Von Josef Maria Mayer
ERSTER GESANG
VOM HERBST
O für den Becher voll der Liebeslust,
Den du mir zugesandt so blitz und blank,
Hier diese Verse aus des Dichters Brust,
Sind sie auch nichts als ein bescheidner Dank.
Und kommt der Herbst herauf mit Sternen, sieben
Plejaden, aber ohne Sang und Wein,
Wie soll man da von ganzem Herzen lieben
Des Nachts die Mondin mit dem süßen Schein?
Als wir uns heute wiedersahen, Dichter,
Das erste Blatt hat sich vom Zweig getrennt,
Der Dung-ting-See berührt die Sternenlichter,
Die Flut verschmilzt mit Gottes Firmament.
Wir sprachen von der Liebe in der Jugend,
Vom Müßiggang und von den alten Weinen,
Wir schauten auf zur Großen Bärin lugend
Und mussten bitter vor Enttäuschung weinen!
Die Bergwacholder das Gebirg verschleiern,
Ligustersträucher seltne Schönheit schaffen,
Und überm Berg die Schar von Silberreihern
Und in dem Tale lachen junge Affen.
Der Mond geht unter und die Krähe schreit,
Der Himmel ist erfüllt von scharfem Frost.
Der Strom strömt mit den vielen Fischen weit,
Der Baum schaut aus wie Wehmut ohne Trost.
Beim Dorfe Ku-su außerhalb der Mauer
Das Kloster nicht vom Kalten Berge weicht,
Der Glockenklang um Mitternacht voll Schauer
Des Fremdlings Boot wie Engelsgruß erreicht.
Die Nacht bedurfte nicht des Lichtes Flor,
Den Kahn erhellt des Mondenscheines Traum.
Der grüne Ahorn vor dem Klostertor,
Der rote Turm am weißen Ufersaum.
Die Krähen krächzen leis von Träumen eitel,
Die Reiher wiegen sich im Schlummer schlicht.
Der Fährmann mit dem weißen Haar am Scheitel
Schaut aus dem Fenster, denn er schlummert nicht.
Die Wolken nicht im Gleichmaß silbern blühn,
Des Berges Gleichmaß gleicht dem alter Weisen,
Die Wolken aber an dem Himmel grün
In irren Formationen wallen, kreisen.
Im frühen Mond die Schar der Wolken eilt
Und überschwebt der tausend Bäume Wipfel,
Wo sich der Weiße Pfad des Himmels teilt
Im fernen Westen bei dem steilen Gipfel.
Die Abendröte wird am Gipfel älter,
Wie mitternächtig schon die Bäche rauschen,
Die Tannen schaun den Mond, die Nacht wird kälter,
Die Quellen füllen meiner Seele Lauschen.
Der Knecht geht heim, er will nur ruhn, der Fromme,
Die Krähe sucht ihr Nest, das warme, traute,
Die Dame sehnt sich, dass die Nachtzeit komme,
Auf dem Glyzinienpfade tönt die Laute.
Es stürmt der Sturm, der Regen tanzt in Tänzen,
Vorm Fenster hängen Fensterflügel schief,
Der Bambus rauscht, die alten Kiefern glänzen,
Der Lampe Licht scheint in das Dunkel tief.
Kam diese Nacht ein Freund zu mir? O nein!
Mein Herz betrübt, ist nicht bei mir die Traute.
Nun bleiben mir allein zwei Flaschen Wein
Und einsam mein gelehrtes Spiel der Laute.
Längst haben der Zikaden Weheklagen
Gelindert sich zu schöner Stille schlicht,
Nun auch erlöscht die Lampe, alt an Tagen,
Nun schwindet in der Nacht das schöne Licht.
Nur durch die Fensterscheibe, staubig matt,
Hör ich des Nachts des Regens Schwall und Drang,
Und erst das längliche Bananenblatt
Gibt diesen Tropfen den vertrauten Klang.
Die keusche Mondin schaut herab zur Welt,
Das Schlafgemach ruht einsam ohne Gatten,
Am Perlenvorhang vor dem Fenster fällt
Allein des grünen Ahorns schwarzer Schatten.
Der Reif des Herbstes sinkt in leichter Schwere,
Die Hand empfindet mit der Finsternis,
Und so zerschneidet sie mit einer Schere
Des Scherenschnittes schwarzen Schattenriß.
Um Mitternacht fuhr ich im Boot allein
Nach Tschu zurück. Es sank des Mondes Tau,
Das Land lag still im stillen Mondenschein,
Die Nacht war dunkel, sie war schwarz und blau.
Vereinsamt schrie im Herbste immerdar
Ein weißer Affe seine Klagen laut.
Obwohl ich weltlich ohne Sorgen war,
Das Herz dem Kummer wieder war vertraut.
Das Gras im Wind am Strand ist zart wie Traum,
Des Schiffes Mast zur Nacht, der Wogen Wut,
Die Sterne hängen still im leeren Raum,
Der Mond schwebt auf des Weißen Stromes Flut.
Bin ich berühmt als Sänger und Poet?
Vom Amt ich scheide einstmals alt und krank.
Wem gleiche ich? Vom Wirbelwind verweht,
Wie überm Meer die letzte Möwe blank.
Ich hielt das Blatt Papier mit dem Gedicht
Zur Kerze hin und las mit Fieberwangen.
Fürwahr, die Morgenröte graute nicht,
Das Lied verklang, das Licht ist ausgegangen.
Die Augen sind erloschen und die Kerzen,
Ich saß im Dunkeln, dachte an den Tod.
Der Wind wühlt Wogen auf mit wilden Scherzen,
Der Sturmwind pochte wütend an das Boot.
Die blauen Berge stehen in der Ferne,
Das Wasser ist wie Nebel über Glas,
Zugrunde gehen auch des Herbstes Sterne,
Und alles muß verwelken wie das Gras.
Der roten Lotosblume Kleid sinkt nieder,
Ihr dunkler Duft erlischt. Schau diese Schau:
Der Herbst glänzt auf den goldnen Blättern wieder
Mit weißem Frostreif und kristallnem Tau.
Die schöne Dame schweigt von ihren Leiden,
Wie grenzenlos sich ihre Leiden dehnen,
In ungewöhnlich kurzem Kleid feinseiden
Seh ich sie an Balkones Brüstung lehnen.
Ein erster Hügel und ein zweiter Hügel,
Des Meeres Nebel kalt, allein das Boot,
Die Berge hoch, der Himmel wie ein Spiegel,
Der Ahorn des Erinnerns scharlachrot.
Die Aster blühte und verwelkte wieder,
Im Norden fliegt die Gans zum Horizont,
Der Mann ist noch nicht da, die Frau schaut nieder,
Der Vorhang weht im Winde unterm Mond.
In Tschang-an sehe ich den Sichelmond,
Die Frau seh ich vorm Tor den Teppich klopfen,
Der Sturm von Horizont zu Horizont
Stürmt unaufhaltsam, schon die Himmel tropfen.
Das weckt mir meine Sehnsucht nach der Grenze,
Wann über die Barbaren kommt der Sieg?
Ich sehn mich in dem Herbste nach dem Lenze,
Wenn Friede herrscht! Genug hab ich vom Krieg!
Wie unaufhaltsam strömt des Flusses Flut,
Wie weint die Frau von trauriger Gestalt,
Die Sonne sinkt, der Sturm ist voller Wut,
Der Herbstwind heult im roten Ahornwald.
Nicht reiß ich ab die grünen Weidenzweige,
Die hangen vor dem blauen Pavillon,
Nur bei dem stillen grünen Wasserteiche
Ich pflücke Lotos mir für den Balkon.
Dein Pferd sich an den Zaun des Gartens stellt,
Doch sonst ist nichts zu sehn an diesem Ort.
Die Wolken galoppieren übers Feld,
Wo blutig wütet Krieg und Menschenmord!
Von dem Balkon sah ich die Mondin dort,
Sie stieg herab, ihr Gruß glich einer Glocke,
Ihr Gruß: von Menschen nie gehörtes Wort,
Der Herbstwind zupft am Gürtel und am Rocke!
Vorm leeren Fenster Bambusbüschel wehen,
Es riecht das Haus nach Rauch, im Haus kein Gast,
Vorm Tor des roten Erdenstaubes Drehen
Und in den Straßen dieser Welt nur Hast.
Der Tao-Meister mit der Seele Brunst
Lernt Weisheit von den unsichtbaren Geistern,
Unsterblichkeit ist eine fromme Kunst,
Mit Zucht die Seele jahrelang zu meistern.
Wo nackter Felsen den kristallnen Quell
Vorsprudelt aus dem makellosen Munde,
Der Schleier grün, das Kleidchen rötlich-hell
Sich spiegelt in des Flusses Wassergrunde.
Und wo der Bauer und der Bürger nicht
Den kennen, der im Dienst des Kaisers stand,
Dort lockt es mich, zu lesen das Gedicht
Vom Süden und vom wahren Blütenland.
Der Busch ward grau vom abendlichen Tau,
In welken Blättern macht der Wind Geräusche,
Die rote Anmut ging zur Ruhe, schau,
Die schwarze Schönheit neigt sich süß, die keusche.
Dem Eremiten angesichts des Bildes
Erscheint vergänglich dieser Erde Größe,
Sein Herz begehrt nur noch ein Keusches, Mildes,
Frau Armut in der radikalen Blöße!
Den Jünger frug ich bei den alten Föhren,
Allein der Meister Kräuter sammelnd hätte
Sich aufgemacht zum Gipfel, musst ich hören,
Wo tief die Wolken, unbekannt die Stätte.
Wie kann die Seele fliehen vor dem Schein,
Dem Staub und Lärm der Welt entfliehn ins Helle?
Voll Scheu befrage das Orakel rein
Und kehre heim zur Pfirsichblütenquelle!
Willst du erwachen aus der leeren Lust
Und dienen Gott mit Werken und mit Worten,
Ersehnt die reine Liebe deine Brust,
Verpflanz die Seele in der Mönche Orden!
Die Glut der Prüfung lässt die Seele blühn
Zum Ernst und zu der Reife im Gemüte,
Und unterm Hauch der Kraft und Tugend kühn
Eröffnet sich dir bald der Weisheit Blüte!
Der Weg war leer, da ritt ich Philosoph
Und Dichter ohne einen Weggefährten,
Nur Ruh und Schlummer noch im Klosterhof
Kann heute mir erfüllte Hoffnung werden.
Als nachts ich in dem Föng-ting-Tempel ruhte,
Hob ich die Hand, die Sterne anzustecken.
Da sprach ich leise flüsternd nur, um gute
Dämonen nicht durch Reden zu erschrecken.
Den Quell umkränzen Kräuter auf den Wegen,
Die Wolke glüht in kühlen Windes Nichts,
Der Bambus zittert nach dem kalten Regen,
Den Berg verschönt der Glanz des Abendlichts.
Am Teiche sitzt die Lotosblume blühend,
Bereifte Astern schaun mit trüben Blicken,
Voll Anmut um ein Lächeln sich bemühend,
Eh die Gewitter zornig sie zerknicken.
Sie frösteln wie die unvermählte Tugend,
Die welkt bereits in ersten Sorgenfalten.
Wer malte dieses Bild verwelkter Jugend?
Den Meister Lattenknecht nennt man den Alten.
Dem schönen Baume weht der Westwind zu,
Im Boot der Herbst mit schwerem dunklem Wein,
Ich schau den Wolkenflug im Lande Wu,
Da fällt mir manche frühe Reise ein.
Leis singe ich ein Lied zur Laute klar,
Häng vor den Spiegel einen Vorhang zart,
Der gestern noch ein wilder Jüngling war,
Ich habe graue Haare nun im Bart.
Am Abend spielen Amseln ihre Flöte,
Die Wildgans zieht davon mit Scheidegruß,
Auf Meeresschäumen treibt die Abendröte,
Die Wolke weinrot spiegelt sich im Fluß.
Die Gräser schäumen aus dem Inselmund,
Das Rot des Ahorns glüht im Garten weit,
Am Strande ist von Meerschaum naß der Grund.
Gelang dem neunten Mond sein schönstes Kleid?
Ein Wanderfalke flog am Himmel fern,
Im Huang-He ein Möwenpärchen trieb,
Er schlug sie in dem Namen seines Herrn,
Die sorglos schwammen in dem Weltbetrieb.
Im Sumpf, der feucht vom Tau und von der Liebe,
Spinnweben wehten unverbunden, schauernd.
Der Himmel suchte heim das Weltgetriebe,
Ich stand allein, um alle Wesen trauernd!
Vereinsamt wie ein Waisenkind der Mond
Und leuchtet auf das Boot in stiller Ruh,
Der Weiße Sternenstrom am Horizont
Strömt strahlend grenzenloser Ferne zu.
Zuhause kennt man weder rechts noch links
Und weiß auch nicht, dass hier mein Anker fiel.
Der Nebel auf den steilen Bergen rings
Mir nichts beschert als Herzensschmerzen viel!
Die Nebel über kalten Wassern hingen
Und überm Strande treibt der Mondin Schein,
Als nachts wir mit dem Boot vor Anker gingen,
Als ausgeschenkt ward schwerer dunkler Wein.
Von einer Seelenpein des Heimatlosen
Weiß nichts die Dame, die so schön aussieht,
Die unter Herbstes welken Scharlachrosen
Leis flötet ein verliebtes Frühlingslied!
Der achte Mond den Reif zur Erde schickt,
Das Gelb der Trauerweiden ist immense,
Des Herbstes Sturm den Himbeerstrauch zerknickt
Und in den süßen Süden ziehn die Gänse.
Am Deiche schäumt die Flut, die Mondin scheinend
Schaut aufs Gebirge aus dem Wolkenhaus,
Und auf dem Berg des Himmelszeichens weinend
Ich steh und schaue nach der Heimat aus.
Beim Tau kann ich bereits vom Nebel sprechen
Und wie im Frost verwelkt der Astern Röte,
Das Wetter stürmt, so dass die Weiden brechen
Und meine Träne tropft zur Jadeflöte.
Der Turm am Fluß gebaut ist nach der Regel,
Am schwarzen Berg der Abendsonne Fest,
Die Nacht kommt und nach Hause kommen Vögel
Und schrill die Elster schreit nach ihrem Nest.
Wo bleib ich, wenn der Herbstwind durch den Raum
Mit seinen Wildgansschwärmen sausend kam,
Am Morgen einfiel in des Hofes Baum
Und den der Pilger schon so früh vernahm?
Im letzten Licht trat ich ins Städtchen ein,
Bedrückt, mit wem ich rede in der Welt,
Den frommen Weg gehn Menschen nicht mehr, nein,
Der Herbststurm erntet in dem Hirsefeld.
Ich steh am Deich, wo Sonnenstrahlen starben,
Ich schwanke, ob ich gehen soll allein,
Die Bäume stehen schon im Herbst der Farben,
Die Berge in der Abendröte Schein.
Der Herbsttau steht im Graben an die Waden,
Ein kleines Boot treibt vor die Mauer bang,
Zur Abendfrische sich die Pferde baden,
Im Grün der Gräser schwirrt Zikadensang.
Die Nüsse reifen mit dem Regen, schau,
In achten Mondes Nebel reift der Pilz,
Zur Morgendämmerung fällt weiß der Tau,
Da denk ich an den samtenblauen Filz.
Der Herbstfrost färbte schon die Blätterhand
Des Birnbaums rötlich und so klar wie Glas.
Ich schaue östlich zu dem fernen Land,
Zu Ebenen von weitem Wiesengras.
Der Heimatflecken liegt im fernen Äther,
Die Sonne ruht, ganz einsam meine Reise,
Die Flüsse irren durch das Land der Väter,
Zur Grenze hinführt meine Straße leise.
Des Wächters Rauch will sich nicht weiter dehnen,
Am dunklen Berg stehn alte Kiefern frei.
Ach, wie ertrag ich dieser Stunde Sehnen
Und dieser wilden Affen Wollustschrei?
Im Hinterhof der Boden grau, vertraut,
In dem Kastanienbaum die Krähen wüten,
Der kühle Abendtau kommt ohne Laut
Und netzt wie Liebesgruß des Zimtbaums Blüten.
In dieser Nacht die Menschen gehn heraus
Und schauen zu der Mondin Vollmilchschenke,
Doch keiner weiß, an welchen Weibes Haus
Im Herbstmond einsam ich voll Liebe denke.
An jenem runden Felsgebirg entlang
Der Sand glänzt licht wie Schnee und Silberstreif
Und auf dem Mauerwall von Schou-dschiang
Des Mondenscheines Schleier fällt wie Reif.
Wer schlaflos in der Nacht die Zeit verliert,
Wirft um den Mantel, tritt vors Tor und lauscht,
Die Mondin kühl, des Herbstes Bambus friert,
Der Wind ist schroff, die Nacht am Fenster rauscht.
Im alten Park von gelber Blätter Schauer
Liegt voll das grüne Moos am klaren Born,
Nach dunklem Traumbild wehklagt an der Mauer
Schon in der Morgenröte früh das Horn.
In dieser Nacht ward mir ins Herz gesendet
Von andern ungesehen Schmerzen schwer,
Ich ging im Schein der Mondin halbvollendet
Als ruheloser Schatten hin und her.
Beim Han-Paß drehen sich die Wagenachsen,
Eintausend Li zur Heimatstadt die Fahrt.
In einer Nacht voll Herbststurm ist gewachsen
Bereits das graue Haar in meinem Bart.
Im grünen Bambushain des Klosters Gut,
Am späten Abend Bronzeglocken klangen,
Die letzten Strahlen an dem Binsenhut,
Als du durch blaue Berge heimgegangen.
Ich sah ihm in den Bergen nach zum Schluß
Und schloß das Gartentor am Abend hier,
Wenn einst der Frühling blüht im Überfluß,
Kommt dann mein Enkel noch einmal zu mir?
Das grüne Gras am Ufer wächst der Teiche,
Des Tages Sonne ward herabgestuft,
Im gelben Schilf voll Fieberdunst das weiche
Und sanfte Herz des Teichhuhns leise ruft.
Ein Mann treibt schaukelnd fort durch Rohr und Ried
In seinem Kahn mit einem Herzen schwer,
Noch lange tönt voll Weh sein Abschiedslied
Vom Wasser durch den Abend deutlich her.
Im Rausch bist du vom Haus am Fluß geschieden,
Wo die Orangen glühen mannigfalt,
Vom Fluß ein Nebel ging herum hienieden
Und drang in meinen Kahn so frostig kalt.
Ich dacht, wie weit der Weg für einen Mann
Im Mondschein bis zum Siang-Berg, dem schönen.
Voll Trauer hörte ich die Affen dann
Um Mitternacht in meinen Träumen stöhnen.
Ein Affe brüllt, der Gast bricht auf allein,
Es nachtet und der Mond wird immer gelber.
Der Mensch macht selber sich die Seelenpein,
Der stille See ruht sicher in sich selber.
Zusammen wir in dem Exil, im Leid,
Doch du musst weiter fort, in neue Not.
Tiefschwarze Berge stehen meilenweit,
Dazwischen wie ein Waisenkind dein Boot.
Im Stall die Tiere sind zur Ruh gebracht,
Die Dame schloß schon ihre Gartentür
Und Wind und Mond in dieser klaren Nacht
Und Fluß und Berg sind keine Heimat mir.
Ein Felsquell fließt an Bergeswänden dicht,
Vom Gras der Tau zur Wurzel tropft beglückend.
Wie muß dem Graubart doch im Lampenlicht
Der Blüte letzter Rest doch sein bedrückend!
Ich rate dir, des Kelches Gottessegen
Nicht abzulehnen, trink das Blut der Reben!
Schon kommt die Dunkelheit mit vielem Regen
Und voller Abschied ist des Menschen Leben.
Der ich mit dir am Flötenteiche trank,
Im blauen Licht sah ich der Mondin Macht.
Der Silberreiher floh vor dem Gesang
Und hob vom Meeresstrand sich in die Nacht.
Der Silberreiher senkt sich auf die Flut
Allein und wie der Reif fällt auf das Land.
Voll Ruhe vor dem Weiterfliegen ruht
Er einmal hier noch an dem Inselstrand.
Die Silbermöwen in den Lüften schweben
Und stürzen auf die Meeresflut herunter.
Im Westen lebten früher sie ihr Leben,
Im Traum erinnern sie sich an das Wunder.
Ich fühlte mich nicht wohl, mir war so nächtig,
Ich sah, das alte Feld war noch das selbe,
Die Abendröte ungewöhnlich prächtig,
Dann kam des Abends Zwielicht an, das gelbe.
Die bleiche Sonne sinkt, die Berge blauen,
Ins Meer stürzt Gelben Stromes Wellensturm,
Mein Auge möchte in die Ferne schauen
Und also steig ich einsam auf den Turm.
Im Nordgefilde, in dem Hügelland,
Dort reiht sich Grab an Grab in stiller Trauer.
Die alten Bäume stehn im Herbstgewand,
Die alten Stämme dort an Lo-yangs Mauer.
Zur Abendstunde in des Klosters Schoß
Die Bronzeglocken tönen Halleluja.
Doch in dem Norden hört man rauschen bloß
Die immergrünen Lebensbäume Thuja.
Voll Schwermut ist der Blick, der schlaflos kühl,
Und jährlich näher kommt des Lebens Grenze,
Ein müdes Herz und voll doch von Gefühl
Und nicht vergessen kann der Jugend Lenze.
Die Kerze schmilzt, dann ihres Lichts beraubt,
Kommt nach der Nacht das Morgenrot, das klare,
Da senkt der Friede leis sich auf das Haupt
Des Mannes, der zählt fast schon fünfzig Jahre.
Grau schon der Bart, der Bart wird immer länger,
Und immer öfter tropft der Trauer Tau,
Vorm Spiegel werden meine Augen enger,
Wann kam in meinen Bart denn dieses Grau?
Die guten Werke und des Dichters Ruhm,
Viel Fehler muß bekennen ich in Leisheit.
Ich prüfe meiner Liebe Martertum
Und frage: Wie und wo erkenn ich Weisheit?
Du folge dem, was Gott dir offenbart,
Vielwissen macht dich noch nicht wirklich weise.
Zwar grau der Bart, was ist ein grauer Bart?
Das ist nicht viel, so sprach der Weise leise.
Die Jahreszeiten und das Weltgetriebe
Und in den Nächten drängen sich die Frommen,
Die Sonne steigt, geboren wird die Liebe,
Der neue Liebesfrühling bald wird kommen!
Sie näht ein Kleid und stickt die feinen Fädchen,
Daß er nicht länger nach den Winden hasche.
Die Flöte spielt für ihn sein altes Mädchen,
Die Funken stieben aus der grauen Asche.
Das Weihnachtsopfer opfert sich den Welten,
Die Weidenkätzchen suchen nach dem Schaume,
Bergwälder sich im weißen Schnee erkälten,
Bald aber seufzend spaltet sich die Pflaume!
Der Wesen Nebel ist noch ungeschieden,
Auch in der Heimat schwebt der Nebel fein,
O Knabe, schenke ein den Seelenfrieden,
In dieses Bechers Schoß den heißen Wein!
Zum Himmel strebte einst mein Seelenflügel,
Nun humpelnd muß ich vor dem Alter schauern!
Wer wusste, dass im unbefleckten Spiegel
Das Urbild seinen Schatten muß betrauern!?
ZWEITER GESANG
VOM FRÜHLING
Das neue Jahr ist in dem scharfen Wind
Noch ohne Blüten aus den Paradiesen,
Im Februar, im zweiten Mond beginnt
Der ersten Krokosknospen zartes Sprießen.
Die Trauerweide ohne Lebenskraft
Schon ragt hervor mit ihrem sanften Holz,
Im Teiche kräuselt sich des Wassers Saft,
Kristallnes Eis von erster Wärme schmolz.
Jetzt weiß doch keine Seele ausgeruht,
Was sie geplant und was sie nun beginnt.
Zur gleichen Stunde kam die Frühlingsflut,
Zur gleichen Stunde kam der Frühlingswind.
Der Abend dämmernd senkt sich auf das Land,
Die Kinder kehren heim im Abendrot.
Die Vögel fliegen zu dem Meeresstrand,
Der Fischer einsam kauert in dem Boot.
Schon hat zerstreut der Schnee sich strahlendweiß
Und durch der linden Lüfte heitern Tanz
Schon öffnet sich die Decke auch aus Eis
Und wärmer wird des Landes süßer Glanz.
Es schmilzt der Lenz heran, es offenbart
Der Frühling sich mit blauen Bandes Streif.
Allein mir bleibt in meinem langen Bart
Ein Saum von Silber doch, des Alters Reif.
Beim Schloß das neue Gelb des Frühlings sproß,
Das neue Gelb durchbrach der Weiden Holz,
Hauchzart das Eis auf jenem Teich am Schloß
Noch nicht vollkommen von der Sonne schmolz.
Wie viele Menschen stehen auf dem Posten,
Von dieses Frühlingstages Glück zu sagen?
Gott fragend, blick ich aufwärts in den Osten,
Gott fragend, staun ich an den Großen Wagen.
Der Gelbe Fluß taucht auf aus weiter Ferne
In der gewobnen Wolken Meisterwerk,
Ich seh die weltentlegne Stadt der Sterne
Hoch auf dem himmelhohen Weltenberg.
Du kommst aus meiner Heimat wie ein Traum,
Kennst du denn meines Heimatlandes Leid?
Trug, als du fortgingst, schon der Pflaumenbaum,
Der alte Pflaumenbaum sein leichtes Kleid?
Ich sah die Pflaume blühen, meine Leser,
Ich hörte Vögel zwitschern in der Steppe,
Voll Sehnsucht schau ich auf die Frühlingsgräser,
Auf das Zitronengras an meiner Treppe.
Im Hochland kam des Frühlings Licht bescheiden
Vorzeiten später in die grünen Gärten.
Im März noch hingen von den Trauerweiden
Nicht nieder die gebognen Weidengerten.
Doch heute brach beim Schein der Sonne weit
Das Eis auf vor dem harten Mauerwall,
Das ist in Tschang-an eben jene Zeit,
Da segnend segelt süß der Blütenfall.
Dem Lenz zuerst erschloß sich süß die Pflaume,
Dann kam die Kirsche und die Aprikose,
Die Birne, Pfirsich dann im Blütenschaume,
Dann an der Hecke blühte rot die Rose,
Die Tulpe dann und das bescheidne Veilchen
Im alten grünen Dorf, dem kindlichfrommen.
Zu mir auch wird nach einem kleinen Weilchen
Die Lenzluft mit der süßen Liebe kommen!
Die Tage werden länger, Lüfte lau,
Die Weiden werden gelb wie Honigseim,
Nach Norden fliegt die weiße Wildgans, schau,
Durch hohe Himmelshöhen kehrt sie heim.
An Yo-yangs Mauer hört man Liebesschmerz
Die Flöte tönen, süßes Wonne-Weh,
Das legt die süße Lenzlust mir ans Herz
Und füllt mit Liebe an den Dung-ting-See.
Der Liang-Park frühmorgens an den Tagen
Des Frühlings lässt von Krähen sich verschütten,
Am rosafarbnen Himmelssaume ragen
Zwei familiäre, drei geliebte Hütten.
Im Hinterhof die Bäume wissen nichts
Vom menschlichen Verwelken und vom Alter,
Der Frühling kommt mit jungem Glanz des Lichts,
Es rinnt die Zeit der Blüten und der Falter.
Von irgendwo im Dunkel lieblich-lind
Die Flöte tönt mit Liebesüberfluß,
Die Flöte mischt sich mit dem Frühlingswind
Und füllt die weiße Stadt am blauen Fluß.
So hör ich diese Nacht das Liebeslied
Von schmalen Weidenhüften, die sich spalten.
Ah, welchem Manne steigt nicht ins Gemüt
Verlangen nach der Heimat, nach der alten?
O welche Wehmut! Gestern Nacht im Traum
Die Seele wieder strich durch ihren Garten,
So wie in alten Zeiten, durch den Schaum
Der Blüten gleich dem Schmetterling, dem zarten.
Ein Wagen rollte da am Horizont
Und phönixgleiche Pferde sehr geschwind.
O süße Wehmut! Blütenmeer und Mond
Entfalten lustvoll sich im Frühlingswind.
Ich schließ die Tür und scheuch den Schmerz, den frommen,
Doch geht der Schmerz nicht fort aus dem Gemüt.
Was aber, wenn die Frühlingslüfte kommen
Und doch der Schmerz nicht aus dem Herzen flieht?
Ich frage, wo im alten Garten steht
Der Weise, der so manchen Kummer heilt,
Der manchmal kommt und immer wieder geht
Und oftmals lächelnd unter Menschen weilt?
Beim Schlossteich einsam im Nordosten seh
Ich einen Pavillon, erfüllt von Glück,
Nach langer Trennung bittersüßem Weh
Fand selig ich in diesen Raum zurück.
Nun bitte ich die Magd des Herrn allein,
Daß sie die Stube fegt mit ihrem Schleier!
Ich selber bring die Flasche voll mit Wein
Und greife in die Saiten meiner Leier.
Den Inselsüden ich durchstreif am Morgen,
Den Inselnorden ich durchstreif am Abend.
Der Insel Seegevögel ohne Sorgen
Ist innig gern den alten Weisen habend.
Wie süß der Lenzhauch war am Gartenhaus,
Die Weidenranken mich umschlangen traut,
Die Amseln gingen bei mir ein und aus,
Beim Abschied weinte eine Amsel laut!
Der Nebel schimmert schön wie Silberschnee,
Die schlanke Weide leise lächelnd lauscht,
Kein Wunder, dass von tristem Abschiedsweh
Und violettem Wein ich bin berauscht!
Noch halte ich das Zepter meiner Rute,
Die an den Himmel meine Liebe schreibt,
Da stockt des Herzens Lust, es weint der Gute,
Der einsam an dem tristen Ort verbleibt!
Im Raume quillt der blaue Rauch, mein Herz,
Den vollen Becher halt ich in der Hand,
Die Leier singt von meinem Abschiedsschmerz,
Der Weg der Trennung schleicht sich durch das Land!
Die Sterne bergen sich beim Baume dort,
Der Gelbe Strom strömt in die Dämmrung schön.
Du aber gehst so weit von Lo-yang fort!
Wann feiern wir erneut das Wiedersehn?
Kein Ort am Wall im Frühling, wo nicht will
Die Blüte tanzen in dem Kleid feinseiden!
Im Wind vom fernen Osten im April
Stehn schief gekrümmt die alten Trauerweiden.
Zur Abendzeit die Glut das Wachs erweicht,
Die Kerzen schenken Lichtglanz immer leiser.
Ein zarter Nebelschleier schimmernd schleicht
Um den Palast der gottgesalbten Kaiser.
Der Abend kam, der Wind mit leichtem Schauer,
Die Blüte flog wie Schnee, der rosa glühte,
Umschwebte leicht des alten Schlosses Mauer,
Doch niemand schaute an die schöne Blüte.
Ich seh die Blüte, die nicht blühen will,
Den Nebel, der nicht wallen will, verwehen,
Es kommt die Mitternacht im Mond April,
Die Sonnenstrahlen fort vom Himmel gehen.
Da kommt zu mir ein Frühlingstraum voll Brunst,
Rasch fliegt der Traum vorbei, wird eilig alt,
Er schwindet wie der leichte Morgendunst.
Wo ist in all dem Wandel fester Halt?
Nach Osten strömt der Fluß im Wellensturm
Durch schrankenlosen Frühlings Blütenraub,
Des alten Kaiser-Schlosses stolzer Turm
Vollkommen schon verfallen ist zu Staub.
Der Wandrer nimmt im Abendrot den Lauf
Den Deich hinauf und schaut die Erde an,
Der Frühlingssturm bläst Pappelblüten auf,
Und Heimweh, Wehmut, Sehnsucht schmerzt den Mann!
Die Bäume hüllen Nebelschleier matt,
Der Ostwind treibt zum Strand die Wellen, schau,
Pastell der Lenzpalette farbensatt!
Doch abends ist die Kälte scharf und rau.
Die Wächter trommeln auf der Trommel heute,
Verstummt die Vögel durch die Wälder gleiten.
Da denkt er an des hohen Festes Freude,
Der Seidenärmel weinrot streicht die Saiten.
Als gestern Nacht im stillen Brautgemach
Der Lenzwind anhob mit der Liebeswut,
Da rief der Lenzwind in der Dame wach
Erinnrung an des Gelben Stromes Flut.
Dann auf dem weichen Pfuhl der Augenblick
Im Lenztraum kam, den sie genossen gerne,
Der trug sie schließlich in des Südens Glück,
Viel tausend Li in die ersehnte Ferne.
In blassem Leuchtglanz sinkt der Mondin Licht,
Orion sinkt, es sinkt der Große Wagen.
Mein Liebling, kommst du oder kommst du nicht?
Mein Liebling, zeitig sollst du mir es sagen!
Ah, gestern Nacht ging auf der Dame Schürze,
Heut morgen krabbelte des Segens Spinne,
Sie nimmt die Schminke und des Salböls Würze,
Kommt bald zu ihr doch der Gespons der Minne.
Straff lag am straffen Leib der Seidenstaat
Und lose hing der Liebreizgürtel nieder,
Gehobner feiner Augenbrauen trat
Ans offne Fenster jene Dame wieder.
Den weißen Schaum vom seidnen Unterrocke
Ein kleiner Windstoß hob dem schönen Kind,
Bis offen stand der Rock, wie eine Glocke
Dem Schlegel, dem verspielten Frühlingswind.
Am Weg des Schlosses grünt des Frühlings Gras,
Die Blütenzweige duften durch das Land,
In mir ist Sehnsucht ohne Unterlaß
Und Wünsche, die den Menschen unbekannt.
Zuerst die Blüte aufging an der Quelle,
Der Herr alltäglich schleicht nun hier vorbei,
Ich bitt die Röte und die Rosahelle,
Gleichzeitig nicht zu blühen in dem Mai.
Wer setzte diese Trauerweiden fest
An diesem Graben, den der Bauer schuf?
Ach, schlinge nicht dein Band durch das Geäst,
In ihnen wohnt der Grille Klageruf!
Vorm Haus der schönen Dame Huang Si
Am Teiche blüht es zu dem Frühlingsfest
Und tausend süße Blütentrauben, sie
Beschweren schwülen Duftes das Geäst.
Dort seh ich stets das Liebesspiel der Falter
In den gewohnten Hochzeitstänzen frei,
Dort spielt auch der Pirol den frommen Psalter
Und seine Flöte bläst den Jubelschrei!
Der reinen Blüte Pracht gen Himmel fuhr,
Von nahem kaum zu sehn die Blumensterne,
Der reine Duft sank nieder zur Natur
Und ward empfunden nur aus weiter Ferne.
Der frische Frühlingswind ist dir gewiß
Sehr zugetan in zärtlich-zarter Zier,
Darum er auch vom Zweig die Blüte riß
Und gab die weiße Pflaumenblüte dir.
Ich sah im roten Straßenstaub bescheiden
Die Dame, hob zum Gruße meine Peitsche:
Bei all den Türen unter Trauerweiden,
Wo wohnt die Dame, diese sinnlich-keusche?
Das grüne Gras mit Faltern im Geschwirre,
Die gelbe Weide mit dem Kätzchenschaume,
Die reine Pfirsichblüte lächelt irre,
Schon tut sich auf der Blütenkelch der Pflaume.
Der Ostwind müßig, süßer Leidenschaft,
Mit seinem Blasen kann der Trübsal wehren,
Der Frühlingssonne frische Lebenskraft
Gedeihen lässt das liebende Begehren.
Mit rotem Mund und langer Wimpernlasche
Die Schöngeschminkten feiern bis zum Morgen,
Da lös ich von der alten edlen Flasche
Voll violetten Weins den harten Korken.
Die Flöte in dem Abendrot zuletzt
Den Gast zerstreut im vornehm-schönen Städtchen,
Der schwer berauscht sich schließlich selig setzt
Zum kaum verhüllten wunderschönen Mädchen.
Der Wachs tropft von der Kerze in der Nacht,
An deinem Ärmel klebt das Pfirsichblatt,
Des Weines Lust und purpurrote Pracht
Befleckt dir deinen Schoß, o Mädchen matt.
Und du entzogst dich nicht! Bis zu dem Bittern
Warst du Genossin meinem Trinkgelage!
Doch später wirst du in Erinnrung zittern
Und Buße sind dann deine alten Tage.
Wo sanft und still der Lenz im Blütenkleide
Bestreut mit reinen Blüten den Balkon,
Die schönen lieben Frauen wandeln Seite
An Seite in dem Purpur-Pavillon.
Es schwirrt den lieben Frauen wirr im Kopf,
Was Nachts in dem Palast geschehen dort.
Doch unwirsch dreht der Papagei den Schopf,
Da wagt kein süßes Weibchen mehr ein Wort.
Das Flötenspiel von der verführten Zofe
Ist zart und fein wie Blütenduft verklungen.
Die Schaukel schaukelte im Hinterhofe,
Die Nacht ist schwer und schwül herabgesunken.
Vom Frühling müde, spürt sie nichts vom Dämmern,
Still lauscht sie bloß der Vögel Flötenspiel.
Ein wilder Sturm blies nachts beim Sternenflämmern,
Wie viele Blüten fielen, ach wie viel?
Im kleinen Garten schweigt der Amsel Wort,
Am Tore tanzen Falter mit dem Mai.
Schau, leise geht und rasch der Frühling fort
Und deine Sänfte kommt nicht mehr vorbei.
Die Zweige flechten Schatten und ich denke
An das verschlossne Tor und an die Frau.
Die sanften Frühlingsfarben sind Geschenke
Von Himmelsregen und von Morgentau.
Der Dame Sänfte kommt nicht mehr zum Platz,
Dem Frühling, scheint es, nun der Abschied frommt.
Mir bleibt nichts übrig als der Amsel Schwatz,
Bis ruhevoll die Vesperstunde kommt.
Im weichen Weiß des goldnen Nachthemds licht
Sitzt sie und hebt die dunklen Augenbrauen
Und von der Müdigkeit ihr Angesicht
War wie ein offnes Lebensbuch zu schauen.
Nun aber nimmt sie an dem Fenster Platz,
Verträumt und eigensinnig und allein.
Der goldnen Leier und des Sittichs Schwatz
In ihrer Seele stimmen überein.
Im Vorhof weiße Blüten, scheu die zagen
Im Wind vom Birnbaum voller Gnade nicken
Und nur die Amsel bringt ein Unbehagen,
Drang in des Schlosses Stille doch ihr Picken.
Schräg lehnte sie sich auf des Lagers Kissen
In namenloser Schwermut Weltgesetz,
Der Gürtel schlaff, die Seide leicht zerschlissen,
Auch sinkt der dunklen Haare goldnes Netz.
In weite Ferne nun der Frühling geht,
Doch bleibt bei ihr, was er geschenkt erlabend,
Die dunkle Nacht bedeckt die Blüte spät,
Im Westen sinkt herab der Weltenabend.
Auf jene wilde freie Rotfuchs-Quelle
Die Weidenblüte schwebt, die ich begehrt,
Sie folgt dem Fluß, gen Osten fließend helle,
Und nie zurück zu meinem Herzen kehrt.
Die Blüte und das Wasser ziehen fort,
Gedankenlos und in der Demut stolz,
Der Wind trennt meinen Ort von ihrem Ort,
Von jener Zweisamkeit, die süß verschmolz.
Bei Hua-yang ich schaute in die Sterne,
Die elfenzarte Pfirsichblüte sproß.
Ich trink den Wein, denk an die Blüte gerne,
Mein Herz ist sich sein eigner Weggenoss.
Dort Zank und Streit, und dort im Lenz verborgen,
Die zwei sind nicht von gleichem Rotwein-Rausche!
Doch graut zur Frühe frisch der kühle Morgen,
Ich nur dem goldnen Weidenzweige lausche.
Die Blütenwoge gibt mir an dem Orte
Der tausendfachen Blütenflocken Grenze,
Das Land der Pfirsichbäume, ohne Worte,
Mit süßer Pflaume dienen sie dem Lenze.
Dazu noch einsam eine Flasche Wein
Und nur für mich die Seiden-Angelschnur.
Weltmenschen kann es nicht so selig sein
Wie mir allein im Schoß der Gottnatur!
Der süße Wind des Frühlings ist mein Ruder,
Das Boot ein Blütenblatt, ein weißes Laken.
Die Angel seiden, wenn auch falsch der Bruder,
Hängt heiter an der Angelschnur der Haken.
Das Land voll Blüten allen meinen Sinnen,
Vom warmen Weine ist der Becher weit,
In tausend Bechern Flut des Weines drinnen,
Die Gottheit meiner Unabhängigkeit!
Im Süden heute grenzenlos sich legte
Die reine Pfirsichblüte scheuer Scham.
Ich war davon der zärtlich tief Bewegte,
Weil diese Blüte schön von selber kam.
Die Sonne sank, der Nachtwind blies die Zier
Der Pflaumenblütenröte in den Grund,
Kein Schriftgelehrter löst das Rätsel mir,
Für wen geblüht ihr roter Blumenmund.
Zur Stunde, da ich heimgekehrt von weit,
Die süße Blüte war von Röte schwer,
Jetzt aber in der Nacht zur Schlafenszeit
Der Zweig ist wie das leere Nichts so leer.
Das Grün der Anmut schaut wie stiller Schlummer,
Das Rot des Rockes dunkelt schon dahin.
Das Blumenherz will brechen mir vor Kummer!
Woher kenn ich der Frühlingsfarben Sinn?
Die Amsel ist in dunkle Nacht geglitten,
Die Schwalbe plaudert von der Frühlingsnacht.
Warum bist du zum Tor hinausgeritten?
Warum kennst du nichts andres als die Schlacht?
Die schöne Frau steht nackt im Badezimmer,
Weiß nichts von Sorgen um des Körpers Kerker,
Zum Lenztag schminkt sie sich mit Röte-Schimmer,
Dann tritt sie hin zum vorgewölbten Erker.
Da plötzlich sieht am Wege sie die Zier,
Der schlanken Weide grüne Farbe tagt.
Doch Kummer macht der Ehegatte ihr,
Der nur nach harten Waffenwerken jagt.
Die Gänse ziehen hohen Fluges fort,
Verlassen nun den schönen Tai-dji-Teich,
Die frischen Blüten blühen rein am Ort,
In Büschen blühen Blüten seidenweich.
Das Jahr ist voller Pracht, von Licht erhellt,
Des Lobes wert ist dieses Lenzes Land,
Und dennoch ist des Frühlings Glanz der Welt
In ihrer Blindheit meist ganz unbekannt.
Wer krank darniederlag, wer keine Werke
Tun konnte, wem umsonst die Tür stand offen,
Steht heute morgen neu mit neuer Stärke,
Bestärkt von einem grenzenlosen Hoffen.
Ein ganzes Jahr lang stieg das Menschenkind
Nicht zur Pagode, trunken dort zu taumeln,
Wo müd und müßig in dem Frühlingswind
Des roten Weines rote Wimpel baumeln!
Die Frauenwelt hat mir das Herz zerschunden!
Betrübt zu Tod mein müder Leichnam schleicht!
Der Lenzhauch weiß von meinen Seelenwunden!
Der Schmerz wird nicht von Lenzes Lust verscheucht!