Herausgegeben von Dr. P.M. – Herausgeber der

Die Schöne Dame Majia He


Von Josef Maria Mayer


1


Sing, Muse, und so weiter! Siehe,

Ein Majestätisch-Edler Graf

Mit seiner Frau zur Morgenfrühe

Lag rein und liebevoll im Schlaf

Und ehelich das Fleisch verflocht er,

Gebar die Gräfin eine Tochter,

Die war wie lichter Sonnenschein,

Ein transparenter Edelstein,

Man rief sie Ai Wei, Beifuß-Rose!

So schön war diese süße Maid,

Entzückend, voller Lieblichkeit,

Rief alles sie: die Makellose!

Sie wars, die alle hoch entzückt,

Die jedes Mannes Sinn beglückt!


Als Ai Wei fünfzehn Jahre zählte,

War unaussprechlich lieblich sie,

Das Phönix-Auge, das beseelte,

Die Seele voller Harmonie

War schön, die Brauen, fern vom Spotte,

Wie schwarze Fühler einer Motte,

Wie Mandelform und wie Oval

Das Antlitz voller Anmut, schmal,

Wie Meteoriten, Mandelkerne

Der Mandelaugen schmaler Schlitz,

Entzückend durch den lichten Blitz

Der makellosen Morgensterne!

Sie war an Liebreiz-Zauber reich,

Des Kaisers Favoritin gleich.


Wie zarte Jade ihre Knochen,

Die weiße Haut so glatt wie Eis,

Ließ alle Herzen höher pochen

Des schmalen Händchens Finger weiß.

Das Trippeln ihrer Lotosschritte

Im süßen Reiz der reinen Sitte

Glich einer Schwalbe in dem Lenz,

Die fliegt in Äthers Transparenz.

Und saß sie in dem Duftgemache,

So hielt man ihr Gemach wohl gar

Für einen Himmel offenbar.

Vor Staunen jeder seine Sprache

Verlor, selbst der gelehrte Mann,

Sah er die Himmelsjungfrau an!


Wenn sie aus ihrem Jungfraun-Turme

Sah einen Jüngling vor dem Haus,

Dann kroch gleich einem Seidenwurme

Begierde in ihr ein und aus.

Da warf sie fort die Philosophen

Und rief nach ihren Lieblingszofen,

Am liebsten hätte sie sogar

Das Zaubervogel-Phönix-Paar

Mit ihren Zofen schon gefeiert.

Doch schien ihr besser diese Zeit,

Zu hüten die Jungfräulichkeit,

Das Hymen, von der Scham verschleiert,

Duft-Schranke, voll der Liebe Licht,

Bis ihr ein Mann das Siegel bricht.


Und Ai Wei nun befahl der Zofe,

Zu richten ihr das Seidenbett.

Nun singe ruhig, liebe Strophe,

Wie Ai Wei sich entkleidet nett,

Das Schweißhemd streift sie ab, das feuchte,

Den Zaubergürtel auch. Es leuchte

Der Jade-Mond aufs Lager ihr,

Sie in des Jade-Leibes Zier

Lag da im rosig-nackten Leibe,

Ihr Herz war selig-sehnsuchtsvoll,

Der makellose Busen schwoll,

Der weiß war wie die Mondenscheibe,

Leis seufzte sie und schon sie schlief,

Schlief nackt im Bette, ruhte tief.


Sie sah im Traume einen Garten,

Wo hundert Blumen blühten süß.

Sie war im Traum in diesem zarten

Gefild, dem Gartenparadies,

Wo lichte Blumen blühten golden,

Wo trunken schwollen Blumendolden,

Wo leuchteten aus zartem Grün

Die Weiden, deren Kätzchen blühn,

Und murmelten kristallne Bäche

Und Pfrischen strahlten prall und rot

(Wer speist die Frucht, schmeckt nie den Tod)

Und Vögel hüpften auf der Fläche

Und lieblich sang die Nachtigall

Der roten Rose süßen Schall.


Sie kam zu einem Pinienhaine,

Da stand ein goldner Pavillon,

Sie trat hinzu im Traum, alleine,

Zu Balustrade und Balkon

Und trat hinein. Da standen Tische,

Ein Bett war da, das duftend-frische

Geflochten war aus Bambusrohr,

Von Stein ein Dreistuhl stand davor.

Hier wohnte wohl ein Himmelswesen?

Sie sah auch noch ein altes Buch,

War Kalligraphie auf Seidentuch,

Sie tat die Pinselzüge lesen,

Die Pinselschwünge Schlangen gleich

Von schwarzer Tusche sanft und weich.


Ein Lied las sie in jenem Buche,

Das schwungvoll hingepinselt war

Mit Tusche auf dem Seidentuche,

Sie las die Verse wunderbar:

Wie fruchtbar hangen Weidenzweige

Aufs grüne Gras mit sanfter Neige,

Wie schlängelt sich als Schlange, ach,

So wonnevoll dahin der Bach!

Die Vögel aber in dem Lenze

Nicht ohne liebendes Gefühl,

Sie zwitschern zu dem Liebesspiel,

Die Falter tanzen Hochzeitstänze,

Die Vögel in dem Blütenhain

Sanft schnäbelnd küssen sich so fein!


Sie sah im Pavillon im Tore

Nun einen hochgewachsnen Mann,

Schön wie ein Engel aus dem Chore

Der Seraphim! Im Zauberbann

Des Himmlischen begann zu schauen

Die Maid, die Schönste aller Frauen,

Wie mächtig er sein Flügelkleid

Ausstreckte liebend allbereit,

Sein Haupt bedeckt ein Käppchen ledern,

In seiner Hand ein Federkiel,

Gleich einer weißen Lilie Stiel,

Ein Zepter dies von Schwanenfedern.

Nun trat der Himmlische voll Schein

Zu Ai Wei in die Hütte ein.


Da neigte er sich vor der Dame

Und sprach: Ich wartete schon lang

Auf dich, ist Ai Wei doch dein Name,

Gebenedeite, sei nicht bang.

Und Ai Wei mit des Lächelns Süße

Erwiderte des Engels Grüße.

Wie lange, fuhr der Engel fort,

Sprach liebevoll sein Sehnsuchtswort,

Erharrt ich Ai Wei voller Wehmut

Und schmachtete nach deinem Glanz

Des Leibes, deinem Jungfraunkranz!

Empfang den Engel voller Demut,

Du reine Jungfrau schön und jung,

Zur liebenden Vereinigung!



2


Am Nachmittag in feuchter Schwüle

Ging Ai Wei in den Bambushain,

Der Fächer fächelte ihr Kühle,

Da trat ihr lieber Vetter ein,

Und A Dar sah mit Freudenmiene

Die lieblich-reizende Cousine,

Sie saß auf einer Gartenbank

Im Duftkleid und im Lichtleib blank.

Da sprach er: Darf ich bei dir sitzen?

Ja, sagte sie, hier ist es kühl

Im Bambusschatten, nicht so schwül.

Der Blitz aus Mandelaugenschlitzen

War schelmisch und verführerisch

Und sprach von Liebe blühend frisch.


Er sagte: Ist es denn auch schicklich,

Wenn ich mich setze hier zu dir?

Sie aber sagte augenblicklich

Mit süßer Zierlichkeit und Zier:

Stets dürfen Vetter und Cousine

Sich treffen und mit heitrer Miene

Mit Lippenplaudern plappern viel,

Das ist doch noch kein Liebesspiel.

Doch A Dar war ein Wollustschüler,

Von Wein und Weibern ganz betört,

Da er die Flötenstimme hört,

Wird’s ihm im Busen immer schwüler,

So rückte er der Base nah,

Verzückt von dem, was er da sah!


Sie, einer Himmelsjungfrau ähnlich,

Schien nicht gemeine Erdenfrau.

Er schaute und er stöhnte sehnlich

Und war verzückt von solcher Schau!

Und die verführerischen Blicke,

Die doch so keusch wie eine Ricke,

Zum Wallen brachte das sein Blut

Voll Liebesglut und Liebeswut,

Das Wasser lief ihm um die Lippen!

War niemand sonst in diesem Hain?

Fürwahr, sie waren ganz allein!

Nur Falter an den Rosen nippen,

Insekten kopulieren nackt

Im öffentlichen Liebesakt!


Nun Vetter und Cousine plaudern

Und sprechen heiter dies und das

Und A Dar ist vor Lust und Schaudern

Der Wollust schon am Körper naß,

Und sie bei dieser schwülen Hitze

Ein Schweißhemd trägt, und schöne Schlitze

Ihm machen heimlich offenbar

Der hübschen Brüste süßes Paar!

Was hast du doch für schöne Brüste!

Ruft A Dar plötzlich hochentzückt,

Und sie errötet, doch beglückt,

Durchströmen beide süße Lüste,

Da schaute sie so jugendfrisch

Und lächelte verführerisch.


Willst du an meinen Brüsten lutschen?

Da riß er auf den trunknen Mund,

Er sieht das Schweißhemd schon verrutschen

Und sieht schon bloß des Busens Rund.

Sie ohrfeigt ihn: Du Dieb der Diebe,

Ist das denn heilig-keusche Liebe?

Er aber knüpft ihr auf das Hemd,

Nichts Menschliches ist ihm ja fremd,

Da sieht er ihre Jungfraunbrüste

Wie Enteneier frisch gepellt,

Die Jadeknospen sind geschwellt,

O wahrlich, Wonne voller Lüste,

Ja wahrlich, solch ein Entenei

Bringt jeden Mann zur Raserei!


Und A Dar gleich erhob sich wieder

Und war beseligt wunderbar,

Erlöst sich fühlten alle Glieder.

Und Ai Wei ordnete ihr Haar,

Das aufgelöste Haar zu knüpfen,

Ließ lässig eine Strähne schlüpfen,

Und zog sich an ihr Schweißhemd fein,

Wie Hauch der Morgenröte rein.

O schöne Schwester, o Cousine,

Wann sehen wir uns wieder, sag!

Sie sprach: Komm immer, Tag für Tag,

Und mir als Liebesritter diene,

Dann schenk ich dir im Liebeskrieg

Auch den Triumph, der Liebe Sieg!



3


Die schöne Ai Wei Hochzeit feiert

Mit Yo Ko, einem schönen Mann.

Da stand die Jungfrau keusch verschleiert

Vorm Tempel, betet Gottheit an.

Dann schwieg Musik, des Himmels Orgel,

Das Flötenspiel, des Windes Gurgel.

Der Vater mit der Gäste Schar

Stieg aus dem Wagen. Offenbar

Ward in der Sänfte nun das Bräutchen.

Da saß sie bei dem Bräutigam,

Der Bräutigam die Zügel nahm

Und dachte schon ans Jungfernhäutchen.

Und die Karosse und das Roß

Zur ehelichen Wohnung schoß.


Und sie verneigten sich vorm Himmel,

Sie neigten dreimal sich vor Gott. –

Dann traten beide im Getümmel

Der Dienerinnen ohne Spott

Hinein zur schönen Hochzeitshalle.

Der Wein der Liebe überwalle

Aus trocknen Kürbishälften, jung

Der Schaumwein der Vereinigung!

Und Yo Ko trank die Kürbisschale

Mit Einem Zuge durstig leer

Und dürstete sogleich nach mehr,

Doch Ai Wei bei dem Hochzeitsmahle

Mit süßen Lippen, süßem Mund,

Nur leicht sog an der Schale Rund.


Dies Ritual war nun beendet,

Der Vater nun den Abschied nahm.

Und Yo Ko ward das Glück gespendet,

Es schaute an der Bräutigam,

Den Schleier voller Perlentröpfchen

Hob Yo Ko auf und sah das Köpfchen.

Da er die offenbare Braut

Mit ihrem Mondenantlitz schaut,

Meint er, er schaut des Mondes Göttin!

Geblendet taumelt er zurück,

Fragt sich, wie er verdient dies Glück,

Daß solche Frau ist seine Gattin,

Daß solche Frau von Götterwert

Das Schicksal ihm als Braut beschert!


Tagsüber war entfernt der Gatte.

Und Ai Wei in dem Goldgeschmeid

Die leichte Galarobe hatte

Sich angelegt, das leichte Kleid.

Nach der Erquickung eines Bades

Erschien im Glanz des Seidenstaates

Die Frau, im Hauch von Seidenkleid,

Ein Schleier nur aus Lieblichkeit,

Das Schönheit schöner lässt erscheinen.

Als Yo Ko abends wiederkam,

Er Ai Wei auf dem Sofa nahm

Und stillte seine Sehnsuchtspeinen

Mit der Geliebten lässig leicht,

Der Vielgeliebten schmelzend-feucht!


Er nahm nun immer Zauberdrogen,

Berauschte sich an Zauberkraut.

So haben sie der Lust gepflogen,

Der müde Mann, die wilde Braut.

Kaum konnte er sich noch erheben

Vom Sofa, war so ohne Leben,

Er war so ohne Lebenskraft,

In ihm kein Blut, kein Liebessaft,

Er schien nun vollends zu verderben.

Und Ai Wei saß an seinem Bett

Und schmeichelte ihm freundlich-nett,

Sie wußt, er wird umgehend sterben

Und sprach: Ach, stirbst du, Yo Ko, dann

Nehm ich mir keinen andern Mann.


Mach dir um mich nur keine Sorgen,

Verfalle nicht der Traurigkeit,

Ich bin beim Himmel wohl geborgen

Und bleib der Liebe treu geweiht.

Ich denk an dich stets ohne Reue

Und halt dem Toten meine Treue.

Und bist du in dem Jenseits, komm

Und segne deine Gattin fromm.

Zwei Herren kann man ja nicht dienen,

Wie einst ein weiser Meister sprach.

Drum bleib ich deine Gattin, ach,

Und lieb nicht andre Männer. Ihnen

Sollt ich mich schenken in dem Bett,

Wo du gestorben? sprach sie nett.


Als Yo Ko hörte dies, ein Lächeln

Lief leise ihm durch seinen Bart.

Schon Todesschatten Abschied fächeln,

Das Jenseits ward schon offenbart.

Schon öffnet sich das Reich der Schatten

Dem glückverwöhnten Ehegatten.

Und schon kommt auch zu spät für ihn

Des Priesters Segens-Medizin.

Und still ist Yo Ko abgeschieden,

Er wurde bis zum Grab geliebt!

Sag, ob es schönern Heimgang gibt,

Als von des Weibes Schoß zum Frieden

Zu schweben in das Paradies?

Sie – noch im Trauerkleide süß!




4


Und I war oft bei Lotosblüte,

Der Zofe unsrer lieben Frau,

Und führte sie sich zu Gemüte

Und weihte ihr der Liebe Tau.

Der Lange I, ein Liebesschüler,

Ward immer sinnlicher und schwüler.

Er sprach: Ich glühe, wenn ich seh

Die Hohe Frau Majia He,

Die früher Ai Wei hieß, die Schöne.

O Lotosblüte, sei so lieb,

Weil leidenschaftlich brennt mein Trieb

Und treibt mit Schmachten zum Gestöhne,

Verschaff mir eine Audienz

Bei deiner Herrin diesen Lenz!


Und Lotosblüte führte treulich

Den Langen I bei Ai Wei ein.

Majia He wars sehr erfreulich,

Der Hohen Frau, dies Stelldichein.

Er ward ihr Kavalier und Sklave.

Ach, dass ich einmal mit ihr schlafe,

So seufzte er voll Lustbegier,

Stand er anstaunend stramm vor ihr!

Er wollte auch zu süßen Träumen

Von ihr ein Ding besitzen süß,

Ein Feigenblatt vom Paradies.

Er suchte in den Kleiderräumen,

Ein schwarzes Unterhöschen fand,

Das heimlich liebend er entwand.


Wie sinnlich ist doch alle Tugend

Geworden in der Erde Saal!

Gleichgültig, Alter oder Jugend,

Erotik ist allein Moral!

Wie alle jetzt die Liebe treiben

Und wild und wahllos sich beweiben!

Man öffentlich im Sonnenlicht

Ganz sorglos eine Ehe bricht!

Und wie auf Straßen und auf Gassen

Getanzt wird wilder Huren Tanz

Und wilde Huren rasch den Schwanz

Ganz öffentlich der Hurer fassen!

Und überall die Liebe frei

Geworden ist zur Hurerei!


Will einer mitternachts die Mauer

Voll Wollust überspringen und

Im Garten liegen auf der Lauer

Und läufig wie ein wilder Hund

Nur einen Blick aufs Weib erhaschen

Und Schönheit mit den Augen naschen

Und schauen sie im Bade nackt!

Ein jeder drängt zum Liebesakt,

Am liebsten mit dem Eheweibe

Des Nächsten, um vom Abendrot

Zu lieben bis zum Morgenrot!

Und Liebe reimt sich nur auf Leibe,

Der liebe Leib allein ist lieb

Dem hemmungslosen Liebestrieb!


Des Mannes Opfer ist erkoren,

Und wenn er sie gewonnen, schau,

Der Gattin Ehre ist verloren,

Verlassen steht die Ehefrau!

Auch rauben alle gern die Tugend

Der Mädchen schon in frühster Jugend,

Der Freier aber nach dem Fest

Der Lust das Mädchen bald verlässt!

Ach, Dornen, Disteln nur und Nesseln

Nur wachsen in der Liebe Hain,

Gebrochner Herzen Liebespein,

Der sinnlich-schwülen Wollust Fesseln

Ein jeder Freier sklavisch trägt,

Er spürt nur, dass die Ader schlägt!


Der Mann mit schönen schwarzen Locken,

In seiner Hand hält er mein Herz,

Doch läuten keine Hochzeitsglocken,

Doch trommelt laut mein Liebesschmerz!

Ich kann die Kühle gar nicht fassen,

Ich mein, fast scheint er mich zu hassen!

Er war am Anfang doch so lieb,

Da ihn regiert sein Liebestrieb!

Nun aber lässt er mich alleine,

Er, der sonst gern mir beigewohnt,

Läßt mich allein im Bett, der Mond

Nur liebt mich mit dem Mondenscheine

Und feuchtet meinen nackten Leib,

Wenn einsam liebt sich selbst das Weib!


Ich höre schon die Hähne krähen,

Das ist ein Zeichen für Verrat,

Verraten werden alle Ehen,

Und Herren in der Liebe Staat

Sind nur Begierde noch und Geilheit,

Das Zepter ist der Schlange Steilheit,

Es herrscht nur eine Fürstin noch,

Das ist des Weibes schwarzes Loch!

Es kräht der Hahn: Verrat an Liebe!

Die Liebe wurde euch zum Fluch,

Der Himmel flucht dem Ehebruch!

Regieren euch denn nichts als Triebe?

Und ist denn Er, schaut er die Sie,

Ist er denn nur ein wildes Vieh?


Im Morgenrot die Hähne krähen!

Die Liebe will das Ritual,

Die Liebe will die Liebes-Ehen

Im priesterlichen Tempelsaal,

Der ehelichen Liebe Treue,

Den Akt der Liebe ohne Reue,

Vom reinen Geist regiert das Fleisch!

Im Geist erst wird die Liebe keusch,

Wenn Liebe wahrlich herrscht im Herzen

Und Geist und Leib und Seele da

In Liebe sprechen ganz ein Ja,

Ja, dann kann Liebe lustvoll scherzen!

Doch nun zurück zum Lied der Lust,

Diktiert vom Geist in meiner Brust.


Kaum fing es draußen an zu dämmern,

Da trat er in die Bücherei.

Die Sterne glühn, die Kerzen flämmern,

Dem Langen I war wohl dabei.

Er wartete so ungeduldig

Und war voll Liebeslust unschuldig,

Zwei Stunden wartete er schon.

Die Zofe kam zu seinem Lohn,

Sie trug den Leuchter mit den Kerzen

Und führte ihn, der seufzte, ach,

In ihrer Herrin Brautgemach,

Er möge dort in Liebe scherzen.

Da war es dunkel, war es Nacht,

Nur Ai Weis Leib war lichte Pracht!


Der Lange I vorm Himmelsbette

Andächtig stand und selig stumm,

Glückselig an der Himmelsstätte

Und innerlich und um und um

Und an dem Herzen so glückselig,

Er tastete erregt und fröhlich

Und fühlte nun mit Wonnelust

Majia He, die bloße Brust,

Die straffe Pracht, das Paar von Schenkeln!

Da rafft sich auf sein Mannesstück

Mit jähem Ruck und großem Glück!

Und er sah Scharen schon von Enkeln.

Er riß sich von dem Leib das Kleid

Und sprang ins Bett zur bloßen Maid.



5


Der Herzog sah die schöne Dame

Majia He, ihr Angesicht

War schön (einst Ai Wei war ihr Name),

Ihr Antlitz strahlte schön von Licht.

Der Herzog schaute hingerissen

Und wollte diese Lippen küssen!

Die Himmelsjungfraun, ohne Spott,

Die stehen vor dem Himmelsgott,

Sind nicht so schön wie dieses Weibchen!

Auch in des Herzogs Harem nicht

War jemals solch ein Angesicht

Auf einem solchen lieben Leibchen!

Nicht Hauptfrau und nicht Nebenfrau

Glich diesem Weib in seiner Schau!


Ich, Euer Knecht, ich fuhr spazieren

Und komm zufällig zu Besuch,

Sprach er mit adlig-edlem Zieren,

So lehrt es uns der Tugend Buch,

Ich, sprach er, der geringste Sklave,

Vor Eurer Pforte Architrave

Im Staube kniee, Euch zu sehn,

Ihr, Herrin, seid wie Vollmond schön!

Sie sprach: Wie könnte ich Euch dienen,

O Herzog, Eures Leibes Wohl?

Ich habe Weißwein, grünen Kohl.

Mit Euch ist solch ein Glanz erschienen

In dieser Hütte Eurer Magd,

Vor solchem Glanz steh ich verzagt!


Der Herzog sprach: Euch zu besuchen,

Ist mir ja Gnade schon genug,

Ich frage nicht nach Feigenkuchen,

Dampfbrötchen, die der Bäcker buk,

Nicht nach des langen Lebens Nudeln,

Nach Rehfleisch aus der Rehe Rudeln,

Nach grünem Kohl und Schaumwein weiß,

Gemüsesuppe, Fisch und Reis.

Im Pavillon dies aufzutischen

Wird noch gelegne Stunde sein.

Ich komme einzig und allein,

Den Garten anzuschaun, den frischen,

Die Birnenbäume in dem Park,

Lenz-Garten voller Saft und Mark!


Majia He sprach: Seit mein Gatte

Hinüber schwebte in den Tod,

Verwildert ist die Blumenmatte,

Zum Dschungel ist der Hain verroht

Und Unkraut wuchert in den Beeten,

Ich hab ihn lang nicht mehr betreten,

Den Birnbaumgarten, und gepflegt.

Majia He den Mantel trägt

Von rotem Stoff voll Stickereien,

Von einem dichten festen Tuch.

Der Herzog dachte: Welch ein Fluch,

So dicken Mantel mir zu weihen!

Er sprach: Heut ist es aber heiß!

Und sie, was jener will, sie weiß!


Sie war ja Kennerin der Männer

Und zog zurück in ihren Raum

Sich lächelnd, wissend wie ein Kenner,

Und kam zurück in einem Traum

Von Duftgewand aus feinster Seide,

Ein Hauch nur um die Augenweide,

Ein Duft nur um den lieben Leib,

Ein Glanz nur um das schöne Weib!

Der Frauenleib, der makellose,

In Sommerseiden-Transparenz

Ist Himmelslust in Evidenz!

Kristallner Tau in weißer Rose

Ist so, der Mond im Silbersee,

Die Pflaumenblüte in dem Schnee.


Die Dame führt ihn in den Garten,

Zypressen, Kiefern, Pinien reich,

Die Falten schwebten hier, die zarten,

Da lag auch still der Zierfischteich,

Das Grün der Bäume und der Büsche

Erzeugte süße Duftgemische.

Da stand ein weißer Pavillon

Mit Balustrade und Balkon,

Da oft verköstigt werden Gäste.

Anschließend grade die Allee,

Die Straße ging zum Entensee,

Da Enten feiern Wasserfeste.

Dann kam der grüne Birnbaumhain

Mit Blüten weiß und rosa fein.


Nachdem der Herzog und die Dame

Im Pavillon sehr gut gespeist,

Die Dame (Ai Wei war ihr Name)

Majia He dem Herzog weist

Ein Ruhebett zur Mittagsruhe.

Der Herzog zog sich aus die Schuhe

Und legte sich ins weiche Bett

Und dachte noch: Die Frau ist nett,

Und ist so denkend eingeschlafen.

Majia He ging in das Bad,

Zog aus den leichten Seidenstaat

Und badete im Ruhehafen

Nackt in des Wasser Transparenz

Und in der Rosen-Duftessenz.


Dann salbte sie das liebe Leibchen

Und schminkte sich die Lippen rot,

Mit scharlachrotem Mund das Weibchen

Gar einen schönen Anblick bot,

Dann zog sie an ein Seidenkleidchen,

Ein Spitzenhöschen um das Scheidchen,

Und trat zum Herzog an das Bett.

Wer Ai Wei so gesehen hätt,

Der dächte sich im Paradiese!

Ein Mandarinen-Entenpaar

Gestickt ins Seidenkissen war,

Der Liebesharmonie sind diese

Symbol. Mit schlanker weißer Hand

Strich zärtlich sie des Bettes Rand.


Mein Leser, gerne wollt ich singen

Von der geliebten schönen Frau,

Doch Tränen in die Augen dringen,

Mein Aug ist voll von Tränentau.

Wie singt man von des Herzens Pochen

Mit einem Herzen, das gebrochen?

Wie singt man Lenz und Liebeslust

Mit einem Schwerte in der Brust?

Wie soll des Frühlings schöne Kinder

Ich singen, denen Liebe lacht,

Ist um mich finstre Mitternacht,

Der Menschenkälte Frost im Winter?

Statt A-ya! laut zu jubeln, ach,

Verstumm ich, weil das Herz mir brach...


Majia He, die schöne Dame,

Zwei Doppelstunden saß am Bett.

Die Dame, Ai Wei war ihr Name,

Sah in die Kerze süß und nett

Und wartete am Lagerrande,

Im Busen Glut vom Liebesbrande.

Nun wachte auf der Herzog sacht

Und sah die Schönheit in der Nacht.

Der Herzog sah das süße Weibchen

Im Hauch des leichten Seidenkleids,

Das graziöse Weib voll Reiz,

Im Lichtgewand das liebe Leibchen,

Das Spitzenunterhöschen auch

Durchschimmerte der Seide Hauch.


Da war der Herzog voll Erregung,

Daß es die Sprache ihm verschlug!

Mit einer glühenden Bewegung

Die Dame er aufs Lager trug

Und packte sie bei ihren Hüften,

Berauschte sich an ihren Düften,

Bedeckte sie mit Kuß um Kuß

Im heißen lüsternen Genuß,

Er küsste Hals, Gesicht und Hände,

Er küsste Nase, Augenlid,

Ihm regte sich mit Macht sein Glied,

Die Leidenschaft in seiner Lende!

Majia He so freundlich nett,

Sie legte sich zu ihm ins Bett.


Ein Himmlischer mir offenbarte

Der Lust Geheimnis einst im Traum,

Der Himmlische mich selbst gewahrte,

Er kam zu mir vom Sternenraum

Und lehrte mich, der Ewig-Alte,

Wie Jungfrau bliebe meine Spalte

Und trotz der Kindsgeburt Gedräng

Die Spalte bleibt jungfräulich eng!

Da sprach der Herzog: Welch ein Wunder!

Ich liebte viele Frauen, schau,

Auch eine Paradieses-Frau,

Jetzt aber staune ich, bin Zunder,

Bekenne auch an Wunder reich:

Majia He ist keine gleich!



6


Majia He, die schöne Dame,

In einem prächtigen Palast

Sie wohnte (Ai Wei war ihr Name).

Der Frühling war ihr Seelengast.

Sie hatte einen Park und Garten,

Pfingstrosen blühten aller Arten,

Päonien schön in diesem Mai,

Pfingstrosen in dem Garten frei,

Die Blüte des Päonienstrauches

Die Blüte war der Goldnen Zeit,

Da herrschte noch Jungfräulichkeit,

Die Rose dort im Duft des Hauches,

Die Rose war tief scharlachrot,

Sie hieß: Das neue Morgenrot.


Päonienpavillon der Name

War ihres schönen Pavillons.

Pfingstrosen liebte sehr die Dame.

Dort auf der Fläche des Balkons

Majia He saß still am Abend,

Am Mai sich wonnesam erlabend,

Es war die Zeit der Dämmerung,

Der blauen, da Begeisterung

Sie überkam, die Friedensfeier

Der ewig herrlichen Natur

Erregte in der Kreatur

Begierde nach der Jade-Leier,

Um musisch kreativ zu sein

In ihrem Frühlingsrosenhain.


Sie bat die Zofe Lotosblüte:

Die Jade-Leier bringe mir!

Die mit treuherzigem Gemüte

Und mit der Händchen schlanken Zier

Herbei trug durch der Dämmrung Schleier

Der Herrin schöne Jade-Leier.

Majia He ließ schön und schlank

Sich nieder auf der Gartenbank.

Und mit den Bambussprossenfingern

Begann sie auf dem Saitenspiel

Mit inspiriertem Lustgefühl

Voll Lieblichkeit verspielt zu fingern

Und griff dann in der Saiten Darm

Und sang mit ihres Stimmchens Charme:


Schon ist dahin des Tages Schwüle,

Die Sonne still ins Meerbett geht,

Und durch die abendliche Kühle

Das laue Maienlüftchen weht,

Es schweben durch die blauen Lüfte

So schön der Lotosblumen Düfte,

Duft-Zauber waltet in dem Hain,

Der Vollmond kommt mit mildem Schein,

Zierfische hör ich in den Wellen

Voll Wonne spielen in dem Teich,

Die schlanken Silberfische, gleich

Wie Schlangen, durch das Plätschern schnellen.

Ich lausch dem Saitenspiele nach,

Erinnerungen werden wach.


Dieweil sie dieses Lied gesungen,

Gekommen in den Park ist Shi.

Der Sang ist ihm ins Ohr gedrungen,

Mit Flötenstimme seufzte sie

Und sang so schön mit süßem Schallen.

Den Rosen singen Nachtigallen

So schön, verwundet von dem Dorn

Wird so der Sang ein Wonneborn,

Die Schmerzen werden Enkel rühmen!

Verklungen kaum der letzte Ton

Des Liedes war, da musste schon

Der Dame mit dem Jungfraun-Hymen

Magd Lotosblüte, weiß wie Schnee,

Der Dame bringen grünen Tee.


Die Dame ihren Gürtel löste

Und machte sich vom Umhang frei.

Der schwarze Umhang Ehrfurcht flößte

Dem Gaste ein, die Stickerei

Des schwarzen Umhangs zeigte Fernen

Von goldgestickten Himmelssternen.

Der schwarze Umhang ihres Kleids

Sah aus wie Trauer stillen Leids.

Nun aber ließ sie licht erscheinen

Das Schweißhemd, transparent und klar,

Das Röckchen bis zum Schenkelpaar!

Das Mondlicht glänzte auf den Beinen,

Im Schweißhemd spitzte sich die Brust!

Sie war der Inbegriff der Lust!


Nun nahte Zofe Lotosblüte

Und brachte ihr den grünen Tee.

Die Dame führte zu Gemüte

Aus Porzellan gleich weißem Schnee

Den grünen Tee, der sie so weckte,

Den Tee, der nach Vanille schmeckte.

Da trat zu ihr der edle Shi

Und grüßte ehrerbietig sie:

Ein schönes Lied hast du gesungen!

Sie hörte seinen netten Gruß,

Empfing auf ihrer Hand den Kuß,

Geheim von Wollust schon durchdrungen.

Und schüchtern sprach, demütig-bang,

Majia He: Ist das Gesang?


Ich sang ja nur zum Zeitvertreibe.

Er rief: Wie herrlich ist der Mond,

Das weiße Brot, die runde Scheibe,

Die da im Mund des Himmels wohnt!

Wie gerne, wie im Ruhehafen,

Wollt ich in deinem Garten schlafen

Und unter all der Rosen Zier

In Ruhe lagern nah bei dir!

Da sagte liebevoll die Dame:

Mein Lieber, wie es dir beliebt!

Die Dame mit der Zunge gibt

Nun kunstvoll (Ai Wei war ihr Name)

Von Neuigkeiten Rechenschaft,

Von Traurigkeit und Leidenschaft.


Und da sie beide heiter plaudern,

Bringt Zofe Lotosblüte schon

Die Kissen. Shi durchströmt ein Schaudern,

Sieht er des Kissenberges Thron.

Er schnuppert an dem Duft der Kissen,

Hier wird er seine Dame küssen,

Hier ihm das Spiel der Liebe glückt!

Die weichen Kissen sind bestickt

Mit Mandarinen-Entenpaaren,

Symbol der Liebesharmonie.

Verließ nun Lotosblüte sie.

Und Ai Wei mit den schwarzen Haaren

Und mit charmantem Lächeln nett

Zog Shi zur Liebe auf das Bett!



7



DIE PRINZESSIN


Die Hände Unsrer Frauen

Sind bambussprossenzart,

Die schwarzen Augenbrauen

Von Mottenfühlerart.


Wie Rosenöl befeuchtend

Ihr rotes Lippenpaar,

Wie Lack, wie Seide leuchtend

Ihr langes schwarzes Haar.


Es sind die bloßen Füße

Kaum unterm Saum zu sehn,

Die Brüste sind so süße

Wie Paradiesfrucht schön.


Sie hat zum Liebesspiele

Am Schenkelpaar versteckt

Den Schatz, der weckt Gefühle,

Des Mannes Liebe weckt.


*


Majia He, die schöne Dame,

Nachts träumte einen wilden Traum,

Die Dame, Ai Wei war ihr Name,

Sah in dem innern Seelenraum

Den bösen Dämon ihr erscheinen!

Da war ihr weh vor Seelenpeinen,

Als sie so sah die Hässlichkeit,

Des Dämons Ekelhaftigkeit!

Wild die gelockten Feuerhaare

Und finster war sein Angesicht,

Wie Zorn die Stimme, wie Gericht!

Daß sie des Dämons Zorn gewahre,

Goß er dämonisch aus den Zorn

Auf Ai Wei, diesen Wonneborn!


Ich fluche dir, du falsche Dirne!

Der Dämon wild in Rage schrie:

Du Hure mit der frechen Stirne!

Bereust du, tust du Buße nie?

Willst du dich nur im Laster gründen,

Zugrunde gehn in deinen Sünden?

Gibst dich den Fleischeslüsten hin,

Verführerin! Verführerin!

Und lockst mit deinen Fleischeslüsten

Die Männer zu der Fleischeslust,

Daß sie, sich selber unbewusst,

Betört, verwirrt von Schoß und Brüsten

Anbetteln dich um Liebeshuld

Und stürzen nur in tiefe Schuld!


Frau Torheit bist du, eitle Dirne,

Bist höllischen Dämonen gleich,

Verführerin mit frecher Stirne,

Du breiter Weg ins Totenreich!

Frau Torheit, wer sich dir wird gatten,

Der steigt hinab ins Reich der Schatten,

Verdammt sich in den Höllenschlund!

Erst süß wie Honig ist dein Mund

Dem Freier, aber dann wie Wermut

Sind bitter deine Lippen, Schwert

Die Zunge dem, der dich begehrt,

Als Schwert im Herzen schaffst du Schwermut!

Scheinst Rosenkelches Wonneborn

Und bist in Wahrheit nur der Dorn!


Verflucht sind alle, die dich suchen,

Die dich besuchen! Der Besuch

Wird Fluch, wo die Dämonen fluchen

Den Freiern wilden Hohnes Fluch,

Wenn sie verspottet von der Schönen

Vernehmen Schimpfen, Schänden, Höhnen,

Der Zicke Zank, des Schandmauls Spott!

Frau Torheit, nein, du kennst nicht Gott,

Du dienst nicht Gott und nicht der Liebe!

In dir nur Lust und Laster flammt!

Frau Torheit, die du bist verdammt,

Zur Hölle führen deine Triebe!

Dein Schoß, er flamme noch so rot,

Dein Schoß bringt deinen Freiern Tod!


Er holte aus mit seinem Schwerte,

Daß er ihr schlage ab das Haupt!

Majia He, die Vielbegehrte,

Sich schon dem Tode nahe glaubt!

Da kam der Himmlische, der hatte

Sie eingeweiht dereinst! Ihr Gatte

Vom Himmel, kam der Himmelsgeist,

Das Schwert dem Dämon stark entreißt!

Der Himmlische im lichten Kleide

Licht strahlte wie der Blitze Licht,

Sein Lichtgewand war rein und schlicht,

Von lichter, gottgehauchter Seide.

Er, der die Maid einst eingeführt,

Er wars, der einst sie defloriert.


Der Engel sprach: Wenn voller Sünden

Auch Ai Wei, eine Sünderin,

Ich komme, froh ihr heut zu künden,

Daß ich zu ihr voll Liebe bin!

Nie nenn ich Ai Wei meine Feindin,

Majia He ist meine Freundin!

Ich habe einst die Maid begehrt,

Voll Lust mit ihr im Traum verkehrt,

Sie eingeweiht in Liebeskünste,

Sie eingeweiht in Liebeskunst.

So flammt in ihr die Liebesbrunst,

So flammen in mir Liebesbrünste!

So hab ich sie noch immer lieb!

Vom Himmel stammt mein Liebestrieb!


Du Dämon aber aus der Hölle,

Der du gewettert deinen Fluch,

Hör zu, du finsterer Geselle:

Geschrieben stehn im Lebensbuch

Wir als ein Paar, der Liebe Engel

Und Herrin Ai Wei ohne Mängel,

Im Lebensbuche offenbar

Wir eingeschrieben sind als Paar!

Wer viel geliebt, der wird gereinigt.

Die schöne Dame liebte viel.

Nun in des Himmels Liebesspiel

Wird sie dem Himmelsgeist vereinigt!

Der Dämon aber im Gefecht

Verliert an Ai Wei jedes Recht.


Da sprach der Dämon: Ich verschwinde,

Da war er fort mit einem Satz.

Der Engel zu dem schönen Kinde

Majia He nun sprach: Mein Schatz,

Es werden kommen Todesleiden,

Doch ich will nie mich von dir scheiden,

Und musst du leiden, Liebe Frau,

Auf meine Himmelskraft vertrau,

Ich will dich aus dem Dunkel retten!

Bleib nur befreundet treu mit Shi,

Bleib Lotosblüte treu, laß sie

Nur immer richten eure Betten,

Gewähre Shi die Rose rot,

Denn morgen kommt zu euch der Tod!


Er küsste Ai Wei auf die Stirne

Und schwand in Nacht und Sternenraum.

Majia He, die reine Dirne,

Erwachte von dem dunklen Traum

Und zitterte an allen Gliedern.

Was soll ich auf den Traum erwidern?

Ob ich des Traumes Deutung weiß?

So dachte sie, ganz feucht von Schweiß.

Dann rief sie Zofe Lotosblüte

In den Päonienpavillon.

Dann rief sie auch auf den Balkon

Den edlen Shi, der lüstern glühte.

Der hatte sie noch immer lieb,

Denn unerschöpflich war sein Trieb.


Wie lieblich war die Morgenröte,

Da Ai Wei, Lotosblüte, Shi,

Vergessend alle Todesnöte,

Zusammen voller Sympathie

Den wundervollen Tag erwarten

Im sommerlichen Rosengarten.

Und Ai Wei in dem Hauch des Kleids,

Fürwahr von göttin-gleichem Reiz,

Ließ schimmern ihre süßen Brüste

Und glühn ihr straffes Schenkelpaar!

Sehr schön frisiert ihr schwarzes Haar,

Der rote Mund voll feuchter Lüste

Und ihres Mandelauges Schlitz

Voll Wollust blitzte heißen Blitz!


Da aber kamen in den Garten

Der Priester und der General

Und zornig wetternd vor der zarten

Gemeinde in dem Gartensaal,

Der Zofe und dem Bräutigame,

Vor allem vor der schönen Dame,

Sie zürnten mit erhitztem Blut

In heißer Rage, wilder Wut:

Verdammt sind eure Fleischeslüste!

Verdammt ist eurer Sünden Schuld!

Verdammt ist euer Wollustkult!

Verdammt der Schoß, verdammt die Brüste,

Verdammt die Lippen scharlachrot!

Verdammt seid ihr zum zweiten Tod!


Verklagt die liebende Gemeinde

Von einem jungen Manne war,

Der Ai Wei ward zum bösen Feinde,

Er liebte einst ihr schwarzes Haar,

Doch wollte sie nicht mit ihm schlafen,

Sein Schiff nicht lassen in den Hafen,

Nicht ankern in der Wonnen Bucht!

Drum war er voll von Eifersucht.

Und dieser junge Mann, ein Bäcker,

Verklagte Ai Wei vor dem Rat

Der Priesterschaft und vor dem Staat.

Sie leckte ihre Lippen lecker

Und lächelte den Bäcker an,

Ganz anders wurde da dem Mann.


Vom Himmel aber kam ein Nebel

Und eine dichte Wolke an.

Der General mit seinem Säbel,

Mit seinem Stab der Priestermann,

Sahn im Gewölk, das purpurn glühte,

Nicht Shi mehr und nicht Lotosblüte

Und nicht in Seide weiß wie Schnee

Die Liebe Frau Majia He.

Am Himmel Stimmen heiter lachen,

Erklingt ein sinnlicher Gesang:

Habt keine Angst und seid nicht bang,

Denn über euch die Engel wachen!

Die Zofe ward mit Shi entrückt

Und Ai Wei ward vom Geist verzückt!


Ein Dichter nur an seinem Teiche,

Da er mit Trauerschwänen sprach,

Majia He zum Himmelreiche

Entschweben sah, ins Brautgemach.

Die schöne Dame ohne Mängel,

Es hielt in Armen sie der Engel

Und trug sie in das Paradies,

Majia He, die Göttin süß! –

So die erotische Geschichte

Zu einem frommen Ende kommt,

Wie es dem frommen Leser frommt,

Dem Leser heiliger Gedichte.

Doch fragst du mich: Wer war die Frau?

Majia He ist – Mutter TAO!