das alle Welt erleuchtet!
O du Jungfrau ohnegleichen,
Schöpferin des Universums!
Du bestehst in Ewigkeiten,
Erbin aller Menschenkinder,
Die du kennst den Weg der Weisheit,
Führst die Straße in den Himmel!
Du bist voll Geduld und Langmut,
Gnädig, voller Huld und Treue,
Zainab, meine Allerliebste,
Ich bin dein, geliebte Jungfrau!
(Die Morgenröte erscheint im Orient.)
ZWEITER AKT
(In dem das Judentum seine Konzeption der Frauenminne präsentiert)
ERSTE SZENE
(Der alte König David in seinem Bett, allein.)
DAVID
Heute früh im Morgentraume
Zählt ich wieder dreißig Jahre,
Lag auf meiner Dachterrasse
Schwelgend im Adonisgarten,
Strahlend war die Sternenordnung
Und ich sah zum Nachbarhause,
Sah Bathseba in dem Bade!
O der Duft von Zederhölzern
Und Lavendel mich berauschte
Und von Myrthe. Myrthenöle
Salbten der Bathseba Körper
Und es dampfte in dem Bade
Wasserdampf von heißem Wasser.
Nackend stieg aus ihrem Bade,
Nackend aus dem Schaum des Bades,
Im Kostüm der Jungfrau Eva
Stieg Bathseba aus dem Wasser!
O so feiern die Philister
An dem Mittelmeer bei Sidon
Hoch die göttliche Astarte,
Ihre schaumgeborne Göttin,
Ihre schamerfreute Göttin,
Die das Lächeln liebt der Liebe.
Wie die Schaumgeborne wandelt
Auf dem Meer, auf einer Muschel
Fährt sie an das Land bei Tyros,
Und vom Tritt der nackten Füße
Blühen in dem Gras die Rosen
Und die Turteltauben rucken
Und die Ziegenböcke springen
Auf die jungen schwarzen Zicken!
Also war es mit Bathseba,
Als sie aus dem Bade tauchte,
Makellos die Frauenglieder,
Mächtig ihre straffen Schenkel,
Fest und rund der Apfelpopo,
Schlank die Taille ihrer Hüfte,
Ihre großen festen Brüste
Von den langen Lockenfluten
Ihrer Mähne keusch verschleiert,
Ihre blauen Augen glühten
Süße Wollust und Ekstase
Und des Mundes volle Lippen
Lachten lüstern und entzückend!
(David läutet eine Glocke.)
Zu mir kommen soll Bathseba!
(Bathseba tritt ein, eine alte würdige Dame mit silbernem Haar, ihr Körper in majestätischer Fülle.)
BATHSEBA
O mein lieber Herr und König,
Was begehrt von mir mein König?
DAVID
Heute früh im Traum, Bathseba,
Träumte ich von jener Stunde,
Da ich dich zuerst gesehen.
BATHSEBA
Bist du nun erschrocken, David,
Daß ich nicht der Traumfrau gleiche?
Heute trag ich meinen Namen
Ganz zu recht: der Fülle Tochter!
Wieviel Söhne hab ich David
Doch als Ehefrau geboren?
Und ich wurde immer breiter,
Meine Brüste immer schlaffer,
Seit die Kinder dran gesogen.
Meine langen Lockenfluten
Wurden mir zu dünnen Strähnen,
Manches Haar ist ausgefallen,
Und das Schwarz, das du so liebtest,
Ist dem Silber nun gewichen.
Alles Irdische ist eitel,
Ist ein Luftgespinst und Windhauch!
DAVID
Ob dein Haar von schwarzem Glanze
Oder rot gefärbt von Henna
Oder von gediegnem Silber,
Jede Spitze deines Haares
Ist besessen von der Liebe!
BATHSEBA
Wilde Leidenschaften stehen
Herrlich zu Gesicht der Jugend,
Doch des Alters Würdenkrone
Ist das graue Haar der Weisheit.
DAVID
Meine Königin Bathseba,
Zwar verwelkt uns unser Körper,
Immer jünger wird die Seele!
Meine Seele wird zum Kinde,
Wird zum kleinen Kinde Gottes,
Und gleich dem gestillten Kinde
Ruhe ich an Gottes Busen!
BATHSEBA
Darf ich etwas bitten, David,
Auserwählter Sohn Jehowahs?
DAVID
Was du bittest, soll geschehen.
BATHSEBA
Siehe, deine Erben zanken
Schon sich um den Thron von Juda
Und es bilden sich Parteien.
David, es begehrt die Menge,
Adonia soll dir folgen
Nach dem Recht des Erstgebornen.
Und die Minderheit der Frommen
Möchte Salomo als König
Nach dem Recht der freien Gnade.
Hast du mir nicht einst versprochen,
Salomo soll König werden,
Wenn du heimgehst zu den Ahnen?
Schreib in deinem Testamente,
Daß mein Sohn dir folgen werde,
Daß die Leibesfrucht Bathsebas
Herrscht in Israel und Juda.
DAVID
Weiberwille – Gotteswille!
BATHSEBA
Segne dich Jehowah, David,
Der dich auserwählt zum König!
DAVID
Zieh dich nun zurück, Bathseba,
Bete für des Königs Leben
Und das Leben seines Sohnes!
(Bathseba zieht sich zurück. David läutet die Glocke. Abischag erscheint.)
ABISCHAG
Was begehrst du, mein Gebieter?
DAVID
Wärme mich, geliebtes Mädchen!
Vater Frost will mich ermorden!
Ach Jehowah, ach Jehowah...
ZWEITE SZENE
(Die Königin Bathseba thront in ihrem Thronstuhl der Königinmutter. Der Jüngling Adonia tritt vor ihren Thron. Er ist sehr schön.)
BATHSEBA
O tot David! O tot David!
ADONIA
Königin und Große Mutter,
Laß mich hier auf Knieen flehen,
Eine Bitte vor dir äußern!
BATHSEBA
Bist du in dem Frieden Gottes?
ADONIA
Gottes Wille soll geschehen!
Aber dennoch will ich bitten.
Einmal war bei König David
Ich allein im Schlafgemache,
Durch das Fenster schien die Sonne,
In dem Kleid aus Sonnenstrahlen
Lag da Abischag von Schunem
In dem seidenweißen Hemdchen,
Ihre großen Wonnebrüste
Quollen aus dem leichten Hemdchen,
Weiß die Haut war ihres Leibes,
Um das sonnenlichte Antlitz
Flossen rötlichbraune Locken,
Fielen auf die vollen Brüste
Und verhüllten das Geschlechtsteil,
Nichts trug sie am Unterleibe
Als das Feigenblatt der Eva,
Und das Feigenblatt der Eva
War nur aus kristallnem Mondstein!
BATHSEBA
Jüngling, deiner Jugendtorheit
Will ich die unkeuschen Worte
Mütterlich verzeihen. Bitte!
ADONIA
Als ich Abischag so schaute,
Dacht ich, offen sei der Himmel
Und die große Himmelsgöttin
Sei im nackten Frauenleibe
Mir erschienen, ihre Schönheit
Riß mich zur Anbetung nieder
Und ich konnte nur noch stammeln:
Sei gegrüßt, o Himmelsgöttin!
BATHSEBA
Gott versteht des Herzens Dichten,
Ist von Jugend an nur Torheit!
ADONIA
Sei gegrüßt, o Himmelsgöttin,
Laß mich nicht allein auf Erden!
Sei gegrüßt, o Himmelsgöttin,
Sei mir ewige Gemahlin!
BATHSEBA
Also dichtet wohl die Liebe.
Wenn dich Priester nicht verstehen,
Dich verwerfen Schriftgelehrte,
Deine Königin und Mutter
Wohl versteht des Herzens Dichten.
Aber was ist dein Begehren?
ADONIA
Einen Augenblick der Gnade
Schaute ich den Himmel offen,
Sah die Göttin in dem Himmel,
In dem Sonnenlicht die Liebste,
Die nichts trug als Sonnenstrahlen
Und die rötlichbraunen Locken,
Aber ach, der Himmel schloß sich
Und ich sah nicht mehr die Göttin,
Stunden zählt ich, Tage, Wochen,
Schon ist wieder einmal Halbmond,
Doch ich sah sie nicht mehr wieder.
O gewähre mir die Gnade,
Laß mich Abischag von Schunem
Schauen, laß mich täglich schauen
Abischag von Schunem, schauen
Will ich sie, die Augen weiden
An der reinsten Lust der Augen!
BATHSEBA
Ist das alles, was du bittest?
ADONIA
Nein, ich möchte nicht nur schauen,
Diese roten Rosenlippen
Will ich küssen mit der Zunge,
Diese vollen Wonnebrüste
Will ich fassen mit den Händen,
Und ich will, mit Einem Worte,
Ich will Abischag zur Ehe!
BATHSEBA
Bitte Salomo den König!
ADONIA
Eins weiß ich vom Herzen Gottes:
Wenn die Königin und Mutter
Für mich spricht bei meinem König,
Wird er alles mir gewähren.
BATHSEBA
So ich dein Vertrauen sehe,
Will ich mich dir offenbaren.
Ich befragte Gott Jehowah
Und ich sprach zu Gott Jehowah:
Sage mir, o Gott Jehowah,
Wem soll Abischag von Schunem
Nun das Ruhelager wärmen?
Ich erwartete ein Zeichen.
Eben hatte ich beendet
Das gebenedeite Sanctus,
Als mein Sohn und unser König
Salomo zu mir getreten,
Und der Sohn sprach zu der Mutter:
Mutter, ich beschloß als König,
Diese Abischag von Schunem
Mir zur Muse zu erwählen,
Mir zur heimlichen Geliebten
Und zur Freundin meiner Tage.
Diese Abischag von Schunem
Soll in Salomonis Harem
Auserwählt sein als Geliebte,
Die Sophia darzustellen,
Die ich mir als Frau erwählte
In geheimnisvoller Ehe.
Also Salomonis Worte.
Adonia, Adonia,
Salomo hat tausend Frauen,
Wähle eine aus dem Harem,
Aber Abischag von Schunem
Ward vom König auserkoren
Als Vikarin der Sophia.
Siehe, Abischag von Schunem,
Sie ist Salomos Sophia!
ADONIA
Du willst jedem nur das Beste.
DRITTE SZENE
(Abischag im Frühlingsgarten.)
ABISCHAG
O wo bist du, mein geliebter
Salomo? Ich bin verlassen!
Immer muß ich seufzen, seufzen!
Wie ein Hirsch bist du entsprungen!
Wunden hast du mir geschlagen!
Zwar ich rief, ich schrie und flehte,
Aber ach, du bliebst verschwunden!
O ihr Hirten, die ihr standet
Bei der Herde auf den Bergen,
Fandet ihr den Vielgeliebten,
Den ich mir erwählte, sagt ihm,
Daß ich schmachte und vergehe!
Meinen Liebling zu empfangen,
Wandle ich am Saum des Stromes
Und ich steig auf das Gebirge.
Blumen können mich nicht irren,
Keine Schlange und kein Panther,
Keine Mauer und kein Herrscher
Hält mich ab von meinem Wege:
Salomo ist mein Geliebter!
O ihr Bäume und ihr Gärten,
Die mein Liebster pflanzte, alle
Rief er euch hinan ins Leben,
O ihr goldnen Weizenfelder,
O ihr Blumenkelche zitternd,
Saht ihr Salomo entschwinden?
CHOR DER KREATUREN
(Unsichtbar)
Gaben über Gaben spendend
Schweifte er durch unsre Gärten
Wie ein Vogel. Und auf seine
Vielgeliebten Kreaturen
Wandte er die Strahlenaugen
Und so barg er die Geschöpfe
Ganz in seiner Wunderschönheit.
ABISCHAG
Wer vermag mich noch zu heilen?
O ich will die Ganzhingabe!
Ich will heilig und vollkommen
Leben, liebend den Geliebten!
Aber heute bin ich traurig
Und ich schmachte und ich weine.
Wenig Worte nur vernehm ich,
Doch sie können mir nicht geben,
Was ich doch so heiß begehre!
Alle, die dich ehren, Liebling,
Künden von dem Überfließen
Und den Strömen deiner Gnade
Und vermehren mein Verlangen!
Meine Seele ist umnachtet
Und mein Körper bricht zusammen
Und ich spreche nur noch lallend!
Wie kann meine Seele leben,
Ist sie fern dem wahren Leben?
Wie nur, dass ich nicht erkalte
In der Liebe zum Geliebten?
Deine Gnadengaben schweben
Mir heran wie Todespfeile,
Alles, was du hinterlassen,
Daß sich deine Liebe, Liebling,
Tief in meinem Geist entfalte!
Hast du dieses Herz verwundet,
Warum willst du es nicht heilen,
Warum lässt du mich verschmachten?
Du hast dir mein Herz gestohlen,
Du hast dies mein Herz gepriesen
Und als deinen Schatz gefeiert,
Warum hast du dann verlassen
Solches Schmachten und Begehren?
Willst du denn, was du genommen,
Nun verschmähen und verstoßen?
O dass mir dein Balsam tropfe,
Nichts sonst endet meine Leiden!
Laß mich meine Augen weiden,
O du Wollust meiner Augen,
Laß an deiner Wunderschönheit
Glanz mich meine Augen weiden!
O du unbefleckte Quelle,
Daß mir dein kristallnes Wasser
Offenbare jene Augen
Meines Liebsten voller Schönheit!
Alle meine Sehnsucht sehnt sich
Nach dem Licht, das sich im Dunkel
Offenbart in meiner Seele!
Halte nicht die Augen offen,
Liebling, deiner Blicke Strahlen
Treffen mich wie Feuerpfeile!
SALOMO
(Als Gärtner verkleidet)
Meine süße Turteltaube,
Kehre wieder, kehre wieder!
Schau den Hirsch, den du getroffen,
Röhrend auf dem grünen Hügel
Schaut er deinen Flug, Geliebte,
Schaut gespreizt die beiden Flügel
Und er kühlt die braunen Glieder
Schmachtend an des Taues Tropfen.
ABISCHAG
Meine Seele deinem Lichtglanz
Ist so ganz zu eigen, Liebling!
Hirtin bin ich nicht und habe
Auch kein Amt in der Gemeinde,
Ich tu keine guten Werke,
Tu nichts andres als zu lieben,
Als zu lieben den Geliebten!
Bleib ich fern den grünen Auen,
Werde nicht vom Volk gesehen,
Sagen all die lieben Leute:
Ach die Arme ist von Sinnen
Und verloren ganz ins Leiden!
Ja, verloren in der Liebe,
Ließ ich finden mich von innen!
In dem grünen Laub des Gartens
Winden Rosen wir zu Kränzen,
Rosen ruhn auf meinem Busen
Und du liegst in meinen langen
Rötlichbraunen Lockenfesseln
Als Gefangner meiner Liebe!
Und mit meinen Augen darf ich
Schauen tief in deine Augen!
Seit du mir so voller Gnade
Schautest zärtlich in die Augen
Mit dem Feuer sanfter Liebe,
Seit du deine Wimpern senktest,
Seit mich trafen deine Blicke,
Schaut mein Auge auf zum Himmel!
Bitte, hege nicht Verachtung,
Weil ich mich ließ nackend schauen!
Schau mich an in aller Ruhe
Und betrachte meine Nacktheit!
Ließen deine Gnadenblicke
Doch die Schönheit niedertauen
Auf des weißen Körpers Nacktheit!
Alle Füchse wir verjagen
Aus dem Weinberg unsrer Liebe!
Und wir flechten feuchter Rosen
Kränze uns in unsre Locken!
Lauscht auch keiner im Gebirge,
Sind wir auch allein, Geliebter?
Fort nun mit dem scharfen Nordwind,
Blase lieber süßer Südwind!
Blase, Südwind, und entfache
All das Feuer unsrer Liebe,
Komm in unsern Liebesgarten!
Weihrauch will ich bringen, Liebling,
Und die Vielgeliebte lagert
In dem Bett der gelben Lilien!
SALOMO
So ist nun die Brautgenossin
In dem Garten meiner Liebe
Mit der Sehnsucht ihrer Seele.
Und du nickst mit deinem Haupte
Und mit leisem Glutverlangen
Lehnst du dich an meine Schulter
Und empfindest mein Liebkosen.
Unter diesem Apfelbaume
Hab ich mich mit dir verbunden,
Hier, wo deiner Mutter Schande
War geschehen, ihre Sünde,
Hier du fandest die Gesundung
In den Wonnen meiner Liebe!
ABISCHAG
Euch, ihr Papageien plaudernd,
Euch, ihr Panther und ihr Hirsche,
Euch, ihr Schiffe auf den Wassern,
Euch, ihr Meere, Winde, Berge,
Euch, ihr Bäume in den Gärten,
Euch, ihr Schrecken in den Träumen,
Euch beschwöre ich beim Spiele
Meiner Hand auf meiner Harfe,
Laßt uns alle nun alleine,
Bleibt ihr alle fern der Mauer
Um das Paradies der Liebe,
Daß das Liebespaar vereinigt
Ungestört die Liebe übe!
SALOMO
Süße Nymphen von Judäa,
Wenn die roten Rosen duften
Mit betörenden Parfümen,
Dann bleibt fern der Gartenmauer,
Lauert nicht vor unsrer Schwelle!
ABISCHAG
O Geliebter, mein Genügen,
Lebe vor der Welt verborgen!
Schaue zu den Jaspisgipfeln!
Schau die Freundinnen, die Frauen,
Schaue auch auf meine Reise
Zu der Heimat blauen Insel!
Als die gallenlose Taube
Mit dem Friedenszweig, dem Ölzweig,
Heimgekehrt ist zu der Arche,
Ward die schöne Turteltaube
Mit dem Täuberich vereinigt
An der Quelle in dem Garten.
Einsam ist des Lebens Feier,
Einsam ist das Nest der Tauben,
In die Einsamkeit und Stille
Führt mich meines Lieblings Liebe,
Mein Gemahl und Ehegatte,
Stets an meiner Seite bleibend.
O Geliebter, laß uns kosen,
Daß wir aneinander Schönheit
Finden ruhigen Beschauens
In dem Garten bei den Rosen,
Bei der Quelle und dem Teiche,
Und wir wollen unsre Herzen
In die grünen Ranken schlingen
Und verschwinden in dem Urwald!
Und wir wollen uns in Grotten
Bergen vor des Tages Helle
Und versunken in der Grotte
Der Granate Feuchte saugen!
Frühlingslüfte uns umfangen
Und es singen Nachtigallen
Und es gibt der Garten Schönheit
In der Mitternacht der Seele,
Mit den steilen Feuerflammen,
Deren rote Lockenspitzen
Uns verzehren wie die Tropfen
Triefender Balsamenstaude!
SALOMO
Und des Königs Ritter gehen
In der Minne Reich zugrunde!
DRITTER AKT
(In dem das Christentum seine Konzeption der Frauenminne präsentiert)
ERSTE SZENE
JOSEF
(Vor der Ikone der Jungfrau von Guadelupe)
Ich hör im Herzen deine Stimme, Mutter,
Du redest: Gib mir ganz dein Herz, mein Sohn!
Du sprachest ja, o Frau von Fatima,
Du willst die Weihe an dein reines Herz,
Drum weihe ich mich deinem reinen Herzen!
Maria, Gott der Vater sprach zu dir:
Du wohne in dem Herzen Israels!
Maria, Gott der Sohn hat so gesprochen:
Mein Jakob sei dein Eigentum und Erbe!
Maria, Gott der Geist hat so gesprochen:
Du wohne in Jerusalem im Zelt!
Maria, also wohne ich geborgen
In deinem makellosen Mutterschoß,
Und wie du Jesus trugst in deinem Schoß,
So willst du tragen mich zur Heiligkeit.
In deinen Schoß hast du mich eingeladen,
So lebe ich und webe ich in dir,
Bewege mich in deinem Mutterschoß,
Die du mich wirst gebären in den Himmel.
Der Himmel ist, wie Jesus einst gesprochen,
Dem Schoß des Vaters Abraham vergleichbar.
Der Vater Abraham war ja der Vater
Des Glaubens in dem Alten Testamente.
Elisabeth, die Mutter des Johannes,
Sprach aber: Selig, die du hast geglaubt,
Daß sich erfüllt an dir, was Gott verheißen.
Geworden bist du so des Glaubens Mutter,
Des Glaubens in dem Neuen Testamente.
Und also ist das Himmelreich vergleichbar
Dem Mutterschoß Mariens. Schöner ist
Das Neue Testament im Blute Jesu
Als jener alte Bund im Blut von Tieren.
Und schöner als im Schoße Abrahams
Ist Gottes Himmel in dem Schoß Mariens.
Wirst du aus deinem Schoße mich gebären
Ins Himmelsleben in der Ewigkeit,
So ist das Leben in der Ewigkeit
Der Seele Seligkeit im Paradies,
Das Leben in dem Mutterschoß Mariens.
Dein Mutterschoß ist ja der Lustort Gottes,
Dein Schoß das Paradies der Trinität.
So weihe ich mich deinem keuschen Schoß
In dieser Zeit, dass ich geborgen bin
Und du mich trägst zu meiner Heiligkeit,
Und weihe auch mich deinem keuschen Schoß
Für alle Ewigkeit im Paradies.
Dein Schoß, Geliebte, ist mein Paradies!
Maria, immer bete ich den Lobpreis
Des Evangeliums: Glückselig ist
Der Schoß, der dich getragen hat, o Jesus,
Die Brüste, welche du getrunken, Jesus!
So weihe ich mich heute deiner Brust,
Der Jungfrau Mutterbrüsten, welche Jesus
Genährt mit Milch, den menschgewordnen Gott.
Gott sprach ja im prophetischen Jesaja:
Ihr werdet saugen ihre Milch des Trostes
Aus ihrer Mutterbrüste prallem Reichtum
Und tragen wird sie euch in ihren Armen
Und sitzen werdet ihr auf ihrem Schoß.
Ich, Gott, will trösten euch wie eine Mutter!
So sang ja der prophetische Psalmist:
Gott, meine Seele ist bei dir geborgen
Dem Kinde gleich an seiner Mutter Brust,
Dem Kinde gleich, gestillt von seiner Mutter!
Und so, Maria, wähl ich dich zur Mutter,
So weihe ich mich deinen Mutterbrüsten.
Es möge deine rechte Mutterbrust
Des alten Testamentes Weisheit sein,
Es möge deine linke Mutterbrust
Des neuen Testamentes Weisheit sein.
Es möge deine rechte Mutterbrust
Die süße Milch dem Kinde gießen ein,
Es möge deine linke Mutterbrust
Den herben Wein dem Manne gießen ein.
Es möge deine rechte Mutterbrust
Die Milch der Schönen Liebe gießen ein,
Es möge deine linke Mutterbrust
Den Wein der wahren Weisheit gießen ein.
Es möge deine rechte Mutterbrust
Die Milch der Nächstenliebe gießen ein,
Es möge deine linke Mutterbrust
Den Wein der Gottesliebe gießen ein.
Maria, in der Stunde meines Todes
Entblöße deine schönen Mutterbrüste
Vor dem gerechten Richter meiner Seele
Und sag zu Jesus: Mein geliebter Sohn,
Bei diesen Brüsten, welche du getrunken,
Beschwör ich dich: Erbarme dich vollkommen
Und schenk der Seele dieses meines Dieners
Des Paradieses Ruh an meinen Brüsten,
Denn dieser mein geliebter Minnesklave
Ein Myrrhebund ist zwischen meinen Brüsten!
So weih ich mich, Maria, deiner Brust,
Daß du in dieser Zeit mir Nahrung spendest
Und in der Ewigkeit Glückseligkeit!
Was sagt auf mein Gebet die Bibel Gottes?
(Josef schlägt die Bibel auf und liest)
O Josef, sei gesegnet mit dem Segen
Von Brust und Schoß, du Auserwählter Gottes!
ZWEITE SZENE
(Josefs Tante Petronella in ihrer Stube mit Josef. Von einem Vorhang verschleiert ein weiterer Raum.)
PETRONELLA
Josefchen, ich will, dass du glücklich wirst,
Du sehnst dich ja so sehr nach einer Frau,
Dein Herz ist voller Sehnsucht nach der Liebe,
Doch hast du keine Freundin an der Seite.
Wie willst du eine Frau zur Ehe finden?
JOSEF
Ich habe viele Mädchen schon geliebt,
Ein Psychologe nannte mich einmal
Romanzensüchtig, weil ich immerdar
Verliebt in irgendeins der vielen Mädchen.
PETRONELLA
Dann bist du ja ein wahrer Don Juan,
Ein Don Juan, der alle Frauen hasst,
Weil er sie so notwendig braucht zum Leben,
Nicht ohne schöne Frauen leben kann.
In Wahrheit aber sucht der Don Juan
Die Eine nur, dass er sie ewig liebe.
JOSEF
Ich bin vielleicht der Don Juan, jedoch
Ein andrer Don Juan als im Theater,
Ich bin kein Frauenliebling Casanova,
Ich bin der Don Juan des Liebeskummers,
Von Mädchen wandle ich zu Mädchen, um
Von allen Mädchen abgelehnt zu werden.
PETRONELLA
Das ist ja auch so eine Art von Schicksal.
JOSEF
Ich meine irgendwie, auf meiner Stirn
Ein Zeichen könnte eingebrannt sein, das
Unsichtbar ist und doch den Mädchen sichtbar,
Hellsichtig lesen sie die unsichtbare
Geheime Schrift geschrieben auf der Stirn.
PETRONELLA
Was steht geschrieben denn auf deiner Stirn?
JOSEF
Daß mich kein Mädchen jemals lieben darf!
Daß Gott es allen Mädchen auf der Erde
Verbietet, meine Wünsche zu erhören!
PETRONELLA
Und wenn doch einmal eine dich erhörte?
Du hast bisher nur selbst gesucht, du musst
Dich führen lassen von der alten Tante.
Ich stehe schon mit einem Fuß im Grabe
Und rede darum Prophezeiungen.
JOSEF
Ich habe schon verzagt in meinem Geist
Und sprach zu Gott: O Herr, du führe mich,
Ich weiß nicht selbst die rechte Frau zu finden,
Ich fand nur Frauen, die mich niemals liebten,
Nimm du nun meine Seele in die Hand
Und führe mich nach deinem Wohlgefallen.
PETRONELLA
Hat Gott gegeben dir auch schon ein Zeichen?
JOSEF
Ich las doch eines Tages im Propheten:
Du sollst dir keine Frau zur Ehe nehmen
Und keine Söhne zeugen in der Welt!
PETRONELLA
Warum bist du dann immer noch verliebt
Und eilst von einem Mädchen zu dem andern?
Du musst ja nur die rechte Gattin finden.
JOSEF
Wie soll ich ohne Frauenliebe leben?
PETRONELLA
Gott wird dir eine rechte Gattin geben.
Ich habe sie dir auch schon ausgesucht.
Ein schönes Mädchen, ganz Holdseligkeit,
Stets lächelnd, immer lieblich, allzeit reizend,
Ein wahres übermenschliches Entzücken,
Der Inbegriff von Liebreiz, Charme und Anmut,
Ein Himmelswesen aus dem Paradies!
Wenn du der Adam bist, ist sie die Eva,
Aus deinem Traum der Liebe keusch erschaffen.
Kein Adam wird ja glücklich ohne Eva,
Gott selbst führt Eva ihrem Adam zu.
Ich aber bin die Stellvertreterin
Des lieben Gottes auf der Erde, darum
Vertraue mir, ich wählte sie für dich.
JOSEF
Vielleicht ist das ein Zeichen meines Gottes?
PETRONELLA
Komm, Charis! Komm, mein vielgeliebtes Mädchen!
(Die reine Schönheit tritt aus dem Nebenraum, den Vorhang teilend, hervor. Sie ist entzückend.)
JOSEF
Vision! O Mädchen! Bist du die Madonna?
Du bist ja eine himmlische Erscheinung!
CHARIS
Mein lieber Freund, ich grüße dich von Herzen!
Ach bitte, nimm mich doch zur Ehefrau!
Ich möchte nichts, als dich glückselig machen!
DRITTE SZENE
(Josef allein in der Nacht. Am Himmel der Sichelmond und der Venusplanet. Josef raucht eine Zigarette nach der andern.)
JOSEF
Maria ist die Königin des Alls,
Von einem Ende dieses Universums
Zum andern Ende dieses Universums
Die Königin des Weltalls waltet herrlich!
Sie ist von einem angebornen Adel,
Der Ewige liebt sie in Ewigkeit!
Und keinen liebt der Ewige so sehr
Als den, der mit Maria lebt vereint!
Als kleines Kind schon liebte ich Maria,
Als Kind war ich verliebt in ihre Schönheit!
Als ich noch jung war und bevor ich reiste
Und dieser Erde Eitelkeit beschaute,
Da suchte ich Maria im Gebet
Und fand sie in der Kirche makellos.
Ich freute mich an ihr wie an den Blüten,
Ich freute mich an ihr wie an den Trauben.
Ich hob die Hände auf zu ihr und fand
Die makellose Jungfrau in der Kirche.
Da suchte ich Maria zu gewinnen
Als mütterliche Freundin und als Braut,
Ich wollte als Verlobte sie gewinnen,
Als meine Ehepartnerin fürs Leben.
Sucht einer Reichtum hier auf dieser Erde,
Wer ist dann reicher als die reine Jungfrau?
Schatzkammer aller Gnadengaben ist sie!
Sucht einer Kunst und fromme Poesie,
Wer ist dann eine Muse wie Maria,
Wie die katholische Urania,
Erzkünstlerin ist sie und singt den Lobpreis
Magnifikat zum Ruhm des Allerhöchsten!
Sucht einer aber das geheime Wissen,
Die Rätsel der Vergangenheit und Zukunft,
So ist sie ja die Mirjam Prophetissa,
Die sie erscheint und prophezeit und weissagt!
Sucht aber einer Tugend, frommes Leben,
So bitte er Maria um die Tugend!
Wer war so keusch je wie die Unbefleckte,
Wer jemals so gerecht wie die Gerechte,
Wer je so tapfer wie die starke Frau
Und je so weise wie die Weisheit Gottes?
Sie war ja selig, weil sie Gott geglaubt,
Sie hat im Tode Christi noch gehofft,
Sie ist der schönen Liebe Jungfrau-Mutter!
Maria wollte ich zur Ehefrau,
Weil die Marien-Ehe reine Lust ist!
Die Ehe mit den Erdenfrauen bringt
Verdruß des Lebens nur und Liebeskummer,
Die Ehe mit Maria aber ist
Des Paradieses Wollust nur und Wonne!
(Am Himmel schiebt sich eine Wolke vor den Sichelmond und die Venus. Josef steckt sich eine neue Zigarette an.)
Doch Charis, diese reine Schönheitsgöttin,
Bezaubert mich unglaublich und betört mich!
Maria habe ich ja nie gesehen,
Doch Charis ist so sichtbar auf der Erde!
Seh ich die rötlichbraunen Lockenfluten,
Gebunden mit dem Knoten in dem Nacken,
Umflutend die Delphinenschultern, so
Lieg ich gefangen in den Lockenfesseln!
Seh ich die Rosenlippen wollustatmend,
Wie sie sich wölben, ach, zum süßen Lächeln,
So möcht ich diese süßen Lippen küssen!
Berauschender die Küsse dieser Lippen
Als selbst der Rotwein oder der Champagner!
Seh ich die strahlengleichen blauen Augen
Wie Himmel voller Frühlingshoffnung lächeln
Und leuchten wie ein neuer Weltenmorgen,
So möcht ich meine Seele ewig baden
In fließender Erleuchtung dieser Augen
Und ewig tauchen in den blauen Himmel
Der himmelblauen Frauenenzianen!
Die wollustvollen weißen Wonnebrüste
In ihrem Kleid verborgen offenbar
Sind himmlisch wie des Paradieses Lüste!
Die Frauenbrüste sind wie Pfirsichfrüchte,
Wie Pfirsichfrüchte der Unsterblichkeit!
Und in den runden Armen auszuruhen
Von aller Lebensnot und allem Kummer
Und aller Müh und aller Seelenangst
Und aller Traurigkeit und Einsamkeit,
Sich an die weidengertenschlanken Hüften
Und Lenden des Gemütes anzuschmiegen,
Das wäre wie ein Himmelreich auf Erden!
Ach, denke ich mir Charis in dem Bett,
So scheint das duftberauschte Frauenbett
Ein Himmelsbett des Paradieses mir!
Die süße Pflaume aber erst zu spalten,
Das nektarsüße Pflaumenfleisch zu kosten,
Das scheint mir göttliche Vereinigung
Und übermäßige Glückseligkeit!
(Die Wolke verschwindet. Sichelmond und Venus strahlen wieder.)
O wundervolle Schönheitsgöttin Charis,
Was wär dein Liebreiz jemals im Vergleich
Mit Gottes jugendlicher Jungfrau-Mutter?
Doch ach, die Sichtbarkeit des süßen Fleisches!
Jetzt kann ich nur noch Seelenruhe finden,
Wenn ich die Flasche roten Weines leere.
VIERTE SZENE
(Josef kniet vor Charis mit einer roten Rose.)
JOSEF
Du, Charis, bist der Inbegriff der Schönheit,
Du bist ja viel zu schön für diese Welt!
CHARIS
Du sagst ja immer solche schönen Sachen.
JOSEF
Es sagte einst zu mir ein frommer Mann:
Der Frau Leib ist des Mannes Paradies!
CHARIS
Begehrst du denn nur meinen Frauenkörper?
JOSEF
Ich nenn dich meines Fleisches Königin!
CHARIS
Willst du denn nur die körperliche Liebe?
JOSEF
Als Gott geschaffen aus der Mutter Erde
Das erste Männlein auf der ganzen Welt
Und dann das Männlein, ach, so einsam war
Und schließlich träumte nachts von einer Traumfrau,
Da brachte in der Morgenröte Gott
Das erste Fräulein zu dem ersten Männlein,
Da jauchzte vor Entzücken auf das Männlein:
Sie ist es! Bein von Bein und Fleisch von Fleisch!
Denn das Entzücken eines Mannes ist
Gebein und Fleisch des Fräuleins, seiner Traumfrau,
Der Liebe Sprache redet hingerissen
Die warme Sprache körperlicher Liebe.
CHARIS
Doch wenn ich nicht mehr jung und reizend bin,
Wirst du dann meinen Geist noch immer lieben?
JOSEF
Ich liebe dich als Seele meiner Seele.
Bevor Natur mich schuf im Mutterschoß,
War ewig ich ein Geist im Geiste Gottes,
Da warst du schon als Braut an meiner Seite,
Da warst du als mein Ideal in Gott
In Ewigkeit der Morgenröte Göttin.
Und wenn ich sterbe und kehr heim zu Gott
Und du mir folgst und heimkehrst auch zu Gott,
Wirst du im Paradies des Gartens Eden
Vereint mir sein als Paradieses Jungfrau!
CHARIS
Du liebtest mich schon vor der Weltenschöpfung
Und wirst mich in den Ewigkeiten lieben,
Das glaube ich dir gern, du süßer Träumer,
Doch liebst du mich auch hier auf dieser Erde
Im mühevollen Alltag dieser Erde?
JOSEF
Nicht nur die Flüchtigkeit der süßen Lust
Zieht mich zu dir, vielmehr noch die Vision,
Daß ich in deinem Schoß als einer Göttin
Der Fruchtbarkeit und großen Muttergöttin
Schon keimen seh die Söhne meines Samens!
CHARIS
Du möchtest Kinder, möchtest Vater werden?
JOSEF
Ich will von deinem Schoße sieben Söhne,
Du sollst den Söhnen liebe Mutter sein,
Ich will den Söhnen guter Vater sein.
Ich möchte, dass die Söhne rufen: Papa,
Ich möchte einmal werden so wie du!
Ich möchte stark und gütig als ein Vater
Ein Mann sein nach dem Vaterherzen Gottes
Und Gottes Vaterantlitz widerspiegeln
Und Abbild Gottes sein vor meinen Söhnen.
CHARIS
Und wenn die sieben Söhne groß geworden
Und lösen sich von ihrem Elternhaus?
JOSEF
Dann will ich als ein Greis mit meiner Greisin
Den Sessel neben deinen Sessel stellen
Und träumen sanft mit dir dem Tod entgegen.
Wenn wir dann Arm in Arm im Tod entschlafen,
Dann auferstehen wir im Reiz der Jugend,
Dann werde ewig ich als schöner Jüngling
Dich lieben als des Himmels Jünglingsgöttin!
CHARIS
Und wenn ich eines Morgens auf der Erde
Dich wecke und erinnre dich daran,
Den Abfalleimer noch herauszutragen?
Und wenn du Abends von der Arbeit kommst
Und ich begrüße dich mit Zungenzank,
Daß wieder du das Klopapier vergessen,
Daß ich den Kindern wische ihren Popo
Mit einem Handtuch, das voll Kinderkot,
Mit dem ich morgens trockne dann mein Antlitz?
JOSEF
Ich rede von der Poesie der Liebe,
Du aber sprichst vom Kot des Erdenalltags!
FÜNFTE SZENE
(Schlafzimmer Josefs. Josef ruht auf dem Sofa. Die Jungfrau von Guadelupe erscheint mit den Erzengeln Gabriel und Michael und dem Heiligen Johannes Paul dem Großen.)
GABRIEL
O Jungfrau, vierzehnjährige Madonna,
Du zähltest eben junge vierzehn Jahre,
Als Josef dich zum Brautgemahl bekam,
Ich mein den Josef, welcher heilig ist,
Nicht diesen irdisch-sündigen Genossen,
Der ganz zu Unrecht Josefs Namen trägt.
Ich grüßte dich als Kecharitomene,
Die Charis mit dir, Kecharitomene!
Da überlegtest du in deinem Herzen,
Was dieser Gruß bedeute, Gnadenvolle,
Begnadete, dass mit dir Gottes Gnade.
Empfingst du nicht in deinem Muschelohr
Den Engelsgruß des Ave, neue Eva?
Und mit dem Engelsgruß des Ave du
Empfingest Gottes Wort in deinem Ohr,
Da zeugte Gottes Geist in deinem Schoß,
Die Ruach ha kadosch ward schöpferisch
Und schuf als Schöpferin in deinem Schoß
Die benedeite Leibesfrucht Mariens,
Da du, die vierzehnjährige Madonna,
In deinem Schoß an der Plazenta nährtest
Die Weisheit Gottes, Gottes Weltvernunft,
Sophia oder Logos fleischgeworden.
MICHAEL
O Jungfrau, vierzehnjährige Madonna,
Ich seh dich stehen auf dem Sichelmond,
Umgeben von dem Strahlenglanz der Sonne,
Der Sterne Ordnungen auf deinem Mantel.
Apokalyptische Messiasmutter,
Du bist das Große Zeichen in der Endzeit,
Die Dame der Geheimen Offenbarung!
Als Neue Eva trittst du Satan nieder,
Als Frau der Schmerzen opferst du den Sohn
Und als der Kirche Jungfraumutter du
Gebierst in Schmerzenswehen Christi Körper,
Das mystische Gebilde seines Leibes,
Das ist die Kirche seit dem Fest von Pfingsten.
Ich sehe Satan dich bekämpfen, Jungfrau,
Seh gegen dich den alten Drachen kämpfen,
Du aber, o allmächtige Prinzessin,
Besiegst den Satan als die Große Frau,
Die Neue Frau der Offenbarung Gottes!
JOHANNES PAUL
Ich liebe dich als meine liebe Mutter,
Die Mutter Gottes und der Menschheit Mutter,
Von Indien bis Amerika Maria
Ist Große Mutter aller Menschenkinder.
Vor allem weih ich Russland deinem Herzen,
Die Kranken weih ich dir und alle Kinder!
Doch mehr noch lieb ich dich als Große Frau,
Als Neue Eva aus dem Paradies,
Vertraute Schmerzensfrau des Schmerzensmannes,
Als Dame der Geheimen Offenbarung.
O Jungfrau, vierzehnjährige Madonna,
Ich sehe die lebendige Ikone
Der Schönheit, der Urschönheit der Urgottheit,
Und nenn dich liebevoll mein braunes Mädchen,
Die vielgeliebte Morenita mia,
Und wähle dich, o Morenita mia,
Zur Himmelsmuse meiner Künstlerseele!
MARIA
Mein Josef, weil ich dich besonders liebe
Mit einer ganz besonders heißen Liebe,
Mit einer brennenden und grenzenlosen
Intimen Ganzhingabe meiner Liebe,
Drum warne ich dich vor dem schlimmen Irrweg,
Wenn du der Erde Menschenliebe wählst,
Nein, weihen sollst du dich der Schönen Liebe,
Doch nicht der irdisch-menschlichen Verliebtheit!
Ich will dich ganz für mich, für mich allein,
Ich lad dich ein in meinen keuschen Schoß,
Ich lad dich ein, dich mir zu einigen,
Damit ich dich in meinem keuschen Schoß
Zum Paradies der Schönen Liebe trage!
Ich möchte nicht, dass Satan dich versucht
Und Unzucht dich hinabreisst in die Hölle!
Drum weihe ganz dich meinem reinen Herzen
Und schenk mir deiner Liebe Ganzhingabe!
JOSEF
Ich rufe nicht zu Vater, Sohn und Geist,
Ich rufe nur zur Heiligen und Schönen,
Ob mich auch alle Frommen närrisch nennen!
Ich liebe keine Frau der Erde mehr,
Und wenn die Männer ihre Frauen preisen,
Dann preise ich die Königin des Himmels!
Ich faste nicht und beichte nicht und Satan
Verlangt nach meiner Seele für die Hölle,
Doch du, allmächtige Prinzessin, wirst
Als Advocatin, Allmacht auf den Knien,
Die Seele deines Minnesklaven retten!
Drum möchte ich im Paradies des Himmels
Als Minnesänger ewig dich lobpreisen!
SECHSTE SZENE
(Die Jungfrau ist mit Josef allein.)
MARIA
Mein vielgeliebter auserwählter Sohn,
Ich glaube, du hast zu viel Wein getrunken!
So trägst den Namen Josef du zu recht,
Weil dir des Mittelalters dicke Mönche
Erzählten und die Künstler dir dies malten,
Daß Josef, der mein keuscher Ehemann,
Ein alter Greis war, immer melancholisch,
Noch in der süßen Weihnacht melancholisch
Und beim Besuch der Magier des Ostens
So melancholisch und so voller Schwermut,
Daß er die tiefe Traurigkeit der Seele
Ertränken musste in dem roten Wein!
Du weißt, als wir geflohen nach Ägypten,
Da wollte Josef unsre Tasche packen
Und tat in das Gepäck zu viele Flaschen
Mit rotem Wein und auf der Wanderschaft
Er wollte immer wieder in die Schenke,
Weil er ein Trinker war, ein wilder Zecher,
Er liebte über alles das Geräusch
Des Korkens, wenn er aus der Flasche springt.
Und du, der neue Josef meines Herzens,
Du eiferst nach dem Heiligen der Bibel
Und ahmst ihn nach vor allem in der Trunksucht!
Wie ungern gehst du Sonntags in die Kirche,
Das Blut des Christus Jesus zu verkosten!
Wie gerne aber trinkst du Bacchus’ Blut
Und nennst es Christi Blut und Christi Blut
Lobpreist du als den großen Kummerbrecher,
Den Sorgenbrecher und den großen Löser!
JOSEF
Ich träumte heute Nacht vom besten Wein,
Da träumte ich, ich stünde vor der Kirche,
Ich stünde vor der Sankt-Marien-Kirche
Und wollte beichten bei dem alten Priester,
Der Priester aber eben zelebrierte
Die Messe in der Sankt-Marien-Kirche,
Da kniete nackt ich in der Kirchenbank
Und nackt empfing ich als ein Sakrament
Die Flasche mit dem besten süßen Wein,
Liebfrauenmilch wie süße Muttermilch,
Den nektarsüßen Wein Liebfrauenmilch
Wie Gottes süße Muttermilch des Trostes.
MARIA
Und darum bist du so betrunken, Josef,
Daß du dir eine irdische Geliebte
Erwählst und deine himmlische Geliebte
Maria mit der Sterblichen betrügst?
JOSEF
Gedenk, wie schön die sterbliche Geliebte,
Was für ein Augenschmaus für meine Augen!
MARIA
Denkst du denn so gering von meiner Schönheit,
Denkst du denn so gering von meiner Liebe?
Schau, wenn mich ein Chinese so gesehen,
So riefe er: Ich schau die Perlengöttin!
Schau, durch die Hände rinnen mir die Perlen,
Um meine Arme hängen Perlenschnüre,
Die Perlen küsse ich mit meinen Lippen.
Hast je du einen solchen Mund gesehen,
Stets lächelnd lieblich und geheimnisvoll
Und stets bereit zu einem keuschen Kuß?
Kein bittres Wort hörst du von meiner Zunge,
Wie Milch und Honig süß ist meine Zunge.
Die keuschen Küsse meiner Feuerzunge
Inspirationen sind von Gottes Geist.
Hast jemals solche Augen du gesehen,
Die dunkel sind voll mütterlichen Trostes
Und strahlen vor liebfraulicher Verliebtheit?
Den Morgensternen gleich sind meine Augen
Und schauen allzeit gnädig auf dich nieder,
Du auserwählter Mann in meinen Augen!
JOSEF
Ich sehe mich ja selbst in deinen Augen,
Es ist, als ob mein Thron im Himmel wär
In deines Auges lichtem Morgenstern!
MARIA
Nun kannst du dich auch vom Islam bekehren
Und von dem Garten Eden Mohammeds,
Denn dich erwarten in dem Paradiese
Kein Huri-Harem, keine nackte Haura,
Nicht Paradiesesfrauen zu dem Beischlaf,
Nein, meine Wahrheit will ich dir verkünden,
Die Macht der Liebe, offenbart in Jesus!
Wenn du auf Erden mein Verlobter bist,
Mein keuscher Bräutigam im Kreuzeszeichen,
Vollziehe ich dereinst im Paradies
Mit dir die Ehe, Hochzeit feiern wir,
Dann schenk ich dir die makellose Perle
Der Ganzhingabe deiner Ehefrau,
In ewiger Glückseligkeit und Wonne,
In mystischer Vereinigung Ekstase
Wohnst du mir bei in meinem Ehebett!
JOSEF
Daß ich gelang einst in Marias Bett,
Nie eines andern Weibes Bett besteige,
Maria, gib du mir ein Segenszeichen.
MARIA
Nimm diese wundertätige Medaille
Und trage allzeit sie um deinen Hals,
Und trag dies Skapulier vom Berge Karmel
Geheim verborgen stets an deinem Fleisch,
Dann lad ich bald dich in mein Ehebett!
SIEBENTE SZENE
(Charis allein in ihrem Schlafzimmer. Im Käfig ein Paar Nymphensittiche.)
CHARIS
Ich will einmal die eigne Seele schauen
Und darum schließe ich des Fleisches Augen
Und öffne meines Herzens Augen innen.
Was lebt in dem Geheimnis meiner Seele?
Kann ich die Gnade meiner Taufe sehen?
Ich sehe in dem Inneren ein Bett,
Verschleiert ist das Bett von sieben Schleiern,
Ich sehe mich als Braut in diesem Bett
Und sehe schmachten mich nach meinem Gott,
Da aber kommt mein Gott und Bräutigam
Messias Jesus an als Lichtgestalt,
Umarmt mich mit barmherziger Umarmung
Und drückt mich an sein liebeskrankes Herz,
Dann küsst er meine Stirn mit Segensküssen
Und streichelt segnend mit der Hand mein Haar,
Das darf sonst keiner, nicht einmal mein Vater,
Doch Jesus darfs, mein Gott und Bräutigam.
Nun küsst mir Jesus meine Augenlider
Und trinkt die Tränentropfen von den Wimpern.
Nun küsst er zärtlich meine Nasenspitze
Und küsst die schöngewölbte Wangenröte
Mit dem geschwisterlichen Kuß der Liebe.
Nun aber küsst er meines Mundes Lippen,
Ganz wie im Hohenliede Salomonis
Geschrieben steht vom Liebesdichter Gottes:
Er küsse mich mit seines Mundes Küssen!
Mein Bräutigam ist wie ein Myrrhebund
Gebettet zwischen meinen beiden Brüsten.
Er wohnt mir bei in göttlicher Erkenntnis.
Und da ich voll bin von der Liebe Gottes,
Gelang ich auf den Gipfel der Ekstase
Und fliege von den Gipfeln der Ekstase
In mystischer Vereinigung mit Gott
Ins Himmelsparadies der Schönen Liebe
Und jauchze: Ja, mein Gott und Bräutigam!
(Die Tür des Vogelkäfigs geht wie von selber auf, die beiden Nymphensittiche fliegen aus dem Käfig und schwirren fröhlich durch das Schlafzimmer.)
O tot, gestorben ist mein lieber Josef!
Was soll ich aber trauern wie die Heiden?
Mein Jesus hat die Augen mir geöffnet,
Ich sehe! Was ich sehe aber, siehe,
Ich seh Maria, eine Lichtgestalt,
Sie thront auf einem goldnen Himmelsbett,
Ihr Kleid, wie Seide fein, ist ganz aus Licht,
Ihr Kleid ist rein wie transparenter Lichtglanz,
Ihr Leib ist weiß und rein und makellos,
Ihr Leib ist wie aus Licht und transparent,
Ich sehe Josef in dem Arm Mariens,
Ich sehe Josef als Unsterblichen
Eingehen in Mariens lichten Schoß,
Verschmelzen mit dem transparenten Schoß,
Ich sehe den Unsterblichen verherrlicht
Durch reine Liebe seiner Menschengöttin,
Die sie als Sakrament der Liebe Gottes
Dem Josef schenkt das Ehesakrament
Und lässt ihn Anteil haben an der Gnade,
Mit der ihr Gott zur Göttin sie vergöttlicht!