Von Josef Maria Mayer
ERSTER GESANG
Es waren König einst und Königin,
Zwei Töchter hatten sie und eine dritte.
Die beiden Schwestern, nun, sie gingen hin,
Hübsch anzusehn und ganz nach Landessitte.
Die Jüngste aber raubt mir meinen Sinn!
Und wenn ich nach Elysium auch schritte
Und schaute die Idee der Schönheit an,
Ich darum doch kein Gleichnis noch gewann!
Zwar bin ich Dichter und Poeten rühmen
Sich selbst, sie seien ihrer Sprache mächtig,
Doch wollen keine Redeblumen blümen,
Die angemessen diesem Mädchen, prächtig
Ist sie so über alles Maß! und Hymen
Will seine Hochzeitsfackel zünden nächtig
In ihres Herzens holdem Brautgemache.
Zu arm ist meine dichterische Sprache.
Sie anzusehen und sie anzubeten
War eines und vor ihren Fuß zu fallen!
Sie ist der Inhalt aller meiner Reden,
Die Flamme mir in meines Blutes Wallen!
Die blauen Blicke goldne Samen säten
Zu Liederblumen, die erblühen allen,
Die Liederblume schmücke ihren Busen,
Die sie die Schönste in dem Hain der Musen!
Als ein Poet mit innerm Genius
Ich ehr sie als der Schönheit Ideal!
So trunken macht der Wein nicht, Blutes Fluß,
Und Christi Fleisch nicht im Mysteriensaal,
Wie selig macht ihr Lächeln wie ein Kuß!
O Eva selbst ist blaß und bleich und fahl,
Verglichen mit der Neuen Eva Glut,
Die bloß auftaucht aus meinem blauen Blut!
O, diese Neue Eva war so rein:
Die Rose rot errötete vor Scham
Vor ihres Busens Marmor, Elfenbein!
Und in der Brust das Herz! Zum Bräutigam
Unwürdig selbst der himmlische Verein,
Und nicht getraute selbst sich Adam lahm,
Die Neue Eva anzuschaun von ferne,
Die strahlender als sieben Morgensterne!
Nicht ich allein bin es, der sie verehre,
Die Männer aller Völker schon wallfahren
Zu ihrem Gnadenbild, zum Stern der Meere,
Sie wolln sie schaun, verschleiert von den Haaren,
Ob gnädig nicke diese holde Hehre,
Bereit, die höchste Huld zu offenbaren.
Und keiner pilgert mehr nach Paphos-Ktima,
Denn Sie war die Idee der Diotima!
Wer mag da die Idole noch bekränzen,
Die hören nicht, die sind von totem Stein?
Wir wollen nicht bei Tempeldirnentänzen
Die tollen Tänzer um den Phallus sein!
Wir wollen selig lieben, lachen, lenzen
Und trinken der geheimen Freundin Wein
Und Fleisch verzehren nur auf Ihren Namen!
O Seligste, erblüht aus Gottes Samen!
Maria nun vernahm von diesen Ehren
Und sprach zu ihrem Sohn mit ernstem Sinn:
Der Schönen Liebe Mutter muß verwehren
Den Männern aller Welt den Anbeginn
Solch eines Götzendienstes, zu begehren
Die Sterbliche als Himmlische! Ich bin
Die Herrin aller Liebenden allein,
Und welche Magd vermag mir gleich zu sein?
Bei meiner Mutterliebe, Sohn, ich bitte:
Spann deinen Bogen, schieß die Feuerpfeile!
Wend du zu diesem Mädchen deine Schritte,
Vor ihre hübsche Brust zu treten eile!
Vermähle sie nach reiner Menschensitte
Mit einem Mann; doch bei dem Mann nicht weile,
Verwund den Unhold nicht mit Gegenliebe,
Laß schmachten Psyches Seele, Psyches Triebe!
Such dir für diese hübsche Psyche zart
Und für dies holde Seelchen, diese Perle,
Unholden Finsterling mit schwarzem Bart,
Such du ihr aus den Mürrischsten der Kerle,
Die Seele sei ihm trüb, das Herz ihm hart,
Sein Leib verdorrt wie eine tote Erle;
Er kaufe sie mit seines Silbers List.
Schau sie, ob sie anbetungswürdig ist!
Was aber hatte Psyche für Gewinn
Aus ihrer holden Schönheit ziehen können?
Kein König und kein Bettler gab sich hin,
Dieweil sie alle in Verehrung brennen,
Sie ihre Liebe, ihres Lebens Sinn,
Sie ihre fleischgewordne Gottheit nennen!
Die Dichter priesen sie in Lobpreis-Carmen,
Doch keinen Mann hielt Psyche in den Armen!
Die beiden Schwestern waren schon vermählt,
Nicht wenig Silber hatten ihre Gatten.
Doch Psyche ward von Traurigkeit beseelt,
Sie weinte einsam im Zypressenschatten.
Vergebens ihre Glut der Seele schwelt
Und keinen Sinn die Frauenreize hatten;
Was hilft es, weiht man ihr die roten Rosen
Verehrungsvoll, will sie kein Heros kosen?
Der Vater litt mit seiner Tochter Leid
Und fragte sich: Warum ist sie allein?
Wo mag ein Trost für diese trübe Maid
Und wo ein Retter für die Arme sein?
Der Vater wanderte nach Zion weit
Und sprach im Heiligtum: O König mein,
Verkünde du ein rettendes Orakel
Und sag ein Wort dem Mädchen ohne Makel!
Da sprach der Herr: Du stell die schöne Maid
Auf einen Felsen, der zur Tiefe schaut,
Und dort, als werde sie dem Tod geweiht,
Bekränze sie als eine Gottesbraut.
Dann wird ihr nahen aus der Ewigkeit
Der Herrliche, dem sie sich anvertraut,
Der Schreckliche, das höchste Ungeheuer,
Wird Psyche retten durch der Liebe Feuer!
Schon wird die schöne Jungfrau, hübsch gebrüstet
Mit Apfelbrüsten, die vor Sehnsucht beben,
Zur reinen Hochzeit mit dem Tod gerüstet,
Da wallt sie hin in weißesten Geweben
Zum Gotte, dem nach ihrer Reinheit lüstet,
Die Düfte frommen Weihrauchs sie umschweben
Und fromme Zymbeln klingen allenthalben
Um Psyche, die man heiligte mit Salben.
Da ward der Hochzeitsfackel lichtes Scheinen
Zu schwarzem Ruß in blauer Abendröte,
Da hört man leise Klageweisen weinen
Anstelle einer heitern Hochzeitsflöte.
Die Jungfraun schlagen ihre Brüste, keinen
Gefährten lassen unberührt die Nöte
Der holden Jungfrau in der Totenfeier,
Die ihre Tränen trocknet mit dem Schleier.
O liebe Mutter! sagte sie verschleiert,
Du hättest früher um mich weinen sollen,
Als man als Neue Eva mich gefeiert
Und mich verglichen mit der Gnadenvollen
Und höchster Ehren Loblied mir geleiert!
Nun hat die Himmelskönigin mir wollen
Erteilen die erhaben-ernste Lehre:
Daß man ein Mädchen nicht als Gott verehre!
Und traurig ging ihr Brautgeleite fort,
Sie ihrem Bräutigam zu überlassen.
Da stand sie einsam an dem Felsenort
Und fühlte sich so elend gottverlassen,
Als wäre ausgeleert der Herzenshort,
Als wollten alle Himmlischen sie hassen,
Als stünde ihre Brust in Schmerzen offen
Nur einem letzten hoffnungslosen Hoffen.
Da aber kam des Westwinds zartes Blasen,
Der Westwind kam im wehenden Gewand,
Mit scheuer Schüchternheit von jungen Hasen
Nahm er die Gottesbraut an seine Hand
Und führte sie zu einem grünen Rasen,
Zu einem lenzlich-süßen Gartenland,
Das lächelnd lag im süßen Sonnenstrahl
Empfangend in der schönen Liebe Tal.
Und Psyche lag in einer weichen Wiese
Und Blumen dufteten um ihren Kummer,
Und melancholisch in dem Paradiese
Sah sie der Biene zu, dem Sommer-Summer,
Die barg sich in die Blume, in die süße.
Und Psyche sank in einen leichten Schlummer,
Um gleich darauf von Träumen zu erwachen
Und zu vernehmen leichter Falter Lachen.
Und sie erhebt sich, wandelt durch den Hain.
Durch Blust der Apfelbäume schaut so helle
Und hold der mütterliche Sonnenschein.
In Gartens Mitte sprudelt eine Quelle
So klar und so kristallen und so rein
Und heiter plaudert weiblich weich die Welle.
Der Westwind spielt im blütenreichen Ast.
Da sieht sie einen herrlichen Palast.
Das muß das Lustschloß meines Gottes sein,
Von Zitrusholz und Silber sind die Decken,
Die Wände Zitrusholz und Elfenbein,
Mit goldnem Zierrat sind verziert die Ecken,
Der Boden Mosaik von Edelstein.
Und ringsum dornenlose Rosenhecken
Und Apfelbäume von erlesner Sorte.
Und offen steht die rosa Perlenpforte.
Da hört sie eine schöne Stimme raunen,
Hört unsichtbaren Engels Wort von Gnade:
Beginn der Weisheit, Psyche, ist das Staunen!
Nun aber geh, erquicke dich im Bade
Und bette dich in weichen Schwanendaunen.
Wir Dienerinnen schirmen dich vor Schade
Und Schande dich mit unsern reinen Schwingen.
Willst du, daß dir die Sängerinnen singen?
Und Psyche badete im Honigschaum,
Die Wanne war gestaltet wie ein Wal,
Dann hob sie sich, so rein wie Maientraum,
Dann ging sie in den goldnen Speisesaal.
Die Dienerinnen tragen durch den Raum
Unsichtbar Kelch und Schale für das Mahl,
Erdbeeren, Milch, Oliven, Brot und Käse
Und alten Wein von auserlesner Lese.
Musik erklingt von unsichtbarer Leier
Und Sang ertönt von unsichtbarem Munde.
Die Sonne neigt sich in dem Purpurschleier,
Taucht nieder in die blaue Abendstunde.
Da wandelt sie zu ihres Schlafes Feier,
Da lächelte der Mond, der weiblich-runde.
Es säuselte, es hauchte um ihr Kleid,
Da bangte sie um die Jungfräulichkeit.
Da nahte ihr der göttliche Gemahl
Und lag ihr auf dem Seelenlager bei,
Ihr, der Geliebten seiner Gnadenwahl,
Der mondenmilden Königin im Mai,
Berauschte sich mit ihr im Hochzeitssaal
Und führte sie zum höchsten Jubelschrei,
Als er als Geist der Liebe, hoch zu rühmen,
Durchdrang ihr unverletztes Jungfraunhymen.
ZWEITER GESANG
Nun lag die Gattin also bei dem Gatten,
Der heiße Bräutigam in ihrem Haar,
Da ruhten sie in seligem Ermatten
Und Liebe war geheim und offenbar,
Da sprach der Gatte auf des Lagers Latten:
Geliebte, sieh dich vor, es droht Gefahr,
Es nahen nämlich deine scheelen Schwestern,
Die wollen deine Seligkeit verlästern.
Bleib du allein vor meinem Angesicht,
Zu meinem Blick die Augen immer neige,
Ich bin Gefährte dir in Nacht und Licht,
Der die Geheimnisse der Liebe zeige.
Du wende dich zu deinen Schwestern nicht
Und wenn sie fragen, o Geliebte, schweige,
Verschweige unser Lager, meine Taten,
Du darfst auf keinen Fall mich je verraten.
Doch Psyche hob die Stimme an zur Klage,
Sie sprach: Ich höre keine Menschenstimme,
Allein bin ich zur Nacht, allein am Tage.
Erbarme dich, laß ab von deinem Grimme
Und laß mich Antwort geben auf die Frage,
Ob in dem Blütenkelche war die Imme.
Wie soll ich dich verkünden, Reim an Reim,
Bist du doch der Geliebten selbst geheim!
Und sie begann dem Bräutigam zu schmeicheln,
Sein Herz sei glühender als rote Rosen,
Sie warf sich an die Brust ihm, ihn zu streicheln,
Die salbungsvollen Glieder ihm zu kosen.
Wie hübsch sind holde Mädchen, wenn sie heucheln
Und lieblich reden anmutvoller Posen,
Wer mag nicht gern ein Wort der Liebe hören?
Und welchen Mann kann nicht ein Kuß betören?
Und Küsse können Himmel auch betören!
So gab der Gatte nach und sprach nur leise:
Auf deiner Schwestern Rat sollst du nicht hören,
Wenn sie erfahren wollen jeder Weise,
Wie denn dein Gatte sei? Bei allen Chören
Der Engel und bei ihrem Lob und Preise:
Erforschst du meine mystische Gestalt,
Stürzt dich das Schicksal in das Elend bald!
Und Psyche lehnte sich, sich anzuschmiegen,
Sich hinzugeben mit der Brüste Beben,
Zu lächeln mit den anmutvollsten Zügen,
Sich in sein unsichtbares Haar zu weben,
Da sich wie Spangen ihre Schenkel biegen,
Stöhnt leise sie: Geliebter, süßes Leben,
Gehorchen will ich dir in allem gern,
Ich folg dir als Geliebtem und als Herrn.
Die Schwestern standen auf der Felsenhöhe
Und Psyche schaute aus dem holden Tal
Und sprach: Was jammert ihr so ach und wehe
Als wär die Gotteswelt ein Jammertal?
Es leben immer in verliebter Ehe
Die Erde und der Himmel allzumal,
Die Sonne ist bereit, uns zu erwarmen.
Kommt, Schwestern, laßt von Psyche euch umarmen!
Da trug der Westwind auch die Schwestern beide
Ins Tal der Liebe, zu der Psyche Heim.
Da sahen sie des Gartens Augenweide,
Die Honigbienen schwer von Honigseim,
Das Lustschloß schön, die Maid in süßer Seide,
Die Seele wohlgestimmt mit innerm Reim
Auf eines lieben Gatten Herrlichkeit.
Das nährte in den Schwestern nur den Neid.
O Psyche, dieser Garten ist ein Traum,
Du lebst im Paradies schon auf der Erde,
Das Lustschloß herrlich wie der Sternenraum!
Wer wohnt mit dir hier, wer ist dein Gefährte?
Und Psyche log: Die Wange Veilchenflaum,
Der Gliederbau von schlanker Jünglingszärte,
So jagt die Hindin er mit Pfeil und Bogen,
Er ist mir treu und ich bin ihm gewogen.
Nun nehmt mit euch des schönsten Schmuckes Zierde,
Daß ich euch Scheidende sehr schwer belade.
Ihr Schwestern tragt ja gern der Schönheit Bürde,
Obsidian, Lasurstein, Jaspis, Jade.
Ich möchte eure freie Menschenwürde
Verherrlichen mit meines Gatten Gnade!
Die Schwestern gingen fort aus Psyches Halle,
Da fraß der Neid an ihrer bittern Galle.
Wir Frauen sollen Ehemännern fronen,
Die mürrisch sind und unsrer überdrüssig?
Und Psyche will das Schicksal reich belohnen,
Sie, die so eitel war und faul und müßig,
Sie darf in eines Gottes Garten wohnen,
Wo Flüsse fließen wie von Golde flüssig,
Wo süßer Früchte Pracht und Augenweide
Ihr lächelt, ihr in süßer Sommerseide?
Wie schön geschmückt geht sie in feinen Sachen,
Die will das grimme Schicksal uns verwehren?
Wohl gar wird sie der Gott zur Göttin machen
Und bis in das Elysium verklären?
Schon sehn wir ihre Augen selig lachen,
Der Gott hat ihr befriedigt das Begehren,
Verzückt sie wohl in feuriger Ekstase!
Wie trägt das Weib so stolz doch ihre Nase!
Von ihren Segnungen soll keiner je
Erfahren, denn die Ehrsucht will den Ruhm.
Nun gehen wir zu unsern Gatten, weh,
Des kargen Daseins karges Eigentum.
Doch stürzen soll die stolze Psyche jäh,
Vertreiben wir sie aus dem Heiligtum
Und schmähen ihr den blühenden, den zarten
Gefährten und verbittern ihr den Garten!
Dieweil lag in dem blauen Dämmerschatten
Und in der Sonne rosigem Erwarmen
Die gottestrunkne Psyche ihrem Gatten
In seinen liebesheißen Gottesarmen.
Betörend dufteten die Blumenmatten,
Da sagte der Betörer voll Erbarmen:
Bleib du bei mir in blühenden Gewächsen
Und achte nicht auf das Geschwätz der Hexen!
Neugierig wollen sie Geheimes wissen,
Ausforschen meine göttliche Gestalt.
Intimes Zwiegespräch sei unser Küssen
Und nicht verraten sei’s an Herzen kalt.
Du bette ruhig dich in Rosenkissen
Und bleib verborgen in der Liebe Wald
Und sei genügsam: Kannst du mich nicht schauen,
Ich lieb dich doch, du Lieblichste der Frauen!
O Psyche, du in angeborner Reinheit
Und du mit deiner Blütenseele keusch,
Hör nicht auf das Gerede der Gemeinheit,
Ist Neid nur in der bösen Schwestern Fleisch.
Du sage nichts von unsrer Liebeseinheit,
Verschließ dein Ohr dem Furiengekreisch.
Du halte deine Blütenseele rein
Und laß nur Liebe in die Seele ein!
Und Psyche sprach: Wenn meine Schwestern nahen,
Beweis ich meine Zuverlässigkeit.
Nichts sag ich von erotischem Umfahen
Und wie ich hingegeben mich als Maid.
Die Siebensterne ihre Tränen sahen,
Die sie geweint aus bittersüßem Leid.
Die Tränen süß wie Honigseim der Imme,
Sprach sie mit Schluchzen in gebrochner Stimme:
O bei dem Zimtduft deiner Lockenschlangen,
O bei dem Wallen deiner Lockenflut,
O bei den weichen lilienweißen Wangen,
O bei der Wangen rosenroten Glut,
O bei den Küssen, deiner Perlen Prangen,
O bei den Küssen und der Liebeswut,
Bei deinem in dem Schoß der Schönheit Zeugen -
Wenn meine Schwestern kommen, werd ich schweigen!
Aus ihrer Augen tiefen Tränenbronnen
Hat Psyche ihren Gatten angeschaut:
Mein Mann, in allen Paradieseswonnen
Sei eine Freude auch mir anvertraut,
Die Freude, o du Sonne meiner Sonnen,
Zu sehen meine Schwestern! Morgen graut,
Da sich der Gatte und die Braut umfassen,
Da hat der Gatte sich erweichen lassen.
Die heißen bitterlichen Trauertränen
Er küsste von den schöngewölbten Wangen.
Die Tränen, Zeugen ihrer Seele Sehnen,
Er trocknete mit seinen Lockenschlangen.
Da lächelte das Angesicht der Schönen,
Die Augen wie die schönsten Sterne prangen.
Betört schwor der Betörer, ihren Willen
In seiner reinen Gnade zu erfüllen.
Der Gott entfloh, da bös die Schwestern nahn,
Neugierig dringen sie auf Psyche ein,
Voll Neid betreten sie die Wandelbahn
Und schauen gierig Gold und Edelstein.
Doch Psyche winkt herbei den Sangesschwan,
Den unsichtbaren, läßt ihn Sänger sein
Und läßt ertönen seine Sphärenleier
Prophetisch von der Liebe Hochzeitsfeier.
Die Neidischen befragen Psyche bald,
Was sie Besonderes am Gatten fände.
Sie spricht: Er ist von männlicher Gestalt,
Mit Mut im Herzen, Stärke in der Lende,
Er ist so etwa dreißig Jahre alt
Und stets gelingt ihm wohl das Werk der Hände.
Er geht gerade, Schaf und Lamm zu weiden.
Nach diesen Worten ihre Schwestern scheiden.
Da spricht die erste Schwester zu der zweiten:
Was Psyche sagt, ist wie ein Märchen schön,
Doch kann ich Kindermärchen gar nicht leiden,
Ich glaub, sie hat den Gatten nie gesehn!
Wie, tat ein Gott durch ihre Kammer schreiten
Und läßt sie gar als Göttin auferstehn?
Ich häng mich an den Baum mit einem Strick,
Wird Psyche teilhaft solches schöne Glück!
Die Schwestern kehrten wieder, in den Garnen
Des eignen Hasses Psyche einzufangen,
Vor ihrem Gottesgatten sie zu warnen,
Er sei der alte Drache, gliche Schlangen.
Aus ihren toten Leibern beide harnen
Und spritzen Geifer Psyche auf die Wangen,
Die nicht erkennt in der Arglosigkeit,
Daß diese Furien beherrscht der Neid.
Und da vergißt die Gottgeliebte all
Die Warnungen, die sagte der Gemahl,
Und zweifelte - das war ihr Sündenfall!
Sie sprach: Ich sah in unserm Hochzeitssaal
Den Gatten nie, nie seiner Locken Fall,
Nie seinen Mund am Becher und beim Mahl,
Unsichtbar er, ich hörte nur sein Lachen,
Drum kann es wahr sein, daß er gleicht dem Drachen!
Die Schwestern sagten ihr: Willst du dich retten,
Dann nimm ein Messer du mit scharfer Schneide,
Nimm eine Lampe mit zu euren Betten,
Auf daß du schauest deine Augenweide,
Dann wirst du sehn: die Schlange wollt dich ketten!
So sprachen nüchtern in der Seele beide
Und Psyche brannte heiß und war so bange
Und fürchtete sich schrecklich vor der Schlange!
Da war sie nun allein in ihrer Halle,
Doch nicht allein: die Hexen waren nah!
So hasste sie in ihrem Sündenfalle
Die Himmelskönigin Maria da,
Die sie mit List gelockt in diese Falle,
Sie hasste ihren Schlangengatten, ja,
Sie hasste heiß den feuerroten Drachen -
Und liebte heiß sein wunderschönes Lachen!
Da nahte er, der göttliche Gemahl,
Und Psyches Seele stand in hellem Feuer,
Er nahte ihr im goldnen Hochzeitssaal
Und teilte ihres innern Lagers Schleier,
Sein glühendes Geschoß war scharf wie Stahl,
Er spielte ihren Leib als eine Leier,
Er drang in sie, die Seele zu erkennen,
Und Psyche war ein Fluten und ein Brennen!
Auf dieses Wallen folgte das Ermatten,
Da sank er in den Schlaf wie ein Gewicht.
Und Psyche nahm im nächtlichdunklen Schatten
Den Scheffel von dem ölgenährten Licht,
Um ihren Bräutigam und ihren Gatten
Zu schauen in das schöne Angesicht -
O Rosenmund! die Lider Lilien blühend!
Die Wangen wie die Glut des Weines glühend!
Du Inbegriff, Idee du alles Schönen,
Vision der Dichter, Seher und Propheten,
Zehntausend Charismen dein Haupt umkrönen,
Lenzlüfte voller Wollust um dich wehten,
Du Schönster unter allen Gottessöhnen,
Du wahrhaft wert, dich ewig anzubeten!
Glückseligkeit und Reuetränen! Trauer
Und Wonne! Gottesfurcht und Liebesschauer!
Die Schönheit solchen Gottes zu besingen,
Bedürfte es des Süßweins des Homeros.
Zehntausend Augen auf den Taubenschwingen
Verkörperten Allweisheit dieses Eros.
Die goldnen Locken, welche lässig hingen,
So herrlich wie der Sternenglanz des Sphäros,
Mariens Schönheit gab ihm seine Schöne!
(Doch Blech vor seiner Huld sind diese Töne!)
Und auf dem Teppich vor dem Bette lagen
Der Köcher und der Bogen und die Pfeile,
Die glühend alle Liebenden durchjagen
Und töten allen Tod und Langeweile
Und wühlen auf durch Wollust und durch Klagen
Die Liebenden zu ihrem höchsten Heile!
Gewiß, der Göttliche schlägt schwere Wunde,
Damit das Herz zur Seligkeit gesunde!
Und Psyche spielte nur mit seinem Pfeil,
Strich mit der schönen Hand des Pfeiles Spitze.
O Seele, spiele nicht nur mit dem Heil,
Das Göttliche ist heiß wie tausend Blitze!
Doch schrecklich wie Jehowahs Donnerkeil
Ist Christi flammendes Geschoß! es ritze
Den Daumen Psyches: Blutestropfen quellen!
Die Leidenschaft ist heiß wie sieben Höllen!
Der Gott-Pfeil schlug dem Mädchen eine Wunde,
Da floß aus ihrer Wunde rotes Blut.
Da beugte sie sich nah zu seinem Munde
Und glühte heiß entflammt von Liebesglut
Und war so hitzig wie die tollen Hunde,
Die Brüste bebten ihr vor Wollustwut,
Sie gab sich hin mit einem heißen Stöhnen
Der reinen Schauung jenes Göttlich-Schönen!
So aufgewühlt, mit einer trocknen Kehle,
Mit atemlosem Atem, Händezittern,
Stieß sie die Lampe um, daß heiße Öle
Den Gott betropften. Regen in Gewittern
Bekümmern wenig ihn, doch einer Seele
Mißtrauen muß den Liebenden verbittern:
Er wachte auf, er sah sie an, er floh! -
Und Psyche seufzte elend Ah! und Oh!
DRITTER GESANG
Die arme Psyche weinte wehe Klagen,
Empfand, als wäre ihr das Herz durchbohrt,
Als wolle sie ein Gott ins Elend jagen!
Da stürzte sie sich in den Fluß! und fort
Zu Gottes Ehre sie die Wellen tragen
Ans Ufer fern, an einen Blumenort,
Wo Lilien leuchteten und Rosen glühten
Und Apfelbäume trugen weiße Blüten.
Da saß der Hirte Petrus an dem Hang
Des Bergs, das Mädchen Petra in den Armen,
Die Lämmerherde drängte sich im Drang
Der Frühlingszeit im Sonnenschein, im warmen.
Da rief der Hirte: Mädchen, sei nicht bang,
Seh ich dich wanken auch in bittern Harmen,
Erheb die Seele, Christus anzubeten,
Dem galiläische Hetären flehten!
Du Seele, leidest du an Liebesleiden
Und schmerzen dich die wehen Liebesschmerzen,
Brauchst du doch nicht von deinem Leib zu scheiden,
Steckt dir der grimme Pfeil in deinem Herzen.
Oft die Geliebten sind uns Augenweiden,
Doch gleichen ihre Herzen harten Erzen,
Wir dürfen sie nicht kosen und nicht streicheln -
Da flehe Christus an mit süßem Schmeicheln.
Und Psyche irrte fort auf öden Wegen
Und kam alsbald in ihrer Schwestern Stadt,
Da trat sie, ihre Rachelust zu pflegen,
Zu ihrer Schwester, welche schaute matt,
Sie gab ihr einen heuchlerischen Segen
Mit einer honigsüßen Zunge glatt
Und hob, um an der Schwester sich zu rächen,
Mit solchen süßen Worten an zu sprechen:
Wie du geraten, schaute ich mir an
Den Gatten. Himmlisch schimmerte der Sphäros,
Da lag im Sternenschein der Gottesmann:
Der schönen Jungfrau Sohn, der Gottes-Eros!
Ich war erlegen seiner Schönheit Bann,
Solch Schönheit kann nicht schildern selbst Homeros.
Doch da begann das Lampion zu lecken
Und seinen reinen Gottleib zu beflecken.
Und da erhob er sich wie früh die Sonne
Und zürnte sehr mit mir in Gottes-Zorn:
Verwiesen sei fortan aus meiner Wonne!
Doch führen werde ich zum Wonneborn,
Geleiten werd ich zu der Freude Bronne
Frau Torheit, deine Schwester! Dieser Dorn
Traf mich so schmerzlich, daß ich mußte schreien:
An deiner statt werd ich Frau Torheit freien!
Frau Torheit eilte zu der Felsenhöhe
Und schrie mit wollustaufgewühlter Seele:
Herr Jesus, wähle mich zur Gottesehe!
Herr Jesus, mit Frau Torheit dich vermähle!
Da stürzte sie sich voller Hoffnung jähe
Hinab, da floh der Atem aus der Kehle,
Sie starb - und statt daß Christus sie vergöttert,
Liegt sie als Geierfraß am Grund zerschmettert!
Und Psyche ging zu ihrer andern Schwester,
Die Fremde Frau ging auch zur Felsenspitze.
Doch Tauben dürfen nur in Christi Nester,
Die Elstern trifft der Gott mit Zornesblitze,
Auch sie, die Fremde Frau zerschmettern läßt er.
Er lag im Kissen auf dem weichen Sitze
Und ließ vernehmen wehentstammtes Stöhnen,
Der schöne Gottessohn der Wunderschönen.
Da sah ihn eine weiße Taube, grade,
Als er sich schwer ergoß in wehem Stöhnen,
Da eilt sie zu Maria, die im Bade
Die Glieder badete, die wunderschönen,
Ihr lieber Leib war weich und weiß wie Jade.
Maria hörte so die Taube tönen:
Dein Sohn liegt liebeskrank und alle Stunden
Weint er viel Tränen wegen seiner Wunden.
Maria mit dem schönen Wonne-Busen
Vernahm es wohl mit ihren Muschelohren
Und sagte: Liebt er eine von den Musen?
Begehrt er des Gebetes keusche Horen?
Verlangt er gar im Geiste nach Jampusen,
Nach einer Jungfrau, die sich mir verschworen?
Die Taube sprach: Ihn fing im Seidenfädchen
Frau Psyche, sterblich, wunderschönes Mädchen.
Maria war erzürnt in ihrem Sinn:
Mein lieber Sohn für jene Psyche brennt,
Die meiner Schönheit Nebenbuhlerin,
Die mancher schon die Neue Eva nennt?
Da ging die Makellose zornig hin
Zu ihrem Schlafgemach. Und sie erkennt,
Daß Christus niederliegt, der Liebeskranke,
Um Psyches willen liebeskrank wie Schwanke!
O Sohn! ich werde einen andern Sohn,
Ich werde einen bessern Sohn gebären,
So sollst du fühlen meinen Zorn und Hohn.
Ich werde wandeln, Jungfrau auf den Meeren,
Und reichen werde ich von meinem Thron
Dem neuen Sohne brennendes Begehren
Und glühendes Verlangen, deine Waffen,
Den Pfeil, dem ich den Honig angeschaffen!
Verärgert eilte Sankt Maria da
Allein durch die ätherischen Gefilde,
Wo plötzlich ihr begegnen Schechinah
Und Chochmah, Himmelskönigin so milde;
Sie sprachen: Warum Träne über Träne?
O Allerschönste, bist du nicht im Bilde,
Daß Christus keine Fliege oder Biene,
Daß er ein Mann, der einem Mädchen diene?
Denk nicht an deines Sohnes Tändeleien,
Laß frei ihn fliegen auf den Liebesflügen,
Gewähr ihm seine leichten Liebeleien
Und laß ihn suchen liebendes Vergnügen.
Und will er gar die schöne Psyche freien,
Kann sie denn seinem hohen Ruhm genügen?
Mach milde, Makellose, deinen Sinn,
Du bleibst allein der Schönheit Königin!
Auf Erden aber Psyche irrte lange,
Ob sie nicht find den göttlichen Gemahl.
Und dürft sie kosen nicht die Lockenschlange
In heiliger Erkenntnis Hochzeitssaal,
So wollte sie doch ihn anbeten bange
Und flehen, wie vom Fasten bleich und fahl,
Und ihrer Unternehmung Sünde büßen,
Laut weinend stürzen hin zu seinen Füßen!
Da sah sie einen Tempel auf dem Berge,
Da eine Sichel lag und Weizenähren.
Sie ehrte jeden Geist mit ihrem Werke,
Vielleicht daß einer höre ihr Begehren
Und Psyche vor dem Zorn Mariens berge?
Doch wer schützt vor der Königin der Sphären?
Ist wohl ein Geist wie Sankt Maria mächtig?
Sophia nahte, goldgewandet prächtig.
Und Psyche warf sich vor Sophiens Schuhe
Und netzte ihren Fuß mit heißen Tränen:
Sophia! bei der tiefgeheimen Truhe
Und bei des Totenreiches schwarzen Schwänen
Und bei der Hochzeit mit dem Herrn der Ruhe -
Beschirme mich vor Sankt Marien Stöhnen!
Beim Evangelischen Mysterium:
Erhöre mich! - Sophia doch blieb stumm.
Und Psyche kam zu eines Tales Hain,
Da Weihgeschenke in den Bäumen hingen.
Im kleinen Tempel wollte sie allein
Der helfenden Verehrten Opfer bringen.
Da sah am Himmel sie den bunten Schein
Und schöne Augen auf den bunten Schwingen
Und nieder schwebte mit dem bunten Pfau
Die Schechinah, Jehowahs Ehefrau.
O Schechinah, Jehowahs Ehefrau,
Jerusalem ehrt dich als Königin,
O Jungfrau Bundesstifterin! vertrau
Den Gottesgatten wieder meinem Sinn
Und laß mich selig sein in seiner Schau,
Drum werfe ich mich, Jungfrau, vor dich hin,
Beschwöre dich bei Salomonis Hallen!
Da sieht sie Herrin Schechinah entwallen.
Des Schicksals Wogenfluten bitter spritzen!
Schiffbruch gelitten hatte alles Hoffen,
Die Himmlischen vermochten nicht zu schützen!
O steht mir nicht die Himmelspforte offen
Und kann ich nicht im Empyreum sitzen,
Wenn ich mich weih Maria? - Tränen troffen
Und schluchzend betete die holde Närrin:
Ich weih mich deinem Herzen, hohe Herrin!
Maria stieg in ihren Muschelwagen,
Den Josef machte vor der Hochzeitsnacht,
Die tausend weißen Turteltauben klagen
So süße Liebesklagen girrend sacht,
Die Sperlinge und Spatzen heiter jagen
Und auch ein Schwan schwimmt hin in stolzer Pracht:
Den spannt Maria vor den Muschelwagen,
Der soll sie in die Burg des Himmels tragen.
Maria bittet Hermes Trismegiste,
Mit offnem Aug nach ihrer Magd zu spähen:
Schau, Psyches Blick ist brennendes Gelüste,
Die braunen Haare ihr so wallend wehen,
Wie goldne Äpfel hüpfen hübsche Brüste,
Die Lippen sind wie Datteln anzusehen,
Die Wangen schöngewölbt und glutgerötet.
Geh hin, erhör sie, wenn sie einsam betet.
Und Trismegist mit Flügeln an den Füßen
Hat sich zur Erde unsichtbar geschwungen,
Um zu verkünden: Die die Jungfrau grüßen,
Die sollen Psyche suchen! Ists gelungen,
So wird den Finder Sankt Maria küssen,
Im heißen Kusse werden sich die Zungen
Umspielen, siehe, den Maria küsst,
Glückselig wie ein Cherubini ist!
Und Psyche fühlte sich so ganz verloren,
Verlustig jeglicher Glückseligkeit,
Als sei das Schicksal gegen sie verschworen,
Bestimmte ihr das Schicksal nichts als Leid!
Da trat sie zu der Jungfrau Tempeltoren,
Die Tempeltore standen offen weit,
Der Makellosen Pforte stand ihr offen,
Da fühlte ihre Seele neues Hoffen.
VIERTER GESANG
Maria sang mit einem honigsüßen
Gesang in ihrer hohen Stimme Ton:
Willst du des Gatten Mutter nun begrüßen,
O Psyche, oder nur dem schönen Sohn
Anbetend sinken zu den Gottesfüßen?
Er ist verwundet! Rot wie Wiesenmohn
Und wie die Rosen rot auf meinem Munde
Und rot wie Blut ist seine Herzenswunde!
Um zu erziehen Christi holde Maid,
Maria rief die beiden Dienerinnen,
Die Mägde Kümmernis und Traurigkeit,
Den wahren Kern der Psyche zu gewinnen,
Denn in dem Leide floh die Lüge weit
Und rein erstand der Wahrheit reines Minnen,
Drum musst Maria, glühend in den Venen,
Maid Psyche salben mit Millionen Tränen.
Dann brachten sie zur Jungfrau sie zurück,
Die kam von einem frohen Hochzeitsfest,
Vom Weine glühte ihr der süße Blick,
Der weiße Leib von Myrrhe süß benäßt,
Süßwasserperlen rings um das Genick,
Hielt Rosen sie mit ihren Händen fest.
(O daß ein jeder Dichter sich betrinke
Am feuchten Scharlachrot der Lippenschminke!)
Da sprach Maria: Siehe, eine Strafe
Für deine Schuld muß ich dir auferlegen.
Am Morgen, wenn ich müd vom Feiern schlafe,
Dann wandle du allein auf Blumenwegen
Und pflück die goldne Wolle von dem Schafe,
Siehst du es sich an einer Quelle legen,
Dann bringe Flöckchen mir vom goldnen Vlies!
Sprach Sankt Maria, schaute zuckersüß.
Da wollte Psyche sich vom Uferfelsen
An Flusses Saume durch des Todes Tor
Selbstmörderisch zum Hades niederwälzen!
Da hauchte süß ein Geist aus Schilfes Rohr:
Schon viele sah ich hängen an den Hälsen,
Von denen jeder Liebe laut beschwor;
Doch dich beschwöre ich, bei Rohres Beben,
Geduldig leide, Psyche, du sollst leben!
Hör, Psyche, mittags ist der Widder toll,
Steht strahlend heiß die Sonne im Zenit,
Doch kommt der Abend, blauen Dämmers voll,
Dann wird der Widder melancholisch müd,
Und wenn zum Meer hinab die Sonne schwoll,
Dann findest du im blühenden Gebiet
Verstreut des Vlieses goldenlichte Flocken
Hauchfein verschleiernd blaue Blumenglocken.
So brachte Psyche goldne Wolle ein,
Die sie der hohen Frau Maria brachte.
Die schaute hold im blauen Mondenschein,
Da sie als Erster aller Sterne wachte,
Da blitzen ihre blauen Blicke fein,
Das mandelschmale Auge lieblich lachte,
Es lachte ihr der Rosenmund, der rote:
Nun send ich dich hinunter zu dem Tode!
Dann bitte du die Ewigkeit der Toten,
Von ihrer Schönheit Öl mir abzugeben.
Schon seh ich Müdigkeit um meinen roten
Mund blaß und bleich und meine Brüste beben
Schon nicht mehr ganz so springend wie die Schoten
Von Rühre-mich-nicht-an, weil ich mein Leben
Gewidmet hab, den wunden Sohn zu pflegen,
Drum von der Ewigkeit begehr ich Segen.
Und Psyche stieg zu einem hohen Turm,
In ihrer Seele schauerliches Bangen,
Weil sie in ihrer Leidenschaften Sturm
Sich fürchtete vor Hades’ Feuerschlangen
Und vor den Nagern und dem Feuerwurm;
Da ward die Rose bleich auf ihren Wangen,
Die sonst geblüht gleich duftenden Gewürzen:
Da wollte sie sich in den Selbstmord stürzen!
Da sprach im Sturme eine Geisterstimme
Weissagungen als heiliger Prophet:
Wenn Sankt Maria, Psyche, dich, die Schlimme,
Die Straße weist, die in den Hades geht,
Maria selbst dich schlägt in ihrem Grimme,
Wem willst du beten dann dein Angstgebet?
Fleh sie um Gnade an, die hohe Charis,
Daß liebend beisteht nun dir Stella Maris!
Empfange Gerstenkloß und Opferwein,
So trete durch das Tor der Finsternis.
Wenn auch die bösen Geister krähn und schrein,
Denk meiner Gabe, retten wird dich dies,
Entsühnen wird sie dich, dir wird verzeihn
Der Totenrichter. Wein und Gerste süß
Stopf stolz und siegreich du dem Höllenhund
In seinen pech- und schwefel-eklen Schlund!
Und so gesegnet, eilte Psyche nieder
Und tat in allem, wie man ihr geheißen.
Sie pries der Ewigkeit so schöne Glieder,
Bereit, die Sternenaugen auch zu preisen,
Die schwarzen Locken pries sie immer wieder
Und lobte sehr den sanften Fluß der weißen
Hauchfeinen Seide um der Toten Fleisch,
Die schrecklich wie der Tod, so eisig-keusch!
Die Ewigkeit nun reichte ihr den Becher
Mit Schönheitssalböl aus der Ewigkeit
Und so zu Psyche sprach: Nicht wie die Zecher
Du öffne diesen Becher, dumme Maid,
Sonst wird der Tod dich als ein grimmer Rächer
Befallen und in Todesherrlichkeit
Dich überwinden und dich lassen enden,
Du darfst so nicht die Makellose schänden!
Und Psyche stieg durch blaue Dämmerungen
Dem Morgenrot entgegen in dem Maien,
Da ward von Weibes Neugier sie bezwungen
Und öffnete den Kelch - kaum zu verzeihen!
Da ward sie jäh von schwerem Schlaf umschlungen
Ohnmächtig tief und ohne Träumereien
Und so sank sie zur Erde, die sie gleichkam
An Blässe einem hauchberaubten Leichnam.
Und Christus ward von allen seinen Wunden
Und allem Seelenweh und aller Herzenspein
Gesund durch göttlich-plötzliches Gesunden
Und wollte nicht mehr einsam und allein
Und nicht mehr an das Mutterhaus gebunden
Und nicht mehr ohne seine Psyche sein,
Floh vor der Mutter, vor der Strafenden,
Und eilte zur geliebten Schlafenden.
Er küsste ihr den Schlaf von ihren Lidern
Und weckte sie mit Pfeiles leichtem Schlag,
Da schaute sie mit einem schlummermüdern
Und traumumflorten Auge in den Tag,
Bereit ihm seine Liebe zu erwidern,
Da sagte Christus leise: Psyche, sag,
Willst du nicht eilen, Unsrer Gnadenreichen
Das Öl der Ewigkeit zu überreichen?
Und Psyche gab der Ewigkeit Geschenk
Der lachenliebenden Maria da,
Daß sie sich ihre reine Schönheit häng
Um ihren Leib, den jeder gerne sah,
Da wandte sich Maria mit dem Schwenk
Der Hüfte lächelnd sich vondannen, ja,
Und alles staunte so entzückt und so
Begeistert nach der Makellosen - Oh!
Gott sprach: Ich will, weil ich von Herzen gut,
Den Wunsch nach Psyches Rettung dir erfüllen.
Doch still muß werden, ruhig dir dein Blut,
Wer könnte sonst dir deine Sehnsucht stillen?
Es lege sich der Leidenschaften Flut
Und werde stilles Meer nach meinem Willen,
Und werde ich dich froh und heiter finden,
Will ich mit deiner Psyche dich verbinden.
Du aber, Makellose, sollst nicht trauern,
Denn niemand soll dir rauben deine Ehre,
Ein jeder wird vor deiner Schönheit schauern,
Der Liebe Herrin, Königin der Meere!
Und daß nicht eifersüchtig Engel lauern,
Ob deine Würde angetastet wäre,
Daß deinen Sohn die Engel nicht verspotten,
Will ich des Sohnes Lieblingin vergotten!
Vom Adler läßt er Psyche gleich entrücken,
Auf Adlers Fittich tragen in den Himmel,
Sie in der Himmelswonne zu beglücken
Als Göttin in dem himmlischen Getümmel,
Er reichte Weißbrot ihr, sie zu verzücken,
Und roten Wein im jauchzenden Gewimmel
Der Engel, singend: Psyche möge leben!
Der Schenke Gottes reichte Korn und Reben.
Jehowah selbst bedeckt mit süßen Küssen
Dem Schenken seine Wange. Lebe, lebe,
Leb wundervoll in ewigen Genüssen!
So rief der Vater bei dem Blut der Rebe.
Die Himmlischen sich nicht zu fassen wissen,
Als nah kam in liebreizendstem Gewebe
Maria voller Reiz und reinster Tugend
Als Inbegriff der ewigschönen Jugend!
Und Christus kam mit seinem Purpurblut,
Erlöser, segnend alle Gottessöhne!
Die Himmlischen in ihrer Anmut Flut
Erleuchteten das All mit ihrer Schöne,
Die Jungfraun lächelten so keusch und gut,
Die Engel weihten diesem Fest die Töne,
Zuletzt kam Mayer auch mit goldner Leier
Zu Psyches und Messias’ Hochzeitsfeier!